BFH Urteil v. - VI R 8/03

Aufwendungen eines katholischen Priesters für ein Pädagogikstudium als WK abziehbar

Gesetze: EStG §§ 9, 10, 12

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

Streitig ist, ob Aufwendungen eines katholischen Priesters für eine Pilgerreise nach Lourdes sowie für ein Pädagogikstudium als Werbungskosten abziehbar sind.

Der 1962 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist nach abgeschlossenem Fachhochschulstudium Diplom-Theologe. Vom Wintersemester 1988/89 bis zum Sommersemester 1990 studierte er Pädagogik und Geschichtswissenschaften. Im Juni 1990 wurde er zum Priester geweiht. Anschließend war er zunächst als Vikar und ab Juli 1993 bis zu seiner Suspendierung im Mai 1998 als Pfarradministrator in einer Kirchengemeinde tätig; zusätzlich war er in einer anderen Kirchengemeinde mit der Kinder- und Jugendseelsorge beauftragt.

In den Einkommensteuer-Erklärungen für die Streitjahre 1995 bis 1998 machte er u.a. Aufwendungen für ein im Sommersemester 1995 aufgenommenes Studium der Pädagogik als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, und zwar Fahrtkosten und Immatrikulationsgebühren (für 1995 in Höhe von 4 409 DM, für 1996 in Höhe von 5 625 DM, für 1997 in Höhe von 5 760 DM und für 1998 in Höhe von 2 001 DM). Hierzu trug der Kläger vor, sein Dienstherr habe ihn zusätzlich mit einem solchen Studium beauftragt, und legte als Nachweis eine Bescheinigung vor. Für das Streitjahr 1997 machte er darüber hinaus Reisekosten und Verpflegungsmehraufwendungen für eine Pilgerfahrt zum Wallfahrtsort Lourdes in Frankreich im Oktober 1997 in Höhe von insgesamt 1 478 DM als Werbungskosten geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ließ zunächst die für 1995 und 1996 geltend gemachten Aufwendungen für das Pädagogikstudium zum Abzug als Werbungskosten zu. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 1997 wurde dem FA bekannt, dass der Kläger die Bescheinigung über die Zusatzbeauftragung auf Blankobögen seines Dienstherrn selbst erstellt hatte und der Dienstauftrag des Klägers nicht auf dieses Studium erweitert worden war. Daraufhin erkannte das FA die Aufwendungen nur noch als beschränkt abziehbare Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 900 DM (1995) bzw. 1 800 DM (1996 bis 1998) an und erließ entsprechende Bescheide. Außerdem sah es die im Streitjahr 1997 angefallenen Aufwendungen des Klägers für die Reise nach Lourdes als Kosten der privaten Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG an und ließ diese nicht zum Abzug als Werbungskosten zu.

Mit den hiergegen erhobenen Einsprüchen führte der Kläger aus, er habe bei Aufnahme des Studiums nicht beabsichtigt, seine Stellung als Pastor aufzugeben und einen anderen Beruf auszuüben. Er habe sich vielmehr auf dem Gebiet der kirchlichen Erwachsenenbildung, des Gemeindedienstes und der Jugendarbeit spezialisieren wollen. Ferner trug er vor, er sei von seinem Arbeitgeber vom Dienst suspendiert worden. Es sei daher fraglich, ob er in seinem erlernten Beruf als Priester jemals wieder tätig werden könne. Auch vor diesem Hintergrund seien die Aufwendungen für das Studium als Werbungskosten anzusehen. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Die Klage begründete der Kläger im Wesentlichen damit, er habe mit dem Studium lediglich sein bisheriges Wissen auf dem Gebiet der Pädagogik vertiefen wollen. Er habe das Studium bereits vor Beginn des inzwischen eingestellten Disziplinarverfahrens aufgenommen. Im Februar 2000 sei er aufgefordert worden, seine Bereitschaft zu erklären, wieder einen Dienst zu übernehmen. Darüber hinaus seien die Aufwendungen für die Pilgerfahrt nach Lourdes als Werbungskosten abziehbar. Die Fahrt sei mit seiner Unterstützung vorbereitet und durchgeführt worden. Er habe die Gemeindemitglieder während der Fahrt täglich durch Eucharistiefeiern, Beichtgelegenheiten, Andachten, Ansprachen und Vorträge seelsorgerisch betreut. Der Wallfahrtsort Lourdes sei ihm bereits durch einen Privatbesuch gut bekannt.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 767 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger hinsichtlich der nicht anerkannten Studienkosten die Verletzung materiellen Rechts und hinsichtlich der nicht als Werbungskosten berücksichtigten Aufwendungen für die Pilgerfahrt einen Verfahrensmangel. Das FG habe verkannt, dass die Tatsachenbehauptungen zu den während der Pilgerfahrt nach Lourdes wahrgenommenen Aufgaben mangels Bestreitens durch das FA nicht beweiserheblich gewesen seien. Es seien insoweit keine unterschiedlichen Angaben gemacht, sondern Tatsachen lediglich ergänzt worden. Die Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens sei verfahrensfehlerhaft, weil das FG seiner Pflicht zur Sachaufklärung nicht nachgekommen sei. Das FG habe die Vorlage eines detaillierten Reiseprogramms für erforderlich gehalten, hierauf aber nicht hingewiesen. Bei dieser Sachlage habe es auch keines klägerischen Beweisangebotes bedurft.

Außerdem widerspreche das angefochtene Urteil der neueren Rechtsprechung des BFH in den Rechtssachen VI R 137/01 und VI R 120/01. Die Aufwendungen für das berufsbegleitende Pädagogikstudium seien als Werbungskosten anzuerkennen, weil sie beruflich veranlasst seien. Der berufliche Anlass für das Studium sei darin zu sehen, dass er an der Bildungsmaßnahme teilgenommen habe, um in seinem Beruf besser voranzukommen, seinen Kenntnisstand zu erweitern bzw. den Anforderungen der beruflichen Tätigkeit dauerhaft gerecht zu werden. Aufgrund des Pädagogikstudiums böten sich für den Kläger weitere Tätigkeitsfelder. Gleichzeitig habe dieses Studium für ihn die Möglichkeit geboten, im Falle einer dauerhaften Suspendierung einen anderen Beruf ausüben zu können. Ihm sei es darauf angekommen, Einnahmen zu sichern bzw. Zeiten der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Jedenfalls hätten die ihm für das Pädagogikstudium entstandenen Aufwendungen keinerlei Bezug zur privaten Lebensführung.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuerbescheide für 1995 bis 1998 dahin gehend zu ändern, dass anstelle der gewährten Sonderausgaben die geltend gemachten Studienkosten (für 1995 in Höhe von 4 409 DM, für 1996 in Höhe von 5 625 DM, für 1997 in Höhe von 5 760 DM und für 1998 in Höhe von 2 001 DM) sowie für 1997 die Kosten der Pilgerreise (1 478 DM) als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Das FA tritt der Revision entgegen und beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Aufwendungen für ein berufsbegleitendes Studium können, sofern sie beruflich veranlasst sind, Werbungskosten sein. Liegt ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang vor, kommt es nicht darauf an, ob ein neuer oder ein anderer Beruf ausgeübt werden soll. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Urteile vom VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, zum berufsbegleitenden Erststudium), vom VI R 120/01 (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, zur Umschulung) und vom VI R 33/01 (BFH/NV 2003, 1119, zur erstmaligen Berufsausbildung) verwiesen. Hiernach können Werbungskosten auch dann anzuerkennen sein, wenn die Bildungsmaßnahme zu einem Berufswechsel führt. Entscheidend ist, ob die Aufwendungen für das Studium durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind.

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil war daher aufzuheben. Die Rechtssache ist aber nicht spruchreif und an das FG zurückzuverweisen, weil dieses —aus seiner Sicht zu Recht— weder zur beruflichen Veranlassung des Studiums noch zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen Feststellungen getroffen hat. Im zweiten Rechtsgang wird das FG die Grundsätze des Urteils vom VI R 86/99 (BFHE 202, 299, BStBl II 2003, 749) zu beachten haben. Insbesondere wird zu würdigen sein, ob angesichts der (angegebenen) häufigen Fahrten des Klägers zur Universität diese als weitere regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen ist (vgl. hierzu auch , BFHE 203, 111, BFH/NV 2003, 1646).

2. Hinsichtlich der Einordnung der Aufwendungen für die Pilgerreise als Kosten der privaten Lebensführung enthalten die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen des FG keinen Rechtsverstoß (vgl. , BFH/NV 1997, 469; vom VI R 179/87, BFH/NV 1991, 371, sowie , BFH/NV 1993, 723).

Die Verfahrensrüge, das FG hätte —im Hinblick auf den unstreitigen Klägervortrag— den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären und auf die Vorlage eines detaillierten Reiseprogramms hinwirken müssen, greift nicht durch. Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verlangt auch Ausführungen dazu, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 70, m.w.N.). Solche Ausführungen fehlen im Streitfall.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 768 Nr. 6
WAAAB-20037