Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des Emissionshandelssystems für Treibhausgase
Durch die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl EU Nr. L 275 S. 32) ist europaweit ein System für den Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten eingeführt worden. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Richtlinie mit dem Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen vom – „TEHG” (BGBl 2004 I S. 1578) sowie dem Gesetz über den Nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionenberechtigungen in der Zahlungsperiode 2005 bis 2007 „ZuG 2007” (BGBl 2004 I S. 2211) umgesetzt. Das TEHG ist mit Wirkung vom , das ZuG 2007 mit Wirkung vom in Kraft getreten. Von der gemeinschaftsrechtlich zulässigen Möglichkeit, einen durch die Richtlinie 2003/87/EG (a.a.O.) bestimmten Anteil der Emissionszertifikate entgeltlich auszugeben, ist dabei nicht Gebrauch gemacht worden.
Die rechtlichen Voraussetzungen für einen gemeinschaftsweiten Handel mit Emissionszertifikaten (Berechtigungen i.S.d. § 3 Abs. 4 TEHG) werden dabei durch § 6 Abs. 3, §§ 7 bis 10 und §§ 13 bis 16 TEHG sowie § 18 ZuG 2007 geschaffen.
Berechtigungen, die von anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Anwendung der Richtlinie 2003/87/EG für die laufende Zuteilungsperiode ausgegeben worden sind, stehen in der Bundesrepublik Deutschland ausgegebenen Berechtigungen gleich; Berechtigungen, die von Drittländern ausgegeben werden, werden entsprechend überführt. Verantwortlicher i.S. der Vorschrift des § 3 Abs. 5 TEHG ist jede natürliche oder juristische Person, die die unmittelbare Entscheidungsgewalt über eine Tätigkeit i.S.d. TEHG innehat und dabei die wirtschaftlichen Risiken der Tätigkeit trägt.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Ausgabe der Emissionszertifikate sowie des Emissionshandelssystems Folgendes:
I. Ausgabe der Emissionszertifikate
Die Freisetzung von Treibhausgasen durch eine Tätigkeit i. S. des TEHG bedarf einer Genehmigung, auf deren Erteilung die verantwortliche Person unter den in den §§ 4 und 5 TEHG bezeichneten Voraussetzungen Anspruch nach § 9 TEHG hat. Die Ausgabe der Berechtigungen i. S. des § 3 Abs. 4 TEHG erfolgt nach § 18 ZuG 2007 i.V.m. §§ 7 und 22 TEHG vorbehaltlich der Erhebung von Gebühren und Auslagen nach §§ 22 und 23 ZuG 2007 unentgeltlich durch die zuständige Behörde. Nach § 6 i.V.m. § 9 TEHG sowie § 20 TEHG ist das Umweltbundesamt für Zuteilung und die jährliche Ausgabe der Emissionsberechtigungen zuständig.
Die Wahrnehmung der Aufgaben des Umweltbundesamtes nach dem TEHG kann dabei nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 TEHG mit den erforderlichen hoheitlichen Befugnissen durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf eine juristische Person übertragen werden; von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber keinen Gebrauch gemacht. Die Ausgabe von Emissionszertifikaten obliegt dem Umweltbundesamt somit im Rahmen der öffentlichen Gewalt, da sie diesem eigentümlich und vorbehalten ist, und erfolgt nicht im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art.
Die Beurteilung der Leistungen der nach § 20 Abs. 2 TEHG beliehenen juristischen Person sowie der in den Fällen des § 6 Abs. 3 ZuG 2007 beauftragten Stelle bleibt hiervon unberührt. Die Durchführung der übertragenen Aufgaben durch eine juristische Person des Privatrechts würde sich ebenso wie die Veräußerung von zugewiesenen Emissionszertifikaten am Markt im Rahmen eines Unternehmens vollziehen. Im Falle des § 6 Abs. 3 ZuG 2007 gelten die Ausführungen im Abschnitt II.
II. Handel mit Emissionszertifikaten
Die Befugnis, eine bestimmte Menge Treibhausgase emittieren zu dürfen (Berechtigungen i.S.d. § 3 Abs. 4 TEHG) ist zwischen Verantwortlichen i.S.d. § 3 Abs. 5 TEHG sowie zwischen Personen innerhalb der Europäischen Union oder zwischen Personen innerhalb der Europäischen Union und Personen in Drittländern, mit denen Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Berechtigungen gem. Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87/EG geschlossen wurden, übertragbar (§ 6 Abs. 3 TEHG). Die Übertragung erfolgt nach § 16 TEHG durch Einigung und Eintragung auf dem Konto des Erwerbers in dem nach § 14 TEHG von den zuständigen Behörden zu führenden Emissionshandelsregister.
Die Übertragung einer Berechtigung i.S.d. § 3 Abs. 4 TEHG ist eine sonstige Leistung i.S.d. § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG. Überträgt ein Unternehmer das Emissionsrecht an einen anderen Unternehmer, ist daher der Leistungsort regelmäßig dort, wo der Leistungsempfänger seinen Sitz oder eine Betriebsstätte hat, an die die Leistung erbracht wird (§ 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 UStG). Liegt der Leistungsort im Inland und ist der leistende Unternehmer hier nicht ansässig, ist der Leistungsempfänger (Unternehmer) Steuerschuldner (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 UStG).
Die Frage, ob jemand, der Emissionszertifikate z.B. mit der Absicht der Weiterveräußerung oder zu Anlagezwecken erwirbt, mit der Ausübung dieser Tätigkeit unternehmerisch i.S.d. § 2 UStG tätig wird, ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen.
Berechtigungen nach § 3 Abs. 4 TEHG gelten nicht als Finanzinstrumente i. S. von § 1 Abs. 11 des Kreditwesengesetzes (KWG), vgl. § 15 Abs. 1 TEHG. Damit ist sowohl der Eigenhandel als auch die Vermittlung solcher Kaufgeschäfte aufsichtsfrei nach dem KWG. Die Übertragung von Rechten und damit auch von Berechtigungen i.S.d. § 3 Abs. 4 TEHG fällt jedoch nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 UStG i.V.m. Artikel 13 Teil B Buchst. a und d der 6. EG-Richtlinie. Diese Umsätze sind damit steuerpflichtig und unterliegen dem allgemeinen Steuersatz.
Der Leistungsempfänger hat unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG das Recht auf Abzug der in den Rechnungen über die Übertragung von Emissionsrechten für sein Unternehmen ausgewiesenen Umsatzsteuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) oder der von ihm nach § 13b Abs. 1 und 2 UStG geschuldeten und angemeldeten Steuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG) als Vorsteuer.
Als Derivate i.S.d. § 1 Abs. 11 Satz 4 des KWG gelten Termingeschäfte, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von dem Börsen- oder Marktpreis von Berechtigungen i.S.d. § 3 Abs. 4 TEHG („Emissionszertifikate”) abhängt. Derivate von Berechtigungen i.S.d. § 3 Abs. 4 TEHG sind selbst keine Wertpapiere, sondern beinhalten nur das Recht bzw. die Verpflichtung, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Menge Berechtigungen zu einem bestimmten Preis kaufen oder verkaufen zu können.
Future-Kontrakte auf Emissionsberechtigungen sind bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Liefer- bzw. Abnahmeverpflichtung als Differenzgeschäft zu behandeln; ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch liegt insoweit nicht vor. Optionsgeschäfte sind steuerbar; ein Differenzgeschäft liegt nicht vor. Führt die Ausübung der Option nicht zu einer Übertragung der Zertifikate, sind die Optionsgeschäfte nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei. Für Umsätze mit Derivaten von Berechtigungen i.S.d. § 3 Abs. 4 TEHG, die in börsengehandelten Wertpapieren verbrieft sind, kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG in Betracht.
BMF v. - IV A 5 -
S 7100 - 16/05
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 I Seite 494
TAAAB-42803