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BFH Beschluss v. - IX R 11/23

Beschwer für die gerichtliche Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO

Leitsatz

Die (finanzgerichtliche) Klage auf Schadenersatz nach Art. 82 der Datenschutz-Grundverordnung ist unzulässig, wenn es an einer vorherigen Ablehnung des Anspruchs seitens der Finanzbehörde und damit an einer für die Klageerhebung notwendigen Beschwer fehlt.

Gesetze: DSGVO Art. 79, 82; FGO § 40 Abs. 2; FGO § 67

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Die Beteiligten streiten um Schadenersatz wegen Verletzung datenschutzrechtlicher Normen.

2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wird beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) steuerlich geführt. Bei der Klägerin angestellt ist ihr Ehemann . (Z).

3 Bei der Klägerin fand eine Außenprüfung statt. Bei dieser kam es zum Streit über zahlreiche Punkte.

4 Die Klägerin erhob unter dem Aktenzeichen 16 K 2183/20 eine Klage beim Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg. Mit dieser Klage machte sie diverse Rechtsverstöße anlässlich der Außenprüfung geltend. Mit Schriftsatz vom machte die Klägerin im Rahmen eines Ablehnungsgesuchs geltend, das FA habe „nach glaubhafter Versicherung meines Angestellten Z dessen mobile Telefonnummer an [die oberste Landesfinanzbehörde] weitergegeben“. Nach Ansicht der Klägerin stellte dies eine Verletzung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-GrundverordnungDSGVO—) und des Steuergeheimnisses dar. Insoweit mache sie dies zu einem weiteren Gegenstand des Verfahrens.

5 Einen Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO gegenüber dem FA machte die Klägerin zunächst weder außergerichtlich noch in dem Klageverfahren 16 K 2183/20 geltend.

6 Den Streit um die behauptete Weitergabe der Mobilfunknummer des Z wertete das FG als neuen Streitgegenstand. Dazu nahm das FG ein neues Klageverfahren unter dem Aktenzeichen 16 K 16034/22 auf.

7 Die Klägerin erhob unter dem Aktenzeichen 16 K 2242/20 eine weitere Klage. Auch hier rügte sie eine Weitergabe der Mobilfunknummer des Z an die oberste Landesfinanzbehörde. Das FG wertete auch dies als neuen Streitgegenstand und nahm unter dem Aktenzeichen 16 K 16037/22 ein neues Verfahren auf.

8 Die Klägerin stellte in den beiden FG-Verfahren 16 K 16034/22 und 16 K 16037/22 mehrere Anträge auf Ablehnung der FG-Richter wegen Besorgnis der Befangenheit. Diese blieben sämtlich erfolglos.

9 Mit Beschluss vom wurden die beiden Klageverfahren 16 K 16034/22 und 16 K 16037/22 unter dem führenden Aktenzeichen 16 K 16034/22 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Auch in dem Verfahren 16 K 16037/22 machte die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO geltend.

10 Im Verfahren 16 K 16034/22 rügte die Klägerin die Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit zahlreicher Normen der Abgabenordnung (AO) sowie des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Eine erste mündliche Verhandlung fand am statt.

11 In der weiteren mündlichen Verhandlung vom beantragte die Klägerin erstmals —anstelle der Feststellung eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung— die Zahlung von Schadenersatz. Das FA nahm an der mündlichen Verhandlung nicht teil. Das FG wies in der mündlichen Verhandlung die Klägerin darauf hin, dass eine Klageänderung vorliege. Diese hielt das FG für sachdienlich.

12 Die Klage wurde mit Urteil vom  - 16 K 16034/22 als unbegründet abgewiesen. Die Weitergabe der Mobilfunknummer an die oberste Landesfinanzbehörde sei zulässig gewesen. Mangels Schaden bestehe kein Schadenersatzanspruch. Über einen festgestellten Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung hinaus sei der Nachweis eines konkreten (immateriellen) Schadens Voraussetzung für eine Entschädigung in Geld. Diesen habe die Klägerin nicht dargetan. Die von der Klägerin angesprochenen Verfahrensmängel lägen nicht vor. Ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit, über das noch nicht entschieden sei, liege nicht vor.

13 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Es lägen zahlreiche Verfahrensfehler vor. Zahlreiche Vorschriften der Abgabenordnung und des Bundesdatenschutzgesetzes verstießen gegen Europarecht und seien nicht verfassungskonform. Zudem regte die Klägerin an, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorzulegen, wie die Nachweispflichten für die Höhe eines immateriellen Schadens nach Art. 82 DSGVO auszulegen seien. Der gesetzliche Richter sei ihr entzogen worden. Der Senat des FG sei nicht zuständig gewesen.

14 Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das aufzuheben und das FA zu verurteilen, an die Klägerin 100 € Schadenersatz zu zahlen.

15 Das FA beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

16 Das FA ist der Ansicht, die Klägerin habe sich in dem Verfahren durch Z vertreten lassen, so dass die Revision durch den Schriftsatz vom nicht entsprechend § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet worden sei. Eine rechtliche Sichtung und Überprüfung des Streitstoffs durch die Prozessbevollmächtigte sei nicht erkennbar und erscheine deshalb zweifelhaft.

17 Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mitgeteilt, dass sie die Verantwortung für den Inhalt der Revisionsbegründung übernehme.

Gründe

II.

18 Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

19 Die Revision ist zulässig, aber unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

20 1. a) Nach § 120 Abs. 2 FGO ist die Revision zu begründen. Zur Vertretung vor dem Bundesfinanzhof (BFH) sind nach § 62 Abs. 4 FGO —soweit es sich wie hier nicht um juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt— nur Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 StBerG handeln, berechtigt. Aus beiden Normen der Finanzgerichtsordnung ergibt sich, dass der jeweilige Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die Begründung der Revision übernehmen muss; die Begründung der Revision muss daher von dem Prozessbevollmächtigten selbst stammen und erkennen lassen, dass dieser sich mit dem Streitstoff befasst, ihn insbesondere gesichtet, geprüft und rechtlich durchgearbeitet hat (vgl. Senatsbeschluss vom  - IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470, m.w.N.). Diesem Erfordernis ist nicht genügt, wenn die vertretungsberechtigte Person im Sinne von § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO sich damit begnügt, auf die Revisionsbegründung des nicht postulationsfähigen Revisionsklägers hinzuweisen, und die Revisionsschrift nicht erkennen lässt, dass er sich selbst mit dem Prozessstoff befasst, ihn gesichtet, geprüft sowie rechtlich durchgearbeitet hat (vgl. , BFH/NV 1986, 175).

21 b) Bei der Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Revision formgerecht begründet worden ist. Denn die Prozessbevollmächtigte hat anwaltlich versichert, dass die Revisionsbegründung von ihr stamme und sie die Verantwortung für den Inhalt übernehme.

22 2. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zwar hätte es die Klage richtigerweise als unzulässig abweisen müssen. Das angefochtene Urteil ist trotz dieses Rechtsfehlers nicht aufzuheben, weil der Tenor des Urteils richtig ist.

23 Es kann offenbleiben, ob die Klägerin überhaupt anspruchsberechtigt ist, hinsichtlich der Mobilfunknummer ihres Ehemanns Z einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen (dazu unter a). Das FG hätte in der Sache allerdings nicht über den erstmals im Klageverfahren geltend gemachten Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO entscheiden dürfen, weil keine zulässige Klageänderung im Sinne von § 67 Abs. 1 Halbsatz 1 FGO vorlag. Die Klage war unzulässig, weil die Klägerin nicht nach § 40 Abs. 2 FGO beschwert war. Weder die Datenschutz-Grundverordnung noch weitere unionsrechtliche Vorschriften stehen dem Erfordernis der Beschwer nach § 40 Abs. 2 FGO entgegen (dazu unter b und c).

24 a) Ob die Klägerin hinsichtlich der Weitergabe der Mobilfunknummer des Z an die oberste Landesfinanzbehörde überhaupt einen Schadenersatzanspruch geltend machen kann, braucht nicht entschieden zu werden. Insoweit ist noch ungeklärt, ob nur der Betroffene, dessen personenbezogene Daten rechtswidrig verarbeitet wurden, einen Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO geltend machen kann oder jede Person, der wegen der Datenverarbeitung ein Schaden entstanden ist. Erwägungsgrund 146 Satz 6 („betroffenen Personen“) sowie die Tatsache, dass die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung regelmäßig auf den Betroffenen abstellen, legen zwar Ersteres nahe (vgl. zu der Frage u.a. Becker in: Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl., Art. 82 DSGVO Rz 2; BeckOK DatenschutzR/Qaas, 53. Ed. , DS-GVO Art. 82 Rz 37; Gola/Heckmann/Gola/Piltz, DS-GVO, 3. Aufl., Art. 82 Rz 11; Kühling/Buchner/Bergt, 4. Aufl., DS-GVO, Art. 82 Rz 13 f.; Golland, NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht 2023, 1845, 1848, m.w.N.). Einer Entscheidung des erkennenden Senats bedarf es hierzu aber nicht, da der Revision der Klägerin bereits aus den nachfolgenden Gründen der Erfolg zu versagen ist.

25 b) Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärte Änderung des Klagegegenstands war nicht sachdienlich und damit unzulässig.

26 aa) Bei der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs im Verfahren 16 K 16034/22 handelt es sich um eine Klageänderung in der Form einer objektiven Klagehäufung, also um eine Änderung des Streitgegenstands während der Rechtshängigkeit (vgl. , BFHE 172, 488, BStBl II 1994, 210, unter II.3.). Denn vor der mündlichen Verhandlung vom hatte sich die Klägerin in keiner Weise zu einem Schadenersatzanspruch verhalten.

27 bb) Eine Klageänderung gemäß § 67 Abs. 1 Halbsatz 1 FGO ist nur zulässig, wenn nicht nur für das ursprüngliche, sondern auch für das geänderte Klagebegehren die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind. Das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen steht nicht zur Disposition der Beteiligten, es kommt also nicht allein darauf an, ob das FG die Klageänderung für sachdienlich hält oder der Beklagte zustimmt (vgl. , Rz 9, sowie Senatsurteil vom  - IX R 8/24, Rz 23). Durch eine Klageänderung dürfen die Sachurteilsvoraussetzungen nicht unterlaufen werden (Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 67 Rz 18; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 41 FGO Rz 587).

28 Das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen hat der BFH als Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (, BFHE 284,12, BStBl II 2024, 406, Rz 17, und vom  - IX R 20/22, BFHE 284, 551, Rz 23). Er kann dazu eigene Feststellungen treffen (vgl. , Rz 15, m.w.N.).

29 cc) Die Beschwer nach § 40 Abs. 2 FGO muss als Sachurteilsvoraussetzung schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung gegeben sein und kann nicht durch eine nachträgliche Korrektur des Begehrens während der Instanz bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung geschaffen werden (Senatsurteil vom  - IX R 20/22, BFHE 284, 551, Rz 23; Gräber/Teller, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 40 Rz 76; Münch in HHSp, § 40 FGO Rz 160).

30 dd) § 40 Abs. 2 FGO macht im Fall der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und allgemeinen Leistungsklage die Zulässigkeit der Klage ausdrücklich davon abhängig, dass der Kläger die Verletzung eigener Rechte geltend macht (von Beckerath in Gosch, FGO § 40 Rz 25). Die in § 40 Abs. 2 FGO benannte Ablehnung durch die Behörde setzt zwingend voraus, dass der Erlass eines Verwaltungsakts oder die bestimmte Handlung der Behörde vorher beantragt wurde (Senatsurteil vom  - IX R 20/22, BFHE 284, 551, Rz 25). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob es sich im Fall der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO um eine Leistungsklage (ausdrücklich , zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 14; offengelassen in , BFHE 275, 571, BStBl II 2022, 535) handelt.

31 ee) Der Senat hat bereits entschieden, dass eine auf Auskunftserteilung gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO gerichtete Klage mangels Beschwer grundsätzlich unzulässig ist, wenn es an einem dem Klageverfahren vorausgehenden außergerichtlich gestellten Antrag auf Auskunftserteilung fehlt (Senatsurteil vom  - IX R 20/22, BFHE 284, 551; vgl. auch und vom  - IX R 2/23, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Diese Grundsätze gelten entsprechend und ungeachtet der Klageart für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO.

32 aaa) Aus der Datenschutz-Grundverordnung ergibt sich nichts Abweichendes.

33 Die nationalen Verfahrensvorschriften bestimmen, wie die von der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzuführen sind (vgl. EuGH-Urteil Budapesti Elektromos Muvek vom  - C-132/21, EU:C:2023:2, Rz 46). Das gilt auch, soweit der Schutz der dem Einzelnen aus Art. 82 DSGVO erwachsenen Rechte gewährleistet werden soll (EuGH-Urteile Natsionalna agentsia za prihodite vom  - C-340/21, EU:C:2023:986, Rz 60, und Österreichische Post (Préjudice moral lié au traitement de données personnelles) vom  - C-300/21, EU:C:2023:370, Rz 54). Zu beachten ist allerdings, dass diese Modalitäten bei unter das Unionsrecht fallenden Sachverhalten nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren —Effektivitätsgrundsatz— (vgl. z.B. EuGH-Urteil Pateretaju tiesibu aizsardzibas centrs vom  - C-507/23, EU:C:2024:854, Rz 31 und 32, m.w.N.). Danach ist es zwar grundsätzlich Sache des nationalen Rechts, die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu bestimmen; doch verlangt das Unionsrecht, dass die nationalen Rechtsvorschriften das Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nicht beeinträchtigen (vgl. EuGH-Urteil Deutsche Lufthansa vom  - C-379/18, EU:C:2019:1000, Rz 60, m.w.N.; Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union).

34 (1) Art. 82 DSGVO enthält in seinem Abs. 6 Regelungen zur gerichtlichen Geltendmachung des Schadenersatzes. Danach sind mit den Gerichtsverfahren zur Inanspruchnahme des Rechts auf Schadenersatz die Gerichte zu befassen, die nach den in Art. 79 Abs. 2 DSGVO genannten Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zuständig sind. Die Regelungen in Art. 79 Abs. 2 DSGVO betreffen allerdings lediglich die Zuständigkeit, indem sie dem Betroffenen grundsätzlich ein Wahlrecht einräumen, vor welchem Gericht er seine Ansprüche gegen den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter geltend machen will, dem der Niederlassung des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters oder dem des Ortes seines gewöhnlichen Aufenthalts.

35 (2) Dies folgt auch aus den Regelungen in Art. 82 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO.

36 Der immaterielle Schadenersatzanspruch kann auch durch eine Entschuldigung erfüllt werden. Die Form des Schadenersatzes hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. EuGH-Urteile Pateretaju tiesibu aizsardzibas centrs vom  - C-507/23, EU:C:2024:854, Rz 36, und Quirin Privatbank vom  - C-655/23, EU:C:2025:655, Rz 79), weshalb die Entscheidung über die Art der Schadenersatzleistung primär dem Verantwortlichen als Verursacher des Schadens obliegt.

37 Der Verantwortliche wird nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO von der Haftung befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist. Es macht prozessökonomisch Sinn, dass der Verantwortliche seine Einwände zu einem frühen Zeitpunkt geltend macht, um dem Betroffenen die Einschätzung seines gerichtlichen Risikos zu ermöglichen. Schließlich überprüfen die Finanzgerichte die Entscheidung der Behörde. Hierzu ist der tatsächliche Vortrag der Behörde notwendig.

38 (3) Anders als die Klägerin meint, schließt Art. 79 DSGVO nicht das Erfordernis der Beschwer aus. Nach Art. 79 DSGVO besteht das Recht auf gerichtlichen Rechtsbehelf unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs. Das bedeutet, dass der gerichtliche Rechtsbehelf nicht durch anderweitige Rechtsbehelfe beschränkt werden darf. Art. 79 DSGVO spricht von einem verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelf, mithin von einem Vorverfahren nach § 44 Abs. 1 FGO. Die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs und die Befassung der Finanzbehörde mit diesem Begehren stellt kein Vorverfahren dar, denn es handelt sich gerade nicht um das Einspruchsverfahren nach § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 AO.

39 (4) Was den Äquivalenzgrundsatz betrifft, bestehen keine Zweifel an der Vereinbarkeit des § 40 Abs. 2 FGO mit diesem Grundsatz. Denn eine Differenzierung nach innerstaatlichen und unionsrechtlichen Sachverhalten erfolgt nicht. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf die Unterschiede in verschiedenen Verfahrensordnungen des deutschen Rechts an.

40 Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, ist ausgeschlossen, dass die vorherige Befassung des Verantwortlichen mit dem Schadenersatzbegehren des Betroffenen die Ausübung der durch das Unionsrecht und insbesondere durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Denn dem Betroffenen steht gegen die Entscheidung des Verantwortlichen der Rechtsweg zu den Finanzgerichten offen. Von einem Verstoß gegen das „Gebot eines zügigen und wirksamen Rechtsschutzes“ und einer „faktischen Entwertung“ kann deshalb keine Rede sein.

41 bbb) Das Erfordernis der vorherigen Befassung durch eine Behörde findet sich auch in anderen datenschutzrechtlich geprägten Zusammenhängen.

42 So hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) für den Löschungsanspruch nach Art. 17 DSGVO entschieden, dass eine Klage auf Löschung unzulässig ist, wenn es an einem entsprechenden vorherigen Antrag bei der Behörde fehlt (vgl. 6 C 7.20, BVerwGE 175, 76, Rz 57). Dies gilt unabhängig davon, ob für den Löschungsantrag die Verpflichtungsklage oder die allgemeine Leistungsklage statthaft ist. Das Erfordernis der behördlichen Vorbefassung hat für beide Klagearten Geltung.

43 ccc) Dem steht nicht entgegen, dass nach Auffassung des BSG der Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO vorprozessual nicht gegenüber der Behörde geltend gemacht werden muss (, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 14). Eine Verwaltungsentscheidung vor Klageerhebung sei weder nach der Datenschutz-Grundverordnung noch nach nationalem Recht vorgesehen. Dem Interesse des Verantwortlichen, im Fall der unmittelbaren Klageerhebung durch Gerichtskosten nicht belastet zu werden, könne danach durch ein sofortiges Anerkenntnis der Behörde (§ 197a Abs. 1 des SozialgerichtsgesetzesSGG— i.V.m. § 156 der Verwaltungsgerichtsordnung) Rechnung getragen werden.

44 Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil sich die jeweiligen Verfahrensordnungen erheblich unterscheiden. Denn § 54 Abs. 5 SGG sieht für die allgemeine Leistungsklage —anders als § 40 Abs. 2 FGO— keine vorherige Ablehnung der Leistung durch die Behörde vor. Diese unterschiedliche Behandlung, welche im Übrigen auch bei Schadenersatzklagen gegen private Verantwortliche gegeben sein kann, widerspricht nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—). Der Gesetzgeber kann zulässigerweise verschiedene Verfahrensordnungen unterschiedlich ausgestalten. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) liegen darin nicht.

45 c) Im Streitfall fehlt die vorprozessuale Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs. Auch nach einem entsprechenden Hinweis des Senatsvorsitzenden vom hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass und wann sie sich wegen des Schadenersatzes an das FA gewandt hatte.

46 aa) Zwar kann es nach der Rechtsprechung des BVerwG aus prozessökonomischen Gründen angezeigt sein, auf das Erfordernis des vorherigen Antrags bei der Behörde zu verzichten, wenn das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung als bloße Förmelei erscheint, weil die Behörde klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie einen solchen Antrag definitiv ablehnen wird (vgl. 6 C 7.20, BVerwGE 175, 76, Rz 58).

47 bb) So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob unter Anwendung dieser Grundsätze eine konkludente Ablehnung —wie sie die Klägerin behauptet— ausreichen kann. Denn jedenfalls hat das FA den Schadenersatzanspruch bereits deshalb vorprozessual nicht konkludent abgelehnt, weil dieser Anspruch in keiner Weise angesprochen worden war. Weder außergerichtlich noch in ihrer umfangreichen Klagebegründung im erstinstanzlichen Verfahren hat sich die Klägerin zuvor dazu geäußert und ein Schadenersatzbegehren angebracht. Die Klägerin hat den Schadenersatzanspruch erstmals im Klageverfahren in der mündlichen Verhandlung vom geltend gemacht. Das FA konnte den Antrag auf Zahlung von Schadenersatz noch nicht einmal im Verfahren selbst ablehnen, da es an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hatte und bis dahin die Klägerin keinen Schadenersatz geltend gemacht hatte. Bis jetzt hat sich das FA nicht zu dem Schadenersatzbegehren der Klägerin geäußert und in keiner Weise eindeutig zu erkennen gegeben, wie es über einen Schadenersatzanspruch entscheiden werde, zum Beispiel ob es die Forderung anerkennt und die Klägerin klaglos stellt.

48 cc) Selbst wenn ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO rechtswidrig abgelehnt worden wäre, läge darin keine konkludente Ablehnung eines Schadenersatzanspruchs. Das ursprüngliche Klagebegehren der Klägerin bezog sich auf diverse Rechtsverstöße anlässlich der Außenprüfung sowie die vermeintliche Weitergabe der Mobilfunknummer des Z an die oberste Landesfinanzbehörde. Nach Ansicht der Klägerin stellte dies eine Verletzung der Datenschutz-Grundverordnung und des Steuergeheimnisses dar. Das Schadenersatzbegehren stellt demgegenüber einen vollständig neuen Streitgegenstand dar, der nur in Teilbereichen mit dem bisherigen Vorbringen im Zusammenhang steht. Insoweit bedarf die Geltendmachung von Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO der tatrichterlichen Feststellung zahlreicher Tatbestandsmerkmale, die im Rahmen einer umfangreichen Sachaufklärung zu ermitteln sind (vgl. u.a. EuGH-Urteile Österreichische Post (Préjudice moral lié au traitement de données personnelles) vom  - C-300/21, EU:C:2023:370; MediaMarktSaturn vom  - C-687/21, EU:C:2024:72; PS (Adresse erronée) vom  - C-590/22, EU:C:2024:536; Pateretaju tiesibu aizsardzibas centrs vom  - C-507/23, EU:C:2024:854; , BGHZ 242, 180, Rz 21 ff.; Überblick bei Daum, Recht der Datenverarbeitung 2025, 10 f.). Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Klägerin eine Vielzahl von Datenschutzverstößen in ihrem bisherigen Klagevorbringen gerügt hat.

49 3. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen, die der Senat sämtlich zur Kenntnis genommen hat, greifen nicht durch oder sind nicht entscheidungserheblich.

50 a) Die Rüge der Klägerin, sie sei entgegen § 119 Nr. 1 FGO, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden, greift nicht durch. Der Geschäftsverteilungsplan des FG weist das Verfahren eindeutig dessen 16. Senat zu. Der 16. Senat hat seine Besetzung zutreffend aus dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan hergeleitet. Das FG war bei der Entscheidung der Streitsache daher vorschriftsmäßig im Sinne des § 119 Nr. 1 FGO besetzt.

51 b) Die von der Klägerin gestellten Befangenheitsanträge sind vom FG sämtlich mit nachvollziehbarer Begründung und keinesfalls willkürlich beschieden worden (vgl. ständige Rechtsprechung, u.a. , Rz 14, m.w.N.). Gründe, die auf eine Befangenheit der zuständigen Richter des FG schließen lassen, werden von der Klägerin zudem nicht nachvollziehbar und substantiiert vorgetragen. § 119 Nr. 2 FGO ist daher nicht verletzt.

52 c) Die mündliche Verhandlung vor dem FG fand auf Antrag der Klägerin nicht öffentlich statt (§ 52 Abs. 2 FGO). Die Tatsache, dass sich nicht angeschaltete Videokameras im Sitzungssaal befanden und die Klägerin deren Ausschaltung bestreitet, führt nicht zu einem Verstoß gegen § 119 Nr. 5 FGO. Denn der absolute Revisionsgrund des § 119 Nr. 5 FGO liegt nur vor, wenn in einem zwingend öffentlichen Verfahren die Öffentlichkeit nicht hergestellt war, nicht hingegen, wenn —wie hier— nur das private Interesse an der Nichtöffentlichkeit geschützt werden soll (vgl. , BFH/NV 2006, 752, unter 1.a; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 119 Rz 33). Soweit zugleich ein einfacher Verfahrensmangel gerügt werden soll (§ 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 171b des Gerichtsverfassungsgesetzes, § 52 Abs. 2 FGO), ist die Rüge nicht schlüssig erhoben, weil Ausführungen dazu fehlen, inwieweit das Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhen soll.

53 d) Auf eine mögliche Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) oder des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) kommt es nicht entscheidungserheblich an, da die Klage der Klägerin unzulässig ist. Gleiches gilt für die Frage, ob das FG Z zum Verfahren hätte beiladen müssen oder ob die Klägerin Gelegenheit zur Einsicht in die vollständige Akte des FG hatte. Soweit sich die Klägerin gegen die Abtrennung des Verfahrens wendet, hat sie weder substantiiert vorgetragen, dass die Verfahrenstrennung willkürlich erfolgt war noch dass sie dadurch prozessual in der Wahrnehmung ihrer Rechte behindert worden war (vgl. z.B. , Rz 6, m.w.N.).

54 4. Einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bedarf es im vorliegenden Verfahren nicht. Die Klage ist unzulässig und die Rechtslage ist eindeutig („acte clair“, , Rz 55; EuGH-Urteil Srl CILFIT und Lanificio di Gavardo SpA gegen Ministero della Sanità vom  - C-283/81, EU:C:1982:335, Rz 16) beziehungsweise bereits durch die aufgezeigte Rechtsprechung des EuGH in einer Weise geklärt, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt („acte éclairé“, , Rz 55, sowie EuGH-Urteil Srl CILFIT und Lanificio di Gavardo SpA gegen Ministero della Sanità vom  - C-283/81, EU:C:1982:335, Rz 14). Insbesondere hat der EuGH geklärt, dass die nationalen Verfahrensvorschriften bestimmen, wie die von der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzuführen sind (vgl. EuGH-Urteile Budapesti Elektromos Muvek vom  - C-132/21, EU:C:2023:2, Rz 46; Österreichische Post (Préjudice moral lié au traitement de données personnelles) vom  - C-300/21, EU:C:2023:370, Rz 54; Natsionalna agentsia za prihodite vom  - C-340/21, EU:C:2023:986, Rz 60).

55 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:B.150925.IXR11.23.0- 14 -

Fundstelle(n):
FAAAK-06902