BFH Beschluss v. - VII B 10/03

Schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels wegen Übergehens von Beweisanträgen; Verletzung der Sachaufklärungspflicht

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, §§ 76, 116

Instanzenzug:

Gründe

I. Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) teilte dem Zollfahndungsamt (ZFA) im Juli 1994 mit, dass die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Dezember 1993 mit ihren in Österreich zugelassenen Fahrzeugen unzulässige Binnentransporte durchgeführt habe. Die Klägerin habe bei ihrem Auftraggeber in Österreich Waren für einen Empfänger in Deutschland geladen, habe die Waren beim Grenzübertritt zum freien Verkehr abfertigen lassen und habe anschließend bei einer Tochterfirma des Auftraggebers in Deutschland bisher noch fehlende Bestellmengen für den Empfänger zu der jeweiligen Warensendung hinzugeladen. Der Prokurist der Klägerin habe ausgesagt, dass man eine solche Zuladung für unschädlich gehalten habe, da eine aus Österreich eingeführte Ladung vorhanden gewesen sei. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) setzte daraufhin die auf die Fahrzeuge der Klägerin entfallenden Eingangsabgaben gegen die Klägerin fest. Ihre hiergegen gerichtete Klage nahm die Klägerin später zurück.

Den gestellten Antrag auf Erstattung des Zolls lehnte das HZA ab. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, dass die Voraussetzungen des Art. 236 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften —ZK— (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 302/1) bzw. der Vorgängervorschrift des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom über die Erstattung oder den Erlass von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABlEG Nr. L 175/1) nicht vorlägen, da der Abgabenbetrag gesetzlich geschuldet gewesen sei. Die Eingangsabgaben seien entstanden und die Klägerin sei Abgabenschuldner, da mit den auf ihren Namen zugelassenen Fahrzeugen unzulässige Binnentransporte durchgeführt worden seien. (Die Entscheidung des FG ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2003, 313 veröffentlicht.)

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt. Sie macht geltend, dass das FG seine Sachaufklärungspflicht verletzt habe.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die innerhalb der Begründungsfrist geltend gemachten Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt.

1. Sollte die Klägerin —was nach der Beschwerdebegründung in Betracht kommt— mit ihrer Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, geltend machen wollen, dass das FG ihre in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge zu Unrecht übergangen habe, wäre der Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargelegt, denn zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrages i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und , BFH/NV 1998, 608). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der ZivilprozessordnungZPO—), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrags kann nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung seines Beweisantrags erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).

Die Klägerin hat weder substantiiert dargelegt noch ist es aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Übergehen ihrer Beweisanträge gerügt hat oder weshalb ihr die Erhebung einer solchen Rüge nicht möglich war. Ausweislich des Sitzungsprotokolls des FG hat der fachkundige Vertreter der Klägerin zunächst unter Bezugnahme auf einen Schriftsatz verschiedene Beweisanträge gestellt —wobei es offen bleiben kann, ob es sich hierbei wegen der fehlenden Bezeichnung konkreter Beweisthemen überhaupt um ordnungsgemäß gestellte Beweisanträge gehandelt hat— und hat danach weiterhin rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt. Das FG hat daran anschließend festgestellt, dass das Wort zu weiteren Ausführungen nicht gewünscht werde, hat die mündliche Verhandlung geschlossen und hat nach Beratung das Urteil verkündet. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nicht zu diesem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit des FG auf den Beweisantrag gelenkt bzw. das Übergehen gerügt. Auf die Rüge ist damit wirksam verzichtet worden, so dass die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben kann.

2. Soweit dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen ist, dass das FG den Sachverhalt auch unabhängig von Beweisanträgen von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) hätte weiter aufklären müssen, wären für eine schlüssige Verfahrensrüge Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802, m.w.N.; vom VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37; vom XI B 160/94, BFH/NV 1995, 817; vom X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Die Klägerin weist zunächst auf verschiedene Gesichtspunkte hin, die sich ihrer Ansicht nach aus Unterlagen (wie z.B. Bericht des BAG, Betriebsprüfungsbericht, Kontrollbericht des BAG etc.) ergeben, ohne darzulegen, welche konkreten Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung hieraus für das FG hätten folgen müssen. Zwar lässt sich dem Beschwerdevorbringen insgesamt die von der Klägerin offenbar vertretene Ansicht entnehmen, dass sie dem Auftraggeber ihre Fahrzeuge mit den Fahrern im Rahmen von Miet- und Dienstverschaffungsverträgen zur Verfügung gestellt habe und dass deshalb der Auftraggeber selbst über die Fahrzeuge verfügt und auch die Fahrer wie eigene Arbeitnehmer eingesetzt habe, so dass allein der Auftraggeber Bewilligungs- und Pflichteninhaber im Verfahren der vorübergehenden Verwendung geworden sei. Die Klägerin trägt jedoch nichts dazu vor, weshalb die ihrer Ansicht nach gebotene weitere Aufklärung der zwischen ihr und ihrem Auftraggeber bestehenden zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes auch ohne entsprechende Beweisanträge hätte aufdrängen müssen.

Nach Ansicht des FG sind die auf die bei den Transporten eingesetzten Zugmaschinen und Anhänger entfallenden Einfuhrabgaben entstanden, weil mit den Fahrzeugen unzulässige Binnentransporte durchgeführt und damit die Bedingungen des für diese Straßenfahrzeuge formlos bewilligten Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung nicht eingehalten wurden, und es sind die Einfuhrabgaben auch zu Recht gegen die Klägerin festgesetzt worden, weil die Klägerin Inhaber dieses bewilligten Zollverfahrens war, da die Fahrzeuge in Österreich auf ihren Namen amtlich zugelassen waren, da die Fahrer bei der Einfuhr auch nicht für die Zollstelle erkennbar im Namen eines anderen Auftraggebers handelten, zumal der CMR-Frachtbrief die Klägerin als Frachtführer auswies, und da somit auch der Umstand, wer im Einzelnen den Anlass bzw. die Weisung für den Binnentransport gegeben hatte, nichts daran ändern konnte, dass die Klägerin Inhaber der Bewilligung war. Nach der Rechtsauffassung des FG, von der bei der Frage einer möglichen Verletzung der Sachaufklärungspflicht auszugehen ist, kam es somit —was das FG in den Entscheidungsgründen auch ausdrücklich hervorgehoben hat— auf die vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und ihrem Auftraggeber nicht an. Die Beschwerde tritt dem nicht entgegen. Sie vertritt letztendlich die Ansicht, dass die Auffassung des FG, dass die zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen keine Auswirkung auf die Person des Bewilligungsinhabers hätten, rechtsfehlerhaft sei. Damit wendet sich die Beschwerde aber allein gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

3. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde vorbringt, dass weitere Sachverhaltsaufklärungen seitens des FG zu dem Ergebnis geführt hätten, dass tatsächlich keine unzulässigen Binnentransporte durchgeführt worden, sondern dass die den aus Österreich eingeführten Warensendungen in Deutschland hinzugeladenen Waren noch einmal über Österreich umgeleitet worden seien, bevor sie an den Empfänger in Deutschland geliefert worden seien. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich insoweit dem FG —von seinem Standpunkt aus— eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes hätte aufdrängen müssen.

Das FG hat seine Entscheidung, dass unzulässige Binnentransporte durchgeführt worden seien, auf eine in den Akten befindliche Aussage des damaligen Prokuristen der Klägerin gestützt, wonach man seinerzeit auf Seiten der Klägerin die Zuladung von Waren in Deutschland und deren Weitertransport für zulässig gehalten und aus diesem Grund von einer nochmaligen Umleitung der Transporte über Österreich abgesehen habe. Mit dem anderslautenden Vorbringen der Klägerin hat sich das FG in dem angefochtenen Urteil eingehend auseinander gesetzt und ist schließlich zu der Auffassung gelangt, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte bestünden, an der Richtigkeit der damaligen, zu den fraglichen Geschehnissen zeitnahen Aussage des Prokuristen zu zweifeln. Dem FG dabei zwar vorliegende, aber von ihm unberücksichtigt gelassene Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht weitere Aufklärungsmaßnahmen im Sinne der Klägerin hätten geboten erscheinen lassen, zeigt die Beschwerde demgegenüber nicht auf. Es verbleibt mithin auch insoweit lediglich der Einwand der Beschwerde, dass das FG die ihm vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse unzutreffend gewürdigt habe, womit aber —wie bereits ausgeführt— ein Grund für die Zulassung der Revision nicht dargelegt werden kann.

Ob dem Beschwerdevorbringen die Rüge zu entnehmen ist, dass das FG den damaligen Prokuristen, auf dessen in den Akten befindliche Aussage es sich im Wesentlichen gestützt hat, nicht als Zeugen gehört hat, kann der Senat offen lassen. Insoweit kann unter Bezugnahme auf Nr. II. 1. der Gründe darauf verwiesen werden, dass die Klägerin ein etwaiges Rügerecht jedenfalls verloren hat. Auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ist eine Verfahrensvorschrift, auf deren Einhaltung ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten kann (, BFH/NV 2002, 667).

4. Soweit die Klägerin mit Schriftsätzen vom 10. März, 9. Mai und weitere Gründe nennt und Unterlagen vorlegt, welche ihrer Ansicht nach das FG zu weiter gehenden Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung hätten veranlassen müssen, dürfen diese nicht berücksichtigt werden, weil sie erst nach dem Ablauf der Begründungsfrist vorgetragen bzw. vorgelegt worden sind (vgl. , BFH/NV 1997, 694).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 529
BFH/NV 2004 S. 529 Nr. 4
CAAAB-16316