Vorläufige Steuerfestsetzung im Hinblick auf anhängige Musterverfahren (§ 165 Abs. 1 AO); Ruhenlassen von außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren (§ 363 Abs. 2 AO); Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO;§ 69 Abs. 2 FGO)
Bezug: BStBl 2003 I S. 338
Bezug: BStBl 2005 I S. 609
Wegen der großen Zahl von Rechtsbehelfen, die im Hinblick auf anhängige Musterverfahren eingelegt werden, gilt unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder im Interesse der betroffenen Bürger und eines reibungslosen Verfahrensablaufs Folgendes:
I. Vorläufige Steuerfestsetzungen
1. Erstmalige Steuerfestsetzungen
Erstmalige Steuerbescheide sind hinsichtlich der in der Anlage zu diesem Schreiben aufgeführten Punkte nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig zu erlassen.
In die Bescheide ist folgender Erläuterungstext aufzunehmen:
„Die Festsetzung der Einkommensteuer ist im Hinblick auf vor dem Bundesverfassungsgericht, dem Bundesfinanzhof bzw. dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängige Verfahren vorläufig hinsichtlich ....
Die Vorläufigkeitserklärung erfasst nur die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Sie erfolgt aus verfahrenstechnischen Gründen und ist nicht dahin zu verstehen, dass die Regelungen als verfassungswidrig oder als gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßend angesehen werden. Änderungen dieser Regelungen werden von Amts wegen berücksichtigt; ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich.”
2. Geänderte oder berichtigte Steuerfestsetzungen
Bei Änderungen oder Berichtigungen von Steuerfestsetzungen ist wie folgt zu verfahren:
Werden Steuerfestsetzungen nach § 164 Abs. 2 AO geändert oder wird der Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 AO aufgehoben, sind die Steuerfestsetzungen im selben Umfang wie erstmalige vorläufig vorzunehmen. In die Bescheide ist unter Berücksichtigung der aktuellen Anlage derselbe Erläuterungstext wie bei erstmaligen Steuerfestsetzungen aufzunehmen.
Werden Steuerfestsetzungen nach anderen Vorschriften zugunsten des Steuerpflichtigen geändert oder berichtigt, sind die den vorangegangenen Steuerfestsetzungen beigefügten Vorläufigkeitsvermerke zu wiederholen, soweit nicht zwischenzeitlich die Ungewissheit beseitigt worden ist. Soweit die Ungewissheit beseitigt worden ist, sind die Steuerfestsetzungen für endgültig zu erklären.
Werden Steuerfestsetzungen nach anderen Vorschriften zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert oder berichtigt, sind die den vorangegangenen Steuerfestsetzungen beigefügten Vorläufigkeitsvermerke zu wiederholen, soweit nicht zwischenzeitlich die Ungewissheit beseitigt worden ist. Soweit aufgrund der aktuellen Anlage zu diesem BMF-Schreiben weitere Vorläufigkeitsvermerke in Betracht kommen, sind diese den Bescheiden nur beizufügen, soweit die Änderung reicht.
In die Bescheide ist folgender Erläuterungstext aufzunehmen:
„Die Festsetzung der Einkommensteuer ist im Hinblick auf vor dem Bundesverfassungsgericht, dem Bundesfinanzhof bzw. dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängige Verfahren vorläufig hinsichtlich ....
Die Vorläufigkeitserklärung erfasst nur die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar sind.
Soweit diese Festsetzung gegenüber der vorangegangenen in weiteren Punkten vorläufig ist, erstreckt sich der Vorläufigkeitsvermerk nur auf den betragsmäßigen Umfang der Änderung der Steuerfestsetzung.
Die Vorläufigkeitserklärung erfolgt aus verfahrenstechnischen Gründen und ist nicht dahin zu verstehen, dass die Regelungen als verfassungswidrig oder als gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßend angesehen werden. Änderungen dieser Regelungen werden von Amts wegen berücksichtigt; ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich.”Soweit die Ungewissheit beseitigt worden ist, sind die Steuerfestsetzungen für endgültig zu erklären.
Werden bisher vorläufig durchgeführte Steuerfestsetzungen nach Beseitigung der Ungewissheit gem. § 165 Abs. 2 Satz 2 AO zugunsten des Steuerpflichtigen geändert, sind die den vorangegangenen Steuerfestsetzungen beigefügten übrigen Vorläufigkeitsvermerke zu wiederholen. Ferner ist die Endgültigkeitserklärung zu erläutern.
Werden bisher vorläufig durchgeführte Steuerfestsetzungen nach Beseitigung der Ungewissheit gem. § 165 Abs. 2 Satz 2 AO zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert, sind die den vorangegangenen Steuerfestsetzungen beigefügten übrigen Vorläufigkeitsvermerke zu wiederholen. Soweit aufgrund der aktuellen Anlage zu diesem BMF-Schreiben weitere Vorläufigkeitsvermerke in Betracht kommen, sind diese den Bescheiden nur beizufügen, soweit die Änderung reicht.
In die Bescheide ist folgender Erläuterungstext aufzunehmen:
„Die Festsetzung der Einkommensteuer ist im Hinblick auf vor dem Bundesverfassungsgericht, dem Bundesfinanzhof bzw. dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängige Verfahren vorläufig hinsichtlich ....
Die Vorläufigkeitserklärung erfasst nur die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar sind.
Soweit diese Festsetzung gegenüber der vorangegangenen in weiteren Punkten vorläufig ist, erstreckt sich der Vorläufigkeitsvermerk nur auf den betragsmäßigen Umfang der Änderung der Steuerfestsetzung.
Die Vorläufigkeitserklärung erfolgt aus verfahrenstechnischen Gründen und ist nicht dahin zu verstehen, dass die Regelungen als verfassungswidrig oder als gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßend angesehen werden. Änderungen dieser Regelungen werden von Amts wegen berücksichtigt; ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich.”Ferner ist die Endgültigkeitserklärung zu erläutern.
Werden bisher vorläufig durchgeführte Steuerfestsetzungen nach Beseitigung der Ungewissheit ohne eine betragsmäßige Änderung gem. § 165 Abs. 2 Satz 2 AO für endgültig erklärt, sind die den vorangegangenen Steuerfestsetzungen beigefügten übrigen Vorläufigkeitsvermerke zu wiederholen. Ferner ist die Endgültigkeitserklärung zu erläutern.
3. Endgültigkeitserklärung
Nach Beseitigung der Ungewissheit ist die vorläufige Steuerfestsetzung innerhalb der zweijährigen Frist des § 171 Abs. 8 Satz 2 AO nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist (§ 165 Abs. 2 Satz 3 AO; siehe auch Nr. 2 Buchstaben b bis e).
II. Einspruchsfälle
Zulässige Einsprüche sind wie folgt zu behandeln:
Wird in Einspruchsverfahren gegen Steuerfestsetzungen, die noch nicht nach Abschnitt I vorläufig ergangen sind, eine vorläufige Steuerfestsetzung nach Abschnitt I begehrt, ist dem Einspruch insoweit abzuhelfen. Dies gilt entsprechend bei einem rechtzeitig gestellten Antrag auf schlichte Änderung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO). Einspruchsverfahren können weiter ruhen, wenn vom Einspruchsführer nach Aufforderung durch das Finanzamt andere Gründe, die eine Verfahrensruhe rechtfertigen, angeführt werden. Andernfalls ist der Einspruch zurückzuweisen und in der Einspruchsentscheidung die Steuerfestsetzung nach Abschnitt I für vorläufig zu erklären.
Wird gegen eine nach Abschnitt I vorläufig ergangene Steuerfestsetzung Einspruch eingelegt und zur Begründung auf die im Bescheid aufgeführten Vorläufigkeitsgründe verwiesen oder richtet sich der Einspruch gegen die vorläufige Festsetzung, ist der Einspruch zurückzuweisen.
In den Fällen der Nummer 1 Satz 4 und der Nummer 2 ist der Einspruch nicht zurückzuweisen, solange abweichend von Abschnitt IV die Vollziehung auszusetzen ist und der Steuerpflichtige nicht ausdrücklich eine Einspruchsentscheidung begehrt.
III. Rechtshängige Fälle
In Fällen, in denen Verfahren bei einem Finanzgericht oder beim Bundesfinanzhof anhängig sind, sind rechtzeitig vor der Entscheidung des Gerichts die Steuerfestsetzungen hinsichtlich der in der Anlage zu diesem Schreiben aufgeführten Punkte entsprechend Abschnitt I vorläufig vorzunehmen (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO in Verbindung mit § 132 AO). Dies gilt nicht, wenn die Klage oder das Rechtsmittel unzulässig ist oder die Klage sich gegen eine Einspruchsentscheidung richtet, in der der Einspruch als unzulässig verworfen ist. Ist Gegenstand des Verfahrens ein Änderungsbescheid, sind die Regelungen in Abschnitt I Nr. 2 zu beachten. Die geänderte Steuerfestsetzung wird nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens.
IV. Aussetzung der Vollziehung
Soweit Rechtsbehelfe mit Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der in der Anlage zu diesem Schreiben aufgeführten Punkte begründet werden, kommt eine Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide grundsätzlich nicht in Betracht, sei es, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht bestehen, sei es, weil das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung gegenüber Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes höher zu bewerten ist.
Dieses Schreiben tritt an die Stelle der (BStBl 2003 I S. 338) und (BStBl 2005 I S. 609). Es wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Festsetzungen der Einkommensteuer sind hinsichtlich folgender Punkte vorläufig vorzunehmen: [1]
Beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 EStG)
Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für Veranlagungszeiträume ab 2000
Besteuerung der Einkünfte aus Termingeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG für Veranlagungszeiträume ab 2000
Anwendung des § 24b EStG (Entlastungsbetrag für Alleinerziehende) für Veranlagungszeiträume ab 2004
Anwendung des § 32 Abs. 7 EStG (Haushaltsfreibetrag) für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003
Anwendung des § 32c EStG für die Veranlagungszeiträume 1994 bis 2000
Höhe des Behinderten-Pauschbetrags (§ 33b Abs. 3 EStG)
Anwendung der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl 2003 I S. 3076, 2004 I S. 69) geänderten Vorschriften
Nichtberücksichtigung pauschaler Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigung nach § 12 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages
Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß den Nummern 2 und 3 ist Einkommensteuerbescheiden nur beizufügen, wenn die Summe der im Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bzw. aus Termingeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG positiv ist; Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 9 in Verbindung mit § 10d Abs. 4 EStG ist er nicht beizufügen. Wird mit einem Rechtsbehelf die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bzw. aus Termingeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG geltend gemacht, ist abweichend von Abschnitt IV auf Antrag des Steuerpflichtigen Aussetzung der Vollziehung zu gewähren, wenn der Rechtsbehelf einen Veranlagungszeitraum ab 1999 betrifft (, BStBl 2005 II S. 287). Aufgrund einer personellen Anweisung kann der Vorläufigkeitsvermerk gemäß den Nummern 2 und 3 auch Einkommensteuerbescheiden für den Veranlagungszeitraum 1999 sowie Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften für Veranlagungszeiträume ab 1999 beigefügt werden.
Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 4 umfasst nur die Frage, ob § 24b EStG Ehegatten in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Er ist daher Einkommensteuerfestsetzungen nur beizufügen, wenn ein Fall des § 26 Abs. 1 EStG und der Günstigerprüfung nach § 31 EStG vorliegt.
Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 5 ist sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen mit einer Günstigerprüfung nach § 31 EStG beizufügen. Er umfasst sowohl die Frage, ob die Abschmelzung des Haushaltsfreibetrags (§ 32 Abs. 7 EStG) verfassungswidrig ist, als auch die Frage, ob § 32 Abs. 7 EStG Ehegatten in verfassungswidriger Weise benachteiligt.
Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 6 ist auch Bescheiden über die gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften beizufügen. Abweichend von Abschnitt IV ist auf Antrag des Steuerpflichtigen Aussetzung der Vollziehung zu gewähren, soweit in dem angefochtenen Bescheid die einem Organträger zugerechneten Einkommen oder Einkommensteile der Organgesellschaft nicht in die Tarifbegrenzung nach § 32c EStG einbezogen worden sind (BFH-Beschlüsse , BStBl 1998 II S. 608, und , BStBl 2003 II S. 661).
Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 8 ist sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2004 beizufügen. Er ist ferner sämtlichen Bescheiden über die gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften für Feststellungszeiträume ab 2004 und sämtlichen Körperschaftsteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2004 beizufügen.
Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 9 ist sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen beizufügen. Er ist ferner sämtlichen Bescheiden über die gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften beizufügen.
BMF v. - IV A 7
-S 0338 - 54/05
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 I Seite 794
QAAAB-55664
1Änderungen gegenüber der Anlage in der Fassung des (BStBl 2005 I S. 609) sind durch Fettdruck hervorgehoben.