BFH Beschluss v. - VII B 69/04

Übernahme strafgerichtlicher Feststellungen durch FG; schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrags

Gesetze: FGO §§ 76, 81, 96, § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden mit Steuerbescheid des Hauptzollamts X, dessen Zuständigkeit auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt —HZA—) übergegangen ist, Einfuhrabgaben für Zigaretten festgesetzt, die der Kläger nach den Ermittlungen des Zollfahndungsamts bei verschiedenen Gelegenheiten gemeinsam mit W vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hatte. Wegen dieser Taten wurde er mit Urteil des Amtsgerichts wegen gemeinschaftlich begangener Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; Berufung und Revision des Klägers blieben erfolglos.

Auch die gegen den Steuerbescheid erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) schloss sich den Ausführungen in den Urteilen des Amtsgerichts und Landgerichts an, wonach die durchgeführten Beweisaufnahmen die Täterschaft des Klägers ergeben hätten. Insbesondere seien die während des Strafverfahrens gemachten Angaben des W als glaubhaft anzusehen, während den Aussagen, welche die vom Kläger angeführten Entlastungszeugen im Strafverfahren gemacht hätten, kein Glauben geschenkt werden könne. Hinzu komme, dass beim Kläger anlässlich einer Durchsuchung Funkgeräte gefunden worden seien, die bei den Schmuggelfahrten benutzt worden seien.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger eine mangelnde Sachaufklärung durch das FG sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Er habe mehrere Zeugen dafür benannt, dass er zur angeblichen Tatzeit mit W zerstritten gewesen sei und mit diesem nichts mehr zu tun gehabt habe und dass er zu keinem Zeitpunkt unversteuerte Zigaretten geschmuggelt habe. Das FG habe jedoch keine Zeugen vernommen, sondern nur die Strafakten des Amts- und Landgerichts beigezogen. Damit habe das FG seine Sachaufklärungspflicht verletzt und gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen. Sämtliche gegen ihn gerichteten Beschuldigungen beruhten allein auf den frei erfundenen Angaben des W, den das FG zu Unrecht für glaubwürdig gehalten habe.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die sinngemäß gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) zum Teil nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert, jedenfalls aber nicht vorliegen.

Das FG hat den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (§ 81 Abs. 1 FGO) nicht dadurch verletzt, dass es sich auf die im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse gestützt hat. Das FG ist bei Vorgängen, die sowohl in strafrechtlicher als auch in abgabenrechtlicher Hinsicht zu ermitteln und zu würdigen sind, an die tatsächlichen Feststellungen einer vorangegangenen strafgerichtlichen Entscheidung zwar nicht gebunden. Es ist jedoch nicht gehindert, sich die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zu Eigen zu machen, wenn nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) diese Feststellungen zutreffend sind und wenn keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts erhoben werden (ständige Rechtsprechung, , BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311; vom VII R 74/84, BFH/NV 1988, 692; vom VII R 124/85, BFHE 153, 463). Zur Übernahme der vom FG für zutreffend erachteten Feststellungen und Beweiswürdigungen des Strafgerichts besteht besonders dann Anlass, wenn —wie im Streitfall— die strafgerichtliche Entscheidung bereits rechtskräftig geworden ist (Senatsurteil vom VII R 58/71, BFHE 109, 306, BStBl II 1973, 666). Das FG ist auch im Streitfall zu Recht davon ausgegangen, dass substantiierte Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts nicht vorlagen, da der Kläger seine Tatbeteiligung —wie bereits im Strafverfahren— lediglich weiterhin bestritten und die Angaben des W als unwahr bezeichnet hatte.

Nicht ausreichend dargelegt ist, dass das FG seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) durch ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen von Beweisanträgen verletzt hat. Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags gehört nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und , BFH/NV 1998, 608). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge (Senatsbeschluss vom VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597). An entsprechenden Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall; auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich kein Hinweis, dass der Kläger Beweisanträge gestellt oder das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt hat. Vielmehr hat er den Klageantrag gestellt und nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage rügelos zur Sache verhandelt.

Anders als es die Beschwerde offenbar meint, kann in Anbetracht der bereits vor dem Amts- bzw. Landgericht durchgeführten Beweisaufnahmen auch nicht angenommen werden, dass sich dem FG weitere Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung hätten aufdrängen müssen.

Soweit die Beschwerde rügt, dass das FG die Angaben des W für glaubwürdig gehalten hat, legt sie keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, weil die Grundsätze der Beweiswürdigung dem materiellen Recht zuzuordnen sind (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 82 f.). Mit den in der Beschwerdebegründung geltend gemachten Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des W wendet sich die Beschwerde gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

Zu der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör fehlt es zum einen an jeglichen Darlegungen der Beschwerde, zum anderen ist für einen solchen Verfahrensmangel auch nichts ersichtlich. Vielmehr ist dem angefochtenen Urteil zu entnehmen, dass das FG das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, ihm aber letztlich nicht gefolgt ist.

Fundstelle(n):
WAAAB-41201