BFH Beschluss v. - X B 140/05

Bindung des FG an den Klageantrag

Gesetze: FGO § 96

Instanzenzug:

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen Einkommensteuer 1992 stattgegeben. Das FG-Urteil wurde den Klägern am zugestellt. Hiergegen haben sie durch ihren Prozessbevollmächtigten innerhalb der Frist nach § 116 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt und darauf hingewiesen, die Begründung solle einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben. Nachdem innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist keine Beschwerdebegründung beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen war, wies der Vertreter des Senatsvorsitzenden den Prozessbevollmächtigten der Kläger mit einem am zugestellten Schreiben auf die Fristversäumnis und die Vorschrift des § 56 FGO hin.

Daraufhin übersandte der Prozessbevollmächtigte am eine Beschwerdebegründung und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dazu trug er vor, er habe sich am mit dem Steuerberater der Kläger zu einer abschließenden Besprechung getroffen und im Anschluss daran die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde abgefasst. Die Beschwerdebegründung sei am von einer Mitarbeiterin, Frau N, geschrieben und nach Korrektur zwischen 10.00 Uhr und 10.15 Uhr am Postamt R-Straße in D abgegeben worden. Eine Auskunft bei dem Postamt R-Straße habe ergeben, dass samstags die Post um 10.30 Uhr und sonntags um 9.00 Uhr in das Verteilungszentrum in L weitergegeben werde. Zudem sei nach Auskunft der Deutschen Post AG bei normalem Postverlauf damit zu rechnen, dass Briefe, die am Samstag bis 14.00 Uhr eingereicht werden, am Montag bis gegen 12.00 Uhr in das Postfach des Empfängers in München gelangen. Nach der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten hat diese die Beschwerdebegründung wegen der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit am Morgen des außerhalb ihrer Dienstzeit geschrieben und den Schriftsatz, der vom Prozessbevollmächtigten unterzeichnet worden war, zwischen 10.10 Uhr und 10.15 Uhr in Begleitung ihres Ehemannes in den Briefkasten des Postamtes R-Straße eingeworfen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) wendet sich nicht gegen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen.

1. Es kann offen bleiben, ob den Klägern wegen der versäumten Frist für die Begründung der Beschwerde (§ 116 Abs. 3 FGO) nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, obwohl ihr Prozessbevollmächtigter nicht durch Vorlage eines Postausgangsbuches oder einer sonstigen, zeitnah zu der angeblich rechtzeitigen Absendung der Beschwerdebegründung gefertigten schriftlichen Notiz über diesen Vorgang die zeitgerechte Absendung der Beschwerdebegründung nachgewiesen hat (vgl. hierzu , BFH/NV 1998, 1231). Denn die Beschwerde wäre auch dann, wenn den Klägern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt würde, unzulässig, weil die Kläger durch das angefochtene Urteil nicht beschwert sind.

2. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels ist, dass der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, Vor § 115 Rz. 12, m.w.N.). Das gilt auch für die Nichtzulassungsbeschwerde. Diese ist deshalb unzulässig, wenn der Kläger in der ersten Instanz in vollem Umfang obsiegt hat (Gräber/Ruban, a.a.O.).

Für die Frage des „Obsiegens” vor dem FG kommt es darauf an, ob das FG mit seiner Entscheidung hinter dem in der unteren Instanz erhobenen Begehren zurückgeblieben ist (, BFH/NV 1991, 611). Dabei ist, da die Entscheidungskompetenz des FG durch den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers begrenzt ist (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), allein eine Abweichung der Entscheidung von diesem Antrag maßgeblich (, BFH/NV 1995, 481, m.w.N.). Deshalb ist eine Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, wenn das FG dem Begehren des Beschwerdeführers in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung in vollem Umfang gefolgt ist (, BFHE 147, 125, BStBl II 1986, 880, 881).

Im Streitfall haben die Kläger ausweislich des Terminprotokolls in der mündlichen Verhandlung vor dem FG beantragt, der Entscheidung lediglich Zuschätzungen in Höhe des von ihrem Steuerberater im Schreiben vom ermittelten Mehrgewinns nebst einem Zuschlag in Höhe von 10 v.H. zugrunde zu legen. In der Anlage 8 zu diesem Schreiben wurde ein Netto-Mehrgewinn in Höhe von 83 239 DM bzw. ein Brutto-Mehrgewinn von 94 892,46 DM ermittelt. Unter Berücksichtigung eines 10 %-igen Zuschlags begehren die Kläger somit die Berücksichtigung eines Mehrgewinns von 104 381,71 DM. Unter Einbeziehung der im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid enthaltenen gewerblichen Einkünfte von 76 204 DM beantragten die Kläger damit im Ergebnis die Berücksichtigung von gewerblichen Einkünften in Höhe von 180 585 DM.

Von diesem Klagebegehren weicht das FG-Urteil nicht zu Ungunsten der Kläger ab.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2006 S. 2165 Nr. 40
BFH/NV 2006 S. 973 Nr. 5
KAAAB-80092