BFH Beschluss v. - IX B 121/02

Frage der Nichtanwendung von § 173 AO wegen Treu und Glauben nicht von grundsätzlicher Bedeutung

Gesetze: AO § 173; FGO § 115

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) oder zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) nicht vor.

a) Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bereits geklärt, unter welchen Voraussetzungen das Finanzamt (FA) gehindert ist, eine Einkommensteuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen nachträglich bekannt gewordener steuererhöhender Umstände —wie im Streitfall— zu ändern.

Danach ist das Recht des FA zur Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn ihm die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Auf Treu und Glauben können sich Steuerpflichtige aber nur berufen, wenn sie ihrerseits ihren Mitwirkungspflichten voll genügt haben (vgl. , BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241; vom VII R 58/87, BFHE 158, 466, BStBl II 1990, 249, und vom VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047). Das FA braucht nämlich Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu begegnen, sondern kann regelmäßig von der Richtigkeit und Vollständigkeit einer Steuererklärung ausgehen (vgl. , BFH/NV 1990, 1). Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA versäumt, den Sachverhalt aufzuklären —wie es im Streitfall in Betracht kommt—, dann trifft in der Regel die Verantwortlichkeit den Steuerpflichtigen mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (, BFHE 151, 333, BStBl II 1988, 115; vom I R 31/92, BFH/NV 1994, 661, betr. für FA nicht erkennbare Erklärung fremder Einkünfte als eigene).

b) Die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts (FG) beruht auf dieser —ausdrücklich in Bezug genommenen— Rechtsprechung; die Beschwerdebegründung lässt auch keine Rechtsfragen erkennen, die durch die vorbezeichnete Rechtsprechung noch nicht geklärt sind und in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden könnten.

Insbesondere beruht die Entscheidung nicht auf der von den Klägern für entscheidungserheblich gehaltenen Frage, ob allein das Nichtvorlegen von Belegen für geltend gemachte Aufwandspositionen die Annahme eines mitwirkenden Verschuldens des Steuerpflichtigen begründet. Vielmehr hat das FG entscheidend darauf abgestellt, dass die Kläger den für die steuerliche Beurteilung erheblichen Sachverhalt nicht eindeutig, vollständig und richtig geschildert haben. So hat das FG ausdrücklich zur Begründung seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Kläger zwar nicht den Sachverhalt unter die steuerrechtlichen Vorschriften hätten subsumieren, aber hinsichtlich der —hinsichtlich ihrer Werbungskosteneigenschaft streitigen und lediglich in der Steuererklärung als sonstige Kosten der Vermietung und Verpachtung gekennzeichneten— Vorfälligkeitsentschädigung auf die Art der Aufwendung hätten hinweisen müssen.

Infolgedessen ist im Rahmen eines Revisionsverfahrens die von den Klägern für entscheidungserheblich gehaltene Rechtsfrage, ob allein die fehlende Vorlage von Belegen für geltend gemachte Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als unzureichende Mitwirkung bei der Aufklärung des steuererheblichen Sachverhalts anzusehen ist, nicht klärbar, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einem entsprechenden Rechtssatz beruht.

2. Schließlich ist die Revision auch nicht wegen Verfahrensmängeln zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

a) Entgegen der Auffassung der Kläger hat das FG zu Recht in der Besetzung entschieden, die im Zeitpunkt der maßgeblichen letzten mündlichen Verhandlung —unstreitig— dem Geschäftsverteilungsplan bzw. der Liste der ehrenamtlichen Richter entsprach. Auf die Besetzung in früheren Verhandlungen kommt es nach ständiger Rechtsprechung nicht an (vgl. BFH-Beschlüsse vom VII R 72/90, BFH/NV 1992, 115; vom VIII R 70/93, BFH/NV 1997, 31, zum —hier nicht gegebenen— Sonderfall einer einheitlichen mündlichen Verhandlung über mehrere Sitzungstage, die eine einheitlich besetzte Richterbank voraussetzt).

b) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch Ablehnung des Vertagungsantrags können die Kläger nicht mehr geltend machen, nachdem sie diesen Mangel in der mündlichen Verhandlung, in der sie durch einen Steuerberater vertreten waren, nicht gerügt haben. Denn das Recht zur Rüge eines verzichtbaren Verfahrensmangels wie hier des Rechts auf rechtliches Gehör geht bereits durch rügelose Verhandlung zur Sache verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 149/00, BFH/NV 2001, 1037; vom V B 132/00, BFH/NV 2002, 531).

c) Schließlich kommt auch eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen Verletzung der Sachaufklärungspflicht nicht in Betracht.

Dabei kann dahinstehen, ob die Kläger die nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 42/02, BFH/NV 2003, 70; vom X B 34/02, BFH/NV 2003, 76) erforderlichen genauen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten, insbesondere zur Entscheidungserheblichkeit auf der Basis des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zur Frage der Belegvorlage hinreichend dargelegt haben. Denn ihre insoweit erhobenen Einwände richten sich lediglich gegen die Wertung einer Zeugenaussage durch das FG und betreffen damit die Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung, die jedoch als materiell-rechtlicher Fehler nicht zum Gegenstand eines Revisionszulassungsverfahrens wegen Verfahrensfehlern gemacht werden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 16/00, BFH/NV 2001, 202; vom XI B 25/01, BFH/NV 2002, 213; vom V B 77/00, BFH/NV 2002, 359).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
WAAAB-13807