OFD Karlsruhe - S 7198

Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung bei Grundstücksvermietungen nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG

Beim Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung bei Grundstücksvermietungen sind folgende Grundsätze zu berücksichtigen:

1. Vermietung an einen Unternehmer

Die Vermietung von Grundstücken ist nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Der Vermieter kann aber nach § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung verzichten, wenn der Mieter ein Unternehmer ist und die Vermietung für dessen Unternehmen erfolgt. Von der Steuerbefreiung ist die Vermietung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), ausgenommen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG).

Bei der Überlassung von Sportanlagen liegt grundsätzlich eine einheitliche steuerpflichtige Leistung vor (vgl. BStBl 2003 I S. 279).

2. Nutzung zu unternehmerischen und nichtunternehmerischen Zwecken

Wird das Grundstück oder der Grundstücksteil vom Mieter nicht nur für unternehmerische, sondern auch für nicht unternehmerische Zwecke genutzt, so liegt ein optionsfähiger Umsatz nur insoweit vor, als die Vermietungsleistung für den unternehmerischen Bereich des Mieters bestimmt ist. Dies gilt auch dann, wenn für die unternehmerische und die nicht unternehmerische Nutzung ein einheitliches Entgelt vereinbart ist (vgl. BStBl 1988 II S. 915).

Die Aufteilung der Leistung in einen nicht optionsfähigen steuerfreien Teil und in einen Teil, bei dem ein Verzicht auf die Steuerfreiheit möglich ist, kann auf der Grundlage der jeweils zu unterschiedlichen Zwecken überlassenen Räume im Wege einer sachgerechten Schätzung erfolgen (z.B. anhand des Nutzflächenverhältnisses).

Beispiel 1:

Ein Vermieter überlässt einem Rechtsanwalt eine zum Teil für Praxis- und zum Teil für Wohnzwecke genutzte Wohnung und erhält aufgrund des Mietvertrages ein Pauschalentgelt. Der auf den für die Rechtsanwaltspraxis genutzten Raum entfallende Entgeltsanteil ist nicht getrennt ausgewiesen.

Eine Option nach § 9 Abs. 1 UStG kann nur für den Raum, der für die Rechtsanwaltspraxis genutzt wird, erfolgen. Der hierauf entfallende Mietanteil ist grundsätzlich nach dem Nutzflächenverhältnis zu schätzen.

Außer der räumlichen Trennung kann auch eine Aufteilung entsprechend der zeitlich aufeinanderfolgenden Nutzung zu unternehmerischen und nichtunternehmerischen Zwecken des Mieters (z.B. für den unternehmerischen und ideellen Bereich eines Vereins) durchzuführen sein. Dabei ist unerheblich, ob ein Jahres- oder Monatsmietvertrag abgeschlossen ist oder stundenweise vermietet wird.

Beispiel 2:

Eine Gemeinde vermietet einen Gemeinschaftsraum an einen Verein gegen ein Jahrespauschalentgelt von 1.000 € jeweils montags von 18.00 bis 21.00 Uhr. Der Verein nutzt den Raum von 18.00 bis 19.00 Uhr nichtunternehmerisch, und von 19.00 bis 21.00 Uhr unternehmerisch. Eine gleichzeitige unternehmerische und nichtunternehmerische Nutzung liegt nicht vor, sodass eine Gesamtoption nicht in Betracht kommt.

Da der Raum zeitanteilig wöchentlich 1 Stunde im ideellen Vereinsbereich und 2 Stunden im unternehmerischen Bereich des Vereins genutzt wird, ist ein Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG in Höhe von ⅔ der Gesamtvermietungsleistung zulässig.

Für die Aufteilung sind die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse maßgebend; der auf die steuerpflichtige Überlassung der Betriebsvorrichtungen entfallende Entgeltsanteil bleibt außer Betracht.

Bei einer weder räumlich noch zeitlich teilbaren Vermietungsleistung ist davon auszugehen, dass sie entweder insgesamt für den unternehmerischen Bereich oder insgesamt für den nichtunternehmerischen Bereich des Mieters ausgeführt wird. Bei einer unternehmerischen Nutzung von mindestens 10 v. H. kann der Mieter die Leistung insgesamt dem unternehmerischen Bereich zuordnen. Wird die Vermietungsleistung vom Mieter zulässigerweise insgesamt dem unternehmerischen Bereich zugeordnet, kann der Vermieter nach § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung für die gesamte Vermietungsleistung verzichten. Der ggf. im Wege einer sachgerechten Schätzung zu ermittelnde nichtunternehmerisch genutzte Teil der bezogenen Vermietungsleistung stellt bei dem Mieter eine steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG dar ( BStBl 2004 I S. 469).

3. Einschränkung der Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 2 UStG

Nach § 9 Abs. 2 UStG ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung u.a. bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) nur noch zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Zur Anwendung vgl. § 27 Abs. 2 UStG.

Nach den Regelungen in Abschn. 148a Abs. 1 UStR zur Einschränkung der Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 2 UStG ist bei räumlich oder zeitlich unterschiedlicher Nutzung von Grundstücksteilen die Frage der Option für jeden Grundstücksteil gesondert zu beurteilen. Nach Abschn. 148a Abs. 3 Beispiel 1 und 2 UStR gilt dies jedoch nicht bei zeitlich unterschiedlicher Nutzung durch den selben Mieter (vgl. nachfolgende Beispiele 4, 6 und 7). Wird dagegen ein Grundstück oder ein Grundstücksteil von verschiedenen Mietern unterschiedlich genutzt, kann eine zeitliche Aufteilung nach Maßgabe des jeweiligen Umsatzes an den einzelnen Mieter in Betracht kommen (Beispiele 8 und 10).

Für die Frage der Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 UStG gilt die räumliche und zeitliche Aufteilungsmöglichkeit weiterhin uneingeschränkt (vgl. 2. sowie Beispiele 3, 5 und 7).

Beispiel 3:

Ein Unternehmer hat das Erdgeschoss eines Gebäudes seit Jahren steuerpflichtig an eine Gemeinde vermietet. Die Gemeinde nutzt die Räume unternehmerisch im Rahmen eines steuerpflichtigen Betriebs gewerblicher Art. Ab 1. Juli eines Jahres werden die Räume für hoheitliche Zwecke der Gemeindeverwaltung genutzt.

Die Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 UStG ist entsprechend der zeitlich unterschiedlichen Verwendung der Mieträume für die Zeit bis 30. Juni und für die Zeit ab 1. Juli gesondert zu beurteilen. Danach kann der Unternehmer für das 1. Halbjahr gem. § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung verzichten, da die Räume an einen Unternehmer für unternehmerische Zwecke vermietet werden. Im 2. Halbjahr ist eine Option nach § 9 Abs. 1 UStG ausgeschlossen, da die Vermietung nicht (mehr) für unternehmerische Zwecke des Mieters erfolgt.

Beispiel 4:

Sachverhalt wie Beispiel 3 mit dem Unterschied, dass die Gemeinde den Grundstücksteil ab 1. Juli eines Jahres nicht für hoheitliche (nichtunternehmerische), sondern für steuerfreie unternehmerische Zwecke im Rahmen eines Museums nutzt.

Für die Frage des Optionsausschlusses ist in diesem Fall nur § 9 Abs. 2 UStG maßgebend, da die Verwendung des Grundstücksteils durch den Mieter in vollem Umfang für seinen unternehmerischen Bereich erfolgt. Bei zeitlich unterschiedlicher Nutzung für steuerpflichtige und steuerfreie Zwecke durch den selben Mieter kommt eine gesonderte Beurteilung nicht in Betracht. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung ist daher ab 1. Januar des Jahres der Nutzungsänderung durch die Gemeinde nicht mehr möglich, da der Grundstücksteil vom Leistungsempfänger zu 50 % für steuerfreie Museumsumsätze verwendet wird, die den Vorsteuerabzug ausschließen (Bagatellgrenze von 5 % ist überschritten).

Beispiel 5:

Ein Unternehmer vermietet einen Raum ausschließlich an einen Verein, der diesen 4 Stunden täglich nutzt. Der Verein verwendet den Raum täglich 3 Stunden für steuerpflichtige Vereinszwecke und 1 Stunde für den nichtunternehmerischen ideellen Bereich.

Die Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 UStG ist wie in Beispiel 3 entsprechend der zeitlich unterschiedlichen Verwendung gesondert zu beurteilen. Danach kann der Unternehmer gem. § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung zu 75 % verzichten, da der Raum insoweit an einen Unternehmer für unternehmerische Zwecke vermietet wird. Hinsichtlich von 25 % ist eine Option nach § 9 Abs. 1 UStG ausgeschlossen, da insoweit an den nichtunternehmerischen Bereich vermietet wird.

Beispiel 6:

Sachverhalt wie. Beispiel 5 mit dem Unterschied, dass der Verein den Raum 3 Stunden täglich für steuerpflichtige und 1 Stunde für steuerfreie Vereinszwecke nutzt.

Der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 2 UStG ist wie in Beispiel 4 nicht möglich, da der vermietete Grundstücksteil vom Leistungsempfänger zu 25 % für steuerfreie Umsätze verwendet wird, die den Vorsteuerabzug ausschließen (Bagatellgrenze von 5 % ist überschritten).

Beispiel 7:

Sachverhalt wie Beispiel 5 mit dem Unterschied, dass der Verein den Raum an 360 Tagen im Jahr 3 Stunden täglich für steuerpflichtige Vereinszwecke, 1 Stunde täglich für den nichtunternehmerischen ideellen Bereich und an 5 Tagen im Jahr 4 Stunden täglich ausschließlich für steuerfreie Zwecke nutzt.

Die zeitlich unterschiedliche Nutzung für unternehmerische und nichtunternehmerische Zwecke ist für die Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 UStG gesondert zu beurteilen (vgl. Beispiel 3). Für nichtunternehmerische Zwecke wird der Raum an 360 Tagen zu 25 % verwendet. Bezogen auf das Kalenderjahr (365 Tage) entspricht dies einer nichtunternehmerischen Verwendung von 24,66 % Insoweit ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG nicht möglich. Für unternehmerische Zwecke wird der Raum an 360 Tagen zu 75 % verwendet. Bezogen auf das Kalenderjahr (365 Tage) beträgt die unternehmerische Verwendung somit 73,97 % Hinzu kommt für 5 Tage eine unternehmerische Nutzung zu 100 % Bezogen auf das Kalenderjahr ergibt dies 1,37 % Die unternehmerische Verwendung beträgt demnach insgesamt 75,34 %.

Da der Verein den Raum im unternehmerischen Bereich nicht ausschließlich für Zwecke verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, wäre eine Option von Gesetzes wegen nicht möglich. Da jedoch die Bagatellgrenze von 5 % (vgl. Abschn. 148a Abs. 3 UStR) im Beispielsfall nicht überschritten wird, ist die Option hinsichtlich von 75,34 % möglich. Bei Berechnung der Bagatellgrenze ist nur auf die unternehmerische Verwendung (Verhältnis der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Umsätzen) abzustellen.

Beispiel 8:

Ein Unternehmer hat das Erdgeschoss eines Gebäudes seit Jahren steuerpflichtig an einen Rechtsanwalt vermietet. Zum 1. Juli eines Jahres wechselt der Mieter. Der neue Mieter ist ein Arzt, der die Räume für seine steuerfreien Praxiszwecke nutzt.

Für die Frage des Optionsausschlusses ist in diesem Fall nur § 9 Abs. 2 UStG maßgebend, da die Verwendung des Grundstücksteils durch die Mieter in vollem Umfang für deren unternehmerische Bereiche erfolgt. Bei zeitlich unterschiedlicher Nutzung für steuerpflichtige und steuerfreie Zwecke durch verschiedene Mieter ist die Frage der Optionsmöglichkeit für jeden Vermietungsumsatz gesondert zu beurteilen. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung hinsichtlich der Vermietungsumsätze an den Rechtsanwalt ist deshalb für das 1. Halbjahr weiterhin zulässig. Für die Vermietungsumsätze ab 1. Juli des Jahres an den Arzt ist hingegen eine Option gem. § 9 Abs. 2 UStG nicht zulässig, da der Leistungsempfänger den Grundstücksteil zu 100 % für steuerfreie Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen.

Beispiel 9:

Sachverhalt wie Beispiel 8 mit dem Unterschied, dass der Unternehmer das Erdgeschoss an einen Zwischenmieter vermietet, der seinerseits an den Rechtsanwalt und den Arzt weitervermietet.

Für die Frage des Optionsausschlusses beim Zwischenmieter ist in diesem Fall nur § 9 Abs. 2 UStG maßgebend, da die Verwendung des Grundstücksteils durch die Mieter in vollem Umfang für deren unternehmerische Bereiche erfolgt. Bei zeitlich unterschiedlicher Nutzung für steuerpflichtige und steuerfreie Zwecke durch verschiedene Mieter ist die Frage der Optionsmöglichkeit für jeden Vermietungsumsatz gesondert zu beurteilen. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung hinsichtlich der Vermietungsumsätze an den Rechtsanwalt ist deshalb für das 1. Halbjahr weiterhin zulässig. Für die Vermietungsumsätze ab 1. Juli des Jahres an den Arzt ist hingegen eine Option gem. § 9 Abs. 2 UStG nicht zulässig, da der Leistungsempfänger den Grundstücksteil zu 100 % für steuerfreie Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen.

Für die Frage des Optionsausschlusses beim Erstvermieter ist ebenfalls nur § 9 Abs. 2 UStG maßgebend, da der Zwischenmieter den Grundstücksteil in vollem Umfang unternehmerisch nutzt. Bei zeitlich unterschiedlicher Nutzung für vorsteuerunschädliche und vorsteuerschädliche Zwecke durch den selben Mieter kommt jedoch eine gesonderte Beurteilung nicht in Betracht. Bezogen auf den Besteuerungszeitraum verwendet der Zwischenmieter den Grundstücksteil zu 50 % für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Der Unternehmer (Erstvermieter) kann daher auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze an den Zwischenmieter nach § 9 Abs. 2 UStG nicht verzichten (Bagatellgrenze von 5 % ist überschritten).

Beispiel 10:

Ein Unternehmer überlässt eine Mehrzweckhalle je nach Anforderung zeitlich abgegrenzt an die unterschiedlichsten Mieter. Bei den Mietern handelt es sich um Unternehmer mit steuerpflichtigen Umsätzen, Unternehmer mit steuerfreien Umsätzen und um Nichtunternehmer.

Die Überlassung der Mehrzweckhalle ist nach dem BStBl 2003 I S. 279 Tz. 18 in eine grundsätzlich steuerfreie Grundstücksüberlassung und eine steuerpflichtige Überlassung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen. Für die Grundstücksüberlassung kommt eine Option zur Steuerpflicht in Frage. Dabei ist für die Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 und ihrer Einschränkung nach § 9 Abs. 2 UStG jeder Vermietungsumsatz gesondert zu beurteilen. Verwendet der jeweilige Mieter z.B. die Halle für nichtunternehmerische Zwecke, ist für diesen Vermietungsumsatz ein Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG nicht möglich. Bei einer Verwendung für steuerpflichtige Zwecke durch den Mieter kann der Vermieter für diesen Vermietungsumsatz optieren. Dies ist hingegen nach § 9 Abs. 2 UStG nicht möglich, wenn der Mieter die Halle für steuerfreie Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, verwendet.

Inhaltlich gleichlautend
OFD Karlsruhe v. - S 7198
OFD Stuttgart v. - S 7198

Fundstelle(n):
IAAAB-27447