BFH Beschluss v. - IX B 98/04

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; keine Revisionszulassung bei fehlerhafter Würdigung des Beteiligten-Vorbringens; NZB bei kumulativer UrteilsbegründungS. 22

Gesetze: FGO §§ 76, 94, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) sind nicht gegeben.

1. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) hinsichtlich des Streitjahres 1992 aufgeworfene Rechtsfrage, „ob eine vorläufige Steuerfestsetzung im Änderungswege auch dann durch selbständigen Änderungsbescheid gegeben ist, wenn in dem den Vorläufigkeitsvermerk enthaltenen Schreiben eine Bezugnahme lediglich auf einen das entsprechende Streitjahr nennenden, nicht aber datumsmäßig identifizierbaren Steuerbescheid erfolgt, obgleich mehrere das Steuerjahr betreffende Steuerbescheide existieren und das den Vorläufigkeitsvermerk enthaltende Schreiben nicht nach Form und Inhalt den an einen Steuerbescheid zu stellenden Anforderungen genügt”, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; denn sie betrifft —wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) in der Beschwerdeerwiderung zutreffend ausgeführt hat— die Entscheidung des Streitfalles als Einzelfall. In Übereinstimmung hiermit haben die Kläger in ihrer Beschwerdebegründung auch nicht —wie erforderlich— dargelegt, dass die aufgeworfene Rechtsfrage in Rechtsprechung und/oder Schrifttum umstritten ist und aus diesem Grunde über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus im allgemeinen Interesse einer höchstrichterlichen Klärung bedarf (vgl. dazu z.B. , BFH/NV 2003, 805; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 116 Rz. 32 f.).

2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind nicht gegeben.

a) Die Kläger rügen, das Finanzgericht (FG) sei aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt, das Mietverhältnis sei wegen fehlender Mietzahlungen und mangels Überlassung der gemieteten Räume an die Mieterin zur alleinigen Nutzung in den Streitjahren steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Das FG habe bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze (die Logik) verstoßen und dadurch zum einen sein Recht auf freie Beweiswürdigung überschritten und zum anderen in diese nicht alle bekannten Umstände einbezogen (Verletzung von § 96 FGO). Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die fehlerhafte Würdigung des Beteiligten-Vorbringens, einer Zeugenaussage oder des Akteninhalts —ebenso wie Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze— materiell-rechtliche Mängel sind, die selbst wenn sie vorliegen, nicht zur Zulassung der Revision führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58; vom VIII B 2/01, BFH/NV 2002, 1273; vom IX B 163/01, BFH/NV 2002, 1331; vom IX B 49/03, BFH/NV 2004, 65).

b) Dagegen weisen die Kläger zutreffend darauf hin, dass das FG einen Verfahrensverstoß begeht, wenn es Umstände nicht beachtet, die richtigerweise in seine Beweiswürdigung hätten einfließen müssen und dadurch Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt (z.B. , BFH/NV 2001, 1577); das Gleiche gilt bei der Anwendung falscher Beweisregeln (, BFH/NV 2002, 45).

aa) Zu Unrecht machen die Kläger jedoch geltend, diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Mit ihren Ausführungen zur notwendigen Berücksichtigung des „Alters der Zeugin” und zur „Ungewöhnlichkeit der Zahlungsweise der Miete” wenden die Kläger sich nach dem sachlichen Gehalt ihres Beschwerdevorbringens nur gegen die —wenn nicht zwingende, so doch zumindest mögliche— Würdigung der festgestellten Umstände durch das FG und setzen ihre eigene Würdigung dagegen. Mit solchen der Revision vorbehaltenen Einwendungen können sie im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden.

bb) Den Klägern ist auch nicht zu folgen, wenn sie vortragen, das FG habe bei der Frage der „Überlassung der Mieträume zur alleinigen Nutzung durch die Mieterin” (der Sache nach) zu Unrecht die von der Rechtsprechung für die Prüfung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen aufgestellten Kriterien angewandt. Das FG ist vielmehr unter Würdigung des Beteiligten-Vorbringens, der Aussage der Zeugin und der tatsächlichen Verhältnisse (z.B. mangelnde Abgeschlossenheit der beiden Wohnungen) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Räume der Zeugin nicht zur alleinigen Nutzung überlassen worden sind. Diese Würdigung ist möglich; sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. In einem zukünftigen Revisionsverfahren wäre der Senat an sie gebunden. Mit ihren dagegen gerichteten Angriffen können die Kläger nicht gehört werden. Sie setzen auch hier lediglich der Auffassung des FG ihre eigene —abweichende— Tatsachen- und Beweiswürdigung entgegen.

cc) In diesem Zusammenhang ist ohne Bedeutung, dass das FG bei seiner Entscheidung das im Protokoll über den Erörterungstermin festgehaltene Beteiligten-Vorbringen der Klägerin berücksichtigt hat. Dass die Klägerin im Rubrum des Protokolls nicht als im Termin anwesend aufgeführt ist, steht der Verwertung nicht entgegen. Erweist sich eine Verhandlungsniederschrift als unvollständig, ist unter Heranziehung der verfügbaren Erkenntnisquellen zu ermitteln, welcher tatsächliche Vorgang der unvollständigen Protokollierung zugrunde liegt (, nicht veröffentlicht, juris-Dokument Nr. STRE835016360; Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 94 FGO Tz. 90). Aus dem Protokoll ergibt sich durch die Kennzeichnung ihres Vorbringens, dass die Klägerin im Erörterungstermin anwesend war, gehört worden ist und, was sie erklärt hat.

3. Die von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Rechtsfrage, „ob bei der Beurteilung der Überschusserzielungsabsicht auf die durch das konkrete Mietverhältnis und hier insbesondere durch das Alter des Mieters vermittelte Mietdauer abzustellen” ist, kann im vorliegenden Verfahren —mangels Entscheidungserheblichkeit— nicht geklärt werden (vgl. zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit als Voraussetzung für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache z.B. , BFH/NV 2003, 1534, m.w.N.).

Die Kläger machen zwar zutreffend geltend, dass das FG das Vorliegen ihrer Einkünfteerzielungsabsicht zu Unrecht nach den Grundsätzen einer befristeten Vermietung geprüft und verneint hat. Weder das hohe Alter der Mieterin noch die Überlegung, ob nach deren Ableben aufgrund des Zuschnitts des Hauses und der Lebensverhältnisse der Kläger eine Wiedervermietung wahrscheinlich war, sind geeignete Kriterien dafür, aus der Sicht der Streitjahre ein auf einen bestimmten Zeitraum abgeschlossenes Mietverhältnis anzunehmen. Hierauf kommt es jedoch im Streitfall nicht an. Nach der —nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen (s. unter II. 2.)— und damit den Senat bindenden Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ist der mit der Zeugin abgeschlossene Mietvertrag steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Diese selbständige Begründung, für die kein Zulassungsgrund vorliegt, trägt die Entscheidung des FG; auf die Frage, ob für die andere Begründung ein Zulassungsgrund besteht, kommt es deshalb nicht mehr an (z.B. , BFH/NV 2001, 1620).

Fundstelle(n):
JAAAB-44581