BFH Urteil v. - VII R 5/05

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete im Juni 2001 beim Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt —HZA—) eine Sendung mit 2 000 Kartons „Hähnchenbrust, entbeint, gefroren, gesalzen” unter der Codenummer 0210 90 29 der Kombinierten Nomenklatur (KN) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2263/2000 der Kommission vom (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 264/1) zur Abfertigung zum freien Verkehr an. Das HZA entnahm der Warensendung einen Karton mit sechs Packungen (insgesamt 12 kg) als Probe und fertigte die Sendung antragsgemäß ab.

Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) der Oberfinanzdirektion ..., der die Probe zur Untersuchung übersandt worden war, kam mit ihrem Einreihungsgutachten vom zu dem Ergebnis, dass es sich um gefrorene Teile von Hühnern, entbeint, der Codenummer 0207 14 10 KN handele, da Fleisch nach der Zusätzlichen Anmerkung 7 zu Kapitel 2 KN nur dann als „gesalzen oder in Salzlake” i.S. der Pos. 0210 KN gelte, wenn es tiefgehend und in allen Teilen gleichmäßig so gesalzen sei, dass es einen Gesamtkochsalzgehalt von 1,2 % oder mehr aufweise, während der Kochsalzgehalt der untersuchten Probe nur 1,1 % betragen habe. Das HZA erhob daraufhin die für Waren der Codenummer 0207 14 10 KN höheren Einfuhrabgaben mit Steueränderungsbescheid vom nach.

Mit ihrem hiergegen erhobenen Einspruch beantragte die Klägerin die Rückstellprobe bzw. —falls keine gezogen worden sein sollte— eine aus der noch im Kühlhaus eingelagerten Partie zu entnehmende Probe zu untersuchen. Da mangels Lagerkapazität keine Rückstellprobe gezogen worden war, stimmte das HZA der Übersendung eines weiteren Kartons aus der Warensendung an die ZPLA —vorbehaltlich der Frage der Rechtswirkungen des Untersuchungsergebnisses sowie der Klärung möglicher Zweifel an der Nämlichkeit dieser Probe— zu. Die Untersuchung dieser Probe durch die ZPLA ergab einen Kochsalzgehalt von 1,2 % (Schwankungsbreite 1,15 % bis 1,26 %) und die Einreihung der Ware in die Pos. 0210 KN. Außerdem überreichte die Klägerin ein Gutachten des X-Instituts für Bakteriologie und Lebensmittelhygiene vom , wonach der Kochsalzgehalt einer untersuchten, angeblich aus der Einfuhrsendung stammenden Probe 1,9 % betragen habe. Das HZA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom zurück, wobei es auf das Ergebnis der ersten Probenuntersuchung verwies und die Ansicht vertrat, dass die zweite Probenuntersuchung nicht als eine zusätzliche Zollbeschau angesehen werden könne, da Zweifel bestünden, ob die zweite Probe aus der der Klägerin bereits überlassenen streitigen Warensendung gestammt habe.

Auf die hiergegen erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Steueränderungsbescheid auf. Das FG urteilte, dass das aufgrund der Teilbeschau gefundene Untersuchungsergebnis vom nicht für den übrigen Teil der angemeldeten Ware gelte, da der Eintritt der gesetzlichen Beschaffenheitsfiktion gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 des Zollkodex (ZK) voraussetze, dass der Teilbeschau eine repräsentative Probe zugrunde gelegt werde. Hieran fehle es aber im Streitfall. Den Vorschriften des Marktordnungsrechts zur Mengen- und Beschaffenheitsbeschau, insbesondere denjenigen der Verordnung (EG) Nr. 2457/97 (VO Nr. 2457/97) der Kommission vom über die Probenahme für die Warenkontrolle von entbeinten Teilstücken von Rindfleisch, für die eine Ausfuhrerstattung gewährt werden soll (ABlEG Nr. L 340/29), seien allgemeine Rechtsgedanken zu entnehmen, die sich auch auf die Bestimmung einer repräsentativen Probe im Rahmen des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK übertragen ließen. Es müsse nämlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Qualität von Naturerzeugnissen von verschiedenen Umweltfaktoren beeinflusst werde und dass auch bei sorgfältiger und aufmerksamer Herstellung sog. Ausreißer nicht ausgeschlossen werden könnten. Um eine repräsentative Probe zu erhalten, hätten daher im Streitfall in entsprechender Anwendung des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 2457/97 zwei ganze Kartons aus verschiedenen Paletten der angemeldeten Sendung gezogen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, finde mangels ordnungsgemäßer Teilbeschau Art. 71 Abs. 2 ZK mit der Folge Anwendung, dass die Angaben in der Zollanmeldung zugrunde zu legen seien.

Mit der Revision macht das HZA geltend, dass das FG mit seiner Auffassung von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweiche. In Fällen, in denen in der Zollanmeldung nicht angegeben werde, dass die Ware in sich unterschiedlich beschaffen sei, stelle sich die Frage, ob die gezogene Probe repräsentativ sei, nicht; vielmehr dürfe sich die Zollbehörde darauf beschränken, eine einzige Probe zu entnehmen. Die vom FG vorgenommene Übertragung des Stichprobenumfangs, wie er in VO Nr. 2457/97 geregelt sei, auf den zollrechtlichen Bereich sei nicht zulässig, da diese Verordnung nur auf Ausfuhren anwendbar sei. Bei Einfuhren sei die Entnahme repräsentativer Proben nur für bestimmte Waren, allerdings nicht für die hier streitigen Waren, vorgeschrieben.

Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie schließt sich der Rechtsauffassung des FG an und macht geltend, dass bei Waren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit einer natürlichen Schwankungsbreite unterlägen, der Teilbeschau eine repräsentative Probe zugrunde gelegt werden müsse. Auch der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sei zu entnehmen, dass es auf die Repräsentativität der Zollbeschau ankomme. Die Klägerin habe das Recht, die Repräsentativität der gezogenen Probe zu bestreiten, auch nicht verloren, weil die damals im Kühlhaus lagernde Warensendung für Untersuchungen durch die ZPLA zur Verfügung gestanden habe. Sowohl die im Einspruchsverfahren von der ZPLA als auch die vom Gissel-Institut untersuchten Proben hätten der Einfuhrsendung entstammt. Da das HZA vorschriftswidrig keine Rückstellprobe gezogen und die Untersuchung der später aus der im Kühlhaus lagernden Einfuhrsendung entnommenen Probe die Zollanmeldung bestätigt habe, stehe fest, dass die bei der Einfuhrabfertigung gezogene Probe nicht repräsentativ gewesen sei.

II. Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung durch das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Aufhebung des angefochtenen Steueränderungsbescheids wird durch die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht getragen, da diese nicht den Schluss erlauben, dass mit der streitigen Warensendung die angemeldeten Waren der Codenummer 0210 90 29 KN eingeführt worden sind.

Entgegen der Ansicht des FG sind hinsichtlich der Warenbeschaffenheit nicht die in der Zollanmeldung enthaltenen Angaben gemäß Art. 71 Abs. 2 ZK zugrunde zu legen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor, weil im Streitfall eine Überprüfung der Anmeldung, nämlich eine Teilbeschau i.S. des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK, stattgefunden hat.

1. Nach Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK gelten die Ergebnisse einer durchgeführten Teilbeschau für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall vor. Die angemeldeten Waren sind einer Teilbeschau unterzogen worden, indem der Einfuhrsendung ein Karton als Probe entnommen und sein Inhalt auf seine Beschaffenheit untersucht worden ist. Weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Vorbringen der Beteiligten ergeben sich Zweifel, dass das Untersuchungsergebnis der ZPLA vom , wonach diese Probe einen Salzgehalt von nur 1,1 % aufwies, zutreffend ist. Es ist daher in Anwendung der Zusätzlichen Anmerkung 7 zu Kapitel 2 KN davon auszugehen, dass es sich bei dieser untersuchten ersten Probe nicht um gesalzenes Fleisch der Pos. 0210 KN, sondern um „Fleisch von Hühnern, Teile, gefroren, entbeint” der Codenummer 0207 14 10 KN handelte.

Der Ansicht des FG, wonach die Beschaffenheitsfiktion gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK voraussetzt, dass bei Waren der vorliegenden Art die Warenprobe in der Weise repräsentativ zu sein hat, dass sie wenigstens zwei vollständige Kartons umfasst, folgt der Senat nicht.

a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beschaffenheit des Zollguts ermittelt wird, im pflichtgemäßen Ermessen der Zollbehörde liegt und dass es regelmäßig einer pflichtgemäßen Ermessensausübung entspricht, wenn sich die Zollbehörde in Fällen, in denen die Ware als einheitlich beschaffen angemeldet wird, auf die Beschau von Stichproben beschränkt; die gesetzliche Fiktion, dass der nicht geprüfte Teil der Ware dem geprüften Teil entspricht, setzt in diesen Fällen grundsätzlich nicht voraus, dass es sich bei den entnommenen und geprüften Proben um Durchschnittsproben der angemeldeten Waren handelt (, BFHE 105, 536; vom VII R 11/71, BFHE 112, 93; vom VII R 84/75, BFHE 127, 450; vom VII R 32/74, BFHE 128, 284; vom VII R 4/78, BFHE 128, 434; vom VII R 38/98, BFH/NV 2000, 763; ebenso Lichtenberg in Dorsch, Zollrecht, Art. 70 ZK Rz. 2; Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 3. Aufl., Art. 70 ZK Rz. 7; Witte/Henke, Zollkodex, 3. Aufl., Art. 70 Rz. 2).

aa) Diese Rechtsprechung ist zwar noch zu §§ 16, 17 des Zollgesetzes (ZG) ergangen; jedoch unterscheiden sich die im Streitfall anzuwendenden Vorschriften der Art. 68 ff. ZK und der Art. 239 ff. Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) vom früheren nationalen Zollrecht nicht in einer Weise, welche die vom FG für erforderlich gehaltene Änderung dieser Rechtsprechung erforderlich macht (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 204/02, BFH/NV 2003, 672). Zwar enthielt § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG eine widerlegbare Vermutung, während die entsprechende Regelung des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK überwiegend als eine gesetzliche Fiktion angesehen wird (vgl. Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, a.a.O., Art. 70 ZK Rz. 4; Witte/ Henke, a.a.O., Art. 70 Rz. 2); jedoch gründete sich die Auffassung des Senats, wonach der Umfang einer durchzuführenden Beschaffenheitsbeschau im pflichtgemäßen Ermessen der Zollbehörde lag, auf das Fehlen gesetzlicher Regelungen bezüglich des Umfangs einer Teilbeschau und nicht darauf, dass § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG als widerlegbare Vermutung gestaltet war. Auch im Zollkodex und der Zollkodex-Durchführungsverordnung lassen sich neben Art. 68 Buchst. b ZK, wonach die Zollbehörden zwecks Überprüfung der Anmeldung eine Zollbeschau, ggf. mit Entnahme von Mustern oder Proben zum Zweck einer Analyse oder eingehenden Prüfung, vornehmen können, keine darüber hinausgehenden Regelungen finden, in welchen Fällen und in welchem Umfang die Beschaffenheit des Zollguts von den Zollbehörden zu ermitteln ist. Auch der Gemeinschaftsgesetzgeber hat daher —abgesehen von hier nicht vorliegenden Fällen, in denen er für bestimmte Waren eine bestimmte Art der Probenentnahme vorschreibt— die Frage des Ob und des Wie der Zollbeschau der zuständigen Zollbehörde überlassen, was der Rechtslage unter der Geltung des § 16 Abs. 1 Satz 2 ZG entspricht (vgl. Lichtenberg in Dorsch, a.a.O., Art. 68, 69 ZK Rz. 1).

Der frühere § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG und Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK unterscheiden sich zwar insoweit, als dieser die gesetzliche Beschaffenheitsfiktion im Fall einer durchgeführten Teilbeschau nicht mehr von der Voraussetzung abhängig macht, dass die Ware in der Zollanmeldung nicht als unterschiedlich beschaffen angegeben worden ist. Der Gemeinschaftsgesetzgeber konnte jedoch auf diese Voraussetzung verzichten, weil es sich von selbst versteht, dass eine stichprobenweise Teilbeschau nur in Betracht kommt, wenn in der Zollanmeldung nicht angegeben ist, dass die Ware unterschiedlich beschaffen ist (Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 672).

bb) Der Zollanmelder ist nach Art. 62 Abs. 1 Satz 2 ZK verpflichtet, die Waren mit den Merkmalen anzumelden, die zur Anwendung der Vorschriften für das von ihm beantragte Zollverfahren erforderlich sind. Zu diesen Merkmalen gehört bei der Abfertigung zum freien Verkehr die Beschaffenheit der Ware, mithin auch, ob die angemeldete Ware in sich unterschiedlich beschaffen ist (Schwarz in Schwarz/ Wockenfoth, a.a.O., Art. 70 ZK Rz. 6). Macht der Zollanmelder solche Angaben zu einer etwaigen unterschiedlichen Beschaffenheit nicht, bekundet er selbst, dass sich Fragen zum Umfang und zur Repräsentativität einer Durchschnittsprobe von vornherein nicht stellen, weil in Fällen dieser Art bereits eine einzige Probe die gesamte Warensendung „repräsentiert”. Die Zollbehörde kann dann von einer einheitlichen Beschaffenheit der Ware ausgehen und kann —ebenso wie nach der früheren Rechtslage unter der Geltung des ZG— ihr weiteres Verwaltungshandeln und die in ihrem Ermessen stehende Entscheidung über den Umfang der Probenziehung danach ausrichten und sich darauf beschränken, eine Stichprobe zu entnehmen, die ausreicht, um die erforderliche Beschaffenheitsuntersuchung durchzuführen (vgl. Lichtenberg in Dorsch, a.a.O., Art. 68, 69 ZK Rz. 3; Senatsurteile in BFHE 112, 93, und in BFHE 127, 450).

cc) Da im Streitfall die Klägerin in ihrer Zollanmeldung zur Abfertigung zum freien Verkehr keine Angaben über eine unterschiedliche Beschaffenheit der Ware gemacht hatte, stellt sich die Entscheidung des HZA, lediglich einen Karton als Stichprobe untersuchen zu lassen, als sachgerechte Ermessensausübung dar, denn der Wareninhalt der Probe mit einem Gesamtgewicht von 12 kg war fraglos ausreichend, um den Salzgehalt der Hähnchenbrüste zu ermitteln. Das HZA war nicht gehalten, der Warensendung eine größere Probenmenge zu entnehmen und diese auf ihre Beschaffenheit zu untersuchen. Auch die das Ermessen der Zollbehörde regelnde Dienstvorschrift „Zollbehandlung; Allgemeine Vorschriften” (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung —VSF— Z 07 01) sowie die Dienstanweisung „Entnahme und Behandlung von Proben zum Untersuchen” (VSF Z 07 12) verpflichteten nicht zu einer umfassenderen Probenziehung.

b) Anders als die Klägerin meint, lässt sich dem (EuGHE 2004, I-2041) für den Streitfall nicht das Erfordernis der Repräsentativität der im Rahmen der Zollbeschau gezogenen und untersuchten Warenprobe in dem Sinne entnehmen, dass das HZA eine über einen Karton hinausgehende Probenmenge hätte entnehmen müssen. Jenes EuGH-Urteil betraf die Einfuhr von Bruchreis, der zum einen in der Warensendung mit einem bestimmten Anteil enthalten sein musste und der zum anderen Schüttgut ist, bei dem daher die enthaltenen verschiedenen Bestandteile durch das Verladen oder den Transport unregelmäßig vermischt sein können, so dass aus diesem Grund Proben an verschiedenen Stellen der Sendung zu ziehen waren, um eine repräsentative Durchschnittsprobe zu erhalten (vgl. zum Erfordernis einer repräsentativen Durchschnittsprobe bei Schüttgut und Flüssigkeiten: Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, a.a.O., Art. 70 ZK Rz. 4, 7; Witte/Henke, a.a.O., Art. 70 Rz. 2, m.w.N.; Abs. 10 der Dienstanweisung in VSF Z 07 12). Mit Waren dieser Art sind die Waren des Streitfalls jedoch nicht vergleichbar. Es war im Streitfall keine Warensendung angemeldet worden, die sich aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammensetzte, welche evtl. unregelmäßig vermischt waren, sondern eine Warensendung, deren sämtliche Bestandteile nach den Angaben der Klägerin gleich beschaffen waren. Dem EuGH-Urteil in EuGHE 2004, I-2041 lässt sich daher nichts entnehmen, was unter diesen Umständen die Entscheidung des HZA, nur einen Karton als Probe zu entnehmen, als ermessensfehlerhaft erscheinen lässt.

c) Entgegen der Ansicht des FG lassen sich den Vorschriften der VO Nr. 2457/97 keine allgemeinen Rechtsgedanken entnehmen, die das HZA im Rahmen seiner Ermessensausübung bei der Probenziehung bzw. -untersuchung hätte berücksichtigen müssen. Zum einen schließt der in Art. 68 Buchst. b ZK zum Ausdruck kommende Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers, die Entscheidung über den Umfang der Zollbeschau der Zollbehörde zu überlassen, die Möglichkeit aus, diese Entscheidungsbefugnis durch die Rechtsprechung besonderen zusätzlichen Regeln zu unterwerfen (Senatsurteil in BFHE 112, 93). Zum anderen handelt es sich bei der vom FG herangezogenen Verordnung um eine marktordnungsrechtliche Verordnung, deren Regelungen und rechtliche Erwägungen sich nicht auf das Zollrecht übertragen lassen (vgl. , EuGHE 1997, I-4517 Rz. 39). Die VO Nr. 2457/97 sieht bei der Ausfuhr von Rindfleisch, für das Ausfuhrerstattung gewährt werden soll, hinsichtlich der jeweiligen gesetzlichen Anforderungen, welche die Erzeugnisse erfüllen müssen, bestimmte Fehlertoleranzen vor und regelt aus diesem Grund den Umfang, den eine Probenziehung zum Zweck der Warenkontrolle haben muss. Dem Zollrecht sind hingegen Fehlertoleranzen bei der Überprüfung von Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet werden, fremd. Die zollrechtlichen Vorschriften sehen keine Fehlertoleranzen in dem Sinne vor, dass eine Warensendung zum Zollsatz einer bestimmten Codenummer der KN abgefertigt wird, wenn sie lediglich überwiegend und nicht ausnahmslos Waren dieser Codenummer enthält. Sind Waren in einer für die Anwendung des Zollrechts maßgeblichen Weise unterschiedlich beschaffen, so sind sie für das jeweilige Zollverfahren auch als unterschiedlich beschaffen anzumelden.

d) Der Ansicht des FG, dass das HZA bei seiner Ermessensausübung hätte berücksichtigen müssen, dass die Qualität von Naturerzeugnissen von verschiedenen Umweltfaktoren beeinflusst wird, ist schon deshalb nicht zu folgen, weil es vorliegend nicht um die —möglicherweise schwankende— Beschaffenheit von Naturerzeugnissen geht, sondern allein um den Anteil des hinzugefügten Kochsalzes, also um den Grad der Bearbeitung eines Naturprodukts. Sollte das Vorbringen der Klägerin zutreffen, dass erfahrungsgemäß auch der Anteil des dem Fleisch zugefügten Salzes Schwankungen unterliege, wäre die entsprechende Kenntnis von solchen Schwankungen eher auf Seiten der Klägerin als Zollanmelderin als auf Seiten des HZA zu vermuten, so dass es nahe gelegen hätte, auf solche möglichen Unterschiede der Warenbeschaffenheit in der Zollanmeldung hinzuweisen oder jedenfalls gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK zu veranlassen, dass unter diesen Umständen eine größere Probenmenge der Warensendung entnommen wird; beides ist jedoch unterblieben.

e) Die durchgeführte Teilbeschau war auch nicht deshalb fehlerhaft, weil das HZA keine Rückstellprobe gebildet hatte. Hierzu war das HZA nicht verpflichtet. Anders als die Klägerin meint, folgt eine solche Pflicht des HZA nicht aus Art. 242 Abs. 3 ZKDVO. Diese Vorschrift begrenzt die Höchstmenge der bei einer Zollbeschau entnommenen Probe auf diejenige Menge, welche zur Durchführung der Analyse oder eingehenden Prüfung einschließlich einer „etwaigen” Gegenanalyse erforderlich ist, schreibt jedoch die Bildung einer Rückstellprobe durch die Zollstelle nicht vor. Vielmehr kann die Zollstelle in Fällen, in denen eine als einheitlich beschaffene Ware angemeldet worden ist, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Entnahme einer weiteren Probe als Rückstellprobe absehen, weil in diesen Fällen die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Untersuchung mehrerer Proben zwangsläufig jeweils zum gleichen Ergebnis führen muss (vgl. Senatsurteil in BFHE 127, 450).

Für den Streitfall ergab sich eine das Ermessen des HZA bindende Verpflichtung zur Entnahme einer Rückstellprobe auch nicht aus Abs. 7 Satz 2 der Dienstanweisung in VSF Z 07 12. Zum einen kann dieser Verwaltungsvorschrift keinesfalls das Erfordernis entnommen werden, aus einer Warensendung, wie sie im Streitfall zur Abfertigung angemeldet worden ist, nicht nur einen, sondern zwei Kartons als Probe zu entnehmen, sondern allenfalls die Anweisung, „aus den entnommenen Mengen” —im Streitfall mithin aus dem Karton mit sechs Packungen Hähnchenbrüsten— jeweils eine Untersuchungsprobe und eine Rückstellprobe zu bilden. Dass eine solche Verfahrensweise ein anderes Untersuchungsergebnis erbracht hätte, ist nicht ersichtlich; außerdem erscheint zweifelhaft, ob der entnommene Karton bzw. die darin enthaltenen Packungen nicht ohnehin „Originalpackungen” waren, für welche die Dienstanweisung eine Aufteilung in Untersuchungsprobe und Rückstellprobe nicht vorsieht. Zum anderen ist davon auszugehen, dass es der Zollstelle in besonderen Einzelfällen gestattet ist, das ihr zustehende Ermessen dahin auszuüben, die Rückstellprobe nicht zu bilden, wenn z.B. —wie im Streitfall vom HZA unwidersprochen vorgetragen— keine Lagerungsmöglichkeit für eine Rückstellprobe vorhanden ist.

Im Übrigen dient die Rückstellprobe der Gegenanalyse, wenn das für die Untersuchungsprobe gefundene Ergebnis nicht eindeutig oder mit Zweifeln behaftet ist, weil z.B. die erste Probe für eine Analyse ungeeignet war. So verhält es sich jedoch im Streitfall nicht; vielmehr ist nach den Feststellungen des FG davon auszugehen, dass das Untersuchungsergebnis der ZPLA vom , wonach das Fleisch den erforderlichen Gesamtkochsalzgehalt von 1,2 % nicht aufwies, eindeutig war. Die Rückstellprobe wird hingegen nicht entnommen, um dem Zollanmelder den Nachweis zu ermöglichen, dass die angemeldeten Waren —entgegen seinen Angaben in der Zollanmeldung— doch nicht einheitlich beschaffen waren. Zieht die Zollstelle aus der Zollanmeldung die Folgerung, dass die Entnahme nur einer Untersuchungsprobe ausreicht, kann ihr das nicht später vom Zollanmelder entgegengehalten werden, da er dieses Verhalten durch seine —eventuell objektiv falsche— Zollanmeldung bewirkt hat. Es kann daher nicht angenommen werden, dass wegen einer vom HZA nicht gezogenen Rückstellprobe das für die bereits untersuchte erste Probe gefundene Ergebnis unbeachtlich ist und die Beschaffenheitsfiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK nicht auslösen kann.

2. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten des X-Instituts ist nicht geeignet, das Untersuchungsergebnis der ZPLA in Zweifel zu ziehen, weil nur die von der Zollstelle im Rahmen der Zollbeschau gemäß Art. 68 Buchst. b ZK entnommenen und untersuchten, nicht aber die vom Zollanmelder entnommenen Proben Grundlage der Feststellung der Warenbeschaffenheit sein können (vgl. Senatsurteile in BFHE 105, 536, und in BFHE 112, 93).

3. Das HZA hat zwar im Streitfall sein Ermessen nachträglich dahin ausgeübt, neben der bei der Zollabfertigung gezogenen Probe eine weitere Probe aus der Warensendung von der ZPLA untersuchen zu lassen. Das gewonnene Untersuchungsergebnis vermag allerdings bislang nicht der Beschaffenheitsfiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK, wie sie im Streitfall durch die Teilbeschau und das Untersuchungsergebnis vom ausgelöst worden ist, die Grundlage zu entziehen, weil es an Feststellungen fehlt, ob jene zweite Probe aus der streitigen, unverändert vorhandenen Warensendung stammte.

Der Zollanmelder hat nach Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK das Recht, eine zusätzliche Zollbeschau zu verlangen, wenn er der Ansicht ist, dass die Ergebnisse der Teilbeschau auf den Rest der angemeldeten Warensendung nicht zutreffen. Dieses Recht, Einwände gegen die Probenziehung zu erheben und eine zusätzliche Teilbeschau zu verlangen, endet jedoch, wenn —wie im Streitfall— die betreffenden Waren von der Zollstelle bereits freigegeben und dem Zollanmelder überlassen worden sind, es sei denn, dass sich nachweisen lässt, dass der Zustand der Waren nach der Überlassung in keiner Weise verändert wurde, so dass weiterhin die Möglichkeit besteht, eine zusätzliche Zollbeschau durchzuführen und weitere Proben zu entnehmen (EuGH-Urteil in EuGHE 2004, I-2041).

Nach der Überlassung der Waren kommt eine zusätzliche Teilbeschau gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht (so auch: Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, a.a.O., Art. 70 ZK Rz. 12; Witte/Henke, a.a.O., Art. 70 Rz. 4). Die Zollbehörde kann jedoch nach Art. 78 Abs. 1 ZK auch noch nach der Überlassung der Waren von Amts wegen oder auf Antrag des Zollanmelders eine Überprüfung der Anmeldung vornehmen, wobei allerdings nach Art. 78 Abs. 2 Satz 3 ZK eine Überprüfung der Waren nur vorgenommen werden kann, sofern diese noch vorgeführt werden können. Die Möglichkeit des Zollanmelders, die Gültigkeit des Ergebnisses der Teilbeschau auch für den Rest der angemeldeten Warensendung zu bestreiten und eine zusätzliche Teilbeschau zu verlangen, setzt somit in jedem Fall voraus, dass die betreffenden Waren nicht freigegeben wurden oder, wenn sie freigegeben wurden, in keiner Weise verändert wurden, was der Zollanmelder nachzuweisen hat (EuGH-Urteil in EuGHE 2004, I-2041).

Da im Streitfall die Warensendung abgefertigt und freigegeben worden ist, könnte das Untersuchungsergebnis der ZPLA hinsichtlich der zweiten Probe nur rechtliche Wirkungen auslösen, wenn der Klägerin, der insoweit die Feststellungslast obliegt, der Nachweis gelänge, dass der Probenkarton aus der nach der Überlassung in keiner Weise veränderten Warensendung stammte. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung, dass die Beschaffenheitsfiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK mangels repräsentativer Probenziehung nicht ausgelöst worden sei, hat das FG allerdings keine tatsächlichen Feststellungen zu diesem der Klägerin obliegenden Nachweis getroffen; diese Feststellungen werden im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein.

4. a) Sollte der Klägerin dieser Nachweis nicht gelingen, wird die Klage abzuweisen sein, da die Ergebnisse der ersten Teilbeschau nach Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK für die gesamte Einfuhrsendung gelten und die höheren Einfuhrabgaben für Waren der Codenummer 0207 14 10 KN gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben sind. Fehler des HZA bei der Abgabenberechnung sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

b) Sollte dagegen der Nachweis erbracht werden, dass der untersuchte zweite Probenkarton der streitigen Einfuhrsendung entstammte, wäre die durch die erste Teilbeschau und Probenuntersuchung ausgelöste Beschaffenheitsfiktion erschüttert, da nicht mehr davon ausgegangen werden könnte, dass der Rest der Warensendung der Beschaffenheit der bei der Einfuhrabfertigung entnommenen Probe entsprach. Das Ergebnis der ersten Teilbeschau würde dann nur noch für den geprüften Teil der Warensendung gelten (vgl. Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, a.a.O., Art. 70 ZK Rz. 13).

Allerdings dürfte es in diesem Fall auch nicht in Betracht kommen, das Untersuchungsergebnis der ersten Probe als widerlegt anzusehen und nunmehr gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK das Ergebnis der zweiten Probenuntersuchung auf den nicht beschauten Teil der Warensendung anzuwenden, denn das erste Beschauergebnis bleibt weiterhin beachtlich und wird nicht etwa durch ein weiteres ihm widersprechendes Untersuchungsergebnis wirkungslos. Wenn —wie es die Klägerin meint— das Ergebnis der zweiten Probenuntersuchung zeigt, dass die erste im Zeitpunkt der Einfuhrabfertigung entnommene Untersuchungsprobe für den Rest der Warensendung nicht repräsentativ war, so gilt dies entsprechend auch umgekehrt.

Anders als die Klägerin meint, dürfte es ebenfalls nicht in Betracht kommen, hinsichtlich der Warenbeschaffenheit nunmehr die Angaben in der Zollanmeldung gemäß Art. 71 Abs. 2 ZK zugrunde zu legen, denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall nicht vor. Art. 71 Abs. 2 ZK setzt voraus, dass eine Prüfung der Zollanmeldung nicht stattgefunden hat, was im Streitfall jedoch nicht zutrifft. Vielmehr haben —sollte auch die zweite Warenprobe nachweisbar aus der Einfuhrsendung stammen— sogar zwei Teilbeschauen stattgefunden, die allerdings zu unterschiedlichen —gleichwohl nicht etwa unbeachtlichen— Ergebnissen hinsichtlich der Beschaffenheit der Proben geführt haben. Jedenfalls stünde in diesem Fall fest, dass die Angaben in der Zollanmeldung hinsichtlich der einheitlichen Warenbeschaffenheit unzutreffend waren, weshalb es sich verbietet, diese Angaben aus der Zollanmeldung der Abgabenerhebung zugrunde zu legen.

Unter solchen Umständen ist allein der Schluss gerechtfertigt, dass die Warensendung —anders als in der Zollanmeldung angegeben— nicht von einheitlicher Beschaffenheit ist (vgl. Schwarz in Schwarz/Wockenfoth, a.a.O., Art. 70 ZK Rz. 13). Bei noch nicht überlassenen Waren hat dies zur Folge, dass eine stichprobenweise Teilbeschau ausscheidet und eine volle Beschaffenheitsbeschau anzuordnen ist (Schwarz in Schwarz/ Wockenfoth, a.a.O., Art. 70 ZK Rz. 6; vgl. auch Abs. 40 Satz 2 der Dienstvorschrift in VSF Z 07 01). In Fällen, in denen —wie im Streitfall— die Waren überlassen worden sind und nicht mehr zur Verfügung stehen, kommt dies indes nicht in Betracht.

Sollte das zweite Untersuchungsergebnis beachtlich sein, weil die zweite Probe nachweislich der Einfuhrsendung entstammte, könnte somit die Beschaffenheitsfiktion weder des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK noch des Art. 71 Abs. 2 ZK eingreifen, so dass die Beschaffenheit des nicht beschauten Teils der Warensendung als nicht geklärt anzusehen wäre. Nach welchen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen in einem solchen Fall zu entscheiden oder ob nach nationalen Vorschriften —wie z.B. § 96 Abs. 1 FGO i.V.m. § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) oder nach Grundsätzen der objektiven Beweislast— zu verfahren ist, ist bisher noch nicht entschieden. Der Senat ist der Ansicht, dass diese Rechtsfrage —sollte sie sich im Streitfall stellen— nicht beantwortet werden kann, ohne sie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt zu haben, und weist darauf hin, dass er eine entsprechende Frage —allerdings in einem marktordnungsrechtlichen Verfahren— dem EuGH bereits vorgelegt hat (Senatsbeschluss vom VII R 19/03 und 35/03, BFH/NV 2004, 1557). Es bleibt jedoch dem FG überlassen, ggf. über eine erneute Vorlage zu befinden; eine Verpflichtung des FG zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht indes nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom VII B 162/99, BFH/NV 2000, 77).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1368 Nr. 7
HFR 2006 S. 810 Nr. 8
CAAAB-83242