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Grundlagen - Stand: 04.02.2019

Mantelkauf

Reinald Gehrmann

I. Definition des Mantelkaufs

Als Mantelkauf bezeichnete man ursprünglich den Erwerb der Anteilsmehrheit an einer weitestgehend vermögenslosen Kapitalgesellschaft, die über steuerliche Verlustvorträge verfügt, in der Absicht, sie wirtschaftlich wieder zu beleben und etwaige Gewinne der Gesellschaft mit den in der Vergangenheit aufgelaufenen Verlustvorträgen zu verrechnen.

Nachdem der BFH in Abkehr von seiner früheren ständigen Rechtsprechung in mehreren Entscheidungen die Auffassung vertreten hatte, dass der Verlustabzug bei der – wieder belebten – Gesellschaft lediglich deren rechtliche, nicht auch wirtschaftliche Identität mit der „Alt”-Gesellschaft voraussetze, hatte der Gesetzgeber durch das Steuerreformgesetz 1990 in Form des § 8 Abs. 4 KStG erstmals eine gesetzliche Regelung zum Verlustabzug in derartigen Fällen geschaffen. Nach dieser Regelung ging die wirtschaftliche Identität verloren, wenn mehr als 75 v.H. der Anteile übertragen wurden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnahm. Mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform wurden die Voraussetzungen für den Verlustabzug weiter verschärft.

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 ist die komplizierte Regelung gestrichen und durch die einfacher zu handhabende Vorschrift des § 8c KStG ersetzt worden . Die Neuregelung ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem anzuwenden

II. Verlust der wirtschaftlichen Identität (§ 8 Abs. 4 KStG)

Das Gesetz ging nach dem gesetzlich formulierten Regelbeispiel von einem Verlust der wirtschaftlichen Identität zwischen der Gesellschaft, die die Verluste erwirtschaftet hat, und derjenigen, die diese Verluste steuerwirksam geltend macht, dann aus, wenn

  • mehr als 50 v.H. ihrer Anteile übertragen wurden

    und

  • sie ihren Betrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführte oder wieder aufnahm.

Eine Ausnahme galt für den Fall, dass die Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens allein der Sanierung diente und der Betrieb 5 Jahre lang unverändert fortgeführt wurde.

1. Anteilsübertragung

Eine schädliche Anteilsübertragung lag vor, wenn - nach der allerdings umstrittenen Verwaltungsauffas-sung - innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren das zivilrechtliche oder wirtschaftliche Eigentum an mehr als 50 v.H. der Anteile am Nennkapital der Kapitalgesellschaft übertragen wurde. Anteilsübertragungen zwischen Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern waren dabei aufgrund der hier geltenden zivilrechtlichen Betrachtungsweise einzubeziehen.

Ein schädlicher Wechsel der Anteilseigner konnte nach Auffassung der Finanzverwaltung auch eintreten, wenn lediglich mittelbar – auch über Personengesellschaften – gehaltene Beteiligungen an der Verlustgesellschaft übertragen wurden. Nach Auffassung des BFH ist die Einbeziehung des mittelbaren Gesellschafterwechsels nicht mit dem Gesetz vereinbar. Wird aus einer mittelbaren Beteiligung eine unmittelbare – verkürzt sich also lediglich die Beteiligungskette – geht die Finanzverwaltung ebenfalls von einem Verlust der wirtschaftlichen Identität aus.

Entsprechendes gilt für den Fall, dass es bei einer Kapitalgesellschaft zu einem Gesellschafterwechsel – auch ohne Anteilsübertragung – allein durch Veränderung des personalen Substrats im Zuge einer Verschmelzung auf eine Verlustgesellschaft kommt, wenn nach der Verschmelzung die an der Verlustgesellschaft bisher nicht beteiligten Gesellschafter an dieser zu mehr als 50 % beteiligt sind. Entsprechende Konstellationen sind auch bei Genossenschaften denkbar.

Eigene Anteile sind bei Berechnung der 50 v.H.-Grenze abzusetzen. Unerheblich ist dabei, ob neue oder bisherige Gesellschafter die Anteile erwerben, auf wie viele Erwerber und Erwerbsvorgänge sich die übertragenen Anteile verteilen und ob sie entgeltlich oder unentgeltlich übertragen werden. Nicht einzubeziehen sind lediglich Anteile, die im Wege des Erbfalls oder im Rahmen einer Erbauseinandersetzung übergehen.

2. Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens

a) Begriff des Betriebsvermögens

Betriebsvermögen i.S.d. § 8 Abs. 4 KStG ist lediglich das Aktivvermögen als die Summe der auf der Aktivseite der Bilanz auszuweisenden Vermögensgegenstände. In die erforderliche Betrachtung ist nicht nur das Anlage-, sondern auch das Umlaufvermögen jedenfalls dann mit einzubeziehen, wenn die Zuführung neuen Betriebsvermögens mit einer Änderung des Unternehmensgegenstandes einhergeht. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass Zuführungen zum Umlaufvermögen grundsätzlich mit zu berücksichtigen sind.

Zum Aktivvermögen rechnen im Übrigen auch diejenigen immateriellen Wirtschaftsgüter - wie z.B. ein originärer Firmenwert -, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung nicht angesetzt werden dürfen.

Gehören zum Betriebsvermögen der Verlustgesellschaft Beteiligungen an Organ- oder Personengesell-schaften, ist deren Aktivvermögen in vollem Umfang bzw. in Höhe der prozentualen Beteiligung in den Vergleich einzubeziehen. Zwecks Vermeidung einer Doppelerfassung sind die bilanzierten Beteiligungswerte davon abzusetzen.

Maßnahmen der Anteilseigner zur finanziellen Stärkung der Gesellschaft, die sich nur auf der Passivseite der Bilanz niederschlagen und das Betriebsvermögen der Gesellschaft erhöhen – wie etwa ein Forderungsverzicht – sind nicht als Betriebsvermögensmehrungen zu behandeln.

Schädlich soll aber z.B. die Überlassung von Sicherheiten oder Geschäftschancen und die Übernahme von Bürgschaften sein können. Grundsätzlich waren nach Verwaltungsauffassung sämtliche Zuführungen innerhalb eines Fünfjahreszeitraums nach dem schädlichen Anteilseignerwechsel zu betrachten. Vor diesem Zeitpunkt erfolgte Zuführungen sind aber dann mit zu berücksichtigen, wenn Veräußerer und Erwerber der Anteile diese Gestaltung gezielt wählen, um die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 4 KStG zu vermeiden.

Nach Auffassung des BFH ist es ernstlich zweifelhaft, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen schädlicher Anteilsübertragung und der Zuführung neuen Betriebsvermögens noch gegeben ist, wenn dazwischen mehr als drei Jahre liegen. Nach der neuesten Rechtsprechung muss zur Versagung des Verlustabzugs neben den zeitlichen Zusammenhang ein sachlicher Zusammenhang der beiden Ereignisse nach Art eines Gesamtplans bestehen. Danach ist das Vorliegen eines sachlichen Zusammenhangs zu vermuten, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang - nicht mehr als ein Jahr - zwischen Anteilsübertragung und Betriebsvermögenszuführung besteht. Nach Auffassung des BFH begründet der enge zeitliche Zusammenhang aber nur eine widerlegbare Vermutung für die Existenz eines Gesamtplans. Diese kann dadurch entkräftet werden, dass die Gesellschaft schlüssig darlegt, dass die Zuführung neuen Betriebsvermögens bei Anteilserwerb noch nicht beabsichtigt war, sondern durch spätere Ereignisse erforderlich wurde. Liegt zwischen den beiden Tatbestandsvoraussetzungen mehr als ein Jahr, entfällt die Vermutung für das Bestehen eines sachlichen Zusammenhangs; so dass die Finanzbehörden diesen erforderlichenfalls zu beweisen hat. Die Finanzverwaltung hält diesen Zeitraum von einem Jahr für zu kurz und nimmt nunmehr den erforderlichen sachlichen Zusammenhang noch bei einer Zeitspanne von zwei Jahren an.

Neues Betriebsvermögen überwiegt immer dann, wenn der Wert des der Kapitalgesellschaft zugeführten Aktivvermögens denjenigen des im Zeitpunkt der schädlichen Anteilsübertragung vorhandenen Aktivvermögens übersteigt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist dieser Tatbestand erfüllt, wenn der Teilwert des Aktivvermögens zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb des Fünfjahreszeitraums auf Grund von Zuführungen durch die Gesellschafter um mehr als 100 v.H. über dem Bestand zum Zeitpunkt des Anteilseignerwechsels liegt. Auf Grund dieser Saldobetrachtung scheiden bloße Ersatzbeschaffungen bei der Vergleichsberechnung genauso aus wie ein Aktivtausch, bei dem Wirtschaftsgüter der Gesellschaft veräußert oder mit ihren Finanzmitteln neue Wirtschaftsgüter angeschafft werden.

Abweichend hiervon gilt im Fall des Branchenwechsels eine rein gegenständliche Betrachtungsweise, bei der überwiegend neues Betriebsvermögen dann als zugeführt gilt, wenn nach der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs überwiegend Wirtschaftsgüter verwendet werden, die vor der Einstellung des ursprünglichen Geschäfts noch nicht vorhanden waren.

Entgegen der Verwaltungspraxis sieht der BFH zumindest in Fällen des sog. Branchenwechsels auch eine Finanzierung neuen Betriebsvermögens mittels von der Kapitalgesellschaft selbst erwirtschafteter Mittel als schädlich an.

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