Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Bewilligung von PKH; keine Hinweispflicht bei kurz vor der mündlichen Verhandlung gestelltem unvollständigen Antrag auf PKH
Gesetze: FGO §§ 56, 142, 115, 116, 96
Instanzenzug:
Gründe
Der Beklagte hob mit Bescheid vom die Kindergeldfestsetzung zugunsten der Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) für deren Tochter A rückwirkend ab August 1997 auf und forderte von der Antragstellerin das für die Zeit von August 1997 bis Januar 1998 gezahlte Kindergeld zurück. Zur Begründung führte er an, die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch hätten nicht vorgelegen, weil die Tochter in der fraglichen Zeit in Polen gelebt habe und dort zur Schule gegangen sei, so dass ein Kindergeldanspruch gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht bestanden habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Antragstellerin die ersatzlose Aufhebung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides sowie hilfsweise die Zahlung von 671,91 € nebst 6 v.H. Zinsen seit dem begehrt hat, ab. Es begründete dies damit, dass aufgrund einer Bescheinigung des Vizekonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Oppeln vom in Verbindung mit einer Mitteilung der Stadt X in Deutschland, dass die Antragstellerin verpflichtet sei, die Bundesrepublik zu verlassen, zu seiner Überzeugung feststehe, dass die Antragstellerin gemeinsam mit ihrer Tochter nach Polen ausgereist sei und damit ihr Anspruch auf Kindergeld geendet habe. Es sei weder hinreichend dargelegt noch ersichtlich, dass die Antragstellerin in der Folgezeit vor Juli 1998 mit ihrer Tochter wieder in die Bundesrepublik eingereist sei und die Tochter in der fraglichen Zeit hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz gehabt habe (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG). Der Hilfsantrag habe keinen Erfolg, da für einen Zahlungs- oder einen Zinsanspruch jede Rechtsgrundlage fehle; ein entsprechender Anspruch ergebe sich weder aus dem Gesetz noch aus einem Bescheid (Verwaltungsakt).
Die Antragstellerin beantragt, ihr für die beabsichtigte Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihr einen geeigneten Prozessbevollmächtigten beizuordnen. Sie macht geltend, das FG habe verschiedene Verfahrensfehler begangen. Denn die im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils wiedergegebenen Umstände, auf die das FG seine Überzeugung gestützt habe, seien ihr nicht zuvor „prozeßordnungsgemäß” mitgeteilt worden. Ein weiterer Verfahrensmangel liege darin, dass das FG auf ihren Hilfsantrag nicht ausreichend eingegangen sei, weil es nicht verständlich erläutert habe, weshalb die hilfsweise geforderte Rückzahlung nicht begründet sei. Ggf. liege ein dritter Verfahrensfehler darin, dass das FG den während des finanzgerichtlichen Verfahrens gestellten PKH-Antrag nicht beachtet und keinen Hinweis über die Notwendigkeit der Einreichung der Erklärung auf dem amtlichen Vordruck gegeben habe. Weiterhin sei es verfahrensfehlerhaft, dass das Urteil kein nachvollziehbares Datum habe und das FG ihrem Antrag auf Beiziehung der Akten Z nicht entsprochen habe.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1. Der Bewilligung von PKH steht nicht bereits entgegen, dass die für die Nichtzulassungsbeschwerde geltende Frist von einem Monat (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) abgelaufen ist. Denn die Antragstellerin hat ihren Antrag auf PKH innerhalb der Beschwerdefrist gestellt. In einem solchen Fall kann einem Beteiligten, der infolge seiner Mittellosigkeit nicht in der Lage war, das Rechtsmittel fristgerecht durch einen postulationsfähigen Vertreter einlegen zu lassen, nach der Bewilligung von PKH unter bestimmten weiteren Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO gewährt werden (vgl. z.B. (PKH), BFH/NV 2003, 194).
2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet jedoch keine Aussicht auf Erfolg. Mit der Beschwerde kann die Zulassung der Revision nur erreicht werden, wenn zumindest einer der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Zulassungsgründe vorliegt. Aus dem beanstandeten finanzgerichtlichen Urteil, dem Sitzungsprotokoll und dem Vorbringen der Antragstellerin ergeben sich aber bei summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte dafür, dass dies der Fall ist. Die von der Antragstellerin gerügten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.
a) Das FG hat den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) nicht dadurch verletzt, dass es Tatsachen, die sich aus dem Inhalt der Kindergeldakten ergeben, im Tatbestand seines Urteils (§ 105 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 FGO) dargestellt und seine Überzeugung, die Tochter der Antragstellerin habe in der fraglichen Zeit in Deutschland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt, auf diese Tatsachen gestützt hat. Denn das FG ist nicht gehalten mitzuteilen, welche Tatsachen die nach § 71 Abs. 2 FGO vorgelegten Verwaltungsakten enthalten und wie es diese zu verwerten gedenkt; die Antragstellerin hatte die Möglichkeit, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, indem sie gemäß § 78 Abs. 1 FGO Akteneinsicht genommen hätte (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 3/98, BFH/NV 1999, 180; vom VII B 91/02, BFH/NV 2003, 192; , BFH/NV 1987, 219).
b) Auch die sinngemäße Rüge der Antragstellerin, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 FGO), soweit das FG ihren Hilfsantrag auf Zahlung von 671,91 € abgewiesen habe, bietet keine Aussicht auf Erfolg für eine eventuelle Nichtzulassungsbeschwerde. Das FG hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich sei. Dies ist jedenfalls dann eine ausreichende Urteilsbegründung, wenn —wie im Streitfall— tatsächlich eine Rechtsgrundlage für ein Klagebegehren nicht einmal ansatzweise zu erkennen ist und der Kläger auch keine Rechtsgrundlage angeführt hat, mit der das FG sich hätte auseinander setzen können.
c) Die Rüge der Antragstellerin, das FG habe ihren PKH-Antrag nicht ordnungsgemäß beachtet, weil es keinen Hinweis auf die Notwendigkeit einer Erklärung auf amtlichem Vordruck gegeben habe, rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Zwar macht die Antragstellerin mit der Rüge der Verletzung der Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) im PKH-Verfahren und einer darauf beruhenden Ablehnung ihres PKH-Antrags durch das FG mittelbar eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das finanzgerichtliche Urteil geltend (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 142 Rz. 38). Diese Rüge ist aber nicht begründet. Denn der PKH-Antrag ist erst fünf Tage vor dem bereits anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung beim FG eingegangen. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung am hat das FG den Antrag unter Hinweis darauf abgelehnt, dass die Antragstellerin bisher entgegen der gesetzlichen Bestimmung (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2-4 ZPO) ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht dargelegt und auf amtlichem Vordruck bestätigt habe. Auch wenn das Gericht grundsätzlich zu einem entsprechenden Hinweis verpflichtet ist, gilt dies jedenfalls dann nicht, wenn bei einer bereits seit längerer Zeit anhängigen Klage (hier: seit dem ) ein Antrag auf PKH erst nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung so kurz vor dem anberaumten Termin gestellt wird, dass mit dem rechtzeitigen Eingang des ausgefüllten Vordrucks vor dem Termin nicht mehr gerechnet werden kann und der Prozess dadurch verzögert würde. Dies trifft im Streitfall zu.
d) Auch mit der Rüge, das Urteil enthalte keine nachvollziehbare Datumsangabe, ist ein Zulassungsgrund nicht dargelegt. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, wie ein Urteil auf diesem Umstand beruhen könnte (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), genügt das angefochtene Urteil den Anforderungen des § 105 FGO und enthält die Aussage, dass es auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom ergangen ist.
e) Die Rüge der Antragstellerin, das finanzgerichtliche Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler, weil das FG die Akten Z nicht beigezogen habe, ist ebenfalls unbegründet. Aus dem Tatbestand des Urteils (Seite 5, letzter Absatz) ergibt sich, dass das FG diese Akten beigezogen hat.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen; Gerichtsgebühren sind nicht entstanden (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; § 1 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstelle(n):
GAAAB-24338