Keine unschädliche Entschädigungszusatzleistung bei „Versorgungs-Paket”
Gesetze: EStG § 24 Nr. 1a, § 34
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger übernahm ab die Position eines Vorstandsmitgliedes der „Uj"-AG (Uj); daneben sollte er gleichzeitig die Tätigkeit eines Vorsitzenden des Vorstandes des Geschäftsbereiches „Ug” ausüben. Der Vertrag war zunächst bis zum befristet. Neben Barbezügen (zunächst 23 000 DM monatlich) erhielt der Kläger folgende Sachbezüge: 1. Freie Wohnung (bei Wohnen im eigenen Haus Mietgeld von 3 000 DM); 2. Aufwandersatz für Heizung, Beleuchtung und Wasser, Schönheitsreparaturen, Reparaturen zur Erhaltung der Wohnung, Gartenpflege und Diensttelefon; 3. Stellung eines PKW mit Fahrer, auch zur Benutzung für private Zwecke.
Im März 1990 wurde der Dienstvertrag verlängert bis zum unter der Bedingung, dass der Kläger in den Vorstand der 1990 gegründeten Tochtergesellschaft „Bg” überwechseln sollte. Im Februar 1991 wechselte der Kläger zu „Bg”, ohne jedoch den vorgelegten Vertragsentwurf vom zu unterschreiben. Der Dienstvertrag mit der „Uj” wurde nicht aufgehoben. „Bg” leistete die Gehaltszahlungen an den Kläger, während „Uj” weiterhin die Sachbezüge gewährte.
Unter dem 15.// trafen der Kläger, „Uj” und „Bg” eine sog. Ausscheidensvereinbarung, wonach das bestehende Vertragsverhältnis mit „Uj” und/oder „Bg” auf Veranlassung der „Bg” einvernehmlich zum aufgehoben wurde. Der Kläger sollte eine Abfindung von „Bg” in Höhe von 2,1 Mio. DM (fällig im Januar 1992) erhalten. Die Sachbezüge sollten unverändert bis zum durch „Uj” gewährt und dort der Lohnsteuer unterworfen werden. Schuldner der Leistungen aus der Ausscheidensvereinbarung sollten „Uj” und „Bg” gesamtschuldnerisch sein, die sich über eine Aufteilung des Aufwandes untereinander verständigen sollten.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1992 beantragten die Kläger die ermäßigte Besteuerung der Abfindung von 2,1 Mio. DM gemäß § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Berücksichtigung eines steuerfreien Betrages von 24 000 DM nach § 3 Nr. 9 EStG. Die Sachbezüge der „Uj” waren in der Anlage N, Zeile 2 („weitere Lohnsteuerkarte(n)”) mit 91 826 DM angegeben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) veranlagte die Kläger zunächst erklärungsgemäß. Als anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der „Bg” im Jahr 1997 die dem Kläger gewährten Sachbezüge bis zum (mit einem Jahreswert von 106 000 DM) bekannt geworden waren, änderte das FA mit Bescheid vom die Einkommensteuerfestsetzung 1992 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und versagte hinsichtlich der Abfindung den ermäßigten Steuersatz. Da die Sachbezüge als Teil der Zahlung aus dem Abfindungsvertrag anzusehen seien, fehle es an einem zusammengeballten Zufluss der Entschädigung.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es verneinte ebenfalls einen zusammengeballten Zufluss der Entschädigung. Dabei ging es davon aus, dass der Kläger auch ab Februar 1991 bei der „Uj” angestellt war und seine Tätigkeit darin bestand, einen Vorstandsposten bei der Tochtergesellschaft „Bg” zu bekleiden. Damit habe ein einheitliches Arbeitsverhältnis vorgelegen, bei dem lediglich der Arbeitslohn von zwei verschiedenen Stellen gezahlt worden sei: die Sachbezüge von „Uj” und das Gehalt von „Bg”. Das einheitliche Arbeitsverhältnis sei insgesamt aufgelöst worden. Die Geldabfindung und die Weitergewährung der Sachbezüge seien Teil einer einheitlichen Entschädigung. Das FA sei auch berechtigt gewesen, die bestandskräftige Steuerfestsetzung für 1992 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 zu ändern, da ihm erst nachträglich bekannt geworden sei, dass dem Kläger neben der Abfindung noch Sachbezüge zugeflossen seien. Eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FA liege nicht vor, da dieses von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung habe ausgehen dürfen.
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vortragen: Zwischen der zusammengeballt zugeflossenen Abfindungszahlung, durch die der Fortfall der laufenden Leistungsbezüge abgegolten werden sollte, und der Fortgewährung der Sachbezüge, die durch den Status des Klägers als vormaliger Vorstand bedingt gewesen seien, bestehe keine innere Verknüpfung. Auch seien die Abfindung und die Sachbezüge formal-arbeitsrechtlich von unterschiedlichen Arbeitgebern gezahlt worden. Zudem hätte das FA den ursprünglichen Steuerbescheid nicht nach § 173 AO 1977 ändern dürfen, da es seine Ermittlungspflicht verletzt habe; es hätte die Hintergründe der vom Kläger erklärten Entschädigung aufklären müssen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG sowie den Änderungsbescheid des FA vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Recht entschieden, dass das FA den Einkommensteuerbescheid 1992 ändern und die begünstigte Besteuerung der Abfindungszahlung versagen durfte.
1. Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 können Steuerbescheide geändert werden, soweit Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheides ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss auch der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Der Umfang der beiderseitigen Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. , BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911).
Eindeutigen Steuererklärungen braucht das FA nicht mit Misstrauen zu begegnen; es kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen. Nur wenn sich Unklarheiten oder Zweifelsfragen in Bezug auf den verwirklichten Sachverhalt aufdrängen, ist das FA verpflichtet, diesen nachzugehen (vgl. , BFH/NV 2003, 19).
Im Streitfall hat das FA seine Ermittlungspflicht nicht verletzt. In der Einkommensteuererklärung der Kläger war in Zeile 14 der Anlage N eine ermäßigt zu besteuernde Entschädigung in Höhe von 2 076 000 DM eingetragen. Dass der Kläger im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses weitere Sachleistungen bezogen hatte, war für das FA nicht erkennbar. Insbesondere konnte das FA darauf nicht aus der Angabe eines zweiten Bruttoarbeitslohns des Klägers von 91 826 DM in Zeile 2 („weitere Lohnsteuerkarte(n)”) der Anlage N schließen. Das FA hatte somit keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Allein die Erklärung einer „Entschädigung” löst noch nicht die Verpflichtung des FA aus, die diesen Zahlungen zugrunde liegenden Vereinbarungen anzufordern (vgl. BFH-Urteil in BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911).
2. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, ist nach § 34 Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.
a) Werden in einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mehrere in sachlicher und/oder zeitlicher Hinsicht unterschiedliche Entschädigungsleistungen zugesagt, sind diese nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich einheitlich zu beurteilen. Dementsprechend gehören zu einer Entschädigung für entgehende Einnahmen sämtliche Leistungen, zu denen sich der (frühere) Arbeitgeber im Aufhebungsvertrag verpflichtet hat, soweit sie nicht Erfüllung des bisherigen Arbeitsvertrages sind (vgl. , BFHE 203, 38, BStBl II 2004, 449).
Im Streitfall umfasst deshalb die einheitlich zu beurteilende Gesamtentschädigung, die der Kläger im Zusammenhang mit der Auflösung seines Vorstandsvertrages mit der „Uj” erhalten hat, nicht nur die einmalige Abfindungszahlung von 2,1 Mio. DM, sondern auch die laufenden Sachbezüge, die dem Kläger vom Zeitpunkt der Auflösung des Vertrages bis zum gewährt worden sind. Dabei geht der Senat mit dem FG davon aus, dass der Kläger bis zu seinem Ausscheiden zum bei „Uj” angestellt war und seine Tätigkeit darin bestand, bei der Tochtergesellschaft „Bg” einen Vorstandsposten zu bekleiden. Für die ihm entgehenden Einnahmen aus diesem einen Arbeitsverhältnis ist dem Kläger in der sog. Ausscheidensvereinbarung eine Gesamtentschädigung zugesagt worden, von der ein Teil (Abfindung) von der „Bg” und ein anderer Teil (Sachbezüge) von der „Uj” ausbezahlt werden sollte.
Die Gesamtentschädigung hat der Kläger teilweise im Streitjahr 1992 (Abfindung und jährlicher Sachbezug), teilweise aber auch in den darauf folgenden Jahren 1993 bis 1995 (jeweils jährliche Sachbezüge) erhalten. Die Entschädigung ist dem Kläger also nicht zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zugeflossen. Damit liegen die Voraussetzungen für eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht vor (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 203, 38, BStBl II 2004, 449, m.w.N.).
b) Eine Ausnahme von dem Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der Entschädigung hat der Senat in solchen Fällen zugelassen, in denen —neben der Hauptentschädigungsleistung— in einem späteren Veranlagungszeitraum aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden (vgl. , BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180). Solche Entschädigungszusatzleistungen sind z.B. Leistungen, die der Arbeitgeber dem entlassenen Arbeitnehmer zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Arbeitslosigkeit erbringt. Sie setzen keine Bedürftigkeit des Arbeitnehmers voraus. Die Unbeachtlichkeit von ergänzenden Zusatzleistungen leitet der Senat aus einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ab.
Im Streitfall können die Sachbezüge —unabhängig von ihrer genauen Höhe— nicht als ergänzende Zusatzleistung beurteilt werden, weil sie in ihrer Bündelung zu einer recht umfassenden Versorgung (Kosten für die Wohnung einschließlich Heizung, Beleuchtung und Wasser; Schönheitsreparaturen und Reparaturen zur Erhaltung der Wohnung; Gartenpflege; Telefon; Stellung eines PKW mit Fahrer, auch zur Benutzung für private Zwecke) führen. Die Menge und der Umfang der einzelnen Sachbezüge in ihrer Gesamtheit überschreiten in einem solchen Fall den Bereich der ergänzenden Zusatzleistung (vgl. , BFH/NV 2004, 1227). Der Kläger hat hier ein ganzes „Paket” an zusätzlichen Leistungen erhalten, das die einzelnen Leistungen bei zusammengefasster Betrachtung in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1269 Nr. 8
HFR 2005 S. 755 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2006 S. 1686
NWB-Eilnachricht Nr. 47/2005 S. 3936
OAAAB-52970