Keine Sonderabschreibungen auf Anzahlungen nach dem FördG bei Weiterveräußerung einer Eigentumswohnung unmittelbar nach deren Abnahme
Gesetze: FördG § 4
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erwarb im Jahr 1993 für 366 000 DM von der T-GmbH eine noch zu errichtende Eigentumswohnung und einen Tiefgaragenstellplatz in H. Er beabsichtigte zunächst, die Eigentumswohnung zu vermieten. Auf den Kaufpreis leistete der Kläger in den Jahren 1993 bis 1996 (Streitjahre) Anzahlungen in Höhe von insgesamt 355 402,24 DM. Da die Wohnung zum zugesagten Termin nicht bezugsfertig wurde, schuldete die T-GmbH dem Kläger vereinbarungsgemäß die ihm entgehende ortsübliche Miete als Schadensersatz. Mit diesem Schadensersatzanspruch rechnete der Kläger gegenüber den verbleibenden Kaufpreisraten der T-GmbH auf.
Aufgrund einer Ehekrise im Jahr 1996 entschloss sich der Kläger, die Wohnung in H zu verkaufen und in X ein anderes Vermietungsobjekt zu erwerben. Er verkaufte deshalb die Eigentumswohnung in H für 366 000 DM an Herrn W. Wie im Kaufvertrag vom vereinbart, übergab der Kläger die Eigentumswohnung nach der Abnahme von der T-GmbH am unvermietet an W.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gewährte in den Streitjahren zunächst erklärungsgemäß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Wohnung in H Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 2 des Fördergebietsgesetzes in der für die Jahre 1993 bis 1995 maßgebenden Fassung (FördG a.F.) und § 4 Abs. 1 Satz 5 FördG des Fördergebietsgesetzes in der seit 1996 maßgebenden Fassung (FördG) in Höhe von 50 v.H. der geleisteten Anzahlungen. Es setzte jedoch hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Einkommensteuer gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufig fest, weil die Einkünfteerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden könne. Nachdem das FA erfahren hatte, dass der Kläger die Wohnung in H wieder verkauft hatte, änderte es die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre und ließ die Sonderabschreibungen auf die Anzahlungen nicht mehr zum Abzug zu.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Abs. 1 Satz 5 FördG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977). Der Kläger habe im Wege des Durchgangserwerbs für eine logische Sekunde die tatsächliche Sachherrschaft über das Investitionsobjekt erlangt, weil er es selbst abgenommen habe. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums an der Wohnung in H ausreichend. Daneben verlange § 4 Abs. 1 Satz 5 FördG nicht, dass der Steuerpflichtige das Investitionsobjekt zur Erzielung von Einkünften einzusetzen habe. Außerdem müsse der Tatsache Bedeutung beigemessen werden, dass der Kläger von der T-GmbH eine Mietausfallentschädigung erhalten habe. Dies habe das FG falsch ermittelt, so dass die Revision hilfsweise auf mangelnde Aufklärung des Sachverhalts gestützt werde. Der Kläger habe die Mietausfallentschädigung in der Einkommensteuererklärung von den Anzahlungen abgezogen. Möglicherweise sei der Kläger insoweit vom FA falsch veranlagt worden; es wäre jedoch Sache des FA gewesen, die Entschädigung als Einnahme anzusetzen. Soweit das FG betont habe, die Einkünfteerzielungsabsicht sei weggefallen, sei auch dies unzutreffend; denn der Kläger habe den Verkaufserlös in ein anderes Vermietungsobjekt investiert. Seine Einkünfteerzielungsabsicht bestehe daher fort.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG sowie die Einkommensteuerbescheide für 1993 vom und für 1994, 1995 und 1996 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben, die Einkommensteuer gemäß den ursprünglichen Bescheiden vom (für 1993) und vom (für 1994 bis 1996) festzusetzen und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA am die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 und 1995 auf Grund der Überprüfung der Steuerfreistellung des Existenzminimums von Kindern (§ 53 des Einkommensteuergesetzes —EStG—) erneut geändert. Die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs sind hiervon nicht berührt worden.
II. Die Revision ist hinsichtlich der Streitjahre 1993 und 1996 unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger in den Streitjahren keine Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 2 FördG a.F., § 4 Abs. 1 Satz 5 FördG zustehen, weil er das Gebäude nicht zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt, sondern unmittelbar nach Anschaffung weiterveräußert hat; deshalb durfte das FA die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre ändern. Hinsichtlich der Streitjahre 1994 und 1995 ist die Vorentscheidung zwar aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, aber die Klage aus den genannten Gründen abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen teilweise aufzuheben. Das FG hat über die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 und 1995 vom entschieden. Während des Revisionsverfahrens sind am geänderte Einkommensteuerbescheide für diese Streitjahre ergangen. Damit liegen dem FG-Urteil insoweit nicht mehr wirksame Bescheide zugrunde, mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10; vom IX R 55/03, BFH/NV 2004, 656); jedoch wirken die tatsächlichen Feststellungen des FG bis zur Beendigung des Prozesses fort und bleiben bestehen (vgl. , BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43; vom II R 57/96, BFHE 189, 537, BStBl II 1999, 789).
Die Einkommensteuerbescheide vom wurden nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens. Zwar haben die Kläger ihren Klageantrag nicht dahin gehend geändert, dass sich ihr Klagebegehren nunmehr gegen die Einkommensteuerbescheide vom richtet. Dies ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn —wie vorliegend— die neuen Bescheide keinen Einfluss auf die Streitpunkte des Verfahrens haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43; a.A. Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 68 Rz. 20, 48). Es würde dem Zweck des § 68 FGO, dem Interesse der Beteiligten an einem einfachen Verfahren gerecht zu werden (BTDrucks 14/4061, S. 8), zuwiderlaufen, wenn trotz der kraft Gesetzes eintretenden Auswechslung des Verfahrensgegenstands ein zusätzliches Antragserfordernis aufgestellt und damit die durch die Neuregelung des § 68 FGO eingetretene Vereinfachung weitgehend wieder aufgehoben würde.
2. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FördG können Steuerpflichtige für begünstigte Investitionen i.S. der §§ 2 und 3 FördG, die im Fördergebiet durchgeführt werden, Sonderabschreibungen nach § 4 FördG vornehmen. Hierzu zählen auch Sonderabschreibungen für Anzahlungen auf Anschaffungskosten (§ 4 Abs. 2 FördG a.F., § 4 Abs. 1 Satz 5 FördG). Hierdurch soll es Investoren ermöglicht werden, Sonderabschreibungen nach dem FördG vor Abschluss der Investitionen in Anspruch zu nehmen (BTDrucks 12/219, S. 40).
a) § 4 FördG ist kein selbständiger Begünstigungstatbestand; er regelt lediglich die Bemessungsgrundlage für Sonderabschreibungen, setzt also die Erfüllung der Tatbestände der §§ 1 bis 3 FördG und damit zugleich voraus, dass das betreffende Wirtschaftsgut angeschafft wird (, BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758, unter II. 1. b; vom IX R 33/03, BFH/NV 2004, 582, unter II. 1.).
b) Darüber hinaus muss der Steuerpflichtige das angeschaffte Wirtschaftsgut zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb des Förderzeitraums zur Einkünfteerzielung einsetzen (, BFHE 189, 433, BStBl II 2000, 478, unter 1. b); denn der Steuerpflichtige kann die von ihm getragenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bebauten Grundstücks im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) —verteilt auf die Nutzungsdauer— als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen, wenn er dieses Grundstück zur Erzielung von Vermietungseinkünften nutzt (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281, unter C. III.; , BFH/NV 1996, 22, unter 2., und vom IX R 60/94, BFH/NV 1996, 600).
Diese Auslegung entspricht dem Begünstigungszweck der Vorschriften, der Maßstab der teleologischen Auslegung ist (vgl. , BFH/NV 1998, 155; vom IV R 49/99, BFHE 195, 257, BStBl II 2001, 437). Der Gesetzgeber wollte angesichts des desolaten Wohnungsbestandes nach Ende der sozialistischen Planwirtschaft durch § 3 FördG u.a. für Neubauten von Mietwohnungen Sonderabschreibungen zulassen, die neben der linearen Abschreibung abziehbar sind (BTDrucks 12/562, S. 61 unter i. 1., S. 72). Für nicht der Einkünfteerzielung dienende, selbstgenutzte unbewegliche Wirtschaftsgüter hat er hingegen in § 7 FördG einen selbständigen Begünstigungstatbestand geschaffen; danach sind Aufwendungen für Herstellungs- oder Erhaltungsarbeiten an zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden im Beitrittsgebiet nur in begrenztem Umfang wie Sonderausgaben abzugsfähig (BTDrucks 12/562, S. 62, 72).
3. Nach diesen Grundsätzen darf der Kläger keine Sonderabschreibungen auf Anzahlungen nach § 4 Abs. 2 FördG a.F. oder § 4 Abs. 1 Satz 5 FördG vornehmen.
a) Zwar wurde die Eigentumswohnung am an den Kläger geliefert und damit —entgegen der Auffassung des FG— von ihm auch zu diesem Zeitpunkt angeschafft (§ 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung —EStDV—). Wenn Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergehen (vgl. , BFHE 107, 418, BStBl II 1973, 209, unter 1.; vom IX R 147/83, BFH/NV 1987, 428, unter I.), kann hierfür auch der Zeitraum einer sog. „logischen Sekunde” ausreichend sein (vgl. u.a. , BFHE 178, 160, BStBl II 1995, 722, zu § 17 EStG; vom VIII R 62/93, BFHE 194, 130, BStBl II 2001, 234, unter 3. zur verdeckten Einlage).
b) Dem Kläger stehen jedoch keine Sonderabschreibungen auf Anzahlungen nach § 4 FördG zu, weil er die Eigentumswohnung in H niemals zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt hat. Zum Zeitpunkt der Anschaffung, als der Kläger das Wirtschaftsgut erstmals i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG hätte nutzen können, stand fest, dass er es nicht nutzen und auch nicht zum Vermieten bereithalten würde.
c) Anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass dem Kläger in den Streitjahren Schadensersatz wegen verspäteter Übergabe der Eigentumswohnung dadurch zugeflossen ist, dass er gegenüber den fälligen Kaufpreisraten der T-GmbH mit dem ihm zustehenden Schadensersatzanspruch aufgerechnet hat. Unabhängig davon, ob es sich bei dem Schadensersatz um Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (vgl. dazu , BFHE 102, 275, BStBl II 1971, 624, unter 2.; vom IX R 32/90, BFH/NV 1994, 308; vom IX R 36/86, BFH/NV 1993, 472, unter 2.; Blümich/Ehmcke, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 6 EStG Rz. 322; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 21 Rz. 65 „Vertragsstrafe"; Birk in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 8 EStG Anm. 180 „Vertragsstrafe”) oder nach § 255 Abs. 1 Satz 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB) um eine Minderung der Anschaffungskosten (vgl. dazu , BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796, unter II. 1.; vom IX R 72/88, BFH/NV 1994, 163) handelt, war der Kläger auch diesbezüglich nicht zur Vornahme von AfA berechtigt; denn er hat die Wohnung zur Erzielung dieser „Einkünfte” nicht genutzt.
4. Auch die hilfsweise erhobene Rüge mangelnder Aufklärung des Sachverhalts kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen; sie genügt nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO. Werden Verfahrensmängel gerügt, so sind danach die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) mit der Begründung gerügt, das FG hätte —auch ohne entsprechenden Beweisantrag— von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH genaue Angaben und schlüssige Ausführungen zu den angeblich aufklärungsbedürftigen Punkten erforderlich (vgl. BFH-Beschlüsse vom VII R 49/03, BFH/NV 2004, 521; vom IX R 9/98, juris-Dokument Nr. STRE200150677, jeweils m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70). Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht. Im Übrigen wäre der gerügte Aufklärungsmangel nicht entscheidungserheblich.
5. Der Antrag der Kläger, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; dafür ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig (, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56; , BFH/NV 2002, 768).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1408
BFH/NV 2004 S. 1408 Nr. 10
MAAAB-25681