BFH Urteil v. - V R 66/99 BStBl 2004 II S. 310

Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten eines Ferienhauses eines Gesellschafters bei entgeltlicher Nutzungsüberlassung an die Gesellschaft

Leitsatz

1. Hat sich der Eigentümer eines Ferienhauses mit anderen Ferienhauseigentümern zu einer GbR zusammengeschlossen, die die Ferienhäuser im eigenen Namen für Rechnung der Gesellschafter vermieten soll, und sind die Zahlungen der Gesellschaft an den Gesellschafter von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Hauses aufgrund der Überlassung der Nutzungsbefugnis abhängig, kann die Nutzungsüberlassung durch den Eigentümer an die Gesellschaft als entgeltlich beurteilt werden.

2. In Betracht kommt auch, dass schon deshalb von Vermietungsleistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft auszugehen ist, weil in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 3 UStG i.V.m. § 3 Abs. 11 UStG die Gesellschaft, die im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschafter vermietet, so behandelt wird, als ob sie diese Vermietungsleistung selbst erhalten hätte.

Gesetze: UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1UStG 1993 § 3 Abs. 3UStG 1993 § 3 Abs. 11UStG 1993 § 15 Abs. 1 Nr. 1Richtlinie 77/388/EWG Art. 6

Instanzenzug: FG Rheinland-Pfalz (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahre 1993 ein Grundstück zum Kaufpreis von 40 040 DM zuzüglich eines Betrages für die bisher vom Veräußerer getragenen Aufwendungen für die Errichtung eines Wohnhauses (Ferienhaus), das der Kläger im Oktober 1994 fertig stellen ließ.

Das Grundstück ist Teil eines parzellierten Areals der Ferienhausanlage "X", mit mehreren Einzel- und Doppelhäusern, die in den Jahren 1993 und 1994 errichtet worden sind. Die Eigentümer der Häuser schlossen sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen, deren Zweck nach dem Gesellschaftsvertrag die gemeinsame Durchführung der "Verwaltung, Bewirtschaftung und Vermietung der 15 Häuser und der Gesamtanlage ..." ist. Die Gesellschafter verpflichteten sich zu einer "einmaligen Einzahlung von 3.000 DM" für die Erstausstattung der Gesellschaft. Die Einnahmen sollten jedem Haus direkt zugeordnet werden. 80 v.H. der Einnahmen waren vierteljährlich an die Eigentümer auszubezahlen; bis zum 31. März des folgenden Jahres sollte die Jahresabrechnung erfolgen. Als Geschäftsführerin bestellten die Gesellschafter eine Steuerberaterin, der die Durchführung sämtlicher kaufmännischer Arbeiten der GbR wie z.B. auch die Werbung und der Abschluss von Verträgen mit Reiseveranstaltern oblag.

Die Anlage wurde von einem von der GbR angestellten Verwalter betreut. Entsprechend dem Gesellschaftsvertrag standen sämtliche Ferienhäuser der Wohnanlage "X" ständig zur Vermietung im Rahmen einer hotelmäßigen Organisation durch kurzfristige Überlassung an wechselnde Mieter bereit. Die GbR bot unter der Bezeichnung "X-Eigentümer GbR" die Ferienhäuser in Prospekten und über örtliche Fremdenverkehrsbüros an. Sie schloss mit verschiedenen Ferienhausgesellschaften sog. Kontingent-Verträge, mit denen sie als "Vermieter" den Reiseveranstaltern Ferienhäuser der Anlage "X" zu bestimmten Perioden - beginnend Ende 1994 - reservierte. Daneben vermietete die GbR die Häuser der Ferienhausanlage direkt; in diesen Fällen erhielt der jeweilige Feriengast unter Bezugnahme auf seine Reservierungsanfrage eine schriftliche "Reservierungsbestätigung" für den gebuchten Zeitraum. Die nach Bestätigung von den Feriengästen zu bezahlenden Entgelte vereinnahmte die GbR. Entsprechend der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag rechnete die GbR gegenüber den jeweiligen Eigentümern der Häuser entsprechend den für jedes Haus geführten Belegungslisten ab.

In den Umsatzsteuererklärungen für 1993 und 1994 machte der Kläger Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Herstellung des Ferienhauses in Höhe von 32 959,35 DM (1993) und von 17 597,90 DM (1994) geltend und gab für 1994 Vermietungsumsätze in Höhe von 1 162 DM an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) war der Auffassung, die Vermietungsleistungen an die Feriengäste habe die GbR erbracht, während die Überlassung der Nutzungsbefugnis an die Gesellschaft durch die Eigentümer nur ein umsatzsteuerlich nicht relevanter Gesellschafterbeitrag sei. Das FA ließ deshalb die vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zu, kürzte für 1994 die Umsätze um die erklärten Mieteinnahmen und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre 1993 und 1994 auf jeweils 0 DM fest.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bestätigte im Wesentlichen die Auffassung des FA.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Er trägt vor: Die GbR sei lediglich Treuhänderin gewesen und habe hierfür ein kostendeckendes Entgelt erhalten. Unabhängig davon stehe ihm der Vorsteuerabzug nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) schon dann zu, wenn er nur in sehr geringem Umfang einen Gegenstand zur Ausführung von steuerpflichtigen Umsätzen verwendet habe. Es sei unrealistisch anzunehmen, dass er in dem Ferienhaus nicht selbst zumindest ein Wochenende verbracht oder Freunden oder Verwandten die Möglichkeit eingeräumt hätte, in dem Ferienhaus entgeltlich oder unentgeltlich zu wohnen.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 1993 und 1994 dahin zu ändern, dass "für das Streitjahr 1993 Vorsteuern in Höhe von 32 959 DM und für das Streitjahr 1994 Vorsteuern in Höhe von 17 597 DM aus Rechnungen für Bauleistungen und Einrichtungsgegenstände im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb, der Errichtung und der gewerblichen Vermietung eines Ferienhauses zum Abzug zugelassen werden".

Das FA tritt der Revision entgegen.

Gründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) kann ein Unternehmer als Vorsteuerbeträge die ihm von anderen Unternehmern in Rechnung gestellten Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Der Anspruch des Klägers auf Abzug der ihm in Rechnung gestellten Steuern setzt demnach u.a. voraus, dass er Unternehmer ist und die Leistungen für sein Unternehmen bezogen hat. Soweit das FG das Vorliegen dieser Voraussetzungen verneint hat, hält das Urteil der Revision nicht stand. Die tatsächlichen Feststellungen des FG erlauben jedoch keine abschließende Entscheidung.

2. Der Kläger war Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG), der gegenüber seiner Gesellschaft Leistungen gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) erbracht hat oder der jedenfalls so zu behandeln ist, als habe er die Vermietungsleistungen der GbR an diese erbracht (vgl. unten unter 3.).

a) Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG kann (auch) ein Gesellschafter bereits durch die Vermietung eines einzigen Gegenstandes an die Gesellschaft sein (vgl. z.B. , BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269). Diese Beurteilung ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar (vgl. - J.Heerma -, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2000, 121, Rz. 19, 22, zu Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG - Richtlinie 77/388/EWG -).

Dabei ist davon auszugehen, dass der Kläger die Unternehmereigenschaft nicht aufgrund unmittelbarer Vermietung an Feriengäste erlangte. Denn die Würdigung des FG, dass nicht der Kläger, sondern die GbR an Feriengäste oder Touristikunternehmen vermietet hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Für die Bestimmung der Leistungsbeziehungen folgt das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich dem Zivilrecht (vgl. zuletzt , Der Betrieb - DB - 2000, 1209, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst - DStRE - 2000, 652). Die Auslegung des Vertrages sowie die tatsächliche Würdigung des hier maßgeblichen Auftretens der GbR nach außen durch das FG ist zumindest möglich und damit für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend (vgl. zur Bindung z.B. , BFHE 188, 415, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Anm. 17). Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob die Überlassung der Nutzungsbefugnis an die GbR umsatzsteuerrechtlich als entgeltliche Leistung oder als Gesellschafterbeitrag zu beurteilen ist.

b) Für die Frage der Steuerbarkeit von Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft und dementsprechend für die Berechtigung des Gesellschafters zum Abzug von Vorsteuer aus damit zusammenhängenden Vorbezügen kommt es allein darauf an, ob ein Leistungsaustausch i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegt (z.B. , BFHE 180, 204, BStBl II 1996, 387, m.w.N.); das Umsatzsteuerrecht enthält insoweit keine besonderen Regelungen für Personenvereinigungen. Steuerbare entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegen vor, wenn sie auf konkreten Leistungsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft beruhen, die auf den Austausch der Gesellschafterleistungen gegen Entgelt gerichtet sind (z.B. , BFHE 179, 186, BStBl II 1996, 176; vom XI R 12/96, BFHE 182, 395, BStBl II 1997, 374, jeweils m.w.N.) bzw., wenn zwischen der erbrachten Leistung und dem hierfür erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. , Slg. 1994, 743, 753 - Tolsma -).

Entgegen der Auffassung des FG genügt es für die Beurteilung der Nutzungsüberlassung des Gesellschafters an die Gesellschaft als entgeltliche Leistung, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag und dessen tatsächlicher Durchführung dem Gesellschafter für die Nutzungsüberlassung der Betrag zusteht, den die Gesellschaft durch die tatsächliche Vermietung seines Hauses vereinnahmt hat. Ohne Bedeutung ist insoweit, wenn - wie im Streitfall - der Gesellschafter zunächst nur Abschlagszahlungen erhält und der ihm zustehende Betrag erst im Rahmen der Überschussverteilung verrechnet wird. Sind die Zahlungen der Gesellschaft an den Gesellschafter von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Hauses durch die Gesellschaft aufgrund der Übertragung der Nutzungsbefugnis an die Gesellschafter abhängig, stehen Nutzungsüberlassung und Entgeltsanteil in einem Leistungsaustauschverhältnis (vgl. , BFHE 189, 196, BStBl II 1999, 580, sowie - zu entgeltlicher Lieferung an die Gesellschaft: vom V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757). Dass die Übertragung der Vermietungsbefugnis an die Gesellschaft auch notwendig ist, um den Gesellschaftszweck, die gemeinschaftliche Vermietung, erst zu ermöglichen, ist insoweit unerheblich.

Das FG hat sich für seine gegenteilige Auffassung auf die Gründe des Urteils des erkennenden Senats vom V R 178/83 (BFHE 153, 166, BStBl II 1988, 646) gestützt. Soweit sich aus dieser Entscheidung - die im Übrigen einen hinsichtlich der "Entgeltsvereinbarung" nicht in allen Punkten vergleichbaren Sachverhalt betraf - etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat hieran nicht mehr fest.

3. Im Streitfall ergibt sich somit die Steuerbarkeit der Leistungen des Klägers unmittelbar aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn man darauf abstellt, dass er sein Haus an die Gesellschaft gegen Entgelt vermietet hat.

In Betracht kommt aber auch, dass schon deshalb von Vermietungsleistungen des Klägers an die GbR auszugehen ist, weil nach § 3 Abs. 3 (analog), § 3 Abs. 11 UStG (Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) die GbR, die im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschafter vermietet, so zu behandeln ist, als habe sie die Vermietungsleistungen selbst erhalten.

Nach Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG sind Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung eines Dritten tätig werden, so zu behandeln, als ob sie diese Dienstleistung selbst erhalten und erbracht hätten. Mit Rücksicht auf diese Bestimmung hat der erkennende Senat im Urteil vom V R 79, 80/98 (BFHE 190, 235) entschieden, dass die Regelung für Kommissionsgeschäfte bei Lieferungen in § 3 Abs. 3 UStG für sonstige Leistungen entsprechend gilt. Dafür spricht auch § 3 Abs. 11 UStG. Danach sind, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung ausführt, die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistungen entsprechend anzuwenden. Mit dieser Regelung soll eine Gleichbehandlung der Besorgungsleistung mit der besorgten Leistung erreicht werden (vgl. BTDrucks 8/1779, S. 30). Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift war zwar bei deren Einführung der Sache nach - da das nationale Umsatzsteuerrecht bis zum In-Kraft-Treten der Richtlinie 77/388/EWG für die "Leistungskommission" eine § 3 Abs. 3 UStG entsprechende Regelung nicht vorgesehen hatte - im Wesentlichen beschränkt auf Beförderungsleistungen. § 3 Nr. 11 UStG umfasst nach Wortlaut und Zweck aber auch andere sonstige Leistungen. Für den Streitfall hätte dies zur Folge, dass die Leistung des Klägers - ebenso wie die der GbR als Vermietung von Wohnräumen, die zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereitgehalten werden - nicht nach § 4 Nr. 12 UStG steuerbefreit wären; einer Option hätte es nicht bedurft.

4. Für den Vorsteuerabzug, um den es hier geht, kann offen bleiben, ob der Kläger sein Ferienhaus an die GbR vermietet hat, oder ob ihm die Vermietung seines Ferienhauses durch die GbR an die Mieter als Vermietungsleistung zuzurechnen ist (oben 3.). In beiden Fällen ist der Vorsteuerabzug des Klägers nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

Eine entgeltliche Nutzungsüberlassung durch den Kläger an die GbR wäre zwar gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei, weil diese Überlassung nicht "kurzfristig" i.S. von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ist. Der Kläger hätte jedoch diesen Umsatz gemäß § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelt, indem er in seinen Steuererklärungen insoweit den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat (vgl. , BFHE 176, 491, BStBl II 1995, 426).

Sind hingegen die von der GbR erbrachten - jeweils kurzfristigen - Vermietungsleistungen dem Kläger nach den Grundsätzen der Leistungskommission bzw. des § 3 Nr. 11 UStG zuzurechnen, so sind diese Vermietungsleistungen (von vornherein) gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig.

Da das FG - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen zur Höhe der erklärten Umsätze - insbesondere auch nicht zu der vom Kläger erwähnten Eigennutzung bzw. zur unentgeltlichen Überlassung an Freunde oder Bekannte - getroffen hat, kann der Senat nicht selbst entscheiden; die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 310
BB 2000 S. 1661 Nr. 33
BFH/NV 2000 S. 1318
BFH/NV 2000 S. 1318 Nr. 10
BStBl II 2004 S. 310 Nr. 7
DB 2000 S. 1692 Nr. 34
DStR 2000 S. 1346 Nr. 32
DStRE 2000 S. 930 Nr. 17
INF 2000 S. 606 Nr. 19
UR 2000 S. 377 Nr. 9
LAAAB-04889