BFH Beschluss v. - X B 72/04

Anforderungen an die Darlegung von RevisionszulassungsgründenS. 27

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2, 3

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist das Finanzgericht (FG) nicht von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen (unten 1.). Die Revision ist auch nicht wegen eines schwerwiegenden materiell-rechtlichen Fehlers der Vorentscheidung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen (unten 2.). Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen bleiben erfolglos, weil sie nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügen oder die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen (vgl. unten 3. bis 5.).

1. Die vom Kläger erhobene Divergenzrüge ist jedenfalls unbegründet.

Zutreffend weist der Kläger zwar darauf hin, dass nach der von ihm zitierten BFH-Rechtsprechung (vgl. , BFH/NV 1988, 12, unter 4. der Gründe) das Instanzgericht prüfen muss, ob aus einem von ihm festgestellten ungeklärten Vermögenszuwachs oder Ausgabenfehlbetrag auf entsprechend hohe Einkünfte aus Gewerbebetrieb geschlossen werden kann und eine solche Schlussfolgerung nur möglich ist, wenn das FG zu der Überzeugung gelangt, dass der Gewerbebetrieb Umsätze und Gewinne in der angenommenen Höhe abwerfen konnte.

Zu Unrecht hat der Kläger aber behauptet, dass das FG im Streitfall von diesem Rechtssatz abgewichen sei, weil es trotz mehrmaligen Hinweises seitens des Klägers seine Verpflichtung zur Prüfung der Frage verneint habe, „ob…der Betrieb des Klägers überhaupt zu dem unterstellten Umsatzplus in der Lage war”. Vielmehr ist das FG der Beantwortung dieser Frage, wie sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (S. 25, 2. Abs.) ergibt, sehr wohl nachgegangen. Dort heißt es u.a.:

„Ferner verfängt der Einwand des Klägers gegen die Geldverkehrsrechnung nicht, dass die vom Beklagten unterstellten Schwarzverkäufe mangels Stau- und Unterbringungsmöglichkeiten nicht hätten abgewickelt werden können. Warum dies nicht hätte funktionieren sollen, ist nicht ohne weitere Anhaltspunkte einsichtig. So kann z.B. mit einer durchdachten Bestellpolitik der Lagerbestand klein gehalten werden. Warenlieferungen können direkt an den Endabnehmer vom Lieferanten durchgeleitet werden. Die Höhe der durch Schwarzverkäufe erzielten Gewinne können von der Wertigkeit der Waren abhängen. Zudem kann dieser Einwand für das Jahr 1997 (Anmerkung: Streitjahr) nicht durchschlagen, weil dem Kläger —wie er selbst vorträgt— aufgrund des Umzuges von der X-Straße mit Räumen von 220 bis 240 qm in die Y-Straße mit Lagerräumen von ca. 2 000 qm ab ca. das 8-9-fache an Stau- und Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stand.”

Diesen Ausführungen ist eindeutig zu entnehmen, dass das FG die Frage der Erzielbarkeit der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) hinzugeschätzten Umsätze und Gewinne untersucht und bejaht hat.

2. a) Aus den vorstehenden Gründen erweist sich, dass der vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, die angefochtene Vorentscheidung stelle ein „Willkürurteil” dar, „da das Gericht die rechtlich gewachsenen Rechtsgrundlagen zur Prüfung eines ungeklärten Vermögenszuwachses und die tatsächlichen Gegebenheiten nicht anerkennen (wolle)”, nicht haltbar ist.

b) Ebenso jeglicher Grundlage entbehrt auch die Behauptung des Klägers, das FG habe „die Prüfung und Feststellung (unterlassen), dass die Buchführung des Klägers formell und sachlich nicht ordnungsgemäß (gewesen sei)”. Insoweit hat das FG bereits eingangs der Entscheidungsgründe seines Urteils darauf hingewiesen, dass das FA berechtigt gewesen sei, die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) zu schätzen. „Diese Schätzungsbefugnis (ergebe) sich nicht nur wegen fehlender Sachkonten, Auflistungen über Einnahmen und Ausgaben und Aufzeichnungen über die Zusammensetzung der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze und Vorsteuern, sondern auch aus dem ungeklärten Ausgabenüberschuss, den der Beklagte über die von ihm erstellte Geldverkehrsrechnung ermittelt (habe)”.

c) Die übrigen —nach Art einer Revisionsbegründung— erhobenen Einwände des Klägers gegen die materiell-rechtliche Auffassung des FG und dessen Beweiswürdigung rechtfertigen die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gleichfalls nicht. Auch insoweit mangelt es an substantiierten Darlegungen darüber, dass die Vorentscheidung an einem besonders schwerwiegenden materiell-rechtlichen Fehler leide, der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. Begründung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom , BTDrucks 14/4061, S. 9) und der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Beschluss vom IV B 85/02, BFHE, 203, 404, BStBl II 2004, 25, m.w.N.) zur Zulassung der Revision führen könnte (vgl. auch , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2004, 2222).

3. Keinen Erfolg hat auch die Rüge des Klägers, das FG habe ihm nicht in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2 FGO) bzw. seine Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) verletzt.

a) Der Kläger hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, das FG sei in seiner ersten mündlichen Verhandlung vom im Gegensatz zu seiner im angefochtenen Urteil vorgenommenen Beweiswürdigung noch davon ausgegangen, dass der Zeuge A dem Kläger ein Darlehen gewährt habe, welches am noch mit einem Betrag von 10 000 DM valutiert habe. Auf diesen Sinneswandel hätte das FG ihn (den Kläger) rechtzeitig hinweisen müssen. Wäre das FG seiner dahin gehenden Verpflichtung nachgekommen, hätte er weitere Personen (Familienmitglieder des Zeugen A) als Zeugen für die Hingabe und nur teilweise Rückzahlung des in Rede stehenden Darlehens benennen können. Diese weiteren Zeugen hätten die Hingabe des Darlehens durch A bestätigt. In der Folge wären sodann auch die weiteren vom Kläger erhaltenen Darlehen durch andere Personen (B und C) bewiesen und damit den Hinzuschätzungen des FA aufgrund der von diesem erstellten Geldverkehrsrechnungen die Grundlage entzogen worden.

b) Diese Verfahrensrügen greifen schon deswegen nicht durch, weil der Kläger nicht zu belegen vermochte, dass das FG entgegen seiner im angefochtenen Urteil vorgenommenen Beweiswürdigung ursprünglich —in der ersten mündlichen Verhandlung am — von der Gewährung des Darlehens durch den Zeugen A (in Höhe von 40 000 DM) und dessen lediglich teilweiser Rückzahlung (in Höhe von 30 000 DM) bis zum überzeugt gewesen sei. Das FA hat die dahin gehende Behauptung des Klägers als „schlicht rätselhaft” bezeichnet. Eine solche Äußerung des Gerichts habe es nie gegeben (vgl. S. 2 der Beschwerdeerwiderungsschrift des FA vom , unter 2., 1. Abs.). Der Kläger hat keinen Beleg aus den Akten (des FG) benennen können, aus dem sich eine entsprechende Äußerung des FG ergeben soll. Das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem enthält darüber keine Angaben. Abgesehen davon hat der Kläger auch nicht schlüssig darlegen können, wieso es die Entscheidung des FG —auf der Grundlage der von ihm vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung— beeinflusst hätte, wenn erwiesen worden wäre, dass der Kläger am ein noch mit 10 000 DM valutierendes Darlehen vom Zeugen A empfangen hatte. Das FA hatte für das Streitjahr 1997 aufgrund seiner berichtigten und vom FG gebilligten Geldverkehrsrechnung einen Ausgabenüberschuss von 241 201 DM ermittelt. Den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen liegt indessen noch der ursprünglich von den Betriebsprüfern für das Streitjahr 1997 ermittelte Ausgabenüberschuss von lediglich 213 259 DM zugrunde. Das FG hat die nach seiner Auffassung gebotene Erhöhung der vom FA in den angefochtenen Bescheiden vorgenommenen Hinzuschätzungen aufgrund der vom FG als zutreffend erachteten berichtigten Geldverkehrsrechnung (241 201 DM - 213 259 DM = 27 942 DM) nur deswegen unterlassen, weil dem das Verbot der nachteiligen Abänderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen im FG-Verfahren entgegenstand (vgl. FG-Urteil, S. 26, 1. Abs.). Das spricht dafür, dass das FG die Klage auf der Basis seiner materiell-rechtlichen Auffassung auch dann abgewiesen hätte, wenn sich der in der berichtigten Geldverkehrsrechnung ermittelte Ausgabenüberschuss um einen erwiesenen Darlehensbetrag in Höhe von 10 000 DM vermindert hätte.

Im Übrigen weist das FA in seiner Beschwerdeerwiderungsschrift vom , S. 3, 2. Abs.) zu Recht darauf hin, dass der vom Kläger gezogene Schluss, im Falle des Nachweises der Darlehenshingabe durch den Zeugen A hätten sich auch die weiteren Darlehenshingaben des Zeugen B in Höhe von 50 000 DM und der Gesellschafter der Fa. D in Höhe von 270 000 DM erwiesen, schon im Hinblick darauf nicht nachvollziehbar sei, weil es sich hierbei um unterschiedliche Vorgänge und Darlehen handele.

4. Soweit der Kläger beanstandet hat, das FG habe gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung (vgl. § 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, indem es keine Ermittlungen hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Vielzahl von empfangenen „Kleindarlehen” (unter 10 000 DM) durchgeführt habe, entspricht seine Rüge nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

a) Wird mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend gemacht, das FG habe Beweisanträge übergangen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. hierzu die Nachweise bei Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 69) u.a. substantiierte Angaben zu folgenden Punkten erforderlich:

  • die angebotenen Beweismittel;

  • genaue Bezeichnung des Sitzungsprotokolls oder des Schriftsatzes, in dem die Beweismittel benannt und die Beweisanträge gestellt wurden;

  • was das voraussichtliche Ergebnis der (unterlassenen) Beweisaufnahme gewesen wäre und

  • dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder —falls dies nicht geschehen sein sollte— weshalb die Rüge dem (fachkundig vertretenen) Beschwerdeführer nicht möglich war.

Daran fehlt es im Streitfall. Der Kläger hat hierzu nicht einmal dargelegt, wann und bei welcher Gelegenheit (Angabe des entsprechenden Schriftsatzes oder Sitzungsprotokolls) er substantiierte Angaben darüber gemacht habe,

  • welche „Kleindarlehen” in welcher Höhe und von welchen Personen er wann empfangen habe und

  • wer die Hingabe dieser Kleindarlehen bezeugen bzw. in welcher anderen Form der Empfang dieser Kleindarlehen bewiesen werden könne.

Davon abgesehen hat der Kläger —der bereits im FG-Verfahren durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten war— auch nicht dargetan, dass er das Übergehen seiner (angeblichen) Beweisanträge in der (nächsten) mündlichen Verhandlung gerügt habe bzw. aus welchen Gründen er an einer solchen Rüge gehindert gewesen sei.

b) Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG habe den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70) substantiierte Angaben des Beschwerdeführers u.a. darüber zu machen

  • welche Tatsachen das FA auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären oder welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen;

  • welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und

  • inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.

Auch diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung schon deswegen nicht gerecht, weil der Kläger auch dort keine substantiierten Angaben über Anzahl, Höhe und Gläubiger der einzelnen „Kleindarlehen” sowie über die Beweismittel (z.B. Urkunden, Zeugen), mithilfe derer die Hingabe und Valutierung dieser „Kleindarlehen” hätten belegt werden können, gemacht hat.

5. Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die weitere Sachaufklärungsrüge des Klägers, dass das FG trotz entsprechender Hinweise in den klägerischen Schriftsätzen vom 7. Januar, 4. Februar und keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob die vom FA geschätzten Umsätze „aufgrund des betrieblichen Zuschnitts und der Waren” überhaupt erzielbar gewesen seien.

Wie schon unter 1. dargelegt, hat sich das FG auf S. 25 (2. Abs.) seines Urteils sehr wohl mit dieser Frage auseinander gesetzt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom FA veranschlagten Umsätze und Gewinne im Bereich des Möglichen lagen.

Fundstelle(n):
SAAAB-41464