Zinsen zum Erwerb einer wesentlichen Beteiligung
Leitsatz
1. Die Zinsen, die ein Steuerpflichtiger zum Erwerb einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG aufwendet, können regelmäßig bis zur Veräußerung der Beteiligung oder bis zum Eintritt der Vermögenslosigkeit bzw. bis zur Löschung der Kapitalgesellschaft im Handelsregister als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Weder die Einstellung der werbenden Tätigkeit der Kapitalgesellschaft noch ihre Überschuldung beenden für sich gesehen diese Möglichkeit.
2. Zu den Folgen eines im falschen Veranlagungszeitraum berücksichtigten (Auflösungs-)Verlustes für den Verlustabzug nach § 10d EStG.
Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1EStG § 10dEStG § 17 Abs. 2 und 4,EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: (EFG 2002, 615) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1992 bis 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger hatte am für 500 000 DM einen Anteil von 20 000 DM am Stammkapital (50 000 DM) der am gegründeten R-GmbH erworben. Die übrigen Geschäftsanteile hielt R, der auch Geschäftsführer der GmbH war. Die GmbH betrieb ein ...-Unternehmen.
Der Kläger hatte den Kaufpreis für den GmbH-Anteil in voller Höhe fremdfinanziert und sich selbstschuldnerisch in unbegrenzter Höhe für die Gesellschaftsschulden verbürgt. Gewinnausschüttungen hat er nie erhalten. Die GmbH war bereits 1992 überschuldet und in permanenten Zahlungsschwierigkeiten. Ende März 1993 stellte sie ihre Tätigkeit ein. 1995 wurde sie im Handelsregister gelöscht.
Bereits Anfang 1993 hatte der Kläger zusammen mit einem weiteren Gesellschafter eine GbR gegründet. Am schloss diese mit der GmbH einen Vertrag, in dem sie sich verpflichtete, die der GmbH erteilten Aufträge durchzuführen. Die GmbH war berechtigt —erstmals zum —, die Vereinbarung zu kündigen.
Am nahm die Bank den Kläger aus der Bürgschaft in Anspruch.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte die hierauf geleisteten Zahlungen und die Anschaffungskosten für die Beteiligung als Aufwand im Rahmen der Ermittlung eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Jahr 1993 an, lehnte es aber ab, die in den Streitjahren gezahlten Schuldzinsen in Höhe von 54 441 DM (1992), 49 465 DM (1993) und 51 973 DM (1994) zu berücksichtigen. Da die Einkommensteuerschuld für diese Jahre jeweils 0 DM betrug, führten die Beteiligten das Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide wegen fehlender Beschwer nicht mehr fort. Die noch streitigen Fragen entschied das FA im Rahmen der nunmehr erstmals erlassenen Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d Abs. 3 EStG. Die Einsprüche blieben erfolglos. Das FA stellte den verbleibenden Verlustabzug während des Klageverfahrens zum mit 0 DM, zum mit 713 994 DM und zum mit 696 057 DM fest.
Mit der Klage vertraten die Kläger die Ansicht, dass auch die Schuldzinsen —als nachträgliche Anschaffungskosten— den Auflösungsverlust erhöhten. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 615 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 und 4 EStG).
Sie beantragen sinngemäß, den verbleibenden Verlustabzug zum um 54 441 DM, zum um 49 465 DM und zum um 51 973 DM zu erhöhen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt hinsichtlich des Streitjahres 1992 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG, hinsichtlich des Streitjahres 1993 zur Zurückweisung der Revision und hinsichtlich des Streitjahres 1994 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Verluste, die im Entstehungsjahr bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden können, sind bis zu einem Betrag von insgesamt 10 Mio. DM in den folgenden Veranlagungszeiträumen wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen, soweit sie nicht in den zwei dem Verlustentstehungsjahr vorangegangenen Veranlagungszeiträumen abgezogen werden konnten (§ 10d Sätze 1 und 2 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung). Zu den rücktrags- und vortragsfähigen Verlusten zählt auch ein Verlust, den ein wesentlich beteiligter Gesellschafter anlässlich der Auflösung der Kapitalgesellschaft erleidet (, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385, unter I. der Gründe, m.w.N.).
Da die Einkommensteuer für die Streitjahre jeweils mit 0 DM festgesetzt wurde und die streitigen Rechtsfragen im Einspruchsverfahren gegen diese Bescheide mangels Beschwer nicht geprüft werden konnten, war über sie im Rahmen der nunmehr erstmals erlassenen Feststellungsbescheide zu entscheiden (§ 10d Abs. 3 Satz 5 EStG und dazu , BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3; vom XI R 4/00, BFH/NV 2000, 1465; vom VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761, unter I. der Gründe; vom XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817, und , BFH/NV 2001, 795).
2. Der Kläger hat in Höhe der Anschaffungskosten auf die Beteiligung und der von ihm geleisteten Bürgschaftszahlungen einen Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG erlitten (vgl. dazu u.a. , BFH/NV 1999, 922, und in BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385, unter II.3. der Gründe). Bei dieser Beurteilung geht der Senat mit den Beteiligten und dem FG davon aus, dass der Kläger die Beteiligung im Privatvermögen gehalten hat.
Das FA hat diesen Verlust im Ergebnis zutreffend ermittelt. Er ist allerdings entgegen der Annahme des FA nicht bereits 1993, sondern erst 1995 entstanden. Entscheidend ist die gesellschaftsrechtliche Auflösung der GmbH (, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162, ständige Rechtsprechung). Diese trat hier erst mit der Löschung der GmbH im Handelsregister ein (dazu nachfolgend zu 3.). Damit können die angefochtenen Feststellungsbescheide nur unter dem Gesichtspunkt einer Erhöhung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Jahr 1993 um den zu Unrecht berücksichtigten Auflösungsverlust und unter dem Gesichtspunkt eines Verlustrücktrags gemäß § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG überprüft werden (dazu nachfolgend zu 4.).
3. Der verbleibende Verlustabzug für die Streitjahre war um die in diesen Jahren gezahlten Schuldzinsen zu erhöhen. Die Schuldzinsen sind Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
a) Die Zinsen, die ein Steuerpflichtiger zum Erwerb einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG aufwendet, sind nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (, BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668, unter 1. der Gründe, m.w.N.). Das gilt unabhängig davon, ob die Zinsaufwendungen durch entsprechende Einnahmen gedeckt sind und ob überhaupt Einnahmen durch Gewinnausschüttungen erzielt werden. Der Senat hat dazu in seinem Urteil vom VIII R 234/84 (BFHE 145, 335, BStBl II 1986, 596) ausgeführt: „Die Schuldzinsen für einen Kredit, dessen Valuta zum Erwerb einer wesentlichen Beteiligung i.S. des § 17 EStG verwandt wird, sind auch dann Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn zwar keine Kapitalerträge, aber Wertsteigerungen der Beteiligung zu erwarten sind. Sind auch keine Wertsteigerungen zu erwarten, entfällt ein Abzug der Schuldzinsen lediglich für den Fall, dass die Beteiligung aus persönlichen Gründen oder Neigungen begründet und aufrechterhalten wird.”
Der Senat geht davon aus, dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind. Der erforderliche Veranlassungs- bzw. Zurechnungszusammenhang der Zinsaufwendungen mit dem Erwerb der Beteiligung ist gegeben (zu dieser Voraussetzung vgl. u.a. , BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209, unter II.2. der Gründe, und in BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668, unter 2.a der Gründe). Persönliche Gründe oder Neigungen als Motiv für den Erwerb der Beteiligung hat das FG nicht festgestellt; für die Annahme einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht liegen auch keine Anhaltspunkte vor.
b) Die Schuldzinsen sind solange als Werbungskosten abziehbar, bis die Beteiligung veräußert wird (, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29, ständige Rechtsprechung) oder bis die GmbH aufgelöst und —regelmäßig— vollbeendet ist (vgl. u.a. , BFH/NV 1993, 714, m.w.N.; vom VIII R 46/98, BFH/NV 2000, 561, unter 2.c aa der Gründe; in BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668, unter 2.a bb der Gründe). Entstehen sie erst später, können sie nicht mehr als Werbungskosten abgezogen werden (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. , BFH/NV 1993, 654, unter 3.b der Gründe, m.w.N.; , BFH/NV 1996, 406, unter 2.c der Gründe, m.w.N.; in BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668, m.w.N.). Die von den Klägern geforderte „Umqualifizierung” der als Werbungskosten nicht mehr berücksichtigungsfähigen Zinsaufwendungen in nachträgliche Anschaffungskosten mit dem Ziel, die Zinsen als „Beteiligungsaufwendungen” im Rahmen des § 17 EStG abzugsfähig zu machen, ist nach dieser Rechtsprechung aus rechtssystematischen Gründen ausgeschlossen (vgl. auch Senatsurteil vom VIII R 59/97, BFHE 188, 569, BStBl II 2001, 226, unter II.2.b cc der Gründe). Der Streitfall erfordert aus den nachfolgenden Gründen keine erneute Auseinandersetzung mit dieser Streitfrage (zum Streitstand vgl. , EFG 2002, 315; Schmitz in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 9 EStG Anm. 372).
c) Die Schuldzinsen sind nicht im Sinne dieser Rechtsprechung nachträglich entstanden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die R-GmbH erst 1995 mit ihrer Löschung im Handelsregister aufgelöst wurde.
aa) Ob eine GmbH aufgelöst ist, bestimmt sich nach den im Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) oder in anderen Gesetzen oder in der Satzung hierfür vorgesehenen Auflösungsgründen (, BFH/NV 1990, 361, ständige Rechtsprechung; Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 17 Rz. 214, m.w.N.). Einer dieser Gründe ist nach § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG die Löschung der GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom —LöschG— (RStBl I 1934, 1133, jetzt § 141a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit —FGG—, RGBl 1898, 189); sie hat die Auflösung und die Vollbeendigung der Gesellschaft zur Folge. Ob dies auch dann gilt, wenn die Gesellschaft zwar vermögenslos, aber noch nicht im Handelsregister gelöscht ist, kann der Senat im Streitfall offen lassen (zum Streitstand vgl. etwa Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 17. Aufl., § 60 Rz. 6; , BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310, unter II.B.2. der Gründe; BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 561, unter 2.c cc der Gründe, m.w.N.). Voraussetzung hierfür wäre, dass der Zeitpunkt der Vermögenslosigkeit hinreichend bestimmbar ist (insbesondere durch einen Beschluss des Amtsgerichts nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LöschG, vgl. dazu u.a. BFH-Urteil in BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162). Daran fehlt es hier. Der Sachverhalt war insoweit nicht mehr aufklärbar.
Andere Auflösungsgründe oder die Auflösung der Gesellschaft einschließende Vollbeendigungsgründe sind nicht erkennbar.
bb) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die R-GmbH ihren Betrieb im März 1993 eingestellt hat.
Die Einstellung der Tätigkeit einer GmbH führt für sich gesehen noch nicht zur Auflösung der Gesellschaft (dazu Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 60 Rz. 19, mit Rechtsprechungsnachweisen; BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 361; vgl. auch , BFH/NV 1994, 364). Zwar kann ausnahmsweise eine einvernehmliche Betriebseinstellung durch die Gesellschafter als Auflösungsbeschluss i.S. von § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG mit der Folge auszulegen sein, dass die nachfolgende Eintragung im Handelsregister nur noch deklaratorische Bedeutung hat (dazu Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 60 Rz. 19, m.w.N.); im Streitfall ist diese Auslegung aber nicht möglich, weil sich aus dem am zwischen der GmbH und der neugegründeten GbR geschlossenen Vertrag eindeutig ergibt, dass die GmbH fortbestehen sollte. Insbesondere sollte sie nicht in die zwischenzeitlich gegründete GbR umgewandelt werden; die GbR war lediglich berechtigt, die noch nicht abgewickelten Aufträge zu übernehmen, die der GmbH übertragen worden waren.
cc) Es ist für die Entscheidung im Streitfall auch ohne Bedeutung, dass die R-GmbH bereits vor ihrer Auflösung überschuldet war.
Die Überschuldung einer Kapitalgesellschaft hat weder ihre Auflösung noch ihre Vollbeendigung zur Folge; die Auflösung tritt in diesem Fall erst mit der Eröffnung des Konkursverfahrens wegen Überschuldung ein (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Eine Überschuldung auf der Basis der Bewertung zu Verkehrswerten dokumentiert zwar, dass die Gesellschaft per Saldo vermögenslos ist, weil ihr Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt; Vermögenslosigkeit als Auflösungs- und Vollbeendigungsgrund einer Kapitalgesellschaft setzt aber —wenn nicht noch die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister hinzutreten muss (s. dazu oben unter aa)— voraus, dass die Gesellschaft über kein oder nur noch über ein geringfügiges Aktivvermögen verfügt (Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 60 Rz. 6, 7 und Anhang zu § 77 Rz. 5, m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310, unter II.B.2. der Gründe; vom VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731, unter II.2.b der Gründe).
Die Erfüllung dieser Voraussetzung lässt sich, wie ausgeführt, mit der erforderlichen Eindeutigkeit erst 1995 im Zeitpunkt der Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister feststellen.
dd) Dieser Zeitpunkt ist nicht nur für die Beurteilung der Frage von Bedeutung, wann ein Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 4 EStG entstanden ist; er bestimmt auch das Ende des Zeitraums, während dessen Aufwendungen des Steuerpflichtigen noch als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen abgezogen werden können. Der für die Abziehbarkeit dieser Aufwendungen gemeinsame Zeitpunkt ergibt sich daraus, dass die wesentliche Beteiligung während der gesamten Dauer ihres Bestehens nach § 17 EStG steuerverstrickt ist (s.o. zu II.3.a der Gründe) und im Falle der Liquidation der Gesellschaft noch Einkünfte aus Kapitalvermögen anfallen können (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung). Ohne einen Auflösungsbeschluss, mit dem die Gesellschafter dokumentieren, dass sie die Gesellschaft nicht mehr fortführen wollen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass ihre Absicht, über das Unternehmen der Kapitalgesellschaft Einkünfte nach § 17 EStG oder § 20 EStG zu erzielen, fortbesteht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668, unter 2.a bb der Gründe); die künftige Entwicklung der Gesellschaft ist trotz ihrer Überschuldung noch nicht absehbar (vgl. —zur Auflösung einer GmbH durch Konkurs— , BFHE 191, 115, BStBl II 2000, 343, und in BFH/NV 2001, 761, sowie —zur Abgrenzung der Rechtsfolgen bei freiwilliger und bei erzwungener Auflösung— BFH-Urteil in BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731, und , BFH/NV 2002, 646). Es reicht nicht aus, dass unter den gegebenen Umständen der Geschäftsführer der GmbH Konkursantrag hätte stellen müssen oder dass ein solcher bei vernünftiger Beurteilung zu erwarten war (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 561, unter 2.c aa der Gründe).
Bei diesem Ergebnis kann der Senat offen lassen, ob, wann und in welchem Umfang die R-GmbH überschuldet war. Soweit der Senat in seinem Urteil in BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731 darauf hingewiesen hat, dass eine Kapitalgesellschaft ggf. trotz vorhandener Aktivwerte bereits als vermögenslos behandelt werden kann, beruht diese Beurteilung auf der besonderen Zwecksetzung des § 17 EStG. Denn nach dieser Zwecksetzung ist eine Kapitalgesellschaft —anders als nach Gesellschaftsrecht— bereits dann vermögenslos, wenn die Aktiva zwar für eine Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger, nicht aber für eine Verteilung unter den Gesellschaftern ausreichen. Das muss —hinreichend objektivierbar (vgl. z.B. für Konkursbilanzen BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 761, unter II.4. der Gründe)— mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Diese Feststellung ist im Streitfall nicht möglich. Ohne unstreitige greifbare Anhaltspunkte für eine in diesem Sinne vorliegende Vermögenslosigkeit und einen Auflösungsbeschluss der Gesellschafter kommt als Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsverlustes nur die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister in Betracht (zu den Voraussetzungen, die zusätzlich auf der Ebene des Gesellschafters vorliegen müssen, vgl. , BFH/NV 2003, 1305, m.w.N.).
4. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung. Sie war daher teilweise aufzuheben.
Die Sache ist nur zum Teil entscheidungsreif.
a) Hinsichtlich der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum hat das FG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Das FA hat den Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG bereits bei der Einkommensteuerveranlagung für dieses Jahr erfasst. Das war, wie ausgeführt, unzutreffend, weil er erst bei der Einkommensteuerveranlagung 1995 zu berücksichtigen war. Der Wegfall des Auflösungsverlustes führt zu einer entsprechenden Erhöhung des für 1993 ermittelten Gesamtbetrags der Einkünfte. Der Erhöhungsbetrag ist mit den als Werbungskosten abziehbaren Schuldzinsen zu saldieren. Das ergibt sich ohne weiteres daraus, dass der Rechtsstreit um die Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte geführt wird und lediglich deshalb im Verfahren über den angefochtenen Feststellungsbescheid nach § 10d Abs. 3 EStG auszutragen war, weil der Einkommensteuerbescheid 1993 die Einkommensteuer auf 0 DM festgesetzt hatte und deshalb nicht wirksam angefochten werden konnte.
Danach ist der Verlustvortrag zum nur in Höhe von 49 465 DM zutreffend festgestellt; im Übrigen hat ihn das FA zu Unrecht gewährt. Er lässt sich insbesondere nicht mit einem Verlustrücktrag aus dem Verlustentstehungsjahr 1995 rechtfertigen (dazu nachfolgend c). Im Ergebnis bleibt dem Kläger der Verlustvortrag aber in der festgestellten Höhe von 713 994 DM erhalten; der Senat darf den Feststellungsbescheid nicht verbösern.
b) Ob die Klage gegen den Feststellungsbescheid zum Erfolg hat, kann der Senat anhand der vom FG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen.
Das FA hat den verbleibenden Verlustabzug mit 0 DM festgestellt. Bei dieser Feststellung müsste es verbleiben, wenn der durch den Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten erhöhte Verlust des Jahres 1992 in die Jahre 1990 und 1991 zurückzutragen wäre (§ 10d Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Verlustrücktrag ist obligatorisch, der Einkommensteuerbescheid des Verlustentstehungsjahres kein Grundlagenbescheid für das Verlustabzugsjahr (, BFH/NV 2001, 1026, unter II.3. der Gründe, m.w.N.); die —ggf. bereits bestandskräftigen— Einkommensteuerbescheide 1990 und 1991 sind entsprechend zu ändern (§ 10d Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG). Zu der vom Kläger begehrten Feststellung eines „verbleibenden” Verlustabzugs zum kommt es nur, wenn nach Abzug der zurückzutragenden Beträge noch ein Verlust für die Folgejahre vorzutragen ist (§ 10d Abs. 3 Satz 1 EStG und dazu , BFH/NV 2000, 564; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 10d Rz. 50, m.w.N.). Dazu wird das FG noch Feststellungen treffen.
c) Die Klage gegen den Feststellungsbescheid zum ist begründet.
Das FA hat für das Jahr 1994 einen verbleibenden Verlustabzug in Höhe von 696 057 DM festgestellt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Verlustvortrag des Vorjahres in Höhe von 713 994 DM abzüglich des für 1994 ermittelten positiven Gesamtbetrags der Einkünfte in Höhe von 17 937 DM. Dieser Betrag erhöht sich um die 1994 gezahlten Schuldzinsen in Höhe von 51 973 DM.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass der Feststellungsbescheid zum materiell-rechtlich unzutreffend ist. Das rechtfertigt es nicht, die bei der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum zu berücksichtigenden Werbungskosten mit dem Verlustvortrag des Vorjahres zu saldieren. Dieser ist zwar bei der Ermittlung des Verlustvortrags zum zu berücksichtigen und wird dann gegenstandslos; er ist aber als Grundlagenbescheid zu berücksichtigen (, BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731, und vom XI R 26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681) und damit nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, das ausschließlich die vorrangige Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte des Jahres 1994 betrifft.
Auch der im Folgejahr 1995 zu berücksichtigende Auflösungsverlust wirkt sich auf die Entscheidung im Streitjahr nicht aus. Zwar wäre er —unter Berücksichtigung des ab dem Veranlagungszeitraum 1994 geltenden Wahlrechts— grundsätzlich rücktragsfähig. Der Streitfall erfordert es jedoch nicht, dem Kläger Gelegenheit zur Ausübung dieses Wahlrechts zu geben (zur ggf. erforderlichen Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO vgl. BFH-Urteil in BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731). Eine 1995 getroffene Wahl, die nur die Erhöhung des Verlustvortrags zum zur Folge hätte, wäre unbeachtlich. Für die gesonderte Feststellung eines höheren Verlustvortrags im Rücktragsjahr besteht kein Bedürfnis (vgl. dazu u.a. Orth in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10d EStG —grüne Blätter— S. 35; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 10d Rz. 50, a.E.; Schmieszek in Bordewin/Brandt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10d Rz. 332).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 551
BB 2005 S. 197 Nr. 4
BFH/NV 2004 S. 1024
BFH/NV 2004 S. 1024 Nr. 7
BStBl II 2004 S. 551 Nr. 12
DB 2004 S. 1237 Nr. 23
DStR 2004 S. 992 Nr. 24
DStRE 2004 S. 799 Nr. 13
FR 2004 S. 836 Nr. 14
INF 2004 S. 525 Nr. 14
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2005 S. 4357
StB 2004 S. 242 Nr. 7
XAAAB-22264