Keine Einlage gegen den Willen des Steuerpflichtigen nach dem sog. Einheitlichkeitsgrundsatz
Leitsatz
Ein bisher zum Privatvermögen gehörender Gebäudeteil, der nunmehr für fremde gewerbliche Zwecke vermietet wird, bleibt Privatvermögen, auch wenn der Steuerpflichtige einen weiteren, schon vorher für fremde betriebliche Zwecke vermieteten Gebäudeteil dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet hat (Anschluss an , BFHE 208, 180, BStBl II 2005, 334).
Gesetze: EStG § 4 Abs. 1 Satz 5
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger ist Eigentümer eines bebauten gemischt genutzten Grundstückes. Bis August 1977 nutzte er die links im Erdgeschoss belegenen Räumlichkeiten für den Betrieb seines Lebensmittelladens. Im Jahr 1977 wurde dieser Gebäudeteil durch einen Anbau erweitert und ist seit November 1977 an eine Apotheke vermietet. Der Kläger nutzte fortan die rechts im Erdgeschoss befindlichen Räumlichkeiten für den Betrieb eines Einzelhandels mit Tabak- und Schreibwaren.
Die Wohnung im ersten Obergeschoss links war bis 1991 zu privaten Wohnzwecken und ist seit Januar 1992 an die Apotheke vermietet. Die Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss rechts und die Räumlichkeiten im Dachgeschoss waren im Streitjahr 1991 jeweils an drei Arztpraxen, die Wohnung im zweiten Obergeschoss links zu privaten Wohnzwecken vermietet.
Der Kläger, der seinen Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelt, bilanzierte die Gebäudeteile für sein Schreibwarengeschäft und die Apotheke —mit Ausnahme der Räume im ersten Obergeschoss— als Betriebsvermögen. Die übrigen Gebäudeteile behandelte er als Privatvermögen.
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Auffassung, dass sämtliche fremdbetrieblichen Zwecken dienenden Gebäudeteile —mithin die von der Apotheke genutzten Räume und die Arztpraxen—, ein einheitliches Wirtschaftsgut darstellten, das auch einheitlich zu bilanzieren sei. Da der Kläger die von der Apotheke im Erdgeschoss genutzten Räumlichkeiten als gewillkürtes Betriebsvermögen angesetzt habe, müsse dies notwendigerweise auch für die übrigen fremdbetrieblichen Zwecken dienenden Gebäudeteile gelten, die nunmehr in das Betriebsvermögen einzulegen seien.
Der Bilanzansatz sei in der ersten noch offenen Bilanz erfolgswirksam zu korrigieren. Im Streitjahr 1991 wurden daher die an die Arztpraxen vermieteten Gebäudeteile im Wege einer Einlage ebenfalls dem Betriebsvermögen des Klägers zugeordnet. Die auf diese Gebäudeteile entfallenden Mieteinnahmen wurden als Einnahmen aus Gewerbebetrieb erfasst.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 870 veröffentlicht ist, führte im Wesentlichen aus: Da fremdbetrieblich genutzte Gebäudeteile nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ein einheitliches Wirtschaftsgut darstellten, dürften sie auch nur einheitlich als gewillkürtes Betriebsvermögen bzw. unter Entnahme des bisherigen gewillkürten Betriebsvermögens einheitlich als Privatvermögen behandelt werden. Im Streitfall habe der Kläger die bisherigen an die Apotheke vermieteten Räume nicht entnommen. Demzufolge seien sämtliche fremdbetrieblich genutzten Gebäudeteile als gewillkürtes Betriebsvermögen zu bilanzieren.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1991 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 146 905 DM und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von - 65 981 DM zugrunde zu legen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Entgegen der Auffassung des FG war das FA nicht berechtigt, die dem Privatvermögen zugeordneten fremdbetrieblich vermieteten Gebäudeteile im Wege einer „Zwangseinlage” dem gewillkürten Betriebsvermögen zuzuordnen.
1. Nach der Entscheidung des Großen Senats des (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) können einzelne Gebäudeteile abweichend von der zivilrechtlichen Beurteilung dem Grunde nach selbständige —der Absetzung für Abnutzung unterliegende— Wirtschaftsgüter bilden. In Fällen, in denen ein Gebäude teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils zu Wohnzwecken durch Vermietung oder Eigengebrauch genutzt wird, sind die einzelnen Gebäudeteile gesondert zu behandeln, sei es als notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen, sei es als Privatvermögen. Wegen der unterschiedlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhänge, in denen die verschiedenen Gebäudeteile stehen, ist es gerechtfertigt, gerade „ebenso viele” Wirtschaftsgüter anzunehmen. Nach dem sog. Einheitlichkeitsgrundsatz ist es unzulässig, einen fremdbetrieblich genutzten Gebäudeteil von vorneherein teilweise dem Betriebs- und teilweise dem Privatvermögen zuzuordnen.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der (BFHE 208, 180, BStBl II 2005, 334) für den Fall einer nachträglichen Nutzungsänderung eines Gebäudeteils weder die Nutzungsänderung als solche noch die Tatsache, dass nunmehr ein Funktionszusammenhang zu einem vergleichbar genutzten weiteren Gebäudeteil bestehe, als schlüssige Entnahmehandlung angesehen. Der vom Großen Senat begründete Einheitlichkeitsgrundsatz setze die Regelungen über die Entnahme und Einlage von Wirtschaftsgütern nicht außer Kraft. Diese seien vielmehr vorrangig zu beachten. Eine Ausnahme sei nur in Fällen anzunehmen, in denen ein Wirtschaftsgut infolge eines Rechtsvorgangs aus dem Betriebsvermögen ausscheide und notwendiges Privatvermögen werde, weil insoweit ansonsten eine Besteuerung der stillen Reserven des Wirtschaftsguts nicht sichergestellt sei (, BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168; , BFHE 160, 443, BStBl II 1994, 559).
2. Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das FA zu Unrecht den dem Privatvermögen des Klägers zugehörigen fremdbetrieblichen Zwecken dienenden Gebäudeteil, der damit im gleichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang steht wie die im Erdgeschoss nunmehr an die Apotheke vermieteten Räume, im Wege einer Einlage dem gewillkürten Betriebsvermögen des Klägers zugeordnet.
a) Einlagen sind nach § 4 Abs. 1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahrs zugeführt hat. Die Einlagehandlung muss grundsätzlich auf einer Willensentscheidung beruhen, die dann wirksam wird, wenn sie äußerlich erkennbar und damit in objektiv nachprüfbarer Weise dokumentiert ist.
Bei buchführenden Betrieben ist die Behandlung in der Buchführung ein —widerlegbares— Indiz für die Willensentscheidung des Steuerpflichtigen (, BFH/NV 1996, 393). Auch schlüssiges Verhalten kann eine Einlagehandlung darstellen, wenn es diese Absicht des Steuerpflichtigen unmissverständlich zum Ausdruck bringt (BFH-Beschluss in BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168).
Nach ständiger Rechtsprechung können Wirtschaftsgüter, die weder notwendiges Betriebsvermögen noch notwendiges Privatvermögen sind, als sog. gewillkürtes Betriebsvermögen berücksichtigt werden, wenn sie objektiv geeignet und vom Betriebsinhaber erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern. Fremdvermietete Grundstücke können im Rahmen eines Einzelunternehmens dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet werden, weil sie als Vermögensanlage der finanziellen Absicherung des Betriebes dienen und seine Ertragsfähigkeit steigern können (, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461).
b) Im Streitfall ist nach der Vermietung der eigenbetrieblich genutzten Ladenräume an die Apotheke weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Einlagehandlung des Klägers hinsichtlich der übrigen fremdbetrieblich vermieteten Gebäudeteile erkennbar. Eine Einlage gegen den Willen des Klägers war entgegen der Auffassung des FG auch nicht nach Maßgabe des Einheitlichkeitsgrundsatzes geboten. Der Große Senat des BFH hat sich in seinem Beschluss in BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132 nicht mit einer späteren Nutzungsänderung der Gebäudeteile und den sich daraus ergebenden Folgerungen befasst. Insofern lässt sich aus diesem Beschluss auch keine Zwangseinlage für den Fall eines nachträglich entstandenen einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs herleiten. Vielmehr ist entsprechend dem BFH-Urteil in BFHE 208, 180, BStBl II 2005, 334 darauf abzustellen, dass bei einer Nutzungsänderung eines Gebäudeteils eine Entnahme oder Einlage nur unter den oben dargelegten besonderen Voraussetzungen angenommen werden darf. Auch waren die streitbefangenen Gebäudeteile zuvor nie dem Betriebsvermögen zugeordnet und somit zu keiner Zeit stille Reserven zu versteuern.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des FG auch nicht aus dem Urteil des BFH in BFHE 160, 443, BStBl II 1994, 559. Der BFH hat in dieser Entscheidung bereits zu erkennen gegeben, dass die ursprüngliche Zuordnung von Gebäudeteilen zum Privatvermögen und zum (gewillkürten) Betriebsvermögen bestehen bleiben kann, auch wenn die Voraussetzungen für die unterschiedliche Zuordnung —im entschiedenen Fall durch Vereinigung von Miteigentumsanteilen zu Alleineigentum— entfallen sind. Trotz gleicher Nutzung beider Miteigentumsanteile und damit abweichend vom Einheitlichkeitsgrundsatz hat der BFH den vom anderen Miteigentümer erworbenen Anteil weiterhin als Betriebsvermögen beurteilt, weil ein Gebäudeteil seine Eigenschaft als Betriebsvermögen nur durch Entnahme (oder Veräußerung) oder durch Wegfall der Voraussetzungen für die Willkürung verlieren kann.
Den vom FG zitierten BFH-Urteilen vom III R 80/92 (BFHE 176, 93, BStBl II 1995, 72) und in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461 lässt sich ebenfalls nichts Abweichendes entnehmen, da sie keine nachträglich eingetretenen Nutzungsänderungen betreffen.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 604
BB 2005 S. 1726 Nr. 32
BB 2005 S. 1887 Nr. 35
BBK-Kurznachricht Nr. 20/2005 S. 945
BBV-Kurznachricht Nr. 8/2005 S. 4
BFH/NV 2005 S. 1682 Nr. 9
BStBl II 2005 S. 604 Nr. 15
DB 2005 S. 1716 Nr. 32
DB 2007 S. 14 Nr. 27
DStR 2005 S. 1357 Nr. 32
DStRE 2005 S. 1046 Nr. 17
DStZ 2005 S. 542 Nr. 16
DStZ 2005 S. 648 Nr. 18
EStB 2005 S. 324 Nr. 9
FR 2005 S. 1043 Nr. 20
FR 2006 S. 185 Nr. 4
HFR 2005 S. 828 Nr. 9
KFR 2005 S. 443 Nr. 12
KÖSDI 2005 S. 14733 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2005 S. 2608
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2006 S. 3637
NWBDirekt 2005 S. 4 Nr. 31
SJ 2005 S. 25 Nr. 19
StB 2005 S. 321 Nr. 9
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2005 S. 726
WPg 2005 S. 1295 Nr. 23
FAAAB-57334