Rückübertragung vom Einzelrichter auf den Senat
Gesetze: FGO § 6
Instanzenzug:
Gründe
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist ein beim Oberlandesgericht X (OLG X) zugelassener Rechtsanwalt, gegen den der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) wegen rückständiger Steuerforderungen die Zwangsvollstreckung betrieb. Zu diesem Zweck erließ das FA eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der es die gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Klägers gegen den Präsidenten des OLG X pfändete. Der gegen die Verfügung gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Daraufhin strengte der Kläger ein Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) an, in dessen Verlauf das FA den angefochtenen Verwaltungsakt aufhob und den Rechtsstreit für erledigt erklärte. Der Kläger schloss sich der Erledigungserklärung jedoch nicht an, sondern beantragte, die Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung festzustellen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens lehnte der Kläger alle für die Entscheidung zuständigen Berufsrichter des FG wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Im zweiten Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger unentschuldigt nicht erschienen.
Das FG wies den Antrag als rechtsmissbräuchlich und daher als unzulässig zurück und wies die Klage mit der Begründung als unzulässig ab, dass dem Kläger das erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Eine Wiederholungsgefahr scheide im Streitfall aus. Auch Anhaltspunkte für ein etwaiges Rehabilitationsinteresse seien nicht erkennbar. Ein solches werde durch den bloßen Umstand, dass der Kläger einer Pfändungsmaßnahme ausgesetzt worden sei, nicht begründet. Ein Rehabilitationsinteresse lasse sich auch nicht mit einer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers begründen, weil das FA nach den Angaben des Klägers mit der angefochtenen Verfügung ein Verfahren auf Widerruf der Anwaltszulassung provoziert haben soll. Da der Kläger das Aktenzeichen des angeblichen Vorgangs nicht mitgeteilt und auch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer nicht von der Schweigepflicht entbunden habe, hätten Zweifel an einer Mitteilung des OLG-Präsidenten an die Rechtsanwaltskammer über das Bestehen von Steuerrückständen nicht ausgeräumt werden können. Darüber hinaus sei eine einzige Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht geeignet, einen Vermögensverfall i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung zu belegen. Das FA sei auch nicht verpflichtet gewesen, in der Verfügung auf die fehlende Bestandskraft der der Vollstreckung zugrunde liegenden Steuerforderungen hinzuweisen. Schließlich ergebe sich ein Feststellungsinteresse auch nicht aus der nicht näher substantiierten Behauptung des Klägers, ihm stünden aus der angefochtenen Verfügung gegen das FA in erheblichem Umfang Schadensersatzansprüche zu. Auf eine entsprechende Anforderung des FG habe der Kläger seinen diesbezüglichen Vortrag nicht ergänzt.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen vermeintlichen Vorliegens erheblicher Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das Urteil lasse nicht erkennen, aufgrund welcher mündlichen Verhandlung dieses ergangen sei. Auch habe das FG rechtsfehlerhaft das Feststellungsinteresse des Klägers in Abrede gestellt. Die vom FG in seiner Urteilsbegründung angeführte Anforderung zur Ergänzung seines Vortrages habe er nicht erhalten. Des Weiteren würde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits der Umstand ein besonderes Feststellungsinteresse begründen, dass die spätere Verwirklichung eines weiteren Schadens in absehbarer Zeit nach der Art der Verletzung möglich erscheine und nicht gerade fern liege. Auch hätte das FG nicht auf eine mögliche Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche abstellen dürfen. Grob verfahrensfehlerhaft sei auch die unterbliebene Vernehmung des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer. Das FG wäre gehalten gewesen, den Sachverhalt näher aufzuklären. Ein Verfahrensfehler liege auch deshalb vor, weil an beiden Terminen zur mündlichen Verhandlung nicht dieselben Richter teilgenommen hätten. Denn nach der ersten mündlichen Verhandlung sei die Sache vom Einzelrichter wieder auf den Senat zurückübertragen worden. Auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern würde die erstinstanzliche Entscheidung auch beruhen.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Es ist der Ansicht, dass die vom Kläger behaupteten Verfahrensmängel entweder nicht vorliegen oder nicht ordnungsgemäß gerügt worden sind.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat lässt es dahinstehen, ob der Kläger die von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt hat, jedenfalls liegen sie nicht vor.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt die Entscheidung sehr wohl erkennen, aufgrund welcher mündlichen Verhandlung sie ergangen ist. Aus dem Urteil geht nämlich deutlich hervor, dass das FG die Klage in der Sitzung vom aufgrund mündlicher Verhandlung abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat.
2. Einen Verfahrensmangel, der darin liegen könnte, dass das FG zu Unrecht das Feststellungsinteresse verneint hat (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rdnr. 80), vermag der Senat nicht zu erkennen. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, dass die beabsichtigte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen grundsätzlich geeignet sein kann, ein besonderes Feststellungsinteresse zu belegen. Dies setzt jedoch einen substantiierten und schlüssigen Sachvortrag des Klägers voraus (, BFH/NV 1995, 322). Die bloße Behauptung eines entstandenen Schadens, ohne die Angabe von nachvollziehbaren Abläufen, die zu ihm geführt haben sollen, reicht zur Darlegung nicht aus. Auch hinsichtlich eines noch bevorstehenden Schadens ist zu verlangen, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts anhand konkreter Anhaltspunkte belegt wird. Es muss ein nachvollziehbarer Grund dargelegt werden, dass ein wirtschaftlicher Nachteil zu befürchten ist. Darüber hinaus muss die Schadensersatzklage im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits anhängig oder doch zumindest mit Sicherheit zu erwarten sein (vgl. Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 41 FGO Rdnr. 252, m.w.N.). Nach Auffassung des beschließenden Senats ist nicht zu beanstanden, dass das FG diese Voraussetzungen im Streitfall nicht als gegeben erachtet hat.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass den am Prozess Beteiligten hinsichtlich der Aufarbeitung des Streitstoffes eine prozessuale Mitwirkungspflicht obliegt, die mit der Sachaufklärungspflicht des Gerichts in einer gewissen Wechselwirkung steht (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Tz. 112). Wer etwa zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erscheint, kann regelmäßig anschließend nicht die Verletzung von § 76 Abs. 2 FGO rügen (vgl. , BFH/NV 2000, 580, m.w.N.). Im Streitfall hat der Kläger durch sein unentschuldigtes Fernbleiben in der letzten mündlichen Verhandlung die ihm gebotene Gelegenheit versäumt, seinen Vortrag in den entscheidungserheblichen Punkten zu präzisieren. Es kommt daher nicht darauf an, ob ihm die entsprechende Aufforderung des FG zugegangen ist. Dass ihm auch die Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht zugegangen sein soll, hat der Kläger nicht behauptet.
Im Übrigen beruht die Entscheidung des FG nicht auf der Annahme der Verjährung eines etwaigen Schadensersatzanspruches. Die Ausführungen zur möglichen Verjährung eines derartigen Anspruches hat das FG lediglich in Ergänzung zu den übrigen Entscheidungsgründen gemacht. Eine entscheidungserhebliche Bedeutung hat das FG insbesondere dem Umstand beigemessen, dass der Kläger seiner Substantiierungspflicht nicht nachgekommen ist.
3. Auch soweit der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch die unterlassene Vernehmung des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer geltend macht, kann dies nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn wie bereits ausgeführt, hat der Kläger seine Mitwirkungspflicht dadurch verletzt, dass er zur mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen ist. Damit hat er sich selbst der Möglichkeit begeben, auf die Beweisaufnahme Einfluss zu nehmen und die unterlassene Zeugenvernehmung zu rügen. Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust —z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde— zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrages oder eine unvollständige Zeugeneinvernahme kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der ordnungsgemäß geladene Beteiligte zur mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erscheint und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet.
4. Die Rückübertragung der Sache vom Einzelrichter auf den Senat lässt einen Verfahrensfehler ebenfalls nicht erkennen. Unter den dort genannten Voraussetzungen ist eine Rückübertragung durch den Einzelrichter in § 6 Abs. 3 FGO ausdrücklich vorgesehen. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO ist der Rückübertragungsbeschluss unanfechtbar. Auf eine erfolgte Rückübertragung kann eine Revision nicht gestützt werden (vgl. § 124 Abs. 2 FGO). Das Gesetz nimmt insoweit in Kauf, dass durch die im Anschluss an eine erfolgte Rückübertragung anzuberaumende mündliche Verhandlung weitere Richter in das Verfahren einbezogen werden, die den Finanzrechtsstreit in demjenigen Stadium übernehmen, in dem er sich zum Zeitpunkt der Rückübertragung befunden hat (vgl. auch zur Übernahme von Ergebnissen einer Beweisaufnahme Buciek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 6 FGO Rdnr. 156). Die Beschwerde hat keine Gründe vorgetragen, die auf eine Verletzung von § 6 Abs. 3 FGO schließen lassen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1576 Nr. 9
IAAAB-56092