Erbschaftsteuerpflicht von Hinterbliebenenbezügen, die im Dienstvertrag eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers vereinbart sind
Gesetze: ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Alleinerbin nach ihrem im August 1996 verstorbenen Ehemann (E). Dieser war gemeinsam mit seinem Vater (V) und seinem Bruder (B) Gesellschafter einer GmbH. Nach dem notariellen Gesellschaftsvertrag vom hatte jeder Gesellschafter einen Geschäftsanteil im Umfang von 1/3 des Stammkapitals übernommen. Gesellschafterbeschlüsse bedurften der Einstimmigkeit; jeder Gesellschafter hatte das Recht, bei berechtigtem Verlangen eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Alle drei Gesellschafter wurden zu Geschäftsführern bestellt; eine Einzelvertretungsbefugnis hatte jedoch nur V inne, während E und B die GmbH jeweils nur zusammen mit V vertreten konnten.
Bereits im Januar 1963 war zwischen E und der GmbH ein Anstellungs- und Pensionsvertrag abgeschlossen worden. Danach bedurften bestimmte Geschäfte der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Ferner wurde dem E ab Vollendung des 65. Lebensjahrs eine Pension in Höhe von 60 % seines zuletzt bezogenen Gehalts und seiner Witwe eine Hinterbliebenenversorgung in Höhe von 60 % der Pension des E zugesagt.
Auf Grund dieser Zusage stand der Klägerin mit dem Tod des E gegen die GmbH ein Anspruch auf Zahlung einer Hinterbliebenenpension zu, den der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) in dem angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid mit seinem Kapitalwert von 3 001 458 DM erfasste.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1466 abgedruckt.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision. Die Rechtsfrage, ob ein Minderheitsgesellschafter bei einem satzungsmäßigen Erfordernis einstimmiger Gesellschafterbeschlüsse als „herrschender Gesellschafter” im Sinne der zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) ergangenen Rechtsprechung angesehen werden könne, sei von grundsätzlicher Bedeutung. Weil ein solcher Gesellschafter Beschlüsse lediglich verhindern, nicht aber aktiv auf die Gesellschaft Einfluss nehmen könne, sei nicht von einer unternehmerähnlichen Stellung auszugehen. Es sei dem E —auch im Zusammenwirken mit B— nicht möglich gewesen, dem V gegen dessen Willen Weisungen zu erteilen. Ferner sei bisher nicht entschieden worden, ob neben einem herrschenden Gesellschafter —im Streitfall jedenfalls V— weitere Gesellschafter herrschend sein könnten.
Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen nicht klärungsbedürftig sind.
1. Die Frage, wann der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als „herrschend” anzusehen ist, ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und des von diesem in Bezug genommenen Bundesgerichtshofs (BGH) geklärt.
Obwohl § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG jeden Vermögensvorteil, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird, als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterwirft, hat der BFH in ständiger Rechtsprechung Ansprüche des überlebenden Ehegatten eines Arbeitnehmers auf eine Hinterbliebenenversorgung auch dann von der Besteuerung ausgenommen, wenn diese Ansprüche auf einer vom Erblasser abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarung über die Altersversorgung beruhen (vgl. , BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, unter 2., und die dort angeführten Nachweise).
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist jedoch nur dann als „Arbeitnehmer” in diesem Sinne zu behandeln, „wenn er wie ein Nichtgesellschafter als abhängiger Geschäftsführer anzusehen ist”. Hingegen ist eine Freistellung der Hinterbliebenenbezüge von der Erbschaftsteuer nicht zu rechtfertigen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer kraft seiner Beteiligung an der GmbH ein herrschender ist. Dies ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Allein- oder Mehrheitsgesellschaftern stets der Fall; darüber hinaus aber auch dann, „wenn ein nicht ganz unbedeutend beteiligter Minderheitsgesellschafter zusammen mit einem oder mehreren anderen Gesellschafter-Geschäftsführern über die Mehrheit verfügt, von den anderen aber keiner allein eine Mehrheitsbeteiligung inne hat” (zum Ganzen BFH-Urteil in BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, unter Verweis auf mehrere Entscheidungen des BGH zu § 17 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung —BetrAVG—).
In dem herangezogenen (BGHZ 77, 233, unter I.2.d) hat dieser ausgeführt, zwei mit jeweils 50 % beteiligte GmbH-Gesellschafter seien als „Unternehmer” im Sinne der Rechtsprechung zu § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG (d.h. als „herrschend” im Sinne der Rechtsprechung zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) anzusehen. Diese Aussage ist aber nur dann denkbar, wenn ein Einstimmigkeitserfordernis der Annahme, ein Gesellschafter sei „herrschend”, nicht entgegen steht, weil auch bei zwei Gesellschaftern mit Beteiligungen von jeweils 50 % —jedenfalls faktisch— für alle Entscheidungen Einstimmigkeit der Gesellschafter erforderlich ist.
Dieselben Einflussmöglichkeiten ergeben sich aber bei Gesellschaftern mit Beteiligungen von jeweils einem Drittel, wenn für die Gesellschafterversammlung das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Anderenfalls könnte keiner der Gesellschafter als herrschend angesehen werden. Ein solches Ergebnis wäre aber mit der Aussage des BGH (in BGHZ 77, 233, unter I.2.d) nicht vereinbar, wonach Gesellschafter auch dann ihren Willen zur Geltung bringen können, wenn sie zu gemeinsamem Handeln gezwungen sind, weil der Zwang zu Kompromissen im Entscheidungsprozess in der Regel wegen der wirtschaftlich gleichgerichteten Interessen der Gesellschafter kein unüberwindbares Hindernis darstellt.
Damit kann die Frage, wann der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als „herrschend” anzusehen ist, soweit sie im Streitfall klärungsfähig ist, anhand der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden werden. Eine weitere Klärung durch abstrakte Rechtssätze ist für den vorliegenden Einzelfall nicht möglich (vgl. BFH in BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, unter 3.).
2. Die weitere von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob neben einem herrschenden Gesellschafter weitere Gesellschafter als herrschend anzusehen sein könnten, ist bereits geklärt. Der BFH hat in seiner Entscheidung in BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, unter 3. von einer Beherrschung der GmbH „durch den oder die Gesellschafter-Geschäftsführer” gesprochen. Diese Formulierung umfasst ohne weiteres auch die Beherrschung durch mehrere Personen. Gleiches ergibt sich aus dem BGH-Urteil in BGHZ 77, 233, unter I.2.d.
3. Rechtsfragen im Hinblick auf die Einordnung eines GmbH-Gesellschafters als „herrschend” sind auch nicht im Hinblick auf das beim Senat anhängige Revisionsverfahren II R 64/04 von offenkundiger grundsätzlicher Bedeutung (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom IV B 35/87, BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725, und vom X B 85/01, BFH/NV 2002, 343). Denn in jenem Verfahren geht es in der Revisionsinstanz allein um Fragen der Steuerfreistellung des Zugewinnausgleichsanspruchs nach § 5 Abs. 1 ErbStG, nicht aber um Vermögensvorteile i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1571 Nr. 9
RAAAB-57771