Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 151; BVerfGG § 93 c Abs. 1 Satz 1; BVerfGG § 34 a Abs. 2; BRAGO § 113 Abs. 2 Satz 3;
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Zivilrechtsstreit über Ansprüche auf Minderung eines Reisepreises.
I.
1. Der Beschwerdeführer machte im Ausgangsverfahren gegenüber der Beklagten, einer Reiseveranstalterin, Ansprüche auf Minderung des Preises für eine Flugpauschalreise geltend. Die Beklagte hatte ihm zunächst außergerichtlich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für eine gerichtliche Entscheidung vergleichsweise einen Ausgleichsbetrag angeboten und einen Verrechnungsscheck in Höhe dieses Betrags übermittelt. Der Beschwerdeführer wies das Vergleichsangebot mit dem Bemerken zurück, der Scheckbetrag werde als Anzahlung auf den geltend gemachten Minderungsbetrag verbucht. Nachdem die Beklagte eine letzte vom Beschwerdeführer gesetzte Frist zur Zahlung der von diesem geltend gemachten Restforderung hatte verstreichen lassen, erhob der Beschwerdeführer Klage vor dem Amtsgericht.
Die Beklagte trat der Klage zunächst mit dem Vortrag entgegen, mit der vorbehaltlosen Einlösung des Verrechnungsschecks durch den Beschwerdeführer sei ein Vergleich zustande gekommen. Dem widersprach der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die unverzügliche Zurückweisung des Vergleichsangebots. Daraufhin teilte die Beklagte dem Amtsgericht mit Schriftsatz vom mit, dass ihr bisheriger Vortrag hinsichtlich des Vergleichsschlusses nicht aufrechterhalten werde. Dieser Schriftsatz ist am und damit vor der mündlichen Verhandlung am beim Amtsgericht eingegangen.
Das Amtsgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen, weil ein zwischen den Parteien geschlossener Vergleich weiteren, den Vergleichsbetrag überschreitenden Ansprüchen des Beschwerdeführers auf Reisepreisminderung entgegenstehe. Dieser Vergleich sei mit Einlösung des Verrechnungsschecks durch den Beschwerdeführer zustande gekommen. Des Zugangs einer Annahmeerklärung habe es nicht bedurft, weil die Beklagte, wie sich aus dem Inhalt ihres Angebotsschreibens und der Beifügung eines Verrechnungsschecks ergebe, stillschweigend darauf verzichtet habe. Für das Zustandekommen eines Vertrags nach § 151 BGB komme es darauf an, ob das Verhalten des Angebotsempfängers unter Berücksichtigung aller äußeren Indizien vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aus auf einen wirklichen Annahmewillen schließen lasse. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn der anbietende Vertragsteil dem Angebotsempfänger eine mit der Erfüllung des angestrebten Vertrags zusammenhängende, den Anbietenden beeinträchtigende Handlung nur für den Fall der Annahme des Angebots, also des Vertragsabschlusses, gestatte und der Angebotsempfänger diese Handlung vornehme. Etwas anderes gelte nur, wenn der Angebotsempfänger vor oder bei Scheckeinreichung auf andere Weise zu erkennen gegeben habe, das Vergleichsangebot nicht annehmen zu wollen. Mit der vorbehaltlosen Einlösung des Schecks sei hier der Vergleich abgeschlossen worden. Durch den später erklärten "Widerspruch" habe der Beschwerdeführer den Vergleichsabschluss weder verhindern noch nachträglich beseitigen können.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot. Die Feststellung des Amtsgerichts, zwischen den Parteien sei ein Vergleich zustande gekommen, sei willkürlich. Unstreitig hätten beide Parteien vorgetragen, dass ein außergerichtlicher Vergleich nicht geschlossen worden sei. Da auch sonstige Umstände, die die Auffassung des Gerichts rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich seien, sei die angegriffene Entscheidung unter keinem das Grundgesetz beherrschenden Gedanken verständlich.
3. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und die Beklagte des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot angezeigt ist (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
1. Danach ist ein Richterspruch willkürlich, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird. Davon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinander setzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>).
2. Gemessen daran kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 111, 97 <101 f.>; NJW 1990, S. 1655 <1656>), die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, kommt es für das Zustandekommen eines Vertrags nach § 151 BGB darauf an, ob das Verhalten des Angebotsempfängers unter Berücksichtigung aller äußeren Indizien vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aus auf einen wirklichen Annahmewillen schließen lässt. Ein solcher Schluss ist regelmäßig gerechtfertigt, wenn der Anbietende dem Angebotsempfänger eine mit der Erfüllung des angestrebten Vertrags zusammenhängende, den Anbietenden beeinträchtigende Handlung - wie die Einlösung eines übergebenen Schecks - nur für den Fall der Annahme des Angebots, also des Vertragsschlusses, gestattet und der andere Teil diese Handlung vornimmt, ohne das Angebot durch eine nach außen erkennbare Willensäußerung abzulehnen. Danach lässt sich die Auffassung des Amtsgerichts, zwischen dem Beschwerdeführer und der Beklagten sei ein Vergleich geschlossen worden, nicht aufrechterhalten.
In ihrem Schriftsatz vom ist die Beklagte klar und unmissverständlich von ihrem Vortrag in der Klageerwiderung zum Zustandekommen eines Vergleichs abgerückt. Sie hat ausdrücklich zugestanden, dass der Schriftsatz des Beschwerdeführers mit der Ablehnung des Vergleichsangebots bei ihr vor der Scheckeinlösung eingegangen ist. Danach ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die das Amtsgericht seiner Entscheidung ausdrücklich zugrunde gelegt hat, durch die Scheckeinreichung ein Vergleich zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Sonstige Umstände, die die gegenteilige Ansicht des Amtsgerichts stützen könnten, lassen sich weder der angegriffenen Entscheidung noch den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens entnehmen. Die Annahme eines Vergleichsabschlusses zwischen den Parteien dieses Verfahrens ist daher unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar, so dass sich das angegriffene Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers als objektiv willkürlich erweist.
b) Das Urteil beruht auf der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht bei erneuter Befassung mit der Sache, die den vorstehenden Ausführungen Rechnung trägt, zu einem dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt.
III.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO (zu den Einzelheiten vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
XAAAB-85993