Erledigung der Hauptsache bei Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens
Gesetze: FGO § 68 Satz 1, § 127
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) legte 1978 die Prüfung für das höhere Lehramt u.a. auf dem Gebiet des Sports ab. Da sie in diesem Beruf keine Anstellung fand, besuchte sie in der Folgezeit auf der Basis ihres Sportstudiums verschiedene weiterführende Veranstaltungen in der Gesundheitsbildung. 1990 erwarb sie den Abschluss einer „Fachkraft für kommunale Gesundheitsförderung”. 1989 wurde sie von der Deutschen Zilgrei-Gesellschaft e.V. (DZG) als Zilgrei-Lehrerin zertifiziert; hierdurch erwarb sie die Befugnis, Zilgrei-Selbsthilfekurse zu leiten. 1992 wurde die Klägerin Zilgrei-Ausbilderin mit der Berechtigung, andere Zilgrei-Lehrer auszubilden.
Zilgrei ist eine kombinierte Atmungs- und Haltungsselbstbehandlungsmethode, die von Andriana Zillo und Dr. med. Hans G. Greissing entwickelt wurde. Nach Angaben der DZG erzielt diese natürliche Selbstbehandlungsmethode in vielen Fällen von Beschwerden im Bewegungsapparat wie Schmerzen, Bewegungseinschränkung, Muskelverspannungen verblüffende Erfolge.
Für das Streitjahr 1994 gab die Klägerin eine Umsatzsteuererklärung ab, in der sie die steuerpflichtigen Umsätze und Vorsteuern jeweils mit 0 DM bezifferte.
Demgegenüber vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) die Auffassung, die Tätigkeit der Klägerin sei steuerpflichtig und setzte entsprechend die Umsatzsteuer fest.
Im Einspruchsverfahren legte die Klägerin eine Bescheinigung der Bezirksregierung vor, nach der ihre in Zusammenarbeit mit der DZG durchgeführten Kurse zur Ausbildung und Fortbildung von Zilgrei-Lehrern dem Erfordernis des § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) entsprachen. Das FA behandelte daraufhin die von der Klägerin als externe Dozentin gegenüber der DZG erbrachten Umsätze in Höhe von ... DM als steuerfrei. Außerdem besteuerte es Umsätze aus Buchverkäufen mit dem ermäßigten Steuersatz. Die mit dem Regelsteuersatz zu besteuernden Umsätze bezifferte es auf ... DM (Steuerbescheid vom in der Fassung des Einspruchsbescheids vom ).
Mit der Klage beantragte die Klägerin die Aufhebung der Steuerfestsetzung.
Den mit dem Regelsteuersatz besteuerten Umsätzen lagen nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) folgende Sachverhalte zugrunde:
Die Klägerin erzielte im Streitjahr 1994 „Umsätze” (richtiger wohl: Einnahmen) in Höhe von ... DM als Zilgrei-Selbsthilfe-Lehrerin im Rahmen von Kursen „Zilgrei als Selbsthilfe”, die von gesetzlichen Krankenkassen zur Linderung und Beseitigung von Beschwerden des Bewegungsapparates durchgeführt wurden. Weitere „Umsätze” in Höhe von ... DM erzielte die Klägerin aus Zilgrei-Selbsthilfe-Kursen, die sie für ein Krankenhaus und gemeinnützige Vereine (Frauenbildungshaus, Arbeiterwohlfahrt) durchführte. Nach den Feststellungen des FG entsprachen diese Kurse inhaltlich in vollem Umfang den Selbsthilfekursen, die von den Krankenkassen finanziert wurden. Geringfügige „Umsätze” erzielte die Klägerin aus einer Zilgrei-Selbsthilfe-Einzelarbeit.
Ferner führte die Klägerin Kurse im Gesundheitssport für gemeinnützige Einrichtungen durch („Umsätze” ... DM). In diesen Kursen wurden zwar auch Zilgrei-Übungen durchgeführt. Jedoch handelte es sich im Gegensatz zu den für die Krankenkassen durchgeführten Kursen um Kurse, bei denen keine konkreten Beschwerden behandelt wurden, sondern die der allgemeinen sportlichen Betätigung dienten.
Im Jahre 1993 —dem ersten Jahr ihrer unternehmerischen Tätigkeit— erzielte die Klägerin vergleichbare Einnahmen.
Das FG gab der Klage statt. Es hob den Umsatzsteuerbescheid 1994 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom auf. Es meinte, die Leistungen der Klägerin seien nach § 4 Nr. 14 UStG 1993 steuerfrei gewesen, soweit die Klägerin gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen Zilgrei-Kurse angeboten habe. Die Kurse zur Ausbildung von Zilgrei-Lehrern seien nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 steuerfrei gewesen. Da diese Kurse, die auch im Jahre 1993 angeboten worden seien, nach § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG 1993 bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nicht zu berücksichtigen seien, sei von der Klägerin nach § 19 Abs. 1 UStG 1993 im Streitjahr 1994 keine Umsatzsteuer zu erheben.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts; es meint die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG 1993 und des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 für die Steuerfreiheit der Leistungen der Klägerin seien nicht gegeben.
Während des Revisionsverfahrens änderte das FA unter Berufung auf die Vorschrift des § 172 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) die Steuerfestsetzung, indem es nur noch für die Buchverkäufe Umsatzsteuer festsetzte (Umsatzsteuerbescheid 1994 vom ). Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das FA erklärte das Revisionsverfahren nicht für erledigt; es meinte, es habe mit dem Umsatzsteuerbescheid 1994 vom lediglich die Entscheidung des FG umgesetzt.
II. Die Hauptsache hat sich durch den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom und die damit verbundene Einschränkung des Klageantrags der Klägerin erledigt.
Erklärt eine Partei —wie im Streitfall die Klägerin— einseitig die Erledigung des Rechtsstreits, prüft das Gericht nur, ob die Erledigung eingetreten ist. Dies ist der Fall, da der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 1994 durch den Änderungsbescheid vom ersetzt worden ist.
1. Entgegen der Auffassung des FA ist der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 1994 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom durch den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom geändert worden.
Der Bescheid weist alle Merkmale eines Steuerbescheids auf. Er enthält ausdrücklich den Vermerk: „Der Bescheid ist nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert.” Es ist zwar unklar, welche Tatbestandsvoraussetzungen des § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 das FA als erfüllt ansah. Dies ist auch nicht entscheidend; entscheidend ist, dass das FA unmissverständlich erklärte, es ändere die bisherige Steuerfestsetzung nach § 172 AO 1977.
Entgegen der Auffassung des FA wiederholt der Umsatzsteuerbescheid 1994 vom nicht die Entscheidung des FG; er ergänzt sie nicht lediglich um die Abrechnung. Der Umsatzsteuerbescheid 1994 selbst enthält keinen Hinweis auf das Urteil des FG und entspricht ihm auch inhaltlich nicht. Das FG hat den bisherigen Umsatzsteuerbescheid 1994 aufgehoben, weil es die Klägerin als Kleinunternehmerin ansah, so dass sich eine Umsatzsteuer von 0 DM ergibt. Demgegenüber setzt der Umsatzsteuerbescheid 1994 vom die Steuer auf 206 DM (105,33 €) fest.
2. Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens (§ 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Dies gilt auch dann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt während des Revisionsverfahrens geändert wird (vgl. § 127 FGO). Dementsprechend ist der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 1994 vom Gegenstand des Verfahrens geworden.
3. Die Klägerin durfte den Rechtsstreit ungeachtet dessen, dass der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 1994 ihrem Klagebegehren nicht in vollem Umfang abhalf, für erledigt erklären. Eine Einschränkung des Klageantrags ist nämlich auch im Revisionsverfahren zulässig (Bundesfinanzhof —BFH—, Urteil vom I R 81/66, BFHE 96, 510, BStBl II 1970, 15).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 138 Abs. 1 FGO.
Die Vorentscheidung war für gegenstandslos zu erklären, da sie noch den mittlerweile geänderten Umsatzsteuerbescheid 1994 vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom betrifft, der keine Wirkung mehr hat (vgl. , BFHE 99, 157, BStBl II 1970, 623).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1327 Nr. 8
KAAAB-55640