BFH Beschluss v. - IX B 119/04

Bevollmächtigung nach Rechtsscheingrundsätzen; Darlegungserfordernisse nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO

Gesetze: AO §§ 80, 162, 164, 172; FGO § 116

Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 2 K 866/02

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO); die nach Ablauf der zweimonatigen Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen bleiben, soweit nicht nur erläuternd und ergänzend, unberücksichtigt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom III B 98/02, BFH/NV 2003, 1214, unter 3.; vom X B 152/02, BFH/NV 2003, 1603). Im Übrigen sind die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht gegeben.

1. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) vorgelegte Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch ist eine BFH-Entscheidung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) erforderlich. Unabhängig von der fehlenden Auseinandersetzung mit der schon vorhandenen Rechtsprechung (zur Anscheins- und Duldungsvollmacht: z.B. BFH-Entscheidungen vom IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120; vom IX B 206/02, BFH/NV 2003, 884, m.w.N.; zum Nachprüfungsvorbehalt bei Schätzung: rechtskräftige Urteile z.B. des Finanzgerichts —FG— des Saarlandes vom 1 K 135/95, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1996, 956, des , juris-Dok.-Nr. STRE 200171641; des Hessischen , EFG 2001, 798, m.w.N.; zum groben Verschulden auch als Tatfrage: z.B. , BFH/NV 2001, 1533; vom IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl II 2005, 75; jeweils m.w.N.) und den in der Literatur (zur Anscheins- und Duldungsvollmacht: z.B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 80 AO Tz. 10; Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 80 Rz. 22; zum Nachprüfungsvorbehalt bei Schätzung: z.B. Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Tz. 101; Pahlke/Koenig, a.a.O., § 164 Rz. 29; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, § 164 AO Rz. 7; zum groben Verschulden: Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Tz. 76; von Groll in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 173 AO Rz. 275, 280; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl. 2003, § 173 Rz. 118) vertretenen Ansichten liegen jedenfalls die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor. Denn das FG konnte auf der Basis der vorstehend zitierten Rechtsprechung a) aufgrund der Bevollmächtigungen in den Vorjahren und den von ihrem Prozessbevollmächtigten für die Kläger gestellten Fristverlängerungsanträgen nach Rechtsscheingrundsätzen von einer Bevollmächtigung auch für das Streitjahr ausgehen, was durch die spätere ausdrückliche Bevollmächtigung bestätigt wurde, b) davon ausgehen, dass auch Schätzungsbescheide nicht zwingend unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der AbgabenordnungAO 1977—) ergehen müssen (so im Übrigen auch Anwendungserlass zur AbgabenordnungAEAO— Nr. 4 zu § 162, BStBl I 2000, 190, 242), und c) nach Maßgabe der Einzelfall-Umstände in der Nichtvorlage der Steuererklärung ein grobes Verschulden der Kläger sehen.

2. Ebenso haben die Kläger die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) in Gestalt einer die Abweichung erkennbar machenden Gegenüberstellung von Rechtssätzen oder eines offensichtlichen (materiellen oder formellen) Rechtsanwendungsfehlers des FG von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 174/02, BFH/NV 2003, 649; vom V B 37-39, 57/03, BFH/NV 2004, 829, jeweils m.w.N.) nicht dargelegt. Eine Abweichung liegt auch nicht vor (s. auch zu 1.).

3. Soweit die Kläger die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) durch Übergehen von Beweismitteln rügen, fehlt es an den für eine hinreichende Darlegung erforderlichen genauen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 115/97, BFH/NV 1999, 630; vom X B 42/02, BFH/NV 2003, 70). Insbesondere fehlt es an Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit vor allem deshalb, weil das FG (im Urteil S. 5) die Wirksamkeit der Bescheidbekanntgabe schon „spätestens mit der Weiterleitung an die Kläger durch den Prozessbevollmächtigten” annimmt. Im Übrigen wurde der Auslandsaufenthalt der Kläger im Klageverfahren schriftsätzlich nicht unter Beweis gestellt.

4. Soweit sich die Kläger gegen die vermeintlich fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung einschließlich eines Widerspruchs zu „allgemeinen Denkgrundsätzen” und unzutreffende Rechtsanwendung wenden, rügen sie materiell-rechtliche Fehler, also die inhaltliche Richtigkeit des FG-Urteils; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476; vom IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331, unter 3.a).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1131 Nr. 7
BAAAB-52824