§ 204 AO; Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben (verbindliche Auskunft)
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für verbindliche Auskünfte Folgendes:
Die Finanzämter können nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. BStBl 1961 III S. 562, vom , BStBl 1981 II S. 538, und vom , BStBl 1983 II S. 459) auch außerhalb der Regelungen der §§ 204 ff. AO und des § 42 e EStG verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht.
1. Zuständigkeit
Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist bei dem Finanzamt zu stellen, das bei Verwirklichung des Sachverhalts voraussichtlich zuständig sein würde. Wird der Antragsteller noch nicht steuerlich geführt, ist auf die nach dem geschilderten Sachverhalt sich künftig ergebende Zuständigkeit abzustellen.
Dies gilt auch, wenn der Antragsteller steuerlich bereits geführt wird, er aber beabsichtigt, den zu beurteilenden Sachverhalt im Zuständigkeitsbereich eines anderen Finanzamts zu verwirklichen (z.B. Aufnahme einer Tätigkeit mit gleichzeitigem Wohnsitzwechsel; Beibehaltung des bisherigen Wohnsitzes, aber Verwirklichung des Sachverhalts im Zuständigkeitsbereich eines anderen Finanzamts im Rahmen einer gesonderten Feststellung). In diesen Fällen hat sich das künftig zuständige Finanzamt mit dem bisher zuständigen Finanzamt abzustimmen.
Die Bindungswirkung einer erteilten Auskunft bleibt auch im Falle eines späteren Zuständigkeitswechsels bestehen.
2. Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft
Der Antrag muss schriftlich gestellt werden und folgende Angaben enthalten:
Die genaue Bezeichnung des Antragstellers (Name, Wohnort, ggf. Steuernummer),
eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung eines ernsthaft geplanten, im Wesentlichen noch nicht verwirklichten Sachverhalts (keine unvollständige, alternative gestaltete oder auf Annahmen beruhende Darstellung, Verweisung auf Anlagen nur als Beleg),
die Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses,
eine ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes,
die Formulierung konkreter Rechtsfragen (wobei globale Fragen nach den eintretenden Rechtsfolgen nicht ausreichen),
die Erklärung, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen Finanzbehörde eine verbindliche Auskunft beantragt wurde sowie
die Versicherung, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen.
Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, eigens für die zu erteilende Auskunft Ermittlungen durchzuführen.
Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt im Wesentlichen bereits verwirklicht ist. Über Rechtsfragen, die sich aus einem bereits abgeschlossenen Sachverhalt ergeben, ist ausschließlich im Rahmen des Veranlagungs- oder Feststellungsverfahrens zu entscheiden. Denn in diesem Fall kann aufgrund der angestrebten Auskunft keine Disposition mehr getroffen werden. Das gilt auch, wenn der Sachverhalt erst nach Antragstellung, aber vor der Entscheidung über den Antrag verwirklicht wird.
Eine Auskunft kann auch erteilt werden, wenn der Antragsteller eine Auskunft für die ernsthaft geplante Umgestaltung eines bereits vorliegenden Sachverhalts begehrt. Das gilt insbesondere bei Sachverhalten, die wesentliche Auswirkungen in die Zukunft haben (z.B. Dauersachverhalte).
Verbindliche Auskünfte werden nicht erteilt in Angelegenheiten, bei denen die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund steht (z.B. Prüfung von Steuersparmodellen, Feststellung der Grenzpunkte für einen Gestaltungsmissbrauch oder für das Handeln eines ordentlichen Geschäftsleiters).
Die Befugnis, nach pflichtgemäßem Ermessen auch in anderen Fällen die Erteilung verbindlicher Auskünfte abzulehnen, bleibt unberührt (z.B. wenn zu dem Rechtsproblem eine gesetzliche Regelung, eine höchstrichterliche Entscheidung oder eine Verwaltungsanweisung in absehbarer Zeit zu erwarten ist).
3. Erteilung einer verbindlichen Auskunft
Bei der schriftlich zu erteilenden Auskunft hat das Finanzamt ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass
die Auskunft nach Treu und Glauben Bindungswirkung nur entfaltet, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht abweicht;
das Finanzamt bis zu der von der Auskunft abhängigen Disposition einen anderen rechtlichen Standpunkt einnehmen und die Auskunft entsprechend widerrufen kann;
die Auskunft außer Kraft tritt,
wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, geändert werden,
wenn das Finanzamt die Auskunft zulässigerweise mit Wirkung für die Zukunft widerruft oder
wenn das Finanzamt die Auskunft rückwirkend aufhebt, weil sie von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen oder durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist.
4. Bindungswirkung
Für das Finanzamt tritt eine Bindungswirkung aufgrund von Treu und Glauben ein, wenn der Antragsteller die von der Auskunft abhängig gemachte Disposition getroffen hat. Bis dahin kann das Finanzamt die Auskunft widerrufen oder einen anderen rechtlichen Standpunkt einnehmen. Gegenüber Dritten, denen die Auskunft selbst nicht erteilt wurde, tritt keine Bindungswirkung ein (vgl. BStBl 1990 II S. 991).
Um einen Vertrauenstatbestand zu schaffen, muss die Auskunft vor der Verwirklichung des Sachverhalts erteilt und ursächlich für seine Verwirklichung gewesen sein. Dabei wird nicht nur das Vertrauen der Antragsteller im Hinblick auf die Verwirklichung des Steuertatbestands, sondern auch hinsichtlich eines verfahrensrechtlichen Besitzstands geschützt. Insoweit bindet auch eine dem Gesetz widersprechende Auskunft das Finanzamt, es sei denn, der Antragsteller hat die Gesetzeswidrigkeit erkannt oder erkennen können.
Die Bindungswirkung tritt jedoch nur ein, wenn der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt mit dem bei der Beantragung der verbindlichen Auskunft vorgetragenen Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten übereinstimmt.
Hat das Finanzamt eine für den Antragsteller negative Auskunft erteilt und stellt es bei der späteren Veranlagung oder Feststellung fest, dass diese Auskunft unzutreffend war, ist es an die Auskunft nicht gebunden. Vielmehr hat es bei der Veranlagung oder Feststellung die zutreffende, für den Antragsteller möglicherweise günstigere Entscheidung zu treffen.
Die Bindungswirkung nach Treu und Glauben tritt nur dann ein, wenn die Auskunft von dem im Zeitpunkt der Auskunftserteilung zuständigen Beamten erteilt wurde. „Zuständiger Beamter„ in diesem Sinne ist der zur Vertretung des Finanzamts berufene, also der zur abschließenden Zeichnung berechtigte Beamte (vgl. BStBl 1990 II S. 274).
Das Finanzamt kann
eine unrichtige Auskunft mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder
eine Auskunft rückwirkend aufheben, wenn sie von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen oder durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist.
Im Einzelfall kann es aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein, von einem Widerruf der verbindlichen Auskunft abzusehen oder die Wirkung des Widerrufs zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Eine solche Billigkeitsmaßnahme wird in der Regel jedoch nur dann geboten sein, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mehr ohne erheblichen Aufwand bzw. unter beträchtlichen Schwierigkeiten von den im Vertrauen auf die Auskunft getroffenen Dispositionen oder eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zu lösen vermag. Der Steuerpflichtige ist vor einer Aufhebung oder Änderung zu hören (§ 91 Abs. 1 AO).
5. Rechtsbehelfsmöglichkeiten
Wird die verbindliche Auskunft antragsgemäß erteilt, so handelt es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. BStBl 1990 II S. 274).
Sind die für eine verbindliche Auskunft erforderlichen formellen Voraussetzungen zwar erfüllt, wird aber der Rechtsstandpunkt des Antragstellers nicht geteilt, so ist die Erteilung der Auskunft nicht abzulehnen. Die Auskunft ist mit dem vom Finanzamt als zutreffend erachteten Inhalt zu erteilen. Diese – für den Antragsteller negative – Auskunft ist ebenfalls kein Verwaltungsakt. Eine Rechtsbehelfsmöglichkeit ist damit nicht gegeben. Der Antragsteller muss deshalb auf das Festsetzungs- oder Feststellungsverfahren verwiesen werden, wenn er mit einer Auskunft nicht einverstanden ist und eine Klärung in einem Rechtsbehelfsverfahren anstrebt.
Wird der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft abgelehnt, weil die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder weil die Auskunft aus anderen Gründen nicht erteilt werden kann (z.B. wegen einer zu erwartenden gesetzlichen Regelung, höchstrichterlichen Entscheidung oder Verwaltungsanweisung), so stellt diese Ablehnung einen Verwaltungsakt dar. Sie enthält die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf verbindliche Auskunft hat. Gegen die Ablehnung ist der Einspruch gegeben (§ 347 AO). Mit dem Rechtsbehelf kann der Antragsteller lediglich geltend machen, dass die Erteilung der Auskunft in ermessensfehlerhafter Weise abgelehnt worden sei.
Dieses Schreiben tritt an die Stelle des (BStBl 1987 I S. 474) in der Fassung der Änderung durch das (BStBl 1990 I S. 146).
BMF v. - IV A 4
-S 0430 - 7/03
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2003 I Seite 742
NAAAB-15939