Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege tätige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beschäftigt Arbeitnehmer in den Bereichen Sozialstation, Heim und Rettungsdienst. Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer findet der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) Anwendung. Hinsichtlich der Arbeitszeit an Feiertagen ist in § 15 DRK-TV folgende Regelung getroffen:
„In DRK-Dienststellen, deren Aufgaben Sonntags-, Feiertags-, Wechselschicht-, Schicht- oder Nachtarbeit erfordern, muss dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich entsprechend gearbeitet werden.
Bei Sonntags- und Feiertagsarbeit sollen jedoch im Monat zwei Sonntage arbeitsfrei sein, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Die an solchen Tagen zu leistenden Arbeitsstunden werden durch entsprechende Freizeit an einem Werktag der nächsten oder der übernächsten Kalenderwoche ausgeglichen.”
Die Höhe der Zuschläge bestimmt sich nach Maßgabe des § 39 DRK-TV, welcher u.a. bestimmt:
"(1) Der Mitarbeiter erhält neben seiner Vergütung/
seinem Lohn Zeitzuschläge. Sie betragen (...)
d) für Arbeit an
aa) Wochenfeiertagen sowie am Ostersonntag und
Pfingstsonntag
- ohne Freizeitausgleich 135 %
- bei Freizeitausgleich 35 %
... der Stundenvergütung.”
Der Kläger gewährte für Arbeiten an gesetzlichen Feiertagen Zeitzuschläge, die —in den Grenzen des § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG)— steuerfrei ausgezahlt wurden. Bei der Gewährung von Freizeitausgleich für Feiertagsarbeit aber verfuhr der Kläger in den Bereichen Sozialstation, Heim und Rettungsdienst unterschiedlich. In der Sozialstation erfolgte kein Freizeitausgleich; im Rettungsdienst wurde grundsätzlich Freizeitausgleich gewährt. Im Heim gab es keine einheitliche Regelung.
Auf Grund einer Lohnsteueraußenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) nur die über den möglichen Freizeitausgleich von 100 v.H. hinausgehenden Zuschläge in Höhe von 35 v.H. der Stundenvergütung als steuerbefreit an und nahm den Kläger durch Haftungsbescheid (Haftungszeitraum 1997 bis 2000) in Anspruch.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 583 veröffentlichten Urteil statt. Hinsichtlich der Gewährung von Freizeitausgleich habe der einzelne Arbeitnehmer einen Anspruch aus einer Wahlschuld. Nachdem aber der Arbeitgeber die finanzielle Abgeltung gewählt habe, sei der alternativ bestehende Anspruch der Arbeitnehmer auf Freizeitausgleich erloschen. Damit aber sei ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Arbeitsleistung und dem Anspruch auf Zahlung des erhöhten Zuschlags gegeben und die Zuschläge mithin steuerfrei.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Der Erhöhungsbetrag von 100 v.H. der Stundenvergütung sei kein Zuschlag für tatsächlich geleistete Feiertagsarbeit, sondern eine Entschädigung für den nicht erhaltenen Freizeitausgleich. Ob ein Wahlrecht auf Freizeitausgleich oder erhöhten Zuschlag bestehe, sei für die Steuerfreiheit nach § 3b EStG nicht entscheidend.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Zwar hat die Vorentscheidung zu Recht einen tarifvertraglichen Anspruch der Arbeitnehmer auf Gewährung von entlohntem Freizeitausgleich verneint (1.); sie ist jedoch aufzuheben, weil das FG nicht geprüft hat, ob die Arbeitnehmer aus anderen Rechtsgrundlagen einen Anspruch auf Gewährung von Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung hatten, welcher durch die gewährten Zuschläge abgegolten wurde (2.).
1. Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Feiertagsarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden steuerfrei, soweit sie 125 v.H. des Grundlohns nicht übersteigen. Ein solcher Zuschlag für Feiertagsarbeit setzt aber begrifflich voraus, dass dem Arbeitnehmer die an einem Feiertag geleistete Arbeit —zusätzlich zum üblichen Lohn— vergütet wird. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer auf Grund der Arbeit an einem Feiertag einen Anspruch auf einen bezahlten freien Tag erworben hat und dieser Freizeitanspruch nachfolgend durch eine Vergütung abgegolten wird. Denn diese Abgeltung ist Entschädigung für den nicht erhaltenen freien Tag. Sie tritt nicht zu dem Lohn für die Feiertagsarbeit hinzu, sondern zu dem Lohn für die Arbeit an dem Tag, der als freier Tag hätte in Anspruch genommen werden können (, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801). Diese einschränkende Auslegung des § 3b EStG rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass er als Ausnahmevorschrift das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbricht (vgl. , BFHE 94, 377, BStBl II 1969, 182, zu § 34a EStG).
Im Ergebnis zutreffend hat das FG einen tarifvertraglichen Anspruch auf Gewährung von entlohntem Freizeitausgleich verneint.
In DRK-Dienststellen, deren Aufgaben u.a. Feiertagsarbeit erfordern, muss gemäß § 15 Unterabs. 1 DRK-TV dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich entsprechend gearbeitet werden. Zur Aufrechterhaltung und Sicherstellung des allgemeinen Geschäftsbetriebes ist in den Dienststellen der Sozialstation, des Rettungsdienstes sowie im Heimbereich typischerweise Feiertagsarbeit zu erbringen.
Nach § 15 Unterabs. 2 Satz 2 DRK-TV werden die an einem Feiertag geleisteten Arbeitsstunden durch entsprechende Freizeit an einem Werktag der nächsten oder übernächsten Kalenderwoche ausgeglichen. Diese Tarifbestimmung begründet keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung für dienstplanmäßige Feiertagsarbeit (vgl. , AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge DRK, NZA-RR 1996, 38; zur vergleichbaren Tarifbestimmung in § 15 Abs. 2 BMT-G II auch , AP Nr. 3 zu § 15 BMT-G II, ZTR 2005, 88). Vielmehr handelt es sich hierbei ausschließlich um eine Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit.
2. Indessen durfte das FG die Steuerfreiheit der gewährten Feiertagszuschläge nicht bereits nach der Verneinung eines tarifvertraglichen Anspruches auf Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung bejahen, sondern hätte in Bezug auf die einzelnen Arbeitnehmer untersuchen müssen, ob diese einen durch Betriebsvereinbarung, durch Einzelvertrag oder durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz begründeten Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich hatten und ob durch die gewährten Zeitzuschläge sodann dieser Anspruch abgegolten wurde.
Nach den Feststellungen des FG handhabte der Kläger die Abgeltung in den einzelnen Dienststellen unterschiedlich. Während im Bereich des Rettungsdienstes grundsätzlich Freizeitausgleich gewährt wurde, verfuhr der Kläger in der Sozialstation gerade entgegengesetzt. Im Heim gab es keine einheitliche Regelung, die Gewährung von Freizeitausgleich wurde dort von dem persönlichen Überstundenkonto des einzelnen Arbeitnehmers abhängig gemacht. Das FG hätte daher weiter gehend prüfen müssen, ob die einzelnen Arbeitnehmer aus anderen Rechtsgrundlagen einen Anspruch auf Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung innehatten.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der BFH kann als Revisionsinstanz nicht selbst überprüfen, ob den Beschäftigten aus anderen Rechtsgrundlagen ein Anspruch auf bezahlte Freizeit erwuchs. Wenn und soweit den Arbeitnehmern ein solch anderweitig begründeter Anspruch zustand, ist der über den Grundzuschlag hinausgehende Erhöhungsbetrag keine Gegenleistung für die Arbeit an einem Feiertag, sondern dafür, dass an einem an sich freien Tag gearbeitet wurde (vgl. BFH-Urteile in BFHE 94, 377, BStBl II 1969, 182, und in BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801). In einer neuen Verhandlung und Entscheidung wird das FG die fehlenden Feststellungen nachzuholen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 44 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2006 S. 46
RAAAB-70228