BFH Beschluss v. - II B 13/05

Instanzenzug:

Gründe

I. Die 2003 verstorbene Erblasserin bestimmte in ihrem Testament die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zu ihrer Vorerbin und ihre Enkel zu Nacherben. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte gegen die Klägerin durch (Änderungs-)Bescheid vom Erbschaftsteuer in Höhe von 17 116 € fest. Den steuerpflichtigen Erwerb, der im Wesentlichen aus Grundvermögen bestand, hatte das FA unter Ansatz der Bedarfswerte mit 360 676 € ermittelt.

Der Einspruch, mit dem die Klägerin ihre Besteuerung als Nießbrauchsberechtigte an dem Grundvermögen begehrte und einen Verstoß des § 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—) und die Erbrechtsgarantie (Art. 14 GG) geltend machte, blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die Klägerin nach dem eindeutigen Wortlaut des Testaments die Rechtsstellung einer Vorerbin und nicht die einer Nießbrauchsberechtigten erlangt habe. Der Gesetzgeber habe mit der doppelten Besteuerung von Vor- und Nacherbschaft nicht die ihm zustehende Gestaltungsfreiheit überschritten.

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision tritt die Klägerin dieser Beurteilung entgegen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Die Klägerin hat innerhalb der Begründungsfrist einen Zulassungsgrund nicht ausdrücklich benannt. Ihrem Vorbringen lässt sich bei sachgerechter Auslegung entnehmen, dass sie im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 ErbStG grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) sowie Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) geltend macht. Diese Revisionszulassungsgründe sind nicht in einer den Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.

a) Für die nach § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache und der Fortbildung des Rechts muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Es ist dazu eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Ferner bedarf es substantiierter Angaben, inwieweit die aufgeworfene Frage im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im konkreten Fall auch klärungsfähig ist (BFH-Beschlüsse vom X B 23/02, BFH/NV 2003, 504; vom VII B 334/03, BFH/NV 2004, 974; vom II B 63/03, BFH/NV 2005, 211).

Wird mit der Beschwerde ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, so muss der Beschwerdeführer diesen zumindest inhaltlich näher begründen. Zu einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung gehört eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des BFH und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte rechtliche Auseinandersetzung (BFH-Beschlüsse vom VIII B 182/02, BFH/NV 2003, 1059; vom II B 15/02, BFH/NV 2004, 533, m.w.N.; vom III B 59/04, BFH/NV 2005, 1080).

b) Diese Anforderungen gelten auch für den hier geltend gemachten Verstoß des § 6 Abs. 1 ErbStG gegen Verfassungsrecht. Insoweit hätte es zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache oder der Erforderlichkeit einer Revisionsentscheidung zur Fortbildung des Rechts eingehender Ausführungen dazu bedurft, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht eingehalten hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei der Frage der Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu untersuchen ist, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (, BFH/NV 2005, 1833, m.w.N.). Zur Darlegung, dass die Vereinbarkeit des § 6 Abs. 1 ErbStG mit Verfassungsrecht klärungsbedürftig ist, ist daher aufzuzeigen, dass und inwieweit der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit in willkürlicher Weise verletzt. Erforderlich ist ferner eine Auseinandersetzung mit der Systematik des ErbStG und dem der Besteuerung der Vor- und Nacherbschaft zugrunde liegenden Gesamtkonzept des Gesetzgebers (BFH-Beschlüsse vom II B 18/00, BFH/NV 2001, 798; vom II B 73/02, BFH/NV 2003, 1185).

Die Beschwerdebegründung genügt diesen Anforderungen mit ihren Hinweisen auf die Rechtslage nach dem Erbschaftsteuerrecht der Schweiz sowie auf Teile des Schrifttums, die einen Verstoß des § 6 Abs. 1 ErbStG gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) annehmen, nicht. Es fehlt auch jede Auseinandersetzung mit dem insoweit rechtserheblichen Gesichtspunkt, dass der Vorerbe bürgerlich-rechtlich die Stellung eines Erben hat, mithin Eigentümer und Inhaber der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und Rechte ist (vgl. Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 64. Aufl., § 2100 Rz. 8) und dass das ErbStG mit Ausnahme der Regelungen in § 6 Abs. 2 und 3 sowie in § 20 Abs. 4 ErbStG auf die Anordnung einer Vorerbschaft keine Rücksicht nimmt. Insbesondere lässt die Klägerin mit ihrem Vorbringen, sie sei als nicht befreite Vorerbin bei wirtschaftlicher Betrachtung „de facto” lediglich Treuhänder bzw. Verwalter der Nacherben und § 6 Abs. 1 ErbStG beruhe auf einem Akt „legislativer Willkür”, die bürgerlich-rechtliche Prägung des ErbStG unberücksichtigt (dazu , BFHE 148, 324, BStBl II 1987, 175; vom II R 10/99, BFH/NV 2001, 1404).

Diese Gesichtspunkte lässt die Beschwerdebegründung auch gänzlich außer Betracht, soweit sie wegen der Höhe des im Streitfall festgestellten Grundbesitzwerts —verglichen mit der Bewertung eines Nießbrauchsrechts— einen Verstoß gegen das Bereicherungsprinzip und das Übermaßverbot geltend macht.

2. Da sich die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen beurteilt und spätere Darlegungen —abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen— nicht zu berücksichtigen (vgl. , BFH/NV 2003, 1603, m.w.N.) sind, können die Ausführungen der Klägerin in ihrem erst nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom nicht berücksichtigt werden. Dabei kann, da die Beschwerde schon aus den vorstehend unter 1. dargelegten Gründen unzulässig ist, offen bleiben, ob der Klägerin wegen der erst am eingegangenen Beschwerdebegründung im Hinblick auf die Versäumung der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) überhaupt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1299 Nr. 7
MAAAB-82715