Leitsatz
Ein Verwaltungsakt ist unwirksam, wenn er sich gegen ein nicht oder nicht mehr existierendes Steuersubjekt richtet. Das ist u. a. dann der Fall, wenn (Inhalts-)Adressat des Verwaltungsakts eine Gesellschaft ist, die bei Erlass des Verwaltungsakts durch Umwandlung erloschen war. Wird nach Verschmelzung einer GmbH auf einen Einzelunternehmer ein die GmbH betreffender Körperschaftsteuerbescheid an den Einzelunternehmer "als Empfangsbevollmächtigten" der GmbH gerichtet, kann der Bescheid nicht dahin ausgelegt werden, dass der Einzelunternehmer als Rechtsnachfolger der GmbH der (Inhalts-)Adressat sei. Eine entsprechende "Klarstellung" ist auch nicht in der nachfolgenden Einspruchsentscheidung möglich, da in einem Verwaltungsakt enthaltene Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners nicht durch eine Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden können.
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Steuerbescheids.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr (1995) Gesellschafter der D-GmbH. Im Jahr 1996 wurde die D-GmbH gemäß § 2 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) auf den Kläger verschmolzen. Seither führt der Kläger das früher von der D-GmbH betriebene Unternehmen als Einzelunternehmen fort.
Im Jahr 1997 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) u.a. einen die D-GmbH betreffenden Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr, in dessen Anschriftenfeld der Kläger „als Empfangsbevollmächtigter der D-GmbH” bezeichnet war. In einer Anlage zum Bescheid hieß es, dass der Bescheid an den Kläger „als Rechtsnachfolger der D-GmbH” ergehe. Diesen Bescheid änderte das FA im Anschluss an eine Außenprüfung, die nach dem Text der Prüfungsanordnung „bei der ehem. GmbH” durchgeführt worden war. Der Änderungsbescheid wurde wiederum an den Kläger „als Empfangsbevollmächtigten” der GmbH gerichtet.
Die früheren Bevollmächtigten der D-GmbH legten gegen den Änderungsbescheid unter Angabe (nur) des Namens und der Steuernummer der D-GmbH „namens der Stpfl.” Einspruch ein. Das FA wies den Rechtsbehelf mit einer Einspruchsentscheidung zurück, die sich gegen den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger der D-GmbH richtete.
Mit seiner daraufhin erhobenen Klage begehrte der Kläger zunächst eine Änderung des angefochtenen Bescheids. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) beantragte er demgegenüber, die Unwirksamkeit des Bescheids festzustellen und die Einspruchsentscheidung aufzuheben; den Änderungsantrag verfolgte er hilfsweise weiter. Das FG gab der Klage statt ( EFG 2006, 230); es erließ ein Urteil mit dem Tenor, dass die Unwirksamkeit des geänderten Körperschaftsteuerbescheids festgestellt und die Einspruchsentscheidung aufgehoben werde. Gegen dieses Urteil wendet sich das FA mit seiner Revision.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht festgestellt, dass der vom FA erlassene Änderungsbescheid unwirksam ist, und die dem Bescheid nachfolgende Einspruchsentscheidung aufgehoben. Denn der Bescheid richtete sich gegen ein Rechtssubjekt, das im Zeitpunkt seines Ergehens nicht mehr existierte.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Verwaltungsakt unwirksam, wenn er sich gegen ein nicht oder nicht mehr existierendes Steuersubjekt richtet. Das ist u.a. dann der Fall, wenn (Inhalts-) Adressat des Verwaltungsakts eine Gesellschaft ist, die bei Erlass des Verwaltungsakts durch Umwandlung erloschen war (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230). Eine solche Situation liegt im Streitfall vor.
a) Nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und deshalb im Revisionsverfahren bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), war die D-GmbH im Jahr 1996 im Wege einer Vermögensübertragung durch Aufnahme (§ 2 Nr. 1 UmwG) auf den Kläger verschmolzen worden. Dadurch war ihr Vermögen auf den Kläger übergegangen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), die D-GmbH selbst ohne Liquidation erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG) und der Kläger ihr Gesamtrechtsnachfolger geworden (vgl. Senatsurteil vom I R 17/92, BFHE 169, 343, BStBl II 1993, 352; Buciek in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, AO § 45 Rz. 15 „Umwandlungsrecht”, m.w.N.). Als im Jahr 1997 der streitgegenständliche Steuerbescheid erging, bestand die D-GmbH mithin nicht mehr.
b) Vor diesem Hintergrund hätte ein Verwaltungsakt, in dem es um die Besteuerung der von der D-GmbH verwirklichten Sachverhalte ging, nunmehr gegen den Kläger als Rechtsnachfolger der D-GmbH gerichtet werden müssen. Das ist nicht geschehen. Der in Rede stehende Bescheid richtet sich vielmehr an die D-GmbH und damit an ein nicht mehr existierendes Steuerrechtssubjekt. Das ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Bescheids.
aa) Im Adressfeld des Bescheids ist der Kläger „als Empfangsbevollmächtigter” der D-GmbH angesprochen. Er sollte also den Bescheid für die D-GmbH in Empfang nehmen. Diese Angabe schließt eine Auslegung dahin, dass Inhaltsadressat des Bescheids der Kläger selbst sein sollte, aus. Der Bescheid enthält auch keine Erläuterungen oder Anlagen, aus denen sich eine solche Deutung ableiten ließe. Angesichts dessen ist er unter Berücksichtigung seines Gesamtinhalts in dem Sinne eindeutig, dass das von ihm angesprochene Rechtssubjekt nicht der Kläger, sondern die D-GmbH war.
bb) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass es sich um einen Änderungsbescheid handelt und dass es in einer Anlage zu dem voraufgegangenen Bescheid geheißen hatte, dieser ergehe gegenüber dem Kläger „als Rechtsnachfolger” der D-GmbH. Das FA weist zwar zu Recht darauf hin, dass bei der Auslegung eines Verwaltungsakts —der in § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs niedergelegten Regel entsprechend— der wirkliche Wille der Behörde zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist (, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23; vom VII R 96/95, BFHE 182, 282, BStBl II 1997, 339). Richtig ist ebenso, dass in diesem Zusammenhang u.a. zeitlich vorhergehende Bescheide berücksichtigt werden können (, BFHE 109, 123, BStBl II 1973, 544; vom IX R 114/89, BFHE 162, 197, BStBl II 1991, 119, m.w.N.). Diese Regeln können jedoch nicht dazu führen, dass ein seinem Ausspruch nach eindeutig an einen bestimmten Adressaten gerichteter Bescheid allein deshalb auf einen anderen Adressaten bezogen wird, weil in einem früheren Bescheid ein anderes Rechtssubjekt als Adressat benannt war. In einer solchen Situation kann sich aus der Unterschiedlichkeit der Bezeichnungen allenfalls ergeben, dass unklar ist, welches Rechtssubjekt der später ergangene Bescheid betreffen soll. Das aber reicht für eine wirksame Benennung des Inhaltsadressaten nicht aus (, BFH/NV 1989, 613, 614; , BFH/NV 2001, 409; vom II R 73/01, BFH/NV 2005, 214, 216).
Im Streitfall kommt hinzu, dass der zunächst erlassene und später geänderte Bescheid nicht etwa eindeutig den Kläger als Steuerschuldner auswies, sondern nach der Angabe im Anschriftenfeld ebenfalls an den Kläger als Empfangsbevollmächtigten der D-GmbH gerichtet war. Nur in einer Anlage zum Bescheid hieß es dort sodann, dass der Kläger als Rechtsnachfolger der D-GmbH angesprochen werde. Es mag dahingestellt bleiben, ob angesichts dessen jener Bescheid im Wege der Auslegung eindeutig dem Kläger als Rechtssubjekt zugeordnet werden kann. Jedenfalls lässt er zumindest auf den ersten Blick die Möglichkeit offen, dass er sich inhaltlich an die D-GmbH richtete. Ein in diesem Sinne auslegungsbedürftiger Bescheid kann aber nicht dazu führen, dass der später erlassene, seinem Text nach eindeutig für die D-GmbH bestimmte Änderungsbescheid in die entgegengesetzte Richtung —als an den Kläger gerichtet— verstanden wird. Im Gegenteil könnte das Gesamtbild beider Bescheide sogar den Eindruck entstehen lassen, dass das FA in beiden Fällen den Kläger (nur) als Empfangsbevollmächtigten der D-GmbH ansprechen wollte und dass der Begleittext zu dem ursprünglichen Bescheid auf einem Versehen beruhte. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann davon, dass der Änderungsbescheid unter Berücksichtigung des Ausgangsbescheids in der vom FA angestrebten Weise auszulegen sei, nicht die Rede sein.
cc) Entgegen der Ansicht des FA war im Streitfall für eine „nachträgliche Klarstellung” des Inhalts, dass der Änderungsbescheid den Kläger selbst betreffen sollte, kein Raum. Denn in einem Bescheid enthaltene Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners können nicht durch eine Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden (BFH-Beschlüsse in BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230; vom II B 4/02, BFH/NV 2004, 316, m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang vom FA angeführte Rechtsprechung (, BFHE 146, 358, BStBl II 1986, 545) bezieht sich auf eine Klarstellung dazu, dass neben dem (ordnungsgemäß bezeichneten) Steuerschuldner nicht zusätzlich eine weitere Person Adressat des Bescheids sein sollte; die dort beurteilte Gestaltung ist mit der hier vorliegenden schon deshalb nicht vergleichbar, weil es sich seinerzeit ggf. um eine Mehrzahl nur äußerlich zusammengefasster Steuerbescheide gehandelt hätte und bei solchen die ordnungsgemäße Bezeichnung des Steuerschuldners hinsichtlich jedes einzelnen Adressaten gesondert zu beurteilen ist (, BFH/NV 1998, 1455). Deshalb konnten im damals entschiedenen Fall Mängel in der Bezeichnung eines weiteren Steuerschuldners die Wirksamkeit des Bescheids gegenüber dem zutreffend bezeichneten Schuldner nicht berühren. Demgegenüber fehlt es hier überhaupt an der Benennung eines existierenden Rechtssubjekts als Steuerschuldner, weshalb das FG den Bescheid im Ergebnis zu Recht als unwirksam angesehen hat.
2. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das FG zutreffend entschieden, dass der Kläger während des Klageverfahrens von dem ursprünglich gestellten Antrag auf Änderung des angefochtenen Bescheids zu einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Bescheids übergehen durfte. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob es sich dabei —wie das FG angenommen hat— um eine Klageänderung i.S. des § 67 FGO handelt (vgl. dazu Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 67 FGO Rz. 12, m.w.N.). Denn jedenfalls war eine etwa vorliegende Klageänderung sachdienlich und deshalb zulässig. Das notwendige Feststellungsinteresse des Klägers (§ 41 Abs. 1 FGO) ergibt sich daraus, dass das FA in der Einspruchsentscheidung die Ansicht vertreten hatte, der in Rede stehende Bescheid richte sich gegen den Kläger; dieser hatte daraufhin ein berechtigtes Interesse daran, die Adressatenfrage gerichtlich klären zu lassen. Er war dazu nicht auf die Möglichkeit einer Anfechtung des Bescheids verwiesen, sondern konnte sein Anliegen im Wege der Feststellungsklage verfolgen (§ 41 Abs. 2 Satz 2 FGO). Der Senat verzichtet auf weitere Ausführungen zu diesen Punkten, da die angefochtene Entscheidung insoweit vom FA nicht beanstandet wird.
3. Schließlich hat das FG die vom FA erlassene Einspruchsentscheidung zu Recht aufgehoben. Denn eine Einspruchsentscheidung darf nur gegenüber demjenigen erlassen werden, der den Rechtsbehelf eingelegt hat (, BFHE 152, 200, BStBl II 1988, 377). Im Streitfall ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Einspruchsschreibens der Einspruch namens der D-GmbH eingelegt worden. Für die Annahme, dass (auch) der Kläger Einspruchsführer gewesen sei, bietet dieses Schreiben keinen Anhaltspunkt. Weiterer Schriftverkehr, aus dem sich eine solche Deutung ableiten lassen könnte, hat im Einspruchsverfahren nicht stattgefunden. Die Einspruchsentscheidung richtete sich mithin an eine Person, die am Einspruchsverfahren zuvor nicht beteiligt war, was zu ihrer Aufhebung führen muss (, BFH/NV 1990, 175; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 44 FGO Tz. 17, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AO-StB 2006 S. 169 Nr. 7
BFH/NV 2006 S. 1243 Nr. 7
HFR 2006 S. 1065 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 23/2006 S. 1905
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2006 S. 3
HAAAB-84328