BFH Beschluss v. - V B 232/03

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Kommanditist der aus ihm und seinem Sohn E bestehenden Spedition KG. Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine Klausel, derzufolge im Falle der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters die Gesellschaft nicht aufgelöst werden sollte, sondern das Gesellschaftsvermögen ohne Liquidation mit dem Recht zur Firmenfortführung auf diesen übergehen sollte. 1993 geriet die KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten. E und der Kläger gründeten 1994 die X-GmbH, deren Stammkapital E zu 20 % und der Kläger zu 80 % übernahmen. Durch Vertrag vom übertrug der Kläger 3/4 seines Stammkapitalanteils auf E, sodass dieser nunmehr zu 80 % und der Kläger zu 20 % an der GmbH beteiligt waren. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH war E. Die KG vermietete große Teile ihres Fuhrparks an die GmbH. Außerdem übernahm die GmbH ab 1994 als Untermieter die langfristig von der KG angemieteten Büroräume sowie einen ebenfalls langfristig von der KG angemieteten LKW-Abstellplatz.

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) vom Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der KG und der GmbH in den Streitjahren 1997 und 1998 aus und änderte die Umsatzsteuerbescheide, die es jeweils an die KG adressierte, indem es die von der GmbH erklärten Besteuerungsgrundlagen bei der KG erfasste.

Während des von der KG betriebenen Einspruchsverfahrens wurde am über das Vermögen des E das Insolvenzverfahren eröffnet. Das FA ging daraufhin davon aus, dass der Kläger Gesamtrechtsnachfolger der KG geworden sei und wies die Einsprüche der KG mit an den Kläger „als Gesamtrechtsnachfolger der erloschenen W-KG” gerichteten Einspruchsentscheidung ab.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

Der Kläger macht mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, weil es keine Entscheidung darüber gebe, ob ein beschränkt haftender Kommanditist einer zweigliedrigen KG nach Ausscheiden des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters der KG deren Gesamtrechtsnachfolge antrete mit der Folge, dass er seine beschränkt haftende Stellung verliere und in vollem Umfang für die Steuerschulden der KG einzutreten habe.

Zudem weiche die Vorentscheidung von dem (BGHZ 113, 132) ab.

Außerdem sei er, der Kläger, nur in die KG eingetreten, um E —seinem Sohn— die Fortführung der KG zu ermöglichen, nachdem der ursprüngliche Kommanditist ausgeschieden sei. Er, der Kläger, sei weder daran interessiert noch in der Lage gewesen, eine Spedition fortzuführen. Tatsächlich habe er weder die Aktiva und Passiva übernommen noch die Geschäfte fortgeführt; von dem Recht auf Firmenfortführung habe er keinen Gebrauch gemacht. Diese Umstände habe das Finanzgericht (FG) in seiner Entscheidung zu Unrecht nicht berücksichtigt.

Der Kläger macht ferner mangelnde Sachaufklärung durch das FG geltend. Das FG habe im Rahmen der Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Organschaft die Aussage des Zeugen Olaf Ernst nicht hinreichend berücksichtigt, wonach die GmbH von der KG Fahrzeuge nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen gemietet habe. Wenn das FG an dieser Aussage Zweifel gehabt habe, hätte es weitere Sachaufklärung betreiben müssen. So habe es sich um eine für ihn, den Kläger, überraschende Entscheidung gehandelt, weil das FG im Widerspruch zur eindeutigen Aussage des Zeugen Ernst zur Annahme einer wirtschaftlichen Eingliederung gekommen sei.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BFH-Beschlüsse vom II B 12/97, BFHE 184, 118, BStBl II 1998, 56; vom V B 26/96, BFHE 182, 430, BStBl II 1997, 443; vom I B 151/01, BFH/NV 2003, 60). Dabei muss die grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, deren Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, gegeben sein (, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760).

Die Frage, in welchem Umfang ein ehemaliger Kommanditist einer vollbeendeten Personengesellschaft, deren Gesamtrechtsnachfolger er geworden ist, für die Steuerschulden der Gesellschaft einzustehen hat, mag klärungsbedüftig sein. Diese Rechtsfrage muss darüber hinaus aber im künftigen Revisionsverfahren auch geklärt werden können, d.h. sie muss für die Klärung des Streitfalls rechtserheblich sein (BFH-Beschlüsse in BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760; vom VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729). Hieran fehlt es, weil im Rahmen des —hier vorliegenden— Festsetzungsverfahrens eindeutig ist, dass die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis im Falle der Gesamtrechtsnachfolge in vollem Umfang auf den Rechtsnachfolger übergehen (§ 45 Abs. 1 der AbgabenordnungAO 1977—). Die Beantwortung der Frage, ob sich aus der —ehemaligen— Kommanditistenstellung des Gesamtrechtsnachfolgers haftungsbeschränkende Wirkungen herleiten lassen, ist dem Erhebungsverfahren vorbehalten.

2. Deshalb kann die Revision auch nicht wegen der vom Kläger behaupteten Abweichung der Vorentscheidung von dem BGH-Urteil in BGHZ 113, 132 zugelassen werden.

Überdies betrifft die Entscheidung des BGH den Sachverhalt, dass ein Kommanditist dadurch zum Alleininhaber des Gesellschaftsvermögens wird, dass er die Beteiligung seines einzigen, persönlich haftenden Mitgesellschafters erbt. Im vorliegenden Streitfall ging das Vermögen der Gesellschaft hingegen aufgrund vertraglicher Vereinbarung auf den Kläger über. Es ist nicht ersichtlich, jedenfalls nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden, dass das FG-Urteil trotz dieser unterschiedlichen Sachverhalte von dem BGH-Urteil abweicht.

3. Auch ein Verfahrensmangel liegt nicht vor. Soweit der Kläger rügt, das FG habe im Rahmen der Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Organschaft die Aussage des Zeugen E nicht hinreichend berücksichtigt, wird die Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung geltend gemacht. Die Grundsätze der Beweiswürdigung gehören revisionsrechtlich zum materiellen Recht und sind deshalb der Prüfung durch den BFH im Rahmen einer Verfahrensrevision entzogen (, BFH/NV 1996, 197).

Der Kläger rügt schließlich zu Unrecht, das FG habe den Sachverhalt nicht hinreichend erforscht. Der Kläger hat weder dargelegt noch lässt sich dies aus der Sitzungsniederschrift erkennen, dass er vom FG nicht berücksichtigte Beweisanträge gestellt hat. Die Sachaufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die die Partei selbst zumutbarerweise hätte stellen können (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1979, 392).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2151 Nr. 12
GAAAB-68111