OFD Magdeburg - S 2244 - 64 - St 214

Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen zum Kapitalersatzrecht in § 32a Abs. 3 GmbHG und des Aktienrechts auf die Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten bei § 17 EStG

Da sich der Bundesfinanzhof in seinen Entscheidungen zur Berücksichtigung von Eigenkapital ersetzenden Darlehen und Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten bei § 17 EStG strikt am Zivilrecht orientiert (vgl. hierzu ESt-Kartei § 17 Karte 7), haben die nachstehenden Änderungen des Kapitalersatzrechts im GmbHG und die Regelungen im Aktienrecht durch die Herabsetzung der Beteiligungsgrenze durch das Steuerentlastungsgesetz auf mindestens 10 v. H. mit Wirkung ab und die weitere Herabsetzung durch das Steuersenkungsgesetz auf mindestens 1 v. H. ab dem in § 52 Abs. 34a EStG aufgeführten zeitlichen Anwendungsrahmen Auswirkungen auf die Beurteilung des Entstehens von nachträglichen Anschaffungskosten bei einer wesentlichen Beteiligung.

1. Eigenkapitalersatzregeln bei Gesellschaftern, die nicht Geschäftsführer sind

Durch Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz – KapAEG) vom (BGBl 1998 I S. 707) ist die Regelung des § 32a Abs. 3 GmbHG mit Wirkung zum um den folgenden zweiten Satz erweitert worden:

Die Regeln über den Eigenkapitalersatz gelten nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter, der mit 10 v. H. oder weniger am Kapital beteiligt ist.” (sog. Zwerganteilsprivileg)

Zivilrechtlich und wirtschaftlich betrachtet stellt dieses Zwerganteilsprivileg eine Erleichterung für Gesellschafter einer GmbH dar. Steuerrechtlich führt es jedoch für den Bereich des § 17 EStG zu den nachfolgend genannten Einschränkungen bei der Berücksichtigung von (nachträglichen) Anschaffungskosten einer GmbH-Beteiligung.

Ein Gesellschafter, der nicht Geschäftsführer ist, und zu 10 v. H. oder weniger beteiligt ist, kann aufgrund des Absenkens der Wesentlichkeitsgrenze durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 auf 10 v. H. und durch das Steuersenkungsgesetz auf 1 v. H. zwar eine wesentliche Beteiligung i. S. d. § 17 EStG innehaben. Ihm können jedoch infolge der zwingenden Vorgabe durch das Kapitalersatzrecht i. S. d. § 32 Abs. 3 Satz 2 GmbHG keine Anschaffungskosten aus dem Verlust von Finanzierungshilfen entstehen.

Dies gilt darüber hinaus auch für Dritte, die aufgrund eigener Verpflichtungen der Gesellschaft Beträge zuwenden. Auch ihre Finanzierungshilfen können nur als Anschaffungskosten der Beteiligung des Gesellschafters berücksichtigt werden, wenn die Finanzierungshilfen Eigenkapital ersetzend sind. Ist also der Gesellschafter, aus dessen Vermögen diese Leistungen wirtschaftlich erfolgen sollen, nicht zu mehr als 10 v. H an der Kapitalgesellschaft beteiligt und ist er kein Geschäftsführer, können derartige Aufwendungen steuerlich nicht berücksichtigt werden.

2. Eigenkapitalersatzregeln bei Erwerb von Geschäftsanteilen zur Überwindung einer Gesellschaftskrise

Durch Artikel 10 Nr. 2 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom (BGBl 1998 I S. 786) ist § 32a Abs. 3 GmbHG mit Wirkung zum um einen dritten Satz ergänzt worden:

Erwirbt ein Darlehensgeber in der Krise der Gesellschaft Geschäftsanteile zum Zweck der Überwindung der Krise, führt dies für seine bestehenden oder neu gewährten Kredite nicht zur Anwendung der Regeln über den Eigenkapitalersatz.” (sog. Sanierungsprivileg)

Auch das sog. Sanierungsprivileg stellt zivilrechtlich und wirtschaftlich betrachtet eine Erleichterung für Gesellschafter einer GmbH dar. Steuerrechtlich führt es jedoch auch für den Bereich des § 17 EStG zu den nachfolgend genannten Einschränkungen bei der Berücksichtigung von (nachträglichen) Anschaffungskosten einer GmbH-Beteiligung.

Hat ein Darlehensgeber vor der Krise der Gesellschaft ein Darlehen gegeben, das keinen Eigenkapital ersetzenden Charakter hatte, und wird er in der Krise zum Zwecke deren Überwindung Gesellschafter mit einer im § 17 EStG geforderten Beteiligungshöhe, so führt dies nicht zur Umqualifikation dieses Darlehens als Eigenkapital ersetzend. Gibt dieser Gesellschafter nach Erwerb der Anteile in der Krise weitere Darlehen, werden auch diese Finanzierungshilfen nicht Eigenkapital ersetzend, obwohl es sich um in der Krise gegebene Darlehen handelt, die aufgrund der BFH-Rechtsprechung an sich als nachträgliche Anschaffungskosten auf eine Beteiligung zu behandeln sind. In derartigen Fällen führt damit der Verlust der Darlehensforderungen, obwohl die Darlehen in oder vor der Krise gewährt worden sind, nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG wegen des fehlenden Eigenkapital ersetzenden Charakters bei Vorgängen, die nach dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes eingetreten sind.

Dieses Sanierungsprivileg gilt nicht für Darlehen, die bereits vor Eintritt der Krise Eigenkapital ersetzenden Charakter gehabt haben. Diese verlieren nicht nachträglich diesen Status. Das Sanierungsprivileg gilt ebenfalls nicht für Gesellschafter, die bereits vor der Krise den Regeln des Eigenkapitalersatzrechts unterlegen haben, oder Dritte, die ebenfalls dem Kapitalersatzrecht unterlegen haben. Erwerben diese Altgesellschafter oder Dritte in der Krise weitere Anteile, unterliegen sie auch mit Finanzierungsmaßnahmen in der Krise dem Eigenkapitalersatzrecht. In diesen Fällen ändert sich nichts an der steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit von ausgefallenen Darlehen oder sonstigen Finanzierungsmaßnahmen.

Das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom , Az.: 11 K 2558/04 E, Haufe-Index: 1458295 entschieden, dass das zivilrechtliche Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG nicht die Annahme hindere, dass eine Darlehensgewährung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei. Dies wird damit begründet, dass der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise nicht wie ein fremder Darlehensgeber gegenübertritt. § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG ändert nichts am tatsächlichen Charakter der gewährten Darlehen als Eigenkapitalersatz, er suspendiert nur die Rechtsfolgen.

Des Weiteren komme hinzu, dass der Sinn und Zweck des Sanierungsprivilegs – Anreize dafür zu schaffen, GmbH Risikokapital zur Verfügung zustellen und sich an Sanierungen zu beteiligen – nicht dazu führen kann, dass der Sanierungskapital gebende Gesellschafter gegenüber anderen Gesellschaftern steuerlich benachteiligt wird.

Gegen dieses Urteil ist Revision eingelegt worden (Az. des BFH; VIII R 66/05).

Einsprüche, die sich gegen die Nichtberücksichtigung von Sanierungskapital als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung wenden, ruhen gem. § 363 Abs. 2 S. 2 AO.

3. Kapitalersatzrecht und Aktienrecht

Die zivilrechtlichen Kapitalersatzregeln haben auch Auswirkungen auf das Aktienrecht.

Im Aktienrecht fehlt eine dem § 32a Abs. 3 GmbHG entsprechende Regelung. Daher ist bei einer AG das Eigenkapitalersatzrecht in der Regel erst ab einer Beteiligungsquote von mehr als 25 v. H. (Sperrminorität) anwendbar. Denn ab einer solchen Beteiligung ist ein Gesellschafter „unternehmerisch” am Grundkapital einer AG beteiligt, sofern der Aktionär nicht ausnahmsweise bei einer darunter liegenden Beteiligung auf Grund weiterer Umstände (z. B. Konsortialverträge; familiäre Verflechtung unter den Aktionären) einen fortdauernden Einfluss auf die Unternehmensleitung hat und ersichtlich auch ausübt.

Gleichwohl ist der Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung zwischen 10 v. H. und 25 v. H. am Grundkapital einer AG seit dem und zwischen 1 v. H. und 25 v. H. am Grundkapital einer AG seit dem in § 52 Abs. 34a EStG – im Hinblick auf die Herabsetzung der Beteiligungsgrenze auf 1 v. H. durch das Steuersenkungsgesetz – aufgeführten zeitlichen Anwendungsrahmen einkommensteuerpflichtig.

Finanzierungshilfen, die ein Gesellschafter seiner AG gewährt, können jedoch erst bei einer Sperrminorität von mehr als 25 v. H. zu nachträglichen Anschaffungskosten führen. Ist der Gesellschafter zu 25 v. H. oder weniger an der AG beteiligt, dürfen Finanzierungshilfen nach den Rechtsprechungsregeln zum Zivilrecht und zu § 17 EStG wegen der fehlenden Möglichkeit der zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzregeln nicht als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden. Der Gesellschafter ist vielmehr wie jeder Drittgläubiger zu behandeln.

OFD Magdeburg v. - S 2244 - 64 - St 214

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DStZ 2006 S. 419 Nr. 12
GmbHR 2006 S. 837 Nr. 15
WAAAB-83886