BFH Urteil v. - VI R 60/03 BStBl 2006 II S. 206

Pauschalierung bei land- und forstwirtschaftlichen Aushilfskräften

Leitsatz

1. Land- und forstwirtschaftliche Arbeiten fallen nach § 40a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 EStG nicht ganzjährig an, wenn sie wegen der Abhängigkeit vom Lebensrhythmus der produzierten Pflanzen oder Tiere einen erkennbaren Abschluss in sich tragen. Dementsprechend können darunter auch Arbeiten fallen, die im Zusammenhang mit der Viehhaltung stehen.

2. Wenn die Tätigkeit des Ausmistens nicht laufend, sondern nur im Zusammenhang mit dem einmal jährlich erfolgenden Vieh-Austrieb auf die Weide möglich ist, handelt es sich um eine nicht ganzjährig anfallende Arbeit. Unschädlich ist, dass ähnliche Tätigkeiten bei anderen Bewirtschaftungsformen ganzjährig anfallen können.

3. Die Unschädlichkeitsgrenze von 25 v.H. der Gesamtbeschäftigungsdauer in § 40a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 EStG bezieht sich auf ganzjährig anfallende land- und forstwirtschaftliche Arbeiten. Für andere land- und forstwirtschaftliche Arbeiten gilt sie nicht.

Gesetze: EStG § 40a Abs. 3

Instanzenzug: (EFG 2003, 1622) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Streitig ist, ob es sich bei Aushilfstätigkeiten im Zusammenhang mit der Viehhaltung um ganzjährig anfallende Arbeiten gehandelt hat, so dass die Lohnsteuer nicht mit dem Pauschsteuersatz für landwirtschaftliche Aushilfskräfte von 5 v.H. des Arbeitslohns erhoben werden durfte.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes.

Im Jahr 1997 beschäftigte er den Arbeitnehmer A 14 Stunden mit dem Ausmisten des Stalles, 25 Stunden mit dem Pflanzen von Kartoffeln und 18 Stunden in der Ernte (insgesamt 57 Stunden); der Arbeitslohn betrug 570 DM. Außerdem wurde der Arbeitnehmer M 28 Stunden für das Ausmisten des Stalles und 51 Stunden in der Ernte eingesetzt (insgesamt 79 Stunden); dieser erhielt 1997 einen Arbeitslohn von 790 DM.

Im Jahr 1998 wurde A 28 Stunden mit dem Ausmisten des Stalles und 22 Stunden mit dem Sortieren von Kartoffeln beschäftigt; sein Arbeitslohn betrug 500 DM. Außerdem wurde der Arbeitnehmer W 28 Stunden mit dem Ausmisten des Stalles beschäftigt; er erhielt einen Arbeitslohn von insgesamt 280 DM.

Der Kläger berechnete die Lohnsteuer mit dem Pauschsteuersatz von 5 v.H. des Arbeitslohnes. Im Zuge einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass es sich bei dem Ausmisten um ganzjährig anfallende Tätigkeiten handele. Da der darauf entfallende zeitliche Anteil jeweils mehr als 25 v.H. der gesamten Beschäftigungsdauer betrage, sei eine Pauschalierung der Lohnsteuer mit 5 v.H. nicht zulässig.

Das Finanzgericht (FG) sah das Ausmisten generell als ganzjährig anfallende Tätigkeit an. Es gab der Klage nur hinsichtlich des an A im Jahr 1997 gezahlten Aushilfslohns statt, weil nicht mehr als 25 v.H. seiner gesamten Beschäftigungsdauer auf das Ausmisten entfallen war; im Übrigen wies es die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1622 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der dagegen gerichteten Revision macht der Kläger geltend, das FG sei zu Unrecht von einer ganzjährig anfallenden Tätigkeit ausgegangen. Es habe unbeachtet gelassen, dass das Ausmisten des Tiefstalles nur im Frühjahr anfalle, wenn die Mastbullen den Stall verließen. Das sei naturbedingt, weil die Mastbullen nur vom Frühjahr bis zum Herbst auf der Weide sein könnten. Die Frage der nicht ganzjährig anfallenden Arbeiten sei betriebsbezogen und nicht abstrakt auszulegen. Es sei nicht gerechtfertigt, die gesamten Tierhaltungsarbeiten aus der Anwendung des § 40a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) herauszunehmen. Für die Sortierungs- und Erntehilfearbeiten käme jedoch selbst dann die Lohnsteuerpauschalierung in Betracht. Denn § 40a Abs. 3 Satz 2 EStG sei so auszulegen, dass die 25 v.H.-Grenze nur für Arbeiten gelte, die nicht typischerweise in der Land- und Forstwirtschaft anfielen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ist der Revision entgegengetreten. Die Auffassung, dass Ausmistarbeiten/Stallarbeiten grundsätzlich ganzjährig anfielen, werde vorliegend durch den tatsächlichen Geschehensablauf bestätigt. So seien die Tiefställe 1997 z.B. im Januar ausgemistet worden. Es sei zutreffend, dass für Tierhaltungsarbeiten die Pauschalierungsmöglichkeit gemäß § 40a Abs. 3 EStG im Regelfall nicht zur Anwendung komme. Begünstigt sein sollten letztlich nur Saisonarbeiten, was den Anwendungsbereich größtenteils auf Feldbestellungs- und Erntearbeiten begrenze. Übliche Tierhaltungsarbeiten fielen dagegen ganzjährig an.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Dessen Feststellungen erlauben keine abschließende Entscheidung darüber, ob es sich bei der Tätigkeit des Ausmistens um eine ganzjährig anfallende Arbeit gehandelt hat, so dass eine Pauschalierung der Lohnsteuer für Aushilfskräfte in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft nicht zulässig war.

1. Nach § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG kann der Arbeitgeber bei Aushilfskräften, die in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ausschließlich mit typisch land- oder forstwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt werden, die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 5 v.H. des Arbeitslohns erheben. Voraussetzung ist nach Satz 2 der Vorschrift, dass die Aushilfskräfte für die Ausführung und für die Dauer von Arbeiten, die nicht ganzjährig anfallen, beschäftigt werden; eine Beschäftigung mit anderen land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten ist unschädlich, wenn deren Dauer 25 v.H. der Gesamtbeschäftigungsdauer nicht überschreitet. Nach § 40a Abs. 3 Satz 3 2. Halbsatz EStG sind Aushilfskräfte nicht Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber mehr als 180 Tage im Kalenderjahr beschäftigt.

a) Begünstigt sind danach grundsätzlich nur land- oder forstwirtschaftliche Arbeiten, die nicht ganzjährig anfallen.

aa) Mit den nicht ganzjährig anfallenden Arbeiten sind vor allem saisonbedingte Arbeiten gemeint; ergänzendes Korrektiv ist die Beschäftigungsgrenze von 180 Tagen (Trzaskalik in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 40a Rdnr. D 4). Der Gesetzgeber wollte damit klarstellen, „dass entsprechend den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien eine Pauschalierung nur für saisonale, d.h. ihrer Art nach vorübergehende Aushilfstätigkeiten in Betracht kommt” (2. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1997, BTDrucks 13/5952, 48). Nach der zuvor geltenden Regelung (§ 40a Abs. 3 Satz 2 EStG in der bis 1996 anzuwendenden Fassung) handelte es sich bei Aushilfskräften um Personen, „die von Fall zu Fall für eine im Voraus bestimmte Arbeit von vorübergehender Dauer in ein Dienstverhältnis treten”.

bb) Die frühere Regelung knüpfte nach der dazu ergangenen Rechtsprechung (siehe insbesondere , BFHE 162, 72, BStBl II 1991, 30, m.w.N.) an Besonderheiten der Arbeitsabläufe in der Land- und Forstwirtschaft an, die eine Sonderbehandlung gegenüber anderen Aushilfstätigkeiten gerechtfertigt erscheinen lassen. Land- und forstwirtschaftliche Arbeitsabläufe sind von saisonbedingten Arbeiten geprägt, die sowohl vom Arbeitsinhalt als auch vom zeitlichen Ablauf her vorübergehend sind, wie es z.B. bei Abläufen des Pflanzens und der Ernte besonders offenkundig ist (BFH-Urteil in BFHE 162, 72, BStBl II 1991, 30).

Daraus hat der Senat bereits unter Geltung der früheren Gesetzesfassung abgeleitet, dass Arbeiten, die das ganze Jahr über anfallen, nicht Gegenstand der Pauschalierung sein können. Entscheidend ist danach, dass die Arbeit als solche ihrer Art nach von vorübergehender Dauer ist. Das ist bei Arbeiten der Fall, die einen erkennbaren Abschluss in sich tragen (Urteil in BFHE 162, 72, BStBl II 1991, 30, m.w.N.; ebenso Wagner in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 40a EStG Anm. 51; Leingärtner/Stalbold, Besteuerung der Landwirte, Kapitel 46 Rz. 34).

cc) An dieser Auslegung hält der Senat auch für die ab 1997 anzuwendende Gesetzesfassung fest. Denn die geltende Regelung knüpft nach Wortlaut und Gesetzeszweck an die bisherige Rechtsprechung an (dazu oben unter aa). Maßgeblich ist daher weiterhin, ob die Arbeit als solche ihrer Art nach einen erkennbaren Abschluss in sich trägt; damit wird ausgeschlossen, dass die Pauschalierung allein durch die Arbeitseinteilung im jeweiligen Betrieb erreicht werden kann. Obergrenze ist die maximale Beschäftigungsdauer von 180 Tagen nach § 40a Abs. 3 Satz 3 2. Halbsatz EStG in der ab 1997 anzuwendenden Fassung.

dd) Land- und forstwirtschaftliche Arbeiten tragen als solche ihrer Art nach einen erkennbaren Abschluss in sich, wenn sie wegen der Abhängigkeit vom Lebensrhythmus der produzierten Pflanzen oder Tiere saisonal anfallen. Darunter können auch Arbeiten fallen, die im Zusammenhang mit der Viehhaltung stehen. Das gilt z.B. für die mit dem Almauf- oder -abtrieb verbundenen Arbeiten, weil sie wegen des jahreszeitlich bedingten Weideverhaltens der Tiere saisonal anfallen. Entscheidend ist, dass die Aushilfskraft zur Bewältigung einer Arbeitsspitze beschäftigt wird, die auf land- oder forstwirtschaftliche Besonderheiten, nicht allein auf die betriebliche Arbeitseinteilung zurückzuführen ist.

ee) Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es nicht darauf an, ob ähnliche Arbeiten bei anderen Bewirtschaftungsarten anders zu beurteilen sind, z.B. wenn das Vieh täglich vom Stall auf die Weide und zurück getrieben wird. Die Anknüpfung an die Bewirtschaftungsform entspricht im Ergebnis den Entscheidungen, in denen der Senat Wegebau- und Holzgewinnungs-Arbeiten als möglicherweise saisonale Arbeiten angesehen hat (vgl. , BFHE 146, 553, BStBl II 1986, 681), bzw. dies für eine Erntetätigkeit, die sich über mehr als sieben Monate erstreckte, abgelehnt hat (, BFHE 177, 109, BStBl II 1995, 392).

ff) Auch die Tätigkeit des Ausmistens ist nach diesen Kriterien zu beurteilen. Wenn sie —wie von der Revision geltend gemacht— der Bewirtschaftungsart nach nicht laufend erfolgen kann, sondern nur im Zusammenhang mit dem einmal jährlich erfolgenden Vieh-Austrieb auf die Weide möglich ist, handelt es sich um eine nicht ganzjährig anfallende Arbeit. Auf die abstrakte Möglichkeit, dass bei anderen Bewirtschaftungsformen ganzjährig ausgemistet werden könnte, kommt es danach —entgegen der Auffassung des FG— nicht an.

b) Ganzjährig anfallende land- oder forstwirtschaftliche Arbeiten sind schädlich, wenn deren Dauer 25 v.H. der Gesamtbeschäftigungsdauer überschreitet (§ 40a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 EStG). Die Unschädlichkeitsgrenze von 25 v.H. der Gesamtbeschäftigungsdauer bezieht sich nur auf solche anderen land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten, wie das FG zutreffend entschieden hat.

aa) Das ergibt sich aus dem Wortlaut sowie dem Aufbau der Regelung und entspricht dem Willen des Gesetzgebers (im Ergebnis ebenso Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 40a EStG Anm. 52; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz, § 40a Rz. 65; Barein in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuergesetz, § 40a Rn. 57; Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 40a Rz. 44; a.A. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl. 2005, § 40a Rz. 11).

bb) § 40a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 EStG gilt dem Wortlaut nach nur für andere land- und forstwirtschaftliche Arbeiten, die von den nicht ganzjährig anfallenden Arbeiten in § 40a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 EStG abgegrenzt werden. Hinzu kommt, dass § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG die Beschäftigung ausschließlich mit typisch land- oder forstwirtschaftlichen Arbeiten verlangt. Verrichtet ein Arbeitnehmer aber neben land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten auch andere Arbeiten, die keine land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten sind, so scheidet von vornherein eine Pauschalierung nach § 40a Abs. 3 EStG aus.

cc) Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck der Regelung. Denn nach der Gesetzesbegründung dient die Unschädlichkeitsgrenze dazu, dass Arbeitnehmer zur Überbrückung kurzfristig auch zu anderen land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten eingesetzt werden können (2. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1997, BTDrucks 13/5952, 48). Von einem Redaktionsversehen kann daher nicht ausgegangen werden.

2. Das FG hat —auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu Recht— im Streitfall nicht festgestellt, ob die Tätigkeit des Ausmistens —wie vom Kläger vorgetragen— nicht laufend zu beliebigen Zeitpunkten, sondern (nur) im Zusammenhang mit dem Weideauftrieb im Frühjahr erfolgen konnte. Allerdings können daran Zweifel bestehen —worauf das FA zutreffend hingewiesen hat—, weil die Aushilfstätigkeiten nach der in der Vorentscheidung wiedergegebenen Darstellung des Klägers im Januar bzw. Februar angefallen sind. Das FG wird die erforderlichen Feststellungen nachholen. Verbleiben danach Zweifel, ob es sich um nicht ganzjährig anfallende Arbeiten gehandelt hat, geht dies zu Lasten des die Pauschalierung begehrenden Klägers, weil er die Feststellungslast (objektive Beweislast) für steuermindernde Tatsachen trägt (, BFHE 198, 526, BStBl II 2002, 417, m.w.N.).

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Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 206
BB 2006 S. 427 Nr. 8
BFH/NV 2006 S. 662 Nr. 3
BStBl II 2006 S. 206 Nr. 5
DB 2006 S. 428 Nr. 8
DStRE 2006 S. 462 Nr. 8
EStB 2006 S. 134 Nr. 4
FR 2006 S. 480 Nr. 10
HFR 2006 S. 581 Nr. 6
INF 2006 S. 207 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 37/2006 S. 3108
NWB-Eilnachricht Nr. 7/2006 S. 471
StB 2006 S. 84 Nr. 3
StBW 2006 S. 5 Nr. 4
StuB-Bilanzreport Nr. 4/2006 S. 161
OAAAB-76632