Keine Wiedereinsetzung wegen eines Umzugs; Antrag auf Tatbestandsberichtigung oder auf Ergänzung des Urteils hemmt nicht die Revisionsfrist
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beteiligten streiten, ob ein übereinstimmend für erledigt erklärtes Verfahren fortzusetzen ist. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom wurde das Verfahren X wegen Einkommensteuer 1989 übereinstimmend für erledigt erklärt.
Mit der Klage vom haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Klage erhoben mit dem Antrag, das Verfahren X wieder aufzunehmen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt. Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens seien nicht gegeben. Das Urteil des FG wurde am zugestellt. Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerdebegründung ging am beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung (Ergänzung des Urteils um einen Ausspruch über die Revisionszulassung) wies das zurück.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision machen die Kläger geltend:
1. Die Frist zur Begründung der Beschwerde sei eingehalten worden, da das vollständige Urteil erst mit der Zustellung des Beschlusses zur Tatbestandsberichtigung vom vorgelegen habe. Das den Klägern am zugestellte Urteil sei nicht geeignet gewesen, die Rechtsmittelfrist in Gang zu setzen, da es nicht vollständig gewesen sei. Über den auch im Tatbestand wiedergegebenen Antrag auf Zulassung der Revision sei nicht entschieden worden. Das abgesetzte Urteil sei damit in wesentlichen Teilen unvollständig. Der Tenor sei unvollständig gewesen, die Darstellung des Tatbestandes unzutreffend, weil schon der Streitgegenstand falsch beschrieben worden sei. Auch die Entscheidungsgründe seien unvollständig und unzutreffend. Stark mangelhafte Urteile seien zu ergänzen und zu berichtigen. Erst nach der Ergänzung und Berichtigung sei für den Steuerbürger klargestellt, gegen was er sich ggf. mit welchem Rechtsmittel wenden könne. Wollte man die Rechtsmittelfrist auch bei solch offenkundig unrichtigen und unvollständigen Urteilen anlaufen lassen, würde man dem Steuerbürger Kostenrisiken aufbürden, die nicht zu rechtfertigen seien. Würde seinem Berichtigungsantrag stattgegeben und die Revision zugelassen, dann entfiele die vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils sei nicht klar, eindeutig und zutreffend. Sie stelle die einzelnen Alternativen gegenüber, ohne einen Hinweis darauf zu geben, welche der beiden Alternativen im konkreten Fall zum Zuge komme. Dem nicht beratenen Rechtssuchenden sei nicht mehr zuzumuten, bei dieser Situation auch noch in eine Interpretation des Urteils einzutreten.
2. Die Kläger hätten, um die gebotene Klarheit für das weitere Vorgehen herzustellen, beantragt, das Urteil zu ergänzen und zu berichtigen. Am habe die Entscheidung noch ausgestanden; vorsorglich hätten die Kläger Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision erhoben. Die Beschwerde sei vorab am per Fax übermittelt worden. Unter dem habe das FG den Antrag zurückgewiesen; die Entscheidung sei am zugestellt worden. Erst von diesem Zeitpunkt an liege eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung vor. Die Beschwerdebegründungsfrist könne frühestens von diesem Zeitpunkt anlaufen. Die Beschwerde sei innerhalb dieser Frist begründet worden.
3. Hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Kläger seien Ende 2003 nach Innernzell umgezogen; der Umzug habe sich chaotisch gestaltet. Am 14. Januar und Anfang Februar 2004 sei Wasser in den Keller eingedrungen; die als Zwischenlager dienenden Kellerräume seien überflutet worden. Erst am Nachmittag des hätten die das Beschwerdeverfahren betreffenden Ordner unversehrt geborgen werden können. Nach der Bergung sei die Bearbeitung der Beschwerde unverzüglich aufgenommen worden.
4. Die Beschwerde sei auch begründet. Dazu tragen die Kläger insbesondere vor:
a) Das FG habe das Klagebegehren falsch wiedergegeben. Streitgegenstand sei nicht die Erfüllung der in der mündlichen Verhandlung vom von dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) übernommenen Verpflichtungen, sondern die Fortsetzung des Verfahrens.
b) Die Erklärung des FA, dass in dem Verfahren X keine für das Verfahren bedeutsamen Belege vorgelegen hätten, sei objektiv falsch. Der Kläger habe sich ausweislich des Protokolls vom nur deshalb auf die tatsächliche Verständigung eingelassen, weil nach Erklärung des FA-Vertreters keine Belege mehr vorhanden gewesen seien. Bei Irreführung durch die Finanzbehörde könne ausnahmsweise ein Verfahren fortgesetzt werden. Das FG habe diesen Ausnahmetatbestand nicht geprüft, sondern allein die Voraussetzungen einer Restitutionsklage. Das sei ein schwerer Rechtsanwendungsmangel.
c) Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung zu Fragen der tatsächlichen Verständigung, zur Frage des Vorliegens der Gewinnerzielungsabsicht bei selbständiger Arbeit und zur Frage der Voraussetzungen des Übergangs wirtschaftlichen Eigentums.
Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen:
1. Die Beschwerde sei verspätet eingelegt worden, ausweislich des Eingangsstempels erst am . Auch die Beschwerdebegründung sei verspätet eingegangen; die nach § 116 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgeschriebene Begründungsfrist sei am abgelaufen, die Beschwerdebegründung sei jedoch erst am beim BFH, also verspätet, eingegangen.
2. Die Frist zur Einlegung und die zur Begründung der Beschwerde seien nicht durch den Antrag auf Urteilsergänzung bzw. Tatbestandsberichtigung erst zu einem späteren Zeitpunkt in Gang gesetzt worden. Treffe das FG keine Aussage zur Zulassung der Revision, so sei diese versagt. Der Antrag auf Ergänzung eines Urteils habe keinen Einfluss auf den Lauf der Frist.
3. Wiedereinsetzung komme nicht in Betracht. Der Umzug der Kläger sei bereits im Oktober 2003 erfolgt. Der Vorfall vom habe sich nach Ablauf der Beschwerdefrist ereignet. Die Kläger hätten zudem einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist stellen können.
II. Die Beschwerde ist nicht zulässig. Die Beschwerdebegründung ist verspätet eingereicht worden.
a) Die Frist zur Begründung lief gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO am ab; die Begründung ging aber erst am beim BFH ein.
b) Entgegen der Auffassung der Kläger begann die Frist gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO mit der Zustellung des Urteils am . Das Urteil des FG war vollständig i.S. des § 105 Abs. 2 FGO; alle dort aufgeführten Bestandteile sind in dem Urteil enthalten.
Enthält das Urteil des FG keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision, so ist, da die Zulassung ausdrücklich erfolgen muss, die Revision nicht zugelassen worden (, BFH/NV 1988, 108). Bringt das FG weder im Tenor des Urteils noch in den Urteilsgründen zum Ausdruck, dass es die Revision zulassen will, so fehlt es an dem Erfordernis des § 115 Abs. 1 FGO, dass „das Finanzgericht die Revision zugelassen hat” (, BFHE 123, 117, BStBl II 1977, 819). Dementsprechend ist das Urteil auch hinsichtlich einer Entscheidung über die Zulassung der Revision vollständig.
Die Rechtsmittelbelehrung ist hinreichend klar, so dass auch insoweit die Frist zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gehemmt war. Für den Fall, dass die Revision nicht zugelassen ist, wird im FG-Urteil in der Rechtsmittelbelehrung unter 2. auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen. Dementsprechend haben die Kläger fristgerecht Beschwerde erhoben; allein die Frist zu deren Begründung wurde versäumt.
c) Ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) oder auf Ergänzung des Urteils (§ 109 FGO) hemmt nicht den Fristbeginn. Die Entscheidung des FG, mit der es den Antrag auf Ergänzung seines Urteils ablehnte, ist ohne Einfluss auf den Lauf der Revisions- oder Beschwerdefrist (vgl. , BFHE 127, 133, BStBl II 1979, 373). Selbst eine nachträgliche Berichtigung der ursprünglichen Urteilsfassung hätte auf den Lauf der Rechtsmittelfrist grundsätzlich keinen Einfluss (, BFH/NV 1986, 621).
d) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist kommt nicht in Betracht, weil die Kläger nicht ohne Verschulden verhindert waren, die Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Ein Umzug ist kein unvorhersehbares Ereignis und damit regelmäßig kein Grund, der eine verspätete Begründung entschuldigen könnte (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 56 Rz. 20 „Unvorhersehbare Ereignisse”). Zudem hätten die Kläger, die bereits bei Einlegung der Beschwerde durch einen Bevollmächtigten i.S. des § 62a FGO vertreten waren, gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO beantragen können, die Begründungsfrist zu verlängern.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1856 Nr. 10
QAAAB-60877