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BVerwG Beschluss v. - 4 BN 12.25

Erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde; Festsetzung zum Anteil von Dauerwohnungen bei Errichtung von Wohngebäuden in einem Sondergebiet

Leitsatz

In einem Sondergebiet "Dauerwohnen und Fremdenbeherbergung" ist eine Festsetzung, nach der bei der Errichtung von Wohngebäuden ein bestimmter Anteil der Brutto-Grundfläche für Dauerwohnungen zu verwenden ist, eine solche zur Art der baulichen Nutzung im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO.

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein Az: 1 KN 1/21 Urteil

Gründe

1Die ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

2Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. 4 BN 22.24 - juris Rn. 3 m. w. N.).

3Die sinngemäße Frage,

ob eine Festsetzung in einem Bebauungsplan für ein sonstiges Sondergebiet "Dauerwohnen und Fremdenbeherbergung", nach der bei der Errichtung von Wohngebäuden mindestens 30 % der "Brutto-Grundfläche" für Dauerwohnungen zu verwenden sind, eine Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB, § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist,

bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Norminterpretation beantworten (stRspr, vgl. 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270>).

4Gemäß § 1 Abs. 2 BauNVO wird die Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan allgemein durch die Ausweisung von Baugebieten festgesetzt. Die sonstigen Sondergebiete sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden (§ 11 Abs. 1 BauNVO). Für sie sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung im Bebauungsplan darzustellen und festzusetzen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Hierzu gehört die Entscheidung, welche Anlagen allgemein zulässig, unzulässig oder ausnahmsweise zulassungsfähig sind. Ferner können in diesem Rahmen auch besondere Festsetzungen zur Gliederung des Gebiets getroffen werden; der Verordnungsgeber will die Gestaltungsmöglichkeiten der Baunutzungsverordnung bei der Festsetzung von Sondergebieten gegenüber den Gebietsarten nach den §§ 2 bis 9 BauNVO nicht beschränkt wissen. § 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO stellt in diesem Zusammenhang klar, dass es für besondere Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung des Rückgriffs auf § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO nicht bedarf, sondern diese in Sondergebieten unmittelbar auf Grundlage des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO erfolgen (vgl. BR-Drs. 354/89 S. 40; 4 CN 7.12 - BVerwGE 147, 138 Rn. 16 und Beschluss vom - 4 BN 10.13 - BauR 2014, 59 Rn. 7). Die Gemeinde ist dabei nicht an die in § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO für die normativ ausgestalteten Baugebiete eröffneten Differenzierungsmöglichkeiten gebunden. Dies gilt sowohl im Hinblick auf deren nähere Voraussetzungen als auch auf die Begrenzung der inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Der Gestaltungsspielraum nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist aber nicht unbegrenzt. Die Regelungen müssen stets auf die Befugnis zurückgeführt werden können, die Art der baulichen Nutzung zu regeln. Die Gemeinde muss daher den Gedanken der vorhabenbezogenen Typisierung beachten, der der Baunutzungsverordnung zugrunde liegt (so bereits zur BauNVO 1977 4 N 3.84 - Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 6 S. 26 f.; vgl. ferner Urteile vom - 4 CN 5.01 - Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 25 S. 6 f., vom - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 17 und vom - 4 CN 5.20 - BauR 2022, 880 <882>).

5Die streitgegenständliche Festsetzung konkretisiert den zulässigen Umfang der Nutzungsarten durch eine prozentuale Mindestquote für Dauerwohnen bei Errichtung von Wohngebäuden. Dies geht über die in § 1 Abs. 7 BauNVO vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten hinaus, die lediglich differenzierende Festsetzungen für bestimmte Geschosse, Ebenen oder sonstige (örtlich lokalisierte) Teile baulicher Anlagen umfassen ( 4 NB 13.90 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 10 S. 23 f.). Die Festsetzung ist inhaltlich vielmehr an die Regelungen in § 4a Abs. 4 Nr. 2 Alt. 1, § 6a Abs. 4 Nr. 3 Alt. 1 und Nr. 4 Alt. 1, § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 BauNVO angelehnt, nach denen im Bebauungsplan bestimmt werden kann, dass ein bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist. Diese stellen eine Ergänzung der Festsetzungsmöglichkeiten zur Gliederung des Baugebiets nach § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO dar (Wahlhäuser, in: Bönker/​Bischopink, BauNVO, Stand August 2023, § 4a Rn. 141) und unterscheiden sich von § 1 Abs. 7 BauNVO nur im Anknüpfungspunkt. Sie sind daher gleichfalls als Festsetzung zur (Feinsteuerung der) Art der baulichen Nutzung einzustufen (vgl. Stock, in: Ernst/​Zinkahn/​Bielenberg/​Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2025, § 4a BauNVO Rn. 84; Wahlhäuser, in: Bönker/​Bischopink, BauNVO, Stand August 2023, § 4a Rn. 156). Nichts Anderes gilt, wenn die Gemeinde - wie hier - anstelle der Geschossfläche als Bezugspunkt für die Quotierung die Brutto-Grundfläche nach DIN 277-1 wählt. Auf diese Weise kann die Art der Nutzung in einem Sondergebiet "Dauerwohnen und Fremdenbeherbergung" gebietsadäquat gesteuert werden.

6Eine solche Festsetzung verlässt auch nicht das System der vorhabenbezogenen Typisierung, auf dem die Vorschriften der Baunutzungsverordnung zur Art der baulichen Nutzung beruhen. Die Quotierung der Nutzungsart "Dauerwohnen" bezieht sich auf "Wohngebäude" und erfolgt vorhabenabhängig. Eine der Baunutzungsverordnung fremde und daher unzulässige, auf das gesamte Baugebiet bezogene Kontingentierung ist damit nicht verbunden; insoweit bedarf es auch keiner speziellen Ermächtigungsgrundlage für die Festlegung von (Mindest-)Nutzungsanteilen (vgl. dazu 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 16 f. und vom - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 17 f.). Die zu den § 4a Abs. 4 Nr. 2, § 6a Abs. 4 Nr. 3 und § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO umstrittene Frage, ob Bezugspunkt der Festsetzung abweichend vom Wortlaut ("Gebäude") das Baugrundstück ist, stellt sich hier so nicht, weil die Festsetzung ihre Grundlage - wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat - in § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO findet und bei "Errichtung" von Gebäuden gilt. Zudem ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass Dauerwohnen und Ferienwohnungen jedenfalls dann in einem sonstigen Sondergebiet kombiniert werden können, wenn die Nutzungen in einem Gebäude stattfinden ( 4 C 5.16 - BVerwGE 160, 104 LS 2, Rn. 24 ff. zur BauNVO in der bis zum geltenden Fassung). Mit der Ausweisung solcher Gebiete wird regelmäßig das planerische Ziel der Erhaltung und Fortentwicklung der Wohnnutzung in touristisch geprägten Gemeinden sowie der Bewältigung des der Nutzungsmischung eigenen Konfliktpotentials (vgl. von Nicolai, NordÖR 2015, 361 <365 f.>) verfolgt. Dieses städtebaulich vernünftige Ziel rechtfertigt eine gebäudebezogene Festsetzung.

7Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 8 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:101125B4BN12.25.0

Fundstelle(n):
TAAAK-06825