Beihilfe zur Steuerhinterziehung eines Lieferanten zu sog. Schwarzgeschäften des Abnehmers durch RechnungssplittingS. 6
Gesetze: AO § 370
Instanzenzug: , U (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides gemäß § 191, § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen von A. Dieser, der das Bäckerhandwerk erlernt und die Meisterprüfung abgelegt hat, später als Handelsreisender für Lebensmittelprodukte und als Niederlassungsleiter tätig war, trat 1987 in den Dienst des Kaufmanns B, der einen Großhandel mit Lebensmitteln für…Restaurants betrieb. 1987 erwarben C sowie D und E das Unternehmen des B und führten es in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) fort; sie selbst wurden Kommanditisten. Geschäftsführer der KG wurde A. Er war im operativen Bereich (Vertrieb und Kundenbetreuung) der KG tätig. Seine Tätigkeiten bestanden in der Kundenbetreuung und der Auftragsannahme nebst Ausfüllen der Bestellscheine, der Akquisition neuer Kunden sowie dem Wareneinkauf einschließlich der Kontrolle des Sortiments. Komplementärin der KG war die L-GmbH. Deren Geschäftsführer waren C und —formal— auch D, der aber tatsächlich in anderen Bereichen der sog. Firmengruppe tätig war. 1988 wurde A als weiterer Kommanditist in die KG aufgenommen. C war ferner Geschäftsführer und kaufmännischer Leiter der F-GmbH. Diese führte einen Teil der Buchhaltung der KG (die Verbuchung des Zahlungsverkehrs und die Erstellung der Jahresabschlüsse) durch, für deren kaufmännischen Bereich (finanzielle, buchhalterische und steuerliche Angelegenheiten) C tätig war. Die Debitorenbuchungen nahm die KG vor.
Von der KG bezog u.a. der Betreiber des Restaurants H, Herr K Ware. Bei seinen Bestellungen gab er —wie zahlreiche andere Kunden der KG auch— an, über welche Waren er eine Rechnung mit seinem vollen Namen und Adresse wünschte und über welche Waren eine Barverkaufsrechnung ohne Namen und Adresse ausgestellt werden sollte. Die KG nahm die Bestellungen mittels eines Formulars an, in dem die Ware getrennt nach Lieferung auf ordnungsgemäße Rechnung mit Empfängernamen und Lieferung auf nicht ordnungsgemäße Barverkaufsrechnung angegeben wurde. Zu diesem Zweck waren in dem Formular hinter der jeweiligen Artikelnummer und der Bezeichnung der Ware zwei Spalten vorhanden. In der ersten Spalte waren die Warenbestellungen zu notieren, für die der Kunde später eine vollständige Rechnung erhielt, in der zweiten Spalte die Lieferung mit Barverkaufsrechnung ohne Angabe des Empfängers. Entsprechend der Bestellung wurden dann von der KG die Rechnungen gesplittet. Die Rechnungen mit ordnungsgemäßer Kundenanschrift wurden auf dem Kundenkonto, die nicht ordnungsgemäßen Barverkaufsrechnungen über ein anonymes Sammelkonto verbucht. Intern ordnete die KG die ohne Namen und Adresse des Kunden ausgestellten Barverkaufsrechnungen anhand einer Kundennummer, die auf die Durchschrift der Barverkaufsrechnung gesetzt wurde, diesem wieder zu. Das Kundennummernsystem wurde in den Jahren 1988 bis 1992 mehrfach geändert. Von 1988 bis Anfang 1990 wurde auf der Durchschrift der Barverkaufsrechnung die Kundennummer handschriftlich vermerkt. Teilweise wurden die Nummern…hinzugefügt. Diese Nummern bezeichneten interne Barverkaufskonten, über welche die Barverkaufsrechnungen zunächst verbucht wurden. Von Anfang 1990 bis Mitte 1993 wurde in den Barverkaufsrechnungen im Anschriftenfeld das Bestelldatum und die Kundennummer vermerkt. Ab Mitte 1993 wurde für jeden Kunden eine eigene Barverkaufsnummer vergeben. Der Kundennummer wurde die Zahl 65 vorangestellt. Für K wiesen die Barverkaufsrechnungen die Kundennummer…aus. Das Rechnungssplitting war auch bereits praktiziert worden, als das Unternehmen der KG noch von B geführt worden war.
Im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (STRAFA-FA) bei der KG wurde der Entwurf eines Schreibens an alle Kunden vorgefunden. Das Schreiben datiert mit „im Januar 1990”, nimmt Bezug auf Barverkaufsrechnungen und hat folgenden Wortlaut: „Wir bitten unsere sehr verehrte Kundschaft zu beachten, dass als Barrechnungen charakterisierte Rechnungen Bestandteil unserer Buchhaltung sind und jederzeit, aufgrund des individuellen Kunden-Codes, der Empfänger der Ware und damit der Rechnung nachvollzogen werden kann.” Das STRAFA-FA stellte ferner fest, dass K in erheblichem Umfang Einnahmen sowie die über Barverkaufsrechnungen von der KG bezogenen Waren nicht verbucht hatte. Die erzielten Einnahmen wurden, wenn die Gäste des Restaurants ihre Speisen und Getränke bezahlten, in eine elektronische Registrierkasse eingebucht. Nach Schließung des Lokals führte K täglich einen Kassenabschluss durch. Bevor er den Tagesendsummenbon ausdrucken ließ, nahm er jeweils eine Stornobuchung vor, mit der er die insgesamt erzielten Einnahmen rechnerisch reduzierte. Auf dem Tagesendsummenbon, den er dann ausdrucken ließ, erschien lediglich der nach Abzug der Stornobuchung verbleibende Teil der Tageseinnahmen als Gesamtbetrag. Abweichend von der Serienprogrammierung hatte er die Registrierkasse so manipuliert, dass nicht die vollständigen Einnahmen und die Summe der Stornobuchungen auf den Tagessummenbons ausgedruckt wurden, sondern allein die verbleibende Differenz. Weiterhin richtete er sich seine Registrierkasse so ein, dass sich der serienmäßig vorhandene Gesamtspeicher, der es ermöglichte, die während der gesamten Betriebszeit der Kasse gebuchten Einnahmen als Gesamtbetrag abzurufen (sog. Grand-Total oder GT-Speicher), mit jedem durchgeführten Tagesabschluss selbsttätig auf Null stellte. K trug jeweils nur den per Stornobuchung reduzierten Betrag als Tageseinnahme in sein Kassenbuch ein, während er den stornierten Betrag „schwarz” vereinnahmte.
Das STRAFA-FA ermittelte unter Berücksichtigung des von ihm festgestellten Bruttowareneinsatzes im Wege einer Aufschlagskalkulation die von K durch die Schwarzeinkäufe erzielten Umsätze und Gewinne. Da die Rohgewinnaufschläge, die sich nach den von K bis dahin eingereichten Gewinnermittlungen ergaben, deutlich unter den Erfahrungswerten der Finanzverwaltung lagen, wurden zur Ermittlung des zutreffenden Rohgewinnaufschlags zu Beginn der Fahndungsprüfung verschiedene Gerichte des K ausgewogen und ausgewertet. Das STRAFA-FA gelangte danach zu einem rechnerisch durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 277 %, den es der Kalkulation zugrunde legte. Es kam zu dem Ergebnis, dass K Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 1988 bis 1992 in Höhe von insgesamt 511 109 DM hinterzogen habe.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte die Steuern gemäß den Feststellungen des STRAFA-FA gegenüber K fest. Eine Zahlung der Steuerschulden durch K erfolgte jedoch nicht. Forderungspfändungen blieben ohne Erfolg. Unter dem gab K die eidesstattliche Versicherung zu seiner Vermögenslosigkeit ab. Die gesamten Steuerrückstände des K betrugen am einschließlich Säumniszuschlägen 1 007 244,12 DM. K wurde durch rechtskräftig gewordenes Urteil des Landgerichts…wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Feststellungen des Landgerichts beruhten u.a. auf der „geständigen Einlassung” des K. Das Landgericht ging allerdings im Gegensatz zum STRAFA-FA nicht von einem Gesamtbetrag von hinterzogenen Steuern in Höhe von 511 109 DM, sondern von 395 567 DM aus, weil zum einen statt des vom STRAFA-FA zugrunde gelegten Bruttowareneinsatzes bei der Berechnung der Steuerverkürzung der Nettowareneinsatz hätte angesetzt werden müssen und zum anderen zu Gunsten des K statt des in Ansatz gebrachten Rohgewinnaufschlags von 277 % nur ein solcher von 250 % vorzunehmen sei.
Gegen A und C eingeleitete Strafverfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wurden gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 200 000 DM für A und 150 000 DM für C gemäß § 153a der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
Mit Haftungsbescheiden vom , auf die Bezug genommen wird, nahm das FA sowohl A als auch C gemäß §§ 71, 191 AO 1977 wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung des K und dadurch verkürzter Steuern in Höhe von 300 250 DM in Haftung.
Mit Einspruchsentscheidung vom setzte das FA unter Änderung des angefochtenen Haftungsbescheids die Haftungssumme auf 209 628,30 DM herab, da —so die Ausführungen des FA— nur die Schwarzeinkäufe bei der KG zu erfassen seien. Ausgegangen wurde von folgenden Nettoeinkäufen bei der KG:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1988 | 41 258 DM |
1989 | 43 987 DM |
1990 | 38 561 DM |
1991 | 27 887 DM |
1992 | 24 399 DM |
A und C hätten sowohl objektiv als auch subjektiv Beihilfe zur Steuerhinterziehung des K geleistet. Ihre Heranziehung als Haftende sei daher ermessensgerecht. Darüber hinausgehender Ermessenserwägungen bedürfe es nicht. Die Inanspruchnahme sei keine verschuldensabhängige Sanktion für die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten, sondern beruhe darauf, dass A und C als Gesellschafter/Geschäftsführer der KG einen Steuerausfall durch Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldhaft verursacht hätten und für den daraus der Allgemeinheit entstandenen Schaden ersatzpflichtig seien.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) setzte das FA den Haftungsbetrag auf 208 846,30 DM herab.
Das FG wies die Klage ab. Das FA habe A zu Recht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß §§ 71, 191 AO 1977 in Haftung genommen. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des K durch das Landgericht stehe fest, dass dieser die streitbefangenen Steuern hinterzogen habe. Zu dieser Steuerhinterziehung habe A sowohl objektiv als auch subjektiv Beihilfe geleistet.
Der Haftungsbescheid sei auch nicht wegen fehlerhafter Ermessensausübung des FA aufzuheben. Das FA habe sein Entschließungsermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Auch die Ausübung des Auswahlermessens sei nicht zu beanstanden; das FA habe A und C in Haftung genommen. D sei hingegen weder im operativen noch im kaufmännischen Bereich eingesetzt gewesen.
Zur Höhe der Inanspruchnahme habe das FA —in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)— keine gesonderten Ermessenserwägungen anstellen müssen.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, dass bei der Ausübung des Entschließungsermessens der Grad der Pflichtverletzung und das Maß des Verschuldens zu berücksichtigen gewesen wären. Der Kläger beruft sich auf die für ihn günstige Entscheidung des (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2002, 655 —Leitsätze—) die auf seine Klage wegen Haftung des A für Einkommensteuerschulden eines anderen ...-Restaurant-Betreibers ergangen sei.
A sei ausschließlich im Außendienst tätig gewesen und habe keinen Einfluss auf die Rechnungslegung gehabt. Die Rechnungsstellung habe allein C oblegen, der auch das System der Barverkäufe eingeführt haben solle. Als Bäcker sei A nicht imstande gewesen, die Bedeutung der Buchhaltungsvorgänge zutreffend einzuordnen. Subjektive Förderungshandlungen seien nicht erkennbar. A sei der Haupttäter K „völlig unbekannt” gewesen. Strafrechtlich sei es gegenüber A nicht zu einer Verurteilung gekommen.
A sei erst vom an Kommanditist geworden; bis zum habe er daher keine ursächliche Beihilfehandlung vornehmen können.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil sowie den Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG entschieden, dass der angefochtene Haftungsbescheid rechtmäßig ist.
1. Nach § 71 AO 1977 haftet für verkürzte Steuern, wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt. Er kann gemäß § 191 AO 1977 durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.
In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das FG aufgrund des Geständnisses und der rechtskräftigen Verurteilung des K durch das Landgericht davon ausgegangen, dass dieser die streitbefangenen Steuern hinterzogen hat. Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafurteil hat der Kläger nicht erhoben. Zu der Steuerhinterziehung des K hat A objektiv und subjektiv Beihilfe geleistet und damit i.S. von § 71 AO 1977 an dessen Tat teilgenommen.
Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen (§ 27 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs —StGB—). Als Hilfeleistung i.S. des § 27 StGB ist dabei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (ständige Rechtsprechung, , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2000, 3010, BStBl II 2001, 79).
Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern; Einzelheiten der Haupttat braucht er nicht zu kennen. Ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn eher vermeiden würde, ist nicht entscheidend. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Hilfeleistende dies weiß. Unter dieser Voraussetzung ist der Vorsatz selbst dann nicht in Frage gestellt, wenn der Gehilfe dem Täter ausdrücklich erklärt, er missbillige die Haupttat (BGH-Urteil in NJW 2000, 3010, BStBl II 2001, 79).
Im Streitfall hat A die Haupttat objektiv unterstützt und gefördert. A hat dem Haupttäter K dadurch die Tat erleichtert, dass dieser annehmen konnte, bei Erhalt von Barverkaufsrechnungen auch in der Buchführung der KG nicht als Abnehmer von Waren zu erscheinen. A war Geschäftsführer der KG und für den operativen Bereich (Vertrieb und Kundenbetreuung) zuständig und damit auch für den in Rede stehenden Bereich ordnungemäßer Rechnungslegung verantwortlich. Dass A ursprünglich Bäcker war und keine EDV-Kenntnisse besaß, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Unerheblich ist, ob A ausschließlich im Außendienst tätig gewesen ist und keinen Einfluss auf die Rechnungslegung gehabt hat und dass er möglicherweise erst ab dem Kommanditist geworden ist. A, der seit 1987 in dem Großhandelsbetrieb tätig war, wurde nicht für sein Fehlverhalten als Geschäftsführer in Anspruch genommen, sondern für die vorsätzliche Beteiligung an einer fremden Steuerhinterziehung. Durch die den Kunden eingeräumte Möglichkeit, Waren mittels Barverkaufsrechnungen zu beziehen, die keine Empfängerbezeichnung aufwiesen, leistete er Beihilfe zur Steuerhinterziehung der Kunden der KG.
Auch der subjektive Tatbestand der Beihilfe zur Steuerhinterziehung liegt vor. Das Rechnungssplitting war dem A nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG bekannt; es konnte keinem anderen Zweck dienen, als eine Steuerhinterziehung vorzubereiten. Das war auch A ohne weiteres erkennbar. A handelte daher mit zumindest bedingtem Vorsatz. Er hat die Steuerhinterziehungen von Kunden der KG —und damit auch die des K— billigend in Kauf genommen. A mag von den jeweiligen einzelnen Bestellungen und Rechnungen des K keine genaue Kenntnis gehabt haben. Dies steht der Annahme einer Beihilfe jedoch nicht entgegen, da er die generelle Verfahrensweise kannte und zuließ.
2. Das FA hat A ermessensfehlerfrei als Haftungsschuldner herangezogen; das gilt für die Haftung dem Grunde, der Höhe und der Auswahl nach.
a) Der (BFH/NV 1991, 504) entschieden, dass bei einer vorsätzlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Haftungsinanspruchnahme nach den §§ 191, 71 AO 1977 auch ohne nähere Darlegung der Ermessenserwägungen im Haftungsbescheid oder in der Einspruchsentscheidung als ermessensgerecht nach § 102 FGO anzusehen ist; die Vorprägung der Ermessensentscheidung im Falle einer vorsätzlichen Steuerverkürzung oder einer Beihilfe ist nicht nur für die Inanspruchnahme dem Grunde nach, sondern auch für die Inanspruchnahme der Höhe nach gegeben. Im Rahmen der Betätigung des Auswahl- und Entschließungsermessens besteht danach —insbesondere im Hinblick auf den Schadensersatzcharakter der Haftungsnormen— kein Grund, Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die sich aus der Größenordnung der Haftungsschuld im Vergleich zu den finanziellen Möglichkeiten des Haftungsschuldners ergeben (, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2002, 55, mit weiteren umfassenden Nachweisen). Auch § 71 AO 1977 soll eine Schadensersatzpflicht in Höhe der verkürzten Beträge begründen (so BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 504, unter Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs vom IV A 86/36, RFHE 40, 118, 120 f.; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., 2003, § 71 Rz. 2).
b) Die Ausübung des Auswahlermessens ist ebenfalls nicht zu beanstanden; das FA hat A und C in Haftung genommen. Da das FA beide Teilnehmer in Anspruch genommen hat, sind Fehler bei der Ausübung des Auswahlermessens nicht erkennbar. D kam als Haftender gemäß § 71 AO 1977 nicht in Betracht, da er nach den bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) weder im operativen noch im kaufmännischen Bereich eingesetzt war und keine Kenntnis von den Praktiken des Rechnungssplittings hatte. Es ist daher unerheblich, dass er formal Geschäftsführer der L-GmbH war (zur Haftung des „Strohmann-Geschäftsführers” vgl. im Übrigen , BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579).
c) Der Auffassung des (Leitsatz in EFG 2002, 655; juris STRE200270575), wonach bei der Ausübung des Ermessens der Grad des Verschuldens und der Steuerschaden in Relation zu setzen sein sollen, ist —mit der angefochtenen Entscheidung— nicht zu folgen. Die Höhe der Inanspruchnahme ist „vorgeprägt"; wer Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung leistet, haftet für die verkürzte Steuer (BFH-Beschluss in ZfZ 2002, 55); weitere Differenzierungen sind nicht angezeigt.
Ebenso ist die Auffassung des FG Münster (EFG 2002, 655) abzulehnen, dass bei der Ermessensausübung auch der wirtschaftliche Vorteil des Teilnehmers berücksichtigt werden müsse. Gehaftet wird für die hinterzogenen Steuern (Klein/Rüsken, a.a.O., § 71 Rz. 12). Den Teilnehmer trifft die Haftung in Höhe der hinterzogenen Beträge, weil er Teilnehmer einer Straftat ist.
d) Im Streitfall sind auch keine weiteren Besonderheiten gegeben, die eine Abweichung von diesen Grundsätzen verlangen.
Eine Haftung des A ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Betriebsprüfer bei einer 1991/1992 durchgeführten Außenprüfung angeblich nicht auf die nicht ordnungsgemäße Rechnungserteilung hingewiesen habe. Nach den ausdrücklichen Feststellungen des FG hat der Prüfer das Rechnungssplitting aufgegriffen, zum Gegenstand einer Besprechung bei der KG gemacht und mehrere Kontrollmitteilungen gefertigt. Aus § 144 Abs. 2 AO 1977 folgt unmittelbar, dass Aufzeichnungen des Warenausgangs auch den Namen des Abnehmers enthalten müssen. Im Übrigen wäre auch ein Mitverschulden des FA bei einer Haftung wegen eines vorsätzlich herbeigeführten Steuerausfalls nicht in die Ermessenserwägungen einzubeziehen (, BFH/NV 1999, 902).
Nach den Feststellungen des FG bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Haftungssumme nicht den geschuldeten Steuerbeträgen entsprochen haben könnte. Für ihre Berechnung hat das FA bei der Ermittlung der Umsatzsteuerschuld des K die von der KG in Rechnung gestellte Vorsteuer abgezogen (vgl. Einspruchsentscheidung vom , S. 4).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HFR 2005 S. 293
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2006 S. 404
WAAAB-41467