BFH Beschluss v. - III B 30/05

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezog für ihren 1984 geborenen Sohn M bis einschließlich Februar 2004 Kindergeld. M beendete seine Schulausbildung mit dem Abitur im Juli 2003. Im August 2003 wurde er gemustert und für wehrdienstfähig erklärt. Mit Einberufungsbescheid vom wurde er aufgefordert, seinen Grundwehrdienst am anzutreten.

Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom die Kindergeldfestsetzung für M ab August 2003 auf und forderte das für den Zeitraum August 2003 bis Februar 2004 in Höhe von 1 078 € gezahlte Kindergeld zurück, da M die Anspruchsvoraussetzungen nach § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht mehr erfülle. Denn er habe die Schulausbildung beendet und befinde sich nicht mehr in Ausbildung. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Familienkasse wies darauf hin, da M erst für Januar 2004 einberufen worden sei, sei die für den Bezug von Kindergeld unschädliche Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt (Ende der Schulausbildung mit dem Abitur im Juli 2003) und dem Beginn des Wehrdienstes (Januar 2004) überschritten.

Mit der Klage trug die Klägerin vor, da M bereits im August 2003 gemustert worden sei und im September 2003 den Einberufungsbescheid erhalten habe, habe er vor dem Wehrdienst nicht mehr mit dem Studium beginnen können. Darauf, dass die unschädliche Übergangszeit von vier Monaten zwischen Ausbildung und Beginn des Wehrdienstes überschritten sei, habe M keinen Einfluss gehabt.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus: Wegen Überschreitung der Übergangszeit von vier Monaten sei M für das Kindergeld nicht mehr zu berücksichtigen. Auf die Gründe für das Überschreiten der Übergangsfrist komme es nicht an. Eine Gesetzesauslegung über den Wortlaut hinaus scheide aus. Ein Kind, das Übergangs- und Wartezeiten von mehr als vier Monaten zu überbrücken habe, könne sich darauf einstellen und müsse während dieser Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts. Sie trägt im Wesentlichen vor:

Da für M frühzeitig festgestanden habe, dass er im Januar eingezogen werden würde, habe er zwischen Abitur und Einberufung keine Ausbildung beginnen können. Die Besonderheit des Falles bestehe darin, dass M wegen der Einberufung im September 2003 für Januar 2004 sein beabsichtigtes Studium, das am begonnen hätte, nicht habe aufnehmen können. Es sei zu klären, ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b EStG dahin gehend einschränkend auszulegen sei, dass der Vier-Monats-Zeitraum dann nicht gelte, wenn die Verlängerung der Übergangszeit auf einer staatlichen Anordnung, der Einberufung, mit einer entsprechend langen Vorlaufzeit beruhe. Bei der derzeitigen Arbeitssituation fänden Jugendliche für die Übergangszeit kaum eine Beschäftigung. Bei der Bemessung des Unterbrechungszeitraums sei nicht auf die tatsächliche Einberufung, sondern auf das Datum des Einberufungsbescheids abzustellen. Zumindest müsste die Regelung dahin einengend ausgelegt werden, dass für die ersten vier Monate Kindergeld zu gewähren sei.

Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.

Die Familienkasse beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Die Beschwerde ist daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt. Die Klägerin hat keine neuen Gesichtspunkte herausgearbeitet, die vom BFH noch nicht gewürdigt worden wären. Deshalb kommt auch eine Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO nicht in Betracht.

Der BFH hat in den von der Klägerin angegebenen Urteilen vom VIII R 78/99 (BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841) und VIII R 92/01 (BFH/NV 2004, 173) ausgeführt, dass sich ein Kind, das Übergangs- und Wartezeiten von mehr als vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres oder eines anderen Dienstes im Ausland gemäß § 14b des Zivildienstgesetzes zu überbrücken hat, darauf einstellen kann und muss, während dieser Zeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen bzw. eine Ausbildung zu absolvieren. Gegen diese Beschränkung bestehen angesichts des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen auch dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Kind, wie es die Klägerin für ihren Sohn darlegt, nicht mit einem Überschreiten der Übergangszeit von vier Monaten rechnen musste (ebenso , BFH/NV 2004, 1242, und vom VIII R 101/03, BFH/NV 2005, 198, für den Fall des Wartens auf den Beginn des Zivildienstes).

Der Gesetzgeber darf atypische Fälle unberücksichtigt lassen, wenn die Einbeziehung nur unter Schwierigkeiten zu bewältigen wäre und hiervon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen ist (BFH-Urteile in BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841, und in BFH/NV 2004, 173). Davon ausgehend erscheint die Bemessung des unschädlichen Übergangszeitraums mit höchstens vier Monaten sachgerecht. Innerhalb dieses Zeitraums nach Beendigung eines Ausbildungsabschnitts ist es der großen Zahl der von der Regelung betroffenen Kinder möglich, eine Ausbildung oder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Dass im Einzelfall ein Kind wegen Überschreitung des Vier-Monats-Zeitraums aufgrund besonderer Umstände nicht berücksichtigt werden kann, liegt im Wesen der Ausgestaltung der typisierenden Regelung im Sinne eines festen Zeitraums. Wie der BFH in dem Urteil in BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841 ausgeführt hat, ist dabei auch zu berücksichtigen, dass, sofern die Fristüberschreitung für das Kind nicht absehbar ist und es deshalb nicht auf seine „Erwerbsobliegenheit” verwiesen werden kann, eine steuerliche Entlastung der Eltern im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG möglich ist.

Entgegen dem Vortrag der Klägerin sind die in den zitierten Entscheidungen des BFH entwickelten Grundsätze, die zu Übergangszeiten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des Zivildienstes ergangen sind, auf den Streitfall übertragbar. Es bestehen keine erheblichen Unterschiede zwischen den Übergangszeiten bis zum Beginn des Zivildienstes und des Wehrdienstes. Der Einwand der Klägerin, anders als beim Wehrdienst könne von den Eltern bzw. von dem Kind auf den Beginn des Zivildienstes Einfluss genommen werden, greift nicht durch. Wie sich aus dem dem BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 198 zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt (vgl. die Vorinstanz, , Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 271), kann sich auch die Aufnahme des Zivildienstes aus von den Eltern oder dem Kind nicht beeinflussbaren Gründen verzögern.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 50 Nr. 1
PAAAB-70207