Erschließungsbeiträge als Teil der Gegenleistung
Bezug:
In welchem Umfang bei einem Grundstückskauf Erschließungsbeiträge als sonstige Leistungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, richtet sich danach, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde.
1. Das Grundstück ist im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs bereits erschlossen
Sind sämtliche nach dem örtlichen Baurecht vorgeschriebenen öffentlichen Erschließungsanlagen, die ein Grundstück zu einem „erschlossenen Grundstück” machen, im Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbsvorgangs bereits vorhanden, kann Gegenstand eines solchen Vertrags nur das „erschlossene” Grundstück sein, selbst wenn nach den Vertragserklärungen das Grundstück als „unerschlossen” erworben werden soll. Es liegt nicht in der Willensmacht der Beteiligten, ein Grundstück in einem Zustand zum Gegenstand des Erwerbesvorgangs zu machen, den es nicht mehr hat und auch nicht mehr erhalten soll.
Die Erschließungsanlagen in vielen Baugebieten werden häufig nicht in einem Zuge, sondern schrittweise fertig gestellt, entsprechend dem Fortgang der Bautätigkeit im betroffenen Gebiet. Daher sind oftmals einige Grundstücke in einem Baugebiet vollständig erschlössen, während bei anderen erst ein Teil der Erschließungsanlagen fertig gestellt ist.
Für die Gemeinden ist es schwierig, den Stand der Erschließung eines einzelnen Grundstücks zu einem bestimmten Stichtag mitzuteilen. Darüber hinaus ist für die Gemeinden auch nur der Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen und nicht des einzelnen Grundstücks von Bedeutung, da erst dann der öffentlich-rechtliche Anspruch auf den Erschließungsbeitrag entstehen kann (vgl. § 133 Abs. 2 BauGB).
Folglich ist bei der Beurteilung, ob sich das Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs im erschlossenen Zustand befindet, grundsätzlich auf die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen im jeweiligen gesamten Bau- und Erschließungsgebiet abzustellen.
Eine Beitragspflicht kann sich auch aus Teilmaßnahmen der Erschließung ergeben. Nach § 133 Abs. 2 BauGB entsteht die Beitragspflicht für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind (sachliche Beitragspflicht).
Ein Grundstück, für das entsprechende Teilbeträge entstanden sind, kann nicht als „erschlossenes Grundstück” angesehen werden. Der Abschluss der Teilmaßnahmen im Rahmen einer Erschließung kann der Fertigstellung sämtlicher nach dem örtlichen Baurecht erforderlichen öffentlichen Erschließungsanlagen nicht gleichgestellt werden.
Zu den Erschließungsanlagen gehören im Wesentlichen die Verkehrs- und Grünanlagen sowie die Anlagen zur Ableitung von Abwässern und zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser. Nicht zu den Erschließungsanlagen gehören die auf den (Privat-) Grundstücken selbst notwendigen Anschlüsse, wie Zufahrtswege und Anschlüsse an die Ver- und Entsorgungseinrichtungen ( BStBl 2002 II S. 93). Die Merkmale der endgültigen Erschließung sind von der Gemeinde durch Satzung geregelt (§ 132 Nr. 4 BauGB).
Für die in § 127 Abs. 2 BauGB angegebenen Erschließungsanlagen (z.B. Sammelstraßen, Parkflächen, Grünanlagen) können nur Erschließungsbeiträge nach dem BauGB erhoben werden. Für alle anderen Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 4 BauGB (z.B. Anlagen zur Ableitung von Abwasser oder zur Versorgung mit Elektrizität, Kinderspielplätze) kann die Beitragserhebung stets nur nach Maßgabe der Kommunalabgabengesetze der Länder erfolgen.
Wird ein in diesem Sinne erschlossenes Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs, ist Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks grundsätzlich auch der auf die Erschließung entfallende Betrag, unabhängig davon, ob er im Kaufpreis enthalten ist oder neben dem Kaufpreis gesondert ausgewiesen wird.
Dies gilt nicht, wenn die Kommune eigene erschlossene Grundstücke veräußert und den Erschließungsbeitrag abgabenrechtlich geltend macht. Eine abgabenrechtliche Geltendmachung liegt vor, wenn ein entsprechender Verwaltungsakt (Beitragsbescheid) der betreffenden Gemeinde ergeht oder zwischen der Gemeinde und dem Erwerber ein öffentlich-rechtlicher (subordinationsrechtlicher) Vertrag über die Erschließungsbeiträge geschlossen wird (vgl. Münchner Kommentar zum BGB, 4. Auflage, Vor § 145, Rz. 35 bis 39 und Boruttau, GrEStG, 15. Auflage, Rz. 290 zu § 9). In diesen Fällen gehören die vom Grundstückseigentümer übernommenen Erschließungsbeiträge nicht zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage.
In einigen Bundesländern, wie z.B. Bayern und Baden Württemberg ist das dort geltende Kommunalabgabengesetz nicht so stark an das BauGB angelehnt wie in Hessen. Nach diesen Kommunalabgabengesetzen bedarf es nicht mehr einer Konkretisierung der Beitragspflicht mittels Bescheid wie bei § 134 Abs. 1 BauGB, mit der Folge, dass die Beitragspflicht in der Person des Grundstückseigentümers im Zeitpunkt der Fertigstellung der Erschließungsanlage bereits entsteht. Im Anwendungsbereich dieser Kommunalabgabengesetze kann eine Gemeinde deshalb – anders als im Anwendungsbereich des BauGB – auch ihr eigener Beitragsschuldner sein.
In diesen Fällen – auf landesrechtlicher Grundlage – gehören sodann die vom Grundstückseigentümer übernommenen Erschließungsbeiträge zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage, wenn die entsprechende Erschließungsanlage im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs bereits fertig gestellt war.
Da in Hessen eine starke Anlehnung des geltenden Kommunalabgabengesetzes an das BauGB gegeben ist, bedarf es einer Konkretisierung der Beitragspflicht mittels Bescheid nach § 134 Abs. 1 BauGB. Mithin können die Gemeinden in Hessen nicht ihr eigener Beitragsschuldner sein und die vom Grundstückseigentümer übernommenen Erschließungsbeiträge gehören nicht zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage, wenn die Gemeinde den Erschließungsbeitrag abgabenrechtlich geltend macht.
2. Das Grundstück ist im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs noch nicht erschlossen
Wird ein im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages noch nicht erschlossenes Grundstück als solches zum Gegenstand der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung gemacht, ist die vom Käufer eingegangene Verpflichtung, die zukünftige Erschließung zu bezahlen, nicht als Teil der Gegenleistung anzusehen, auch wenn sie zusammen mit der Übereignungsverpflichtung beurkundet wird. Die Einbeziehung der Erschließungskosten nach den Grundsätzen zum Erwerb eines Grundstücks im zukünftig bebauten Zustand scheidet wegen des sich aus der öffentlich-rechtlichen Erschließungslast der Gemeinde ergebenden besonderen Charakters der Grundstückserschließung regelmäßig aus ( a.a.O.). Gleiches gilt für die Erstattung der vom Verkäufer als Vorausleistung oder auf Grund einer Ablösevereinbarung bereits geleisteten Zahlung und für die Übernahme noch bestehender Verpflichtungen.
Soweit eine Gemeinde nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB vom Eigentümer eines Grundstücks Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag verlangt bzw. verlangt hat und diese Vorrausleistungslast bei der Veräußerung des Grundstücks vom Veräußerer vertraglich auf den Grundstückserwerber abgewälzt wird, ist darin keine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung zu sehen ( BStBl 1979 II S. 577 und vom , BStBl 1985 II S. 373). Entsprechendes gilt auch für die Übernahme der vom Veräußerer bereits gezahlten Vorausleistungen.
Auch können die Gemeinden nach § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB bereits vor der Entstehung der Beitragspflicht eine Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen zulassen. Mit der Ablösung wird die künftige Beitragslast vorweg und abschließend getilgt. Die Vereinbarung über die Ablösung des Erschließungsbeitrags stellt eine öffentlichrechtlichen (subordinationsrechtlichen) Vertrag dar, der eine künftige Beitragschuld für das jeweilige Grundstück selbst dann ausschließt, wenn das Grundstück später den Eigentümer wechselt.
Übernimmt der Erwerber eines Grundstücks vertraglich die noch nicht erfüllte Verpflichtung des Veräußerers aus einer Ablösungsvereinbarung mit der Gemeinde bzw. erstattet er dem Veräußerer einen von diesem darauf gezahlten Betrag, gehören diese Leistungen nicht zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Die Pflicht zur Erschließung des Grundstücks (öffentlich-rechtliche Erschließungslast) verbleibt trotz der vom Veräußerer geschlossenen Ablösungsvereinbarung bei der Gemeinde ( BStBl 2004 II S. 521).
Hat der Verkäufer die Verpflichtung übernommen, das Grundstück im erschlossenen Zustand zu verschaffen, wird das Grundstück in diesem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs; mit der Folge, dass der auf die Erschließung entfallende Teil des Kaufpreises Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks darstellt. Hat sich dagegen der Verkäufer durch eine weitere, rechtlich selbständige Vereinbarung (Werkvertrag, Geschäftbesorgungsvertrag) neben der Grundstücksübertragung auch selbst zur Durchführung der Erschließung verpflichtet, ist das Entgelt hierfür nicht als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung zu behandeln, auch wenn beide Verpflichtungen zusammen beurkundet werden. Für die rechtliche Selbständigkeit beider Verpflichtungen sprechen folgende Indizien ( BStBl 1979 II S. 577):
zwei selbständige Geldforderungen
unterschiedliche Leistungspflichten des Veräußerers
selbständige Fälligkeiten beider Forderungen
rechtliche Unabhängigkeit des Kaufvertrages von der Durchführung der Erschließung.
3. Zweckverbände
Häufig schließen sich Städte und Gemeinden zwecks Erschließung und Planung von Bauvorhaben zu Zweckverbänden zusammen. Ein Zweckverband ist – ebenso wie die an ihm beteiligten Kommunen – eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nach dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (§ 8 Abs. 1 KGG) gehen das Recht und die Pflicht der an einem Zweckverband beteiligten Kommunen zur Erfüllung der Aufgaben, die dem Zweckverband obliegen, auf ihn über. Der Zweckverband tritt in vollem Umfang in die Rechtstellung der einzelnen an ihm beteiligten Kommunen ein. Damit ist ein zur Erschließung eines Baugebiets gebildeter Zweckverband berechtigt, sowohl Erschließungsbeiträge nach dem BauGB als auch Beiträge auf landesrechtlicher Grundlage (KAG) zu erheben.
Die zu gemeindeeigenen Grundstücken geltenden Grundsätze gelten dementsprechend auch dann, wenn sich Kommunen zwecks Erschließung zu Zweckverbänden zusammenschließen. Ein Zweckverband ist daher grunderwerbsteuerlich den jeweils an ihm beteiligten Gemeinden gleichzustellen.
4. Schaubilder:
Dieser Erlass ist auf alle offenen Fälle anzuwenden und tritt an die Stelle des Bezugserlasses.
Hessische Minister der Fin v. - S 4521 A - 11 - II 51
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BAAAB-36543