BFH Beschluss v. - X B 134/02

Festsetzung von Hinterziehungszinsen bei Mitunternehmerschaft; analoge Anwendung von § 126 Abs. 4 FGO im NZB-Verfahren

Gesetze: AO §§ 235, 239; FGO § 126

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

I. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein nach § 155 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) erlassener, formell bestandskräftiger Folgebescheid aufzuheben sei, wenn ein Grundlagenbescheid nicht erlassen werde bzw. nicht mehr erlassen werden könne, kann in diesem Verfahren nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen. Denn die Frage, welche Korrekturvorschrift in derartigen Fällen —ggf. entsprechend— anzuwenden ist, könnte in einem künftigen Revisionsverfahren schon deshalb nicht geklärt werden, weil vorliegend bereits wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung (dazu unten 1.) keine verfahrensrechtliche Möglichkeit zur Aufhebung der Zinsbescheide besteht. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 126 Abs. 4 der FinanzgerichtsordnungFGO— (dazu unten 2.).

1. Die einjährige Festsetzungsfrist für die Hinterziehungszinsen wäre ohne Berücksichtigung von Ablaufhemmungen am abgelaufen (§ 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 AO 1977). Da die Kläger am gegen die Zinsfestsetzung Einspruch eingelegt hatten, lief die Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 in der damals geltenden Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes (StMBG) vom (BGBl I 1993, 2310) jedoch nicht ab, bevor über den Einspruch unanfechtbar entschieden worden war. Die Unanfechtbarkeit der insoweit ergangenen Einspruchsentscheidung vom trat mit Ablauf der Klagefrist am ein. Der erst am beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) eingegangene Antrag auf Aufhebung der Zinsbescheide konnte keine erneute Ablaufhemmung auslösen, da er erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung gestellt worden war (§ 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 i.d.F. des StMBG).

a) Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger am gegen die Einspruchsentscheidung über die Zinsbescheide Anfechtungsklage erhoben haben. Denn diese Klage war —wie zwischen den Beteiligten aufgrund des Urteils des Schleswig-Holsteinischen und des Senatsbeschlusses vom X B 148/97 (BFH/NV 1998, 719) rechtskräftig feststeht— wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Sie konnte die bereits mit Ablauf der Klagefrist eingetretene Unanfechtbarkeit (formelle Bestandskraft) der Einspruchsentscheidung nicht rückwirkend beseitigen und damit nicht zu einer Verlängerung der Ablaufhemmung für die Festsetzungsfrist führen.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom GmS-OGB 1/83 (BGHZ 88, 353, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1984, 1027). Danach tritt die formelle Rechtskraft eines Urteils erst mit der Rechtskraft einer Entscheidung, die ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil als unzulässig verwirft, ein. Voraussetzung ist allerdings, dass das Rechtsmittel „an sich statthaft„ war und rechtzeitig eingelegt wurde, woran es im Streitfall gerade fehlt. Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Frage, wann i.S. des § 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 „unanfechtbar entschieden„ ist, differenziert ebenso zwischen der fristgerechten Erhebung des Rechtsmittels einerseits und sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen andererseits (, BFH/NV 2000, 1067). Aus demselben Grund kann aus einer entsprechenden Anwendung des § 116 Abs. 4 FGO —danach hemmt die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Rechtskraft des Urteils— keine Verzögerung des Eintritts der Unanfechtbarkeit i.S. des § 171 Abs. 3 AO 1977 folgen; auch hier sind —in Einschränkung des nicht weiter differenzierenden Wortlauts— nur fristgerecht eingelegte Beschwerden erfasst (so zutreffend Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, § 116 FGO Rz. 83).

b) Der Auffassung der Kläger, wonach mit dem Ende der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 AO 1977 wieder die ursprüngliche Festsetzungsfrist in demjenigen Stadium zu laufen beginne, in dem diese sich bei Eintritt des Hemmungstatbestands befunden habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Kläger legen offenbar die zivilrechtlich angeordnete Rechtsfolge eines Hemmungstatbestands zugrunde, wonach der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird (§ 209 des Bürgerlichen GesetzbuchesBGB—). Indes sind zivilrechtliche Grundsätze auf das in sich geschlossene System der steuerrechtlichen Festsetzungsverjährung nicht entsprechend anwendbar (, BFHE 123, 321, BStBl II 1978, 33).

Bereits der Wortlaut des Hemmungstatbestands des § 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 i.d.F. des StMBG unterscheidet sich deutlich von dem des § 209 BGB: Wenn in der erstgenannten Vorschrift angeordnet ist, dass die Festsetzungsfrist nicht abläuft, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden ist, bedeutet dies nicht etwa eine Addition der regulären Festsetzungsfrist mit der Gesamtdauer der Ablaufhemmung, sondern lediglich ein Hinausschieben der Festsetzungsverjährung bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit.

Für diese Auslegung spricht auch die Rechtsentwicklung: Normvorläufer des § 171 Abs. 3 AO 1977 war die Vorschrift des § 146a Abs. 1 der Reichsabgabenordnung. Dort war vorgesehen, dass die Festsetzungsfrist erst sechs Monate nach Eintritt der Unanfechtbarkeit ablaufen sollte. Einer solchen Regelung hätte es indes nicht bedurft, wenn —entsprechend der Auffassung der Kläger— nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Lauf der regulären Festsetzungsfrist fortgesetzt würde. Bei Schaffung der AO 1977 hat der Gesetzgeber auf die Übernahme dieser zusätzlichen Sechs-Monats-Frist nur deshalb verzichtet, weil er in § 174 AO 1977 hinreichende Reaktionsmöglichkeiten für die Finanzbehörde sah (vgl. Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 171 AO 1977 Rz. 35 —Stand Juni 1994—).

Ebenso geht auch die Rechtsprechung davon aus, dass in denjenigen Fällen, in denen sowohl Beginn als auch Ende einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO 1977 noch innerhalb der regulären Festsetzungsfrist liegen, keinerlei Verlängerung dieser Frist eintritt (, BFHE 156, 59, BStBl II 1989, 531 unter I. 1. b). Auch in der Literatur wird die Auffassung der Kläger —soweit ersichtlich— von niemandem vertreten.

2. Weil sich das angefochtene Urteil danach aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig darstellt, kann die Beschwerde, soweit sie auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt wird, in entsprechender Anwendung des —unmittelbar nur für das Revisionsverfahren geltenden— § 126 Abs. 4 FGO keinen Erfolg haben.

a) Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass § 126 Abs. 4 FGO im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anzuwenden ist (für die Fälle grundsätzlicher Bedeutung BFH-Beschlüsse vom III B 134/86, BFHE 152, 212, BStBl II 1988, 484; vom V B 192/93, BFH/NV 1995, 372; vom V B 57/96, BFH/NV 1997, 863; vom VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729; vom V B 8/99, BFH/NV 2000, 192, und vom VII B 186/99, BFH/NV 2000, 476). Begründet wird dies mit dem Grundsatz der Prozessökonomie und der fehlenden Entscheidungserheblichkeit.

b) Nach der Gegenauffassung soll es im Falle der Darlegung grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht darauf ankommen, ob sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rn. 32, § 116 Rn. 56; kritisch bereits Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, 1986, Rn. 182). Zur Begründung führt diese Auffassung vier Argumente an:

- Eine entsprechende Anwendung von § 126 Abs. 4 FGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde würde eine Prüfung vorwegnehmen, die dem Senat in der für Urteile geltenden (Fünfer-)Besetzung obliege und für die besondere Verfahrensvorschriften gelten (insbesondere der grundsätzliche Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung).

- Bei den Zulassungsgründen des § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO stehe das Interesse der Allgemeinheit an der Rechtsfortbildung, nicht aber das Individualinteresse des Beschwerdeführers an der Kassation des angefochtenen Urteils im Vordergrund, so dass es nicht auf die Erfolgsaussichten der Revision im Einzelfall ankomme.

- Die Zurückweisung der Beschwerde könne auch nicht mit fehlender Entscheidungserheblichkeit gerechtfertigt werden, weil für die Beurteilung dieser Frage nicht die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts, sondern die der Vorinstanz maßgeblich sei.

- Schließlich würde das Abstellen auf einen rechtlichen Gesichtspunkt, der im bisherigen Verfahren nicht angesprochen worden war, das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verletzen.

c) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist an der bisherigen Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO grundsätzlich festzuhalten (dazu unten aa); allerdings ist den Einwänden der Gegenauffassung durch die Vornahme von zwei Einschränkungen Rechnung zu tragen (dazu unten bb).

aa) Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung der unmittelbar nur für das Revisionsverfahren geltenden Vorschrift des § 126 Abs. 4 FGO auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde liegen vor. Denn es besteht insoweit eine planwidrige Regelungslücke; auch ist die prozessuale Situation in beiden Fällen durch eine vergleichbare Interessenlage gekennzeichnet: § 126 Abs. 4 FGO soll in erster Linie den Grundsatz der Prozessökonomie verwirklichen (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 126 FGO Tz. 52, m.w.N.). Das Verfahren soll nicht allein deshalb fortgeführt werden, weil der Vorinstanz ein solcher Fehler unterlaufen ist, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis ohne Auswirkung bleiben wird. Dieser Gedanke gilt im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde in noch stärkerem Maße, weil sich nach Zulassung der Revision noch das gesamte Revisionsverfahren anschlösse, dessen Ergebnislosigkeit von vornherein feststünde (so zur Parallelvorschrift des § 144 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung auch Sendler, Deutsches Verwaltungsblatt —DVBl— 1992, 240, 242).

Auch der Grundsatz, wonach die Erfolgsaussichten eines künftigen Revisionsverfahrens bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde keine Rolle spielen dürften, gilt uneingeschränkt nur für die Erfolgsaussichten hinsichtlich der in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Frage von grundsätzlicher Bedeutung, nicht aber im Hinblick auf den übrigen Streitstoff (so zutreffend Sendler, DVBl 1992, 240, 243; Schwarz/Dürr, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rn. 35).

Schließlich kann auch das bei den Zulassungsgründen des § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO im Vordergrund stehende Allgemeininteresse nicht dazu führen, Revisionen zuzulassen, bei denen von vornherein feststeht, dass es im Ergebnis auf die aufgeworfene, grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage gar nicht ankommt. Denn das Allgemeininteresse an der Rechtsfortbildung im Revisionsverfahren wird nicht uneingeschränkt gewährleistet, sondern kann nur über die Erhebung eines subjektiv-rechtlich ausgestalteten Rechtsmittels verfolgt werden (Pietzner in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 133 Rn. 80). Dies zeigen gerade Vorschriften wie § 126 Abs. 4 FGO.

bb) Den verbleibenden —im Kern berechtigten— Einwänden der Gegenauffassung ist durch die Vornahme zweier Einschränkungen Rechnung zu tragen.

Zum einen erfordert der Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu dem bisher im Verfahren nicht erörterten Gesichtspunkt, dass er vor dem Erlass einer auf die entsprechende Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO gestützten zurückweisenden Beschwerdeentscheidung des BFH auf die „anderen Gründe„ hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird (so auch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 82; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rn. 56; Sendler, DVBl 1992, 240, 243; Pietzner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 133 Rn. 79).

Zum anderen erfordert die Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter, dass Fragen, deren Entscheidung der Senatsbesetzung vorbehalten sind, nicht im Beschwerdeverfahren entschieden werden. Die „anderen Gründe„, auf die der BFH seine zurückweisende Beschwerdeentscheidung stützt, müssen daher ihrerseits frei von Zulassungsgründen i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO sein (Sendler, DVBl 1992, 240, 242 f.; Pietzner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 133 Rn. 79).

cc) Die vorgenannten Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt: Die Kläger wurden auf den Gesichtspunkt der Festsetzungsverjährung durch ein Schreiben des Senatsvorsitzenden hingewiesen; diese Frage ist auch nicht ihrerseits von grundsätzlicher Bedeutung.

II. Selbst wenn man den in der Beschwerdebegründung enthaltenen Hinweis, über die Frage der Erforderlichkeit eines Feststellungsverfahrens sei nicht im anhängigen Verfahren über den Steuerbescheid, sondern in einem Feststellungsverfahren zu entscheiden, gemeinsam mit dem Zitat des einschlägigen (BFH/NV 1987, 629) als den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügende Darlegung des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der unterbliebenen Aussetzung des Klageverfahrens (§ 74 FGO) ansehen wollte, könnte die Beschwerde keinen Erfolg haben. Denn ein solcher Verfahrensmangel liegt nicht vor.

Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das —u.a.— von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

1. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die —für den Erlass von Bescheiden über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen (§ 235 AO 1977) entscheidende— Frage, ob und in welchem Umfang Steuernachforderungen gegen Mitunternehmer einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes auf Hinterziehungshandlungen bei der Gesellschaft beruhen, im Verfahren einer einheitlichen und gesonderten Feststellung zu klären (ausführlich Senatsurteil vom X R 3/86, BFHE 156, 383, BStBl II 1989, 596 unter 3. a; ferner , BFH/NV 1994, 75 unter II. 4.; vom XI R 21/93, BFHE 175, 13, BStBl II 1994, 885 unter II. 1.). Denn nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind auf Zinsen die für Steuern geltenden Vorschriften —insbesondere §§ 155 ff. und §§ 179 ff. AO 1977— entsprechend anzuwenden. „Festsetzungsgrundlagen„ (Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 179 Abs. 1 AO 1977) sind in derartigen Fällen diejenigen Tatbestandsmerkmale, deren Verwirklichung den Zinsanspruch entstehen lässt.

2. Entsteht im Verfahren über einen Folgebescheid Streit über Besteuerungsgrundlagen, die in einem Grundlagenbescheid zu erfassen gewesen wären, ist ein solcher Grundlagenbescheid aber noch nicht ergangen, so verdichtet sich das durch § 74 FGO dem FG grundsätzlich eingeräumte Ermessen zu einer Pflicht zur Aussetzung, weil dem FG die Kompetenz fehlt, über die Vorfrage zu entscheiden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Finanzbehörde die Entscheidung im Folgebescheid —wie hier— nicht als vorläufige Maßnahme i.S. des § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 3 AO 1977 verstanden hat, sondern eine endgültige Entscheidung treffen wollte, weil es zu Unrecht meinte, ein Feststellungsverfahren sei nicht erforderlich (ausführlich , BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290 unter 2. a bb; ferner , BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239; vom IX R 11/85, BFH/NV 1987, 341; in BFH/NV 1987, 629 unter B. 4., und in BFHE 156, 383, BStBl II 1989, 596 unter 4.).

Dem steht nicht entgegen, dass es vorliegend nicht um die Anfechtung eines ohne Abwarten des Grundlagenbescheids ergangenen Folgebescheids geht, sondern um eine Verpflichtungsklage auf Aufhebung (bzw. Änderung) eines ohne vorherigen Grundlagenbescheid ergangenen, formell bestandskräftigen Folgebescheids. Denn auch das Ergebnis eines solchen Verfahrens hängt —wegen der durch § 182 Abs. 1 Satz 1, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 angeordneten Verknüpfung— vom Ausgang des Feststellungsverfahrens ab.

3. Eine Aussetzung des den Folgebescheid betreffenden Klageverfahrens kann indes unterbleiben, wenn feststeht, dass es in diesem Verfahren unabhängig vom Ausgang eines möglichen Verfahrens über den Grundlagenbescheid nur zu einer Klageabweisung kommen kann (, BFHE 158, 205, BStBl II 1990, 177 unter 3.). Dies ist etwa der Fall, wenn in diesem Verfahren eine Sachentscheidungsvoraussetzung fehlt oder eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts aus anderen Gründen —z.B. wegen der Verfristung des Einspruchs— ausgeschlossen ist.

So liegt es hier. Denn über die Frage, ob die Kläger materiell-rechtlich einen Anspruch auf Aufhebung der Zinsbescheide haben, wird im Klageverfahren nicht mehr entschieden werden können, weil für diese Bescheide bereits vor Stellung des Änderungsantrags Festsetzungsverjährung eingetreten war (dazu oben I. 1.).

III. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass —entgegen der Auffassung der Kläger— ein Rechtsbehelf gegen einen ohne vorherigen Erlass eines Grundlagenbescheids ergangenen Folgebescheid nicht etwa unzulässig ist (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFHE 151, 366, BStBl II 1988, 143 unter II. B. 1.). Vielmehr ist ein solches Verfahren bis zum Erlass eines Grundlagenbescheids auszusetzen (dazu bereits oben II. 1.).

Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 906 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2006 S. 406
KAAAB-17466