Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BVerfGG § 93 b; BVerfGG § 93 a; BVerfGG § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b; BVerfGG § 93 a Abs. 2; EGBGB Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b; EGBGB Art. 233 § 12 Abs. 3; EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1; GG Art. 14; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 14 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3; GG Art. 14 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 14 Abs. 2;
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (im Folgenden: EGBGB) geregelte Verfahren zur Abwicklung der Bodenreform in der früheren sowjetischen Besatzungszone, das durch Art. 8 Nr. 2 Buchstabe g des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom (BGBl I S. 1257) geschaffen worden ist.
I.
1. Die Beschwerdeführerinnen sind Erbinnen des 1978 verstorbenen Eigentümers von Grundstücken aus der Bodenreform. Sie sind seit 1996 als Eigentümerinnen der land- oder forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke (Schläge) im Grundbuch eingetragen. Das Landgericht hat sie verurteilt, die Grund-stücke an das Bundesland, in dem sie liegen, aufzulassen. Die Berufung der Beschwerdeführerinnen hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen:
Da sie nicht zuteilungsfähig im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b, Abs. 3 EGBGB seien, stehe dem Land ein Auflassungsanspruch nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EGBGB zu. Diese Regelung verstoße nicht gegen Art. 14 GG. Allerdings sei das Eigentum an Bodenreformgrundstücken zu allen Zeiten vererblich gewesen. Mit der Aufhebung der so genannten Besitzwechselverordnungen der Deutschen Demokratischen Republik vom (GBl I S. 629) und vom (GBl I S. 25) durch das Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom (GBl I S. 134) sei die öffentlichrechtliche Überlagerung des Bodenreformeigentums entfallen mit der Folge, dass die Erben damit nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu ihrem privaten Nutzen hätten verfahren können. Dass diese Rechtsstellung seit dem dem Schutz von Art. 14 GG unterliege, begründe jedoch nicht die Verfassungswidrigkeit der Bodenreformabwicklungsvorschriften.
Das Gesetz vom enthalte eine offensichtlich planwidrige Regelungslücke. In der Rechtswirklichkeit der Deutschen Demokratischen Republik sei die in den Besitzwechselverordnungen angeordnete Übertragung häufig ebenso unterblieben wie die Rückführung der Grundstücke in den Bodenfonds. Die ersatzlose Aufhebung dieser Verordnungen habe daher zur Folge gehabt, dass es vom zufällig entfalteten oder auch nicht entfalteten Eifer der Behörden bei der Durchführung der Verordnungen abgehangen habe, ob den Erben das Bodenreformeigentum verbleibe. Es könne nicht angenommen werden, dass dies dem Willen des damaligen Gesetzgebers entspreche. Vielmehr sei davon auszugehen, dass dieser bei zutreffendem Erkennen der Rechtslage eine Übergangsvorschrift für die "hängenden Bodenreformfälle" erlassen hätte.
Die vorhandene Regelungslücke habe durch die Bodenreformabwicklungsvorschriften ohne Verstoß gegen Art. 14 GG oder das Rückwirkungsverbot geschlossen werden können. Sie griffen zwar im Wege echter Rückwirkung in das seit dem unbeschränkt bestehende Eigentum ein. Eine echte Rückwirkung sei jedoch zulässig, wenn der Betroffene mit einer derartigen Regelung habe rechnen müssen. Dies sei hier der Fall, weil das Gesetz vom die Rechtslage bei den "hängenden Bodenreformfällen" nicht eindeutig geklärt habe und im Hinblick darauf unter Berücksichtigung des Umstands, dass die gesetzliche Regelung in der Übergangszeit zwischen dem Zusammenbruch der Deutschen Demokratischen Republik und der Wiedervereinigung getroffen worden sei, nicht davon habe ausgegangen werden können, dass dieses Gesetz bereits die abschließende Regelung der Bodenreformabwicklung darstelle.
Die in Rede stehenden Bestimmungen verstießen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Anlehnung an die Besitzwechselvorschriften berücksichtige diese nur als Elemente des Sachverhalts, anhand derer unter Beachtung der seinerzeitigen Rechtslage das rechtliche Schicksal des betreffenden Grundstücks ungefähr nachzuvollziehen sei. Die dazu aufgestellten Voraussetzungen seien aus Praktikabilitätsgründen sachlich gerechtfertigt.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen die beiden Gerichtsentscheidungen. Sie rügen die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1, 3 GG, jeweils auch in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Da das Bodenreformeigentum vererblich gewesen sei, sei das Eigentum an den streitbefangenen Grundstücken mit dem Tod des früheren Eigentümers auf die Beschwerdeführerinnen als dessen Erbinnen übergegangen. Es sei mit der Aufhebung der Beschränkungen des Bodenreformeigentums durch das Gesetz vom zu vollwertigem Eigentum erstarkt und als solches in den Schutzbereich des Art. 14 GG gelangt.
Die angegriffenen Entscheidungen und die Regelung des Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB mit dem ihr durch die Zivilgerichte beigelegten Inhalt führten zu einer entschädigungslosen Enteignung der Beschwerdeführerinnen. Da die Bodenreformabwicklungsvorschriften auf der unzutreffenden Annahme beruhten, das Bodenreformeigentum sei bis zum nicht vererblich gewesen, fehle ihnen die vorausgesetzte Grundlage. Die bis dahin kraft Erbrechtsnachfolge in die Rechtsposition des verstorbenen Bodenreformeigentümers eingerückten Erben seien Grundstückseigentümer geworden. Es habe daher vor dem In-Kraft-Treten der Bodenreformabwicklungsvorschriften kein besseres Recht eines einzelnen Miterben oder des Landesfiskus (vgl. Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b und c EGBGB) bestanden. Vielmehr werde hier mit eigentumssubstanzvernichtender Wirkung erstmals ein den bisherigen Grundstückseigentümer vollständig verdrängendes Recht geschaffen. Die gesetzgeberische Zielsetzung der Schaffung klarer Grundbuchverhältnisse rechtfertige einen solchen tief greifenden, für den Privateigentümer unzumutbaren und völlig unverhältnismäßigen Eingriff nicht.
Der Gesetzgeber habe das bestehende Privateigentum an ehemaligen Bodenreformgrundstücken respektieren wollen. Dazu und zur beabsichtigten Nachzeichnung des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik stehe die Enteignung der Beschwerdeführerinnen in Widerspruch. Das Nachzeichnungsmodell als gesetzesübergreifender Zweck gebiete es im Gegenteil, die im Beitrittsgebiet entstandenen und vollwertig gewordenen Grundeigentumspositionen der Beschwerdeführerinnen zu schützen. Der ihr Privateigentum verdrängende Auflassungsanspruch des Fiskus sei daher angesichts der Bedeutung des Art. 14 GG im Wege verfassungskonformer Auslegung auf einen Anwendungsbereich von "Null" zu reduzieren. Andernfalls führten die Bodenreformabwicklungsvorschriften auch zu einer unzulässigen echten Rückwirkung.
b) Auch Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt. Die Annahme des Oberlandesgerichts, das Gesetz vom enthalte eine offensichtlich planwidrige Regelungslücke, entbehre jeder Substanz und sei daher willkürlich. Das Gericht setze sich nicht mit dem Wortlaut dieses Gesetzes, dem gesetzgeberischen Willen, der historischen Entstehungssituation und den Materialien sowohl zu diesem Gesetz als auch zu den Bodenreformabwicklungsvorschriften auseinander. Selbst wenn man eine Regelungslücke bejahe, liege die Annahme nahe, dass der seinerzeitige Gesetzgeber aufgrund seiner Hinwendung zu einer Privateigentumsordnung bei Kenntnis des vorgeblichen Mangels eine ausdrückliche Regelung zur Aufwertung der Eigentumsposition der Erben von Bodenreformland getroffen hätte.
Auch die Bodenreformabwicklungsvorschriften selbst verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Belastung mit einem Auflassungsanspruch des Fiskus betreffe nur die Eigentümer, die ihr Eigentum kraft Erbfolge vor dem erworben hätten und bis zum Ablauf des noch nicht im Grundbuch eingetragen gewesen seien. Sie gelte dagegen weder für die zu diesem Zeitpunkt eingetragenen und noch lebenden Grundstückseigentümer noch für die Erben eines eingetragenen Eigentümers, wenn der Erbfall zwischen dem und dem In-Kraft-Treten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes am eingetreten sei. Hinsichtlich der verschiedenen Eigentümergruppen bestünden keine die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Gründe.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführerinnen als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen weder gegen Art. 14 GG noch gegen die Grundsätze zum Schutz gegenüber rückwirkenden Gesetzen, der in dieser Norm eine eigenständige Ausprägung erfahren hat (vgl. BVerfGE 101, 239 <257> m.w.N.).
a) Die von den Zivilgerichten angewandte Regelung des Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB ist mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG vereinbar.
aa) Nach der nicht angegriffenen Feststellung des Oberlandesgerichts, für deren Verfassungswidrigkeit nichts ersichtlich ist, war das Bodenreformeigentum in der sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik vererblich. Die Beschwerdeführerinnen sind danach kraft Erbrechts Eigentümerinnen der streitbefangenen Grundstücke geworden. Ihr Eigentum unterlag zwar zunächst den Beschränkungen, die sich aus Art. VI Nr. 1 der Verordnung Nr. 19 über die Bodenreform im Lande Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Sep-tember 1945 (ABl Mecklenburg 1946 S. 14) und den verschiedenen Besitzwechselverordnungen ergaben. Diese Beschränkungen sind jedoch mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes vom entfallen. Es kann deshalb mit dem Oberlandesgericht davon ausgegangen werden, dass das Bodenreformeigentum ab diesem Zeitpunkt auch in den so genannten Alterbfällen, in denen der im Grundbuch eingetragene Eigentümer bereits vor dem verstorben war, vollwertigem Eigentum entsprach und als solches in den Geltungsbereich des Grundgesetzes gelangte.
bb) Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB führt dazu, dass die bisherigen Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform ihr Eigentum verlieren. Darin liegt jedoch keine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG. Enteignung ist der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen. Ihrem Zweck nach ist sie auf die vollständige oder partielle Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet (vgl. BVerfGE 101, 239 <259> m.w.N.). Demgegenüber geht es bei Art. 233 §§ 11 bis 16 EGBGB um die nachträgliche Korrektur der durch das Gesetz vom erfolgten ersatzlosen Aufhebung der Besitzwechselvorschriften und um die Schaffung klarer Eigentumsverhältnisse an den aus der Bodenreform stammenden Grundstücken (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 83). Die hier mittelbar angegriffene Regelung des Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB ist Teil dieses Regelungskonzepts und stellt daher eine Regelung über die Bestimmung von Inhalt und Schranken des (Grundstücks-)Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
cc) Der Gesetzgeber hat bei der Erfüllung des ihm in dieser Vorschrift erteilten Auftrags sowohl der Rechtsstellung des Eigentümers als auch dem aus Art. 14 Abs. 2 GG folgenden Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung Rechnung zu tragen. Er muss deshalb die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang (vgl. BVerfGE 101, 54 <75>; 101, 239 <259>; jeweils m.w.N.).
Der Gesetzgeber darf im Rahmen seiner Regelungsbefugnis nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bei der generellen Neugestaltung eines Rechtsgebiets unter bestimmten Voraussetzungen auch bestehende, durch die Eigentumsgarantie geschützte Rechtspositionen beseitigen (vgl. BVerfGE 83, 201 <211 f.>). Auch können grundlegende Veränderungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse den Regelungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erweitern. Schwierigkeiten, die die Überführung der sozialistischen Rechts- und Eigentumsordnung einschließlich der danach erworbenen Rechtspositionen in das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland mit sich bringt, darf er deshalb bei Regelungen auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ebenso Rechnung tragen wie dem dazu erforderlichen Zeitbedarf. Das hat Konsequenzen für die Beurteilung des jeweils beschlossenen Regelungswerks. Einzelne belastende Vorschriften dürfen weder aus dem Regelungszusammenhang gelöst und für sich betrachtet noch ohne Rücksicht darauf gewürdigt werden, dass der angestrebte Rechtszustand nur in Schritten erreichbar war (vgl. BVerfGE 101, 54 <76>).
dd) Nach diesen Maßstäben steht Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB mit Art. 14 Abs. 1 GG in Einklang.
aaa) Die Regelung dient einem legitimen Regelungsziel.
Nach der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs, die sich das Oberlandesgericht im Ausgangsverfahren zu Eigen gemacht hat, schließt Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB eine verdeckte Regelungslücke, die das Gesetz vom für die hier in Rede stehenden Alterbfälle enthielt. An diese Erkenntnis ist das Bundesverfassungsgericht im Grundsatz gebunden. Wie die Feststellung und Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts sind die Auslegung und Anwendung des Rechts eines anderen Staates Sache der allgemein zuständigen Gerichte. Das Bundesverfassungsgericht kann insoweit nur unter besonderen Umständen korrigierend eingreifen. Die Voraussetzungen dafür wären hier nur gegeben, wenn die dem angegriffenen Urteil des Oberlandesgerichts zugrunde liegende Würdigung des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik hinsichtlich einer verdeckten Regelungslücke im Gesetz vom Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot (vgl. dazu BVerfGE 96, 189 <203>) verletzen würde (vgl. BVerfGE 97, 89 <99>). Dies ist aber nicht der Fall.
Der Bundesgerichtshof hat unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien dargelegt, dass die Beratung in der Volkskammer am die Anpassung der gesetzlichen Situation der Landwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik an den Wandel zu einer sozialen, marktwirtschaftlich orientierten Landwirtschaft zum Ziel hatte. Dabei habe die Änderung des Gesetzes über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften im Vordergrund gestanden. Daneben sollten aber auch für Grundstücke aus der Bodenreform die für sie geltenden Verfügungsbeschränkungen aufgehoben und das Erbrecht für die Zukunft sichergestellt werden. Dabei sei nicht erkannt worden, dass die hierzu für notwendig erachtete Aufhebung der Besitzwechselverordnungen ohne eine Übergangsregelung für nicht vollzogene Übertragungen und Rückführungen auch die zurückliegenden Erbfälle einer Regelung zuführe. Der Sicherung der Landwirtschaft unter marktwirtschaftlichen Bedingungen habe es aber nicht gedient, das Eigentum an landwirtschaftlich genutzten Grundstücken ohne weitere Regelungen den Erben verstorbener Begünstigter auch dann zuzuweisen, wenn diese weder in der Deutschen Demokratischen Republik gelebt hätten noch in der Landwirtschaft tätig gewesen seien (vgl. BGHZ 140, 223 <233 f.>).
Diese Begründung ist nachvollziehbar und lässt Anhaltspunkte für die Annahme, die Einschätzung des Bundesgerichtshofs und damit auch die des Oberlandsgerichts im vorliegenden Fall beruhten im Sinne des verfassungsrechtlichen Willkürverbots auf sachfremden Erwägungen, nicht erkennen. Ob die Entstehungsgeschichte des Gesetzes vom und die weitere Rechtsentwicklung im Beitrittsgebiet bis zur Wiedervereinigung eher den Schluss nahe legen, der Gesetzgeber habe bewusst auch für die Alterbfälle die hinsichtlich des Bodenreformeigentums bestehenden Verfügungsbeschränkungen und die Besitzwechselverordnungen ohne jegliche Übergangsvorschriften aufheben wollen, ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden.
bbb) Auch die Schließung der vom Bundesgerichtshof erkannten Regelungslücke durch die angegriffene Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie führt vor dem Hintergrund der früheren Besitzwechselvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik zu einer sachgerechten und angemessenen, den Betroffenen auch zumutbaren Eigentumszuordnung, die für die Zukunft klare Verhältnisse schafft.
(1) Nach § 4 Abs. 1 der Besitzwechselverordnung vom in der Fassung der Verordnung vom hatte der Rat des Kreises auf Verlangen des Erben eines Bodenreformeigentümers ihm oder einem seiner von ihm benannten Verwandten die Rechte und Pflichten zur Bewirtschaftung des Bodenreformgrundstücks zu übertragen, wenn er oder der Verwandte das Grundstück als Genossenschaftsmitglied oder Arbeiter zweckentsprechend nutzen würde. Mehrere Erben mussten in angemessener Frist dem Rat des Kreises vorschlagen, welchem Erben oder Verwandten die Rechte und Pflichten zur Bewirtschaftung des Bodenreformgrundstücks übertragen werden sollten. Waren die Voraussetzungen für eine Übertragung nicht gegeben, war das Bodenreformgrundstück nach § 4 Abs. 5 der Verordnung in den staatlichen Bodenfonds zurückzuführen.
(2) Durch Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 EGBGB werden diese Rechtsgrundsätze in pauschalierender Weise nachgezeichnet. Damit werden die Betroffenen so gestellt, wie sie gestanden hätten, wenn die Besitzwechselvorschriften vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes vom von den Behörden der Deutschen Demokratischen Republik korrekt angewendet und vollzogen worden wären oder der Gesetzgeber der Deutschen Demokratischen Republik schon vor der Wiedervereinigung eine dem früheren Besitzwechselrecht entsprechende Übergangsregelung getroffen hätte. Schutzwürdiges Vertrauen der Erben von Bodenreformeigentümern ist dadurch, wie mit Recht auch das Oberlandesgericht angenommen hat, nicht zerstört worden.
Vertrauen in den Fortbestand von Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik konnte sich in der Zeit nach der Wende mit Blick auf eine mögliche Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten nicht allgemein bilden, sondern nur dort, wo besonderer Anlass für die Erwartung bestand, dass Recht der Deutschen Demokratischen Republik ausnahmsweise in Kraft bleiben werde (vgl. BVerfGE 88, 384 <404 f.>). Das Vertrauen in die grundsätzliche Anerkennung von vor dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes im Beitrittsgebiet erworbenen Eigentumspositionen kann daher nicht denselben weit gehenden Schutz beanspruchen wie das Vertrauen in den Fortbestand von Rechten, die unter der Geltung des Grundgesetzes erlangt worden sind. Jedenfalls kann für den Schutz dieses Vertrauens nur die Sach- und Rechtslage maßgeblich sein, die der bundesdeutsche Gesetzgeber am Ende der staatlichen Existenz der Deutschen Demokratischen Republik vorgefunden hat und die im Zuge der Wiedervereinigung gleichsam als normativer Bestandteil in den Geltungsbereich des Grundgesetzes gelangt ist (vgl. BVerfGE 101, 239 <262 f.>).
Danach konnten die Erben von Bodenreformeigentümern nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes vom nicht in schützenswerter Weise darauf vertrauen, ihr auf der unterbliebenen Umsetzung der Besitzwechselvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik beruhendes Eigentum behalten zu dürfen. Ein besonderer Anlass für die Erwartung, auch in den Alterbfällen werde das durch dieses Gesetz zum Volleigentum aufgewertete Eigentum an Bodenreformgrundstücken weiterhin Bestand haben, kann nicht aus der sowohl einfachrechtlich als auch verfassungsrechtlich vollzogenen Hinwendung der Deutschen Demokratischen Republik zu einer Privateigentumsordnung hergeleitet werden. Denn danach sollte nur das Privateigentum gewährleistet werden, das dem Einzelnen bewusst und gewollt eingeräumt worden ist. Dies ist hinsichtlich des Bodenreformeigentums in den Alterbfällen nicht geschehen, weil das Gesetz vom insoweit, wie vom Bundesgerichtshof festgestellt, eine verdeckte Regelungslücke enthielt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Deutschen Demokratischen Republik bei zutreffendem Erkennen der Sach- und Rechtslage in den Fällen, in denen kein Erbe die Voraussetzungen für eine Übertragung der Rechte und Pflichten zur Bewirtschaftung der Grundstücke an ihn erfüllt hätte, selbst eine der Rückführung der Grundstücke in den staatlichen Bodenfonds entsprechende Regelung getroffen hätte.
Vor diesem Hintergrund durfte der gesamtdeutsche Gesetzgeber die seinerzeit versäumten Regelungen in pauschalierender Weise nachholen. Dass er dies nicht schon mit dem Einigungsvertrag getan hat, begründet ebenfalls kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der durch das Gesetz vom geschaffenen Rechtslage. Angesichts der Vielzahl und Kompliziertheit der im Rahmen der Wiedervereinigung zu lösenden Aufgaben war der Einigungsvertragsgesetzgeber nicht in der Lage, alle Vorschriften zur Überleitung des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik in dasjenige der Bundesrepublik Deutschland in gewissermaßen einem Federstrich abschließend zu erlassen (vgl. auch BVerfGE 98, 17 <38>). Es musste deshalb jeder Rechtsunterworfene damit rechnen, dass zunächst unverändert übernommene Rechtspositionen Änderungen und Konkretisierungen durch den gesamtdeutschen Gesetzgeber erfahren würden, sobald dieser die Tragweite der in der Deutschen Demokratischen Republik erlassenen Gesetze im Einzelnen erkannt haben würde. Dies gilt auch für das Bodenreformeigentum, das vom Gesetzgeber der Deutschen Demokratischen Republik im Zuge der Privatisierung der Landwirtschaft zum Volleigentum aufgewertet wurde.
b) Auch die Auslegung und Anwendung des Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB durch die Zivilgerichte begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist nicht ersichtlich, dass die Gerichte bei der Normanwendung Bedeutung und Tragweite der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG (vgl. zum Maßstab BVerfGE 18, 85 <92 f.>) verkannt haben könnten.
2. Die angegriffenen Entscheidungen sind auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
a) Die ihnen zugrunde liegende Regelung des Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB steht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in Einklang.
Nach der genannten Regelung sind nur die - nicht zuteilungsfähigen - Erben eines Bodenreformeigentümers einem unentgeltlichen Auflassungsanspruch des Landesfiskus ausgesetzt, die vor dem zwar Eigentum an den Bodenreformgrundstücken erworben haben, bis zu diesem Tag aber noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden waren. Dagegen besteht gegenüber den übrigen Eigentümern früherer Bodenreformgrundstücke ein derartiger Auflassungsanspruch nicht. Bei einer solchen Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Das Bundesverfassungsgericht prüft dann im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorliegen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 101, 54 <101> m.w.N.). Dies ist hier der Fall.
Das Gesetz vom steht, wie ausgeführt (vgl. oben unter II 1 a dd aaa), nach dem Verständnis des Bundesgerichtshofs in Zusammenhang mit den Bemühungen der Deutschen Demokratischen Republik, die Landwirtschaft in marktwirtschaftliche Bedingungen zu überführen. Es wollte eigentumsrechtlich diejenigen stärken, die nach bisher geltendem Recht eigene land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke bewirtschafteten, wofür das Innehaben der Sachherrschaft ein Indiz war. Deshalb sollten für die Aufwertung des Eigentums nicht die erbrechtliche oder grundbuchrechtliche Berechtigung, sondern - worauf auch § 1 Satz 1 des Gesetzes vom hindeutet - vor allem der tatsächliche Besitz und die tatsächliche Nutzung der Grundstücke maßgebend sein. Diese Erwägungen sind so gewichtig, dass es schon 1990 sachlich hinreichend gerechtfertigt gewesen wäre, diejenigen Fälle hinsichtlich der Eigentumszuordnung anders zu behandeln, in denen Erben eines Bodenreformeigentümers im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes vom die Grundstücke nicht selbst bewirtschafteten und auch nicht zuvor längere Zeit in der Landwirtschaft tätig gewesen waren. Für Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB, der eine solche Regelung nachholt und dem Landesfiskus hier einen unentgeltlichen Auflassungsanspruch einräumt, kann nichts anderes gelten.
b) Es ist auch nicht erkennbar, dass die Zivilgerichte bei der Auslegung und Anwendung des Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen haben. Insbesondere kann die Handhabung der Regelung nach den Darlegungen zu Art. 14 GG nicht als willkürlich angesehen werden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
VAAAB-85476