Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter. Das Insolvenzverfahren ist im Mai 2000 eröffnet worden. Die Schuldnerin, eine GmbH, schuldet dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) aus dem Zeitraum März 2000 herrührende Umsatzsteuer in Höhe von rd. ... DM. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens war hierüber jedoch weder eine Steueranmeldung abgegeben worden noch ein Steuerbescheid ergangen. Der im Juli 2000 vom FA abgegebenen Anmeldung dieser Forderung zur Insolvenztabelle hat der Kläger widersprochen.
Im September 2001 hat das FA dem Kläger zwei Steuerbescheide erteilt, aus denen sich Erstattungsforderungen der Schuldnerin im Zusammenhang mit deren Körperschaft- und Gewerbesteuerveranlagung 1999 ergaben. Es hat jedoch im Januar 2002 mit seiner angeblichen Umsatzsteuerforderung März 2000 gegen diese Erstattungsansprüche aufgerechnet und, nachdem der Kläger dem unter Berufung auf § 95 Abs. 1 Satz 3 der Insolvenzordnung (InsO) widersprochen hatte, den angefochtenen Abrechnungsbescheid erlassen.
Nachdem der hiergegen vom Kläger erhobene Einspruch nur hinsichtlich der Aufrechnung mit der Gewerbesteuervorauszahlung für das I. Quartal 2000 zum Erfolg geführt hatte, hat der Kläger Klage erhoben, auf die das Finanzgericht (FG) dem Begehren des Klägers entsprechend den Abrechnungsbescheid dahin geändert hat, dass die Ansprüche auf Erstattung von Gewerbesteuer 1999, Zinsen zur Gewerbesteuer 1999, Körperschaftsteuer 1999, Zinsen zur Körperschaftsteuer 1999 und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 1999 nicht erloschen seien, sondern ein Guthaben von ... € bestehe. Das FG begründet seine Entscheidung im Wesentlichen mit § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO und führte dazu aus: Die Steuerforderung des FA sei nicht nach § 18 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) fällig geworden, weil diese Vorschrift nach ihrem Gesamtzusammenhang nur Vorauszahlungen betreffe, für die der Unternehmer eine Voranmeldung abgegeben habe. Im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung sei weder dies geschehen noch habe anderweit eine wirksame, die Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung herbeiführende Festsetzung bestanden. Die Anmeldung zur Tabelle könne die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 87 InsO ausgeschlossene Festsetzung durch Steuerbescheid nicht ersetzen. Vielmehr sei das FA darauf verwiesen, Streitigkeiten über das Bestehen von Insolvenzforderungen durch Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) zu entscheiden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des FA, zu deren Begründung sich dieses im Wesentlichen auf das Urteil des Senats vom VII R 45/03 (BFHE 205, 409, BStBl II 2004, 815) bezieht. Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger trägt vor, die Aufrechnung des Zinsguthabens sei unzulässig.
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Nach § 226 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist die vom FA erklärte Aufrechnung nur wirksam und der angefochtene Abrechnungsbescheid folglich rechtmäßig, wenn die Forderung auf Umsatzsteuervorauszahlung März 2000, mit der das FA gegen die der Schuldnerin zustehenden Erstattungsforderungen aufgerechnet hat, im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung fällig gewesen ist. Dies war indes, anders als das FG meint, der Fall.
Nach § 220 Abs. 1 AO 1977 richtet sich die Fälligkeit von Ansprüchen aus einem Steuerschuldverhältnis wie dem zwischen dem FA und der Schuldnerin bestehenden nach den Vorschriften der Steuergesetze. Greifen spezielle steuergesetzliche Fälligkeitsbestimmungen i.S. des § 220 Abs. 1 AO 1977 nicht ein, wird ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 —von dem hier nicht gegebenen Fall eines abweichenden Leistungsgebots abgesehen— grundsätzlich mit seiner Entstehung fällig. Die Gegenforderung des FA ist, was auch das FG und die Beteiligten nicht in Zweifel ziehen, im Mai 2000 entstanden gewesen; denn der Anspruch des FA auf Umsatzsteuervorauszahlungen entsteht mit dem Ende des letzten Tages des maßgeblichen Voranmeldungszeitraums —hier: — (vgl. , BFHE 183, 353, BStBl II 1997, 716).
Vorgenannten Grundsatz schränkt § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 zwar ein. Denn nach dieser Vorschrift tritt die Fälligkeit erst mit der Bekanntgabe der Steuerfestsetzung ein, wenn sich in den Fällen des § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, also bei Steuern, deren Fälligkeit nicht besonders gesetzlich bestimmt ist, der betreffende Anspruch aus der Festsetzung der Steuer ergibt. Diese Einschränkung greift freilich dann nicht Platz, wenn der Anspruch des FA keiner Festsetzung durch Steuerbescheid nach § 218 Abs. 1 AO 1977 zugänglich ist, weil das FA wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch § 87 InsO gehindert ist, seine Steuerforderungen durch Steuerbescheid festzusetzen (vgl. , BFHE 201, 392, BStBl II 2003, 630). Das hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 205, 409, BStBl II 2004, 815 entschieden. Da das FA nach Verfahrenseröffnung einstweilen nicht einmal einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO 1977 erlassen kann, weil es bis zum Bestreiten seiner Forderung durch einen dazu Berechtigten an der Erforderlichkeit eines solchen Bescheides fehlt (vgl. BFH-Entscheidungen vom V R 80/77, BFHE 141, 7, BStBl II 1984, 545, und vom V B 73/99, BFH/NV 2000, 548), greift § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nicht ein. Die Fälligkeit der Forderung des FA richtet sich dann folglich nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977.
Da das Urteil des FG dieser Rechtslage nicht entspricht, ist es aufzuheben (§ 126 Abs. 3 FGO). Die Sache ist spruchreif. Der Aufrechnung des FA stehen Aufrechnungsverbote (§§ 95, 96 InsO) nicht entgegen, insbesondere nicht § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Danach ist die Aufrechnung ausgeschlossen, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Die Forderungen der Schuldnerin, gegen die das FA aufgerechnet hat, waren zwar bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht festgesetzt und steuerrechtlich mangels solcher Festsetzung noch nicht entstanden; die Erstattungsforderungen waren jedoch überwiegend bereits vor Verfahrenseröffnung dadurch begründet, dass —im Jahre 1999— die Lebenssachverhalte verwirklicht worden sind, aufgrund deren die Schuldnerin die betreffenden Erstattungsansprüche erworben hat, was die Anwendung vorgenannter Vorschrift —selbstredend auch im Hinblick auf Zinsansprüche— ausschließt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791). Im Streitfall durfte das FA allerdings gegen die zugunsten der Schuldnerin festgesetzten Erstattungszinsen nicht aufrechnen. Denn aus den vom FG in Bezug genommenen Steuerbescheiden ergibt sich ein Zinslauf, der überhaupt erst am , also lange nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, beginnt. Wenn das FA gleichwohl auch seine Zinsschuld zur Aufrechnung herangezogen hat, so war dies mithin rechtswidrig, weil dem § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegensteht. Der angefochtene Bescheid ist entsprechend zu berichtigen.
Im Übrigen steht der Aufrechnung des FA allerdings auch § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht entgegen, weil die Forderungen der Schuldnerin fällig geworden wären, bevor die Aufrechnung erfolgen konnte, bevor also die Gegenforderung des FA fällig geworden ist. Denn die Forderungen der Schuldnerin bedurften der Festsetzung durch die vom FA erteilten Steuerbescheide zur Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer 1999, um fällig zu werden, welche Bescheide erst lange nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangen sind, während die Gegenforderung des FA, wie ausgeführt, bereits seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgerechnet werden konnte.
Substantiierte Einwendungen gegen das Bestehen der Gegenforderung des FA auf Umsatzsteuer sind nicht, insbesondere nicht insoweit erhoben, als ihr Bestand Voraussetzung des Erlöschens der in dem angefochtenen Bescheid festgestellten Erstattungsansprüche der Schuldnerin ist; der Kläger hat sich insofern auch im Revisionsverfahren in Kenntnis der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Anwendung des § 220 Abs. 2 AO 1977 Einwendungen nicht vorbehalten. Der Senat hat daher keinen Anlass, den Rechtsstreit um einer diesbezüglichen tatrichterlichen Prüfung willen an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die Klage ist vielmehr abzuweisen, weil der angefochtene Abrechnungsbescheid rechtmäßig ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2147 Nr. 12
FAAAB-68603