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BSG Urteil v. - B 6 KA 9/24 R

Instanzenzug: SG Marburg Az: S 17 KA 88/23 Urteil

Tatbestand

1Im Streit steht die Feststellung eines sonstigen Schadens, da der klagende Facharzt Sprechstundenbedarfsverordnungen nicht persönlich unterzeichnete. Vielmehr kam ein Unterschriftenstempel (Faksimilestempel) zum Einsatz.

2Auf Antrag der zu 2. beigeladenen Krankenkasse setzte die Prüfungsstelle für die Quartale 1/2015 bis 2/2018 sowie - zunächst auch - 4/2018 einen Regress iHv 491 163,98 Euro netto fest und berücksichtigte dabei Herstellerrabatte iHv 1175,32 Euro (Bescheid vom ). Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass es bereits an einer Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines sonstigen Schadens fehle. Nachdem die Beigeladene zu 2. in der Sitzung des Beschwerdeausschusses den Antrag für das Quartal 4/2018 zurückgenommen hatte, hob der beklagte Beschwerdeausschuss den Bescheid der Prüfungsstelle hinsichtlich dieses Quartals iHv 3933,41 Euro auf, wies aber im Übrigen den Widerspruch als unbegründet zurück (Beschluss vom /Bescheid vom ).

3Die hiergegen gerichtete Klage des Klägers hat das SG abgewiesen (Urteil vom ). Rechtsgrundlage für die Festsetzung des sonstigen Schadens sei § 48 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) iVm § 15 der landesrechtlichen Prüfvereinbarung. Die Kompetenz zum Erlass des BMV-Ä folge aus § 82 Abs 1 SGB V, der eine Generalermächtigung zur Regelung des allgemeinen Inhalts der Gesamtverträge enthalte. Hierdurch werde eine Selbstverwaltung durch koordinationsrechtliche Verträge ermöglicht. Den Selbstverwaltungskörperschaften komme insoweit auch eine Normsetzungsbefugnis zu, welche allerdings von gesetzlichen, die Struktur des Systems bestimmenden Vorgaben abhängig sei. Diese Systemstruktur werde durch § 72 Abs 2 SGB V vorgegeben, in dem die Maßstäbe einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten definiert würden. Innerhalb des Rechtszwecks der Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung liege auch eine Schadensfeststellungskompetenz. Auch wenn die Feststellung eines sonstigen Schadens formal nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V zuzuordnen sei, handele es sich bei einem Schaden, der im Zusammenhang mit der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entstanden sei, um eine Frage der wirtschaftlichen Versorgung nach § 72 Abs 2 SGB V. Der Kläger habe seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt, da er die Sprechstundenbedarfsverordnungen nicht persönlich unterzeichnet habe. Diese Pflichtverletzung sei auch schuldhaft, mindestens fahrlässig erfolgt. Nach wertender Betrachtungsweise sei der zu 2. beigeladenen Krankenkasse ein normativer Schaden entstanden. Soweit der Kläger darauf hinweise, dass alle Verordnungen medizinisch indiziert gewesen seien, komme es hierauf nicht an. Die Feststellung eines sonstigen Schadens verstoße weder gegen Treu und Glauben noch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Pflichtverletzung sei als gewichtig einzuschätzen. Die Unterschrift des Arztes auf einem Rezept sei kein bloß formeller Vorgang, sondern diene dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Versicherten.

4Der Kläger rügt mit seiner Sprungrevision die Verletzung von Verfassungs- (Art 12 Abs 1, 20 Abs 3 GG) und Bundesrecht (§ 31 SGB I, § 69 Abs 1, § 72 Abs 2 SGB V). Es fehle bereits an einer Anspruchsgrundlage, die zugunsten der Krankenkasse für den hier relevanten Verstoß einen Schadensersatzanspruch normiere. § 48 BMV-Ä genüge verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht. Da durch diese Norm ein subjektives Schadensersatzrecht zugunsten der Krankenkasse begründet werde, das den Schutzbereich von Art 12 Abs 1 GG tangiere, bedürfe es zwingend eines formellen Gesetzes. Bei § 48 Abs 1 BMV-Ä handele es sich jedoch nur um eine untergesetzliche Norm. Die Regelungen der §§ 106 ff SGB V belegten vielmehr, dass Prüfverfahren in ihren wesentlichen Elementen durch den Gesetzgeber normiert werden müssten. Dementsprechend müsse auch der sonstige Schaden zwingend im SGB V selbst geregelt werden. Die Rechtsauffassung des SG verstoße damit zudem gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz iS des Art 20 Abs 3 GG und den Gesetzesvorbehalt nach § 31 SGB I, § 69 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB V. Soweit das BSG in seiner Rechtsprechung zum sonstigen Schaden die Rechtsfigur eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter heranziehe, widerspreche dies ebenfalls den Vorgaben des § 31 Abs 1 SGB I sowie von Art 12 und Art 20 Abs 3 GG. Darüber hinaus bestehe eine Unvereinbarkeit mit § 69 SGB V. Zudem fehle es an einer gesetzlichen Regelung, die eine Zuständigkeit der Prüfgremien für die Feststellung eines sonstigen Schadens begründen oder diese zum Erlass von belastenden Verwaltungsakten berechtigen würde. Zwar verweise § 48 BMV-Ä direkt auf § 106c SGB V. Damit werde aber die verfassungsrechtlich vorgegebene Reihenfolge der Normsetzungsdelegation ignoriert.

5Letztlich seien auch die Tatbestandvoraussetzungen für die Feststellung eines sonstigen Schadens nicht erfüllt. Es fehle schon an der erforderlichen Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, da bei korrekter Unterzeichnung der Verordnungen Kosten in gleicher Höhe angefallen wären. Zu berücksichtigen sei im Übrigen, dass die Krankenkasse einen Erstattungsanspruch gegen die abgebenden Apotheken hätte geltend machen können. Die Regressfestsetzung stelle sich zudem als treuwidrig dar. § 242 BGB sei auch innerhalb des Vertragsarztrechts zu berücksichtigen (Hinweis auf SG Mainz Urteil vom - S 3 KA 14/19 - juris). Dem Verstoß gegen die Verpflichtung, ärztliche Verordnungen eigenhändig zu unterschreiben, komme im Hinblick auf die festgesetzte sehr hohe Regresssumme marginales Gewicht zu. Die Existenzvernichtung des Klägers habe nur aufgrund einer Ratenzahlungsvereinbarung abgewendet werden können, was jedoch mit erheblichen Folgen für das Behandlungsangebot und die Versorgung der Versicherten verbunden gewesen sei. Zudem sei jeder staatliche Akt am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen und auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen. Hierzu habe der Beschwerdeausschuss bereits keine Erwägungen angestellt.

8Das SG habe die Voraussetzungen eines sonstigen Schadens zu Recht bejaht. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers sei bereits der Schutzbereich von Art 12 Abs 1 GG nicht eröffnet. Unabhängig davon sei der untergesetzliche Normgeber berechtigt, Regelungen zum sonstigen Schaden nach § 48 BMV-Ä zu treffen. Dies folge aus § 72 Abs 2 und § 82 Abs 1 SGB V. § 48 Abs 1 BMV-Ä bewege sich innerhalb des Rechtszwecks, die wirtschaftliche Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Den Prüfgremien stehe die Kompetenz zur Feststellung des sonstigen Schadens zu. Soweit der Kläger auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der zu 2. beigeladenen Krankenkasse gegenüber der jeweils abrechnenden Apotheke hinweise, weil die Rezepte "unwirksam" gewesen seien, führe dies zu keiner anderen Beurteilung. In dem verwendeten Stempel sei die Unterschrift des Klägers so exakt nachgezeichnet worden, dass die fehlerhaft ausgestellten Verordnungen für Apotheker nicht erkennbar gewesen seien. Auch der zu 2. beigeladenen Krankenkasse sei der Fehler erst bei Sichtung und direktem Vergleich mehrerer Verordnungen aufgefallen. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des SG Mainz vom (S 3 KA 14/19 - juris) einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) rüge, seien die zugrunde liegenden Sachverhalte schon nicht vergleichbar.

9Die zu 9. beigeladene KÄBV, die keinen Antrag stellt, ist der Ansicht, dass § 48 Abs 1 BMV-Ä zutreffende Anspruchsgrundlage für die Feststellung eines sonstigen Schadens sei. § 82 Abs 1, § 72 Abs 2 SGB V stellten eine tragfähige und hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage im Sinne des Gesetzesvorbehalts dar und genügten den Maßstäben an die Wesentlichkeitstheorie des BVerfG. Das BVerfG habe bereits mehrfach bundesmantelvertragliche Regelungen, die die Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezweckten und damit die Funktionsfähigkeit der GKV sicherten, als im Interesse des Gemeinwohls bewertet (Hinweis auf BVerfG Beschlüsse vom - 1 BvR 1127/01 - SozR 4-2500 § 135 Nr 2 und vom - 1 BvR 1780/17 ua - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 13). Die Prüfungsstelle sei auch ermächtigt, den sonstigen Schaden festzustellen und entsprechende Verwaltungsakte zu erlassen. Insoweit stehe es den Partnern des BMV-Ä frei, auf ein bestehendes Regelungssystem - hier § 106c SGB V - zu verweisen. Allerdings seien die Tatbestandvoraussetzungen eines sonstigen Schadens nicht erfüllt. Es fehle an einem durch den Kläger verursachten Schaden. Die Kosten für die aufgrund der Arzneimittelverordnungen von den Apotheken zu Lasten der Krankenkassen abgegebenen Arzneimittel hätten in gleicher Höhe gezahlt werden müssen, wenn der Kläger die Arzneimittelverordnungen eigenhändig unterzeichnet hätte.

10Der zu 8. beigeladene GKV-Spitzenverband, der ebenfalls keinen Antrag stellt, hält das Urteil des SG für zutreffend. § 48 Abs 1 BMV-Ä sei gesetz- und verfassungsgemäß und genüge dem Vorbehalt des Gesetzes. Ein sonstiger Schaden liege auch vor. Es entspreche ständiger Rechtsprechung des BSG, dass der Einwand einer fehlenden Kausalität im Vergleich zu einem hypothetischen alternativen Verhalten bei Feststellung eines sonstigen Schadens nicht zu berücksichtigen sei. Im Übrigen sei die Behauptung des Klägers, es sei "unstreitig", dass die medizinischen Verordnungen abgesehen von der fehlerhaften Unterschrift medizinisch indiziert gewesen seien, nicht zutreffend.

Gründe

11Die Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG) des Klägers ist zulässig, aber in der Sache erfolglos.

12A. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind das vorinstanzliche Urteil des SG sowie der Bescheid des Beklagten vom (Beschluss vom ), mit dem dieser den Widerspruch gegen den Regressbescheid der Prüfungsstelle für die Quartale 1/2015 bis 2/2018 zurückgewiesen und insoweit die Regressforderung der Prüfungsstelle bestätigt hat (zum Bescheid des Beschwerdeausschusses als alleinigem Streitgegenstand - BSGE 78, 278, 279 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194 f; - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15).

13B. Die Sprungrevision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte gegen den Kläger einen Regress iHv 487 230,57 Euro festgesetzt, weil dieser nach den nicht mit Verfahrensrügen angreifbaren, bindenden Feststellungen des SG (§ 161 Abs 4, § 163 SGG) Sprechstundenbedarfsverordnungen nicht persönlich unterzeichnet hat, sondern stattdessen ein Unterschriftenstempel zum Einsatz kam und der zu 2. beigeladenen Krankenkasse mit Einlösung der fehlerhaft ausgestellten Verordnungen und deren Kostentragung ein Schaden in dieser Höhe entstanden ist.

14Rechtsgrundlage des festgesetzten Regresses ist § 48 Abs 1 BMV-Ä iVm § 15 der landesrechtlichen Prüfvereinbarung (dazu 1). Der Kläger hat die für Vertragsärzte bestehende Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verletzt und ihm fällt hinsichtlich der Pflichtverletzung auch Verschulden zur Last (dazu 2). § 48 Abs 1 BMV-Ä entspricht dem Vorbehalt des Gesetzes, da er seine Grundlage in den Regelungen von § 72 Abs 2 iVm § 82 Abs 1 Satz 2 SGB V hat (dazu 3). Die Prüfungsgremien sind berechtigt, einen sonstigen Schaden durch Verwaltungsakt festzustellen (dazu 4). Infolge der Pflichtverletzungen des Klägers ist der Beigeladenen zu 2. auch ein Schaden in der vom Beklagten festgesetzten Höhe entstanden (dazu 5). Der Regressanspruch ist nicht verjährt (dazu 6). Die Festsetzung des Regresses verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (dazu 7). Es liegt auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers aus Art 12 Abs 1 GG vor (dazu 8).

151. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass Rechtsgrundlage für die Feststellung des Regresses § 48 Abs 1 BMV-Ä iVm § 15 der Prüfvereinbarung zwischen der zu 1. beigeladenen KÄV Hessen und den Kranken- und Ersatzkassen ist ("Prüfvereinbarung gemäß § 106 Abs. 3 SGB V" vom <Prüfvereinbarung 2008> bzw - für die Quartale ab 2017 - "Prüfvereinbarung gemäß § 106 bis § 106c SGB V" vom idF der Ergänzungsvereinbarung vom <Prüfvereinbarung 2017> iVm der Vereinbarung zur Fortgeltung der Prüfungsvereinbarung vom ).

16Nach § 15 der Prüfvereinbarung hat die Prüfungsstelle auf Antrag der Krankenkasse auch den sonstigen Schaden festzustellen, den der Arzt der Krankenkasse infolge schuldhafter Verletzung (mindestens fahrlässiges Verhalten) seiner vertragsärztlichen Pflichten verursacht hat, soweit dies nicht durch den BMV-Ä anderweitig geregelt ist. Gemäß § 48 Abs 1 BMV-Ä wird der sonstige durch einen Vertragsarzt verursachte Schaden, der einer Krankenkasse aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen sind, oder - wie hier - aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen entsteht, durch die Prüfungseinrichtungen nach § 106c SGB V festgestellt. Nach ständiger Senatsrechtsprechung werden hiervon im Verordnungsbereich aber nur Schäden erfasst, die sich aus der Art und Weise der Ausstellung der Verordnung ergeben ( - SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdNr 16 ff; - SozR 4-2500 § 106 Nr 65 RdNr 21), beispielsweise wegen der Verwendung eines falschen Formulars (vgl - SozR 4-2500 § 106 Nr 62 RdNr 20), weil kein Abrechnungsschein zu der der Verordnung zugrunde liegenden Leistung vorliegt ( - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 21) oder weil ein Vertragsarzt (Arzneimittel-)Verordnungen während des stationären Aufenthalts eines Patienten tätigt (vgl zuletzt - juris RdNr 21 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Auch soweit Vertragsärzte ihre Pflicht zur persönlichen Unterzeichnung von (Arzneimittel-)Verordnungen nicht beachten, führt dies im Grundsatz - abhängig von den jeweiligen, von den Prüfgremien zu prüfenden weiteren Umständen im Einzelfall - dazu, dass der Krankenkasse, welche die Verordnungskosten zu tragen hat, mit der Einlösung der Verordnung ein Schaden entsteht (vgl - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 41). Dementsprechend hat der Senat Fallgestaltungen, in denen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt die Verordnung nicht unterschreibt ( - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 44; vgl auch - juris RdNr 21, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; Clemens, MedR 2017, 1001) oder von einem nicht vertretungsberechtigten Arzt unterschreiben lässt ( - SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 25; zur Konstellation des Unterschreibens einer in der Praxis tätigen Arzthelferin mit dem Zusatz "im Auftrag" vgl auch - juris) unter die Kategorie des sonstigen Schadens iS des § 48 Abs 1 BMV-Ä subsumiert.

172. Das SG hat die Feststellung des Schadens durch die Prüfgremien als rechtmäßig angesehen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verletzt, weil er die ärztlichen Verordnungen nicht persönlich unterzeichnet hat, sondern diese nur mit einem Unterschriftenstempel versehen wurden. Es handelt sich bei dieser Vorgehensweise nicht um einen bloßen Formfehler bzw einen Verstoß gegen bloße Ordnungsvorschriften.

18a) Nach § 15 Abs 1 Satz 1 SGB V, § 32 Abs 1 Satz 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) und § 15 Abs 1 Satz 1 BMV-Ä hat der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt die Pflicht, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung dient der Sicherung der hohen Qualität der vertragsärztlichen Versorgung und ist materielle Voraussetzung für jede ärztliche Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung ( - SozR 4-5520 § 32 Nr 5 RdNr 28 f mwN). Diesem Gebot kommt für die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung großes Gewicht zu. Es gilt nicht nur für die Behandlungs-, sondern auch für die Verordnungstätigkeit des Arztes. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung erfordert nicht lediglich die ärztliche Entscheidung über das zu verordnende Medikament, sondern auch die persönliche Ausstellung und Unterzeichnung der Verordnung ( - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 43; - juris RdNr 9).

19Das aus den genannten gesetzlichen Vorgaben folgende Gebot der persönlichen Leistungserbringung wird ua durch § 35 Abs 2 BMV-Ä konkretisiert. Danach sind Vordrucke und Bescheinigungen vollständig und leserlich auszufüllen, mit dem Vertragsarztstempel zu versehen und vom Arzt persönlich zu unterzeichnen. Zudem stellt § 2 Abs 1 Nr 10 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) klar, dass die Verschreibung die "eigenhändige Unterschrift" oder bei Verschreibungen in elektronischer Form die "qualifizierte elektronische Signatur" der verschreibenden Person enthalten muss (zu einer hier nicht einschlägigen Ausnahme bei Anforderung eines Arzneimittels für ein Krankenhaus vgl § 2 Abs 7 AMVV). Die persönliche Unterschrift des Arztes (bzw die elektronische Signatur) ist wesentlicher Bestandteil der Gültigkeit einer Verordnung. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass eine ärztliche Verordnung ohne ausreichende Unterschrift als solche nicht genügend zu erkennen gibt, dass der ausstellende Arzt der Verordnung letztendlich die entscheidende Gültigkeit verleihen will. Die persönliche Unterschrift dient der Identifizierung des Verschreibenden und dokumentiert die Verantwortlichkeit des Arztes für die entsprechende Verordnung (vgl von Czettritz in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Aufl 2020, § 25 RdNr 5). Sie soll gewährleisten, dass die Verschreibung vor deren Aushändigung an den Patienten - oder wie hier beim Sprechstundenbedarf vor Aushändigung an die Apotheke - dem Arzt vorgelegen hat und er ihren Inhalt überprüfen konnte (Saalfrank/Wesser, A&R 6/2015, 250, 257 f; vgl auch - BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 17 zur vertragsärztlichen Verordnung als dem zentralen Element der Arzneimittelversorgung der Versicherten der GKV).

20Verordnungen, die - wie hier - nur mit einem Unterschriftenstempel versehen sind, können die hohen Qualitätsanforderungen und die Gewähr für die Richtigkeit und vor allem Sicherheit der Auswahl des verordneten Arzneimittels nicht erfüllen. Dadurch, dass der Kläger in seiner Praxis einen Faksimilestempel zum Einsatz gebracht hat, der einen - seiner Unterschrift täuschend ähnlichen - Aufdruck auf dem Verordnungsvordruck erzeugt, hat er die eindeutige Identifizierbarkeit des Verordnenden für Dritte unmöglich gemacht und damit wesentliche Vorgaben zur Sicherstellung der persönlichen Leistungserbringung und zur Sicherstellung der Qualität der ärztlichen Leistung umgangen. Mit der Verwendung des Faksimilestempels wird bei der das Rezept einlösenden Apotheke und auch bei der Krankenkasse, die die Kosten zu tragen hat, der Eindruck erweckt, dass der Kläger als Arzt mit seiner Unterschrift die Verantwortung für die Verordnung übernommen hätte, obwohl eine solche persönliche Unterschrift tatsächlich nicht geleistet worden ist. Ein Faksimilestempel erlaubt eine Nutzung auch durch Personen, die nicht zur Ausstellung einer ärztlichen Verordnung berechtigt sind, soweit diese nur Zugriff auf den Stempel haben. Auch kann im Nachhinein in aller Regel nicht mehr zuverlässig nachvollzogen werden, ob die zB von einer anderen Person "gestempelte" Verordnung inhaltlich der Verordnung entspricht, die der dazu berechtigte Arzt vorgenommen hätte. Eine bloße Unterschriftswiedergabe durch einen Faksimilestempel kann dementsprechend die notwendige eigenhändige Unterschrift des Arztes nicht ersetzen (so auch - juris RdNr 18; Kern in Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl 2019, § 56 RdNr 9; Wesser in Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 3. Aufl 2024, § 2 AMVV, zu Abs 1 Nr 10 Anm 21; Saalfrank/Wesser, A&R 6/2015, 250, 258; Schüttler jurisPR-Medizinrecht 2/2025 Anm 3). Damit liegt in der Verwendung eines Faksimilestempels anstelle der persönlichen Unterschrift unter der Verordnung von Sprechstundenbedarf ein gravierender Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten.

21b) Dem Kläger fällt hinsichtlich der Pflichtverletzung auch Verschulden zur Last (zur Verschuldensabhängigkeit des sonstigen Schadens vgl - SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdNr 34-35 mwN; - SozR 4-2500 § 106a Nr 15 RdNr 39; - juris RdNr 25, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Kläger als Vertragsarzt muss die Regularien der persönlichen Leistungserbringung kennen und dementsprechend um seine Verpflichtung wissen, Verordnungen von Arznei-, Hilfs- und Heilmitteln persönlich zu unterzeichnen ( - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 45; - juris RdNr 13). Er darf diese Vorgaben nicht eigenmächtig abändern oder sich darüber hinwegsetzen. Auch sonstige besondere Umstände, die der Annahme eines Verschuldens entgegenstehen könnten, sind nach den Feststellungen des SG nicht ersichtlich. So bestehen beispielsweise keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vor dem Einsatz des Stempels auf ärztlichen Verordnungen entsprechende Auskünfte der zuständigen Institutionen (KÄV, Krankenkasse) über die Frage der Zulässigkeit des Vorgehens eingeholt hätte, auf die er sich berufen könnte.

223. Die vom Kläger gerügten Verletzungen von Art 12 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG sowie § 31 SGB I und § 69 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB V, die er mit dem Fehlen eines formellen Gesetzes begründet, liegen nicht vor.

23a) Zutreffend ist, dass in das durch Art 12 Abs 1 GG garantierte Grundrecht der Berufsfreiheit nur auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden darf (stRspr; vgl nur , 236/12 - BVerfGE 135, 90 RdNr 57 mwN). Der Gesetzesvorbehalt des Art 12 Abs 1 Satz 2 GG weist dem parlamentarischen Gesetzgeber die Entscheidung darüber zu, welche Gemeinschaftsinteressen so wichtig sind, dass Freiheitsrechte des Einzelnen zurücktreten müssen ( ua - BVerfGE 33, 125, 159; ua - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 13 - juris RdNr 17). Im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes, insbesondere die Intensität der Grundrechtseingriffe, ist zu beurteilen, wie weit die gesetzlichen Vorgaben ins Einzelne gehen müssen ( - BVerfGE 98, 218, 251; ua - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 13 - juris RdNr 17). Der Parlamentsvorbehalt gewährleistet aber nicht nur, dass der demokratische Gesetzgeber die Aufgaben und Regelungsgegenstände festlegt, die zur selbstverantworteten Gestaltung freigegeben werden. Die gesetzlichen Regelungen haben auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips an die Delegation von Normsetzung an die Träger funktionaler Selbstverwaltung zu genügen (vgl ua - BVerfGE 111, 191, 215 ff; ua - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 13 - juris RdNr 18).

24Bei Anwendung dieser Vorgaben ist weder der Gesetzesvorbehalt noch der Wesentlichkeitsgrundsatz aus Art 20 Abs 3 GG verletzt. § 48 Abs 1 BMV-Ä findet in § 72 Abs 2 iVm § 82 Abs 1 SGB V eine den Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips entsprechende Grundlage. Die Delegation von Normsetzung an die Träger funktionaler Selbstverwaltung ist nicht zu beanstanden. Die Partner der Bundesmantelverträge sind berechtigt, den Prüfgremien eine innerhalb des Rechtszwecks der Gewährleistung "eine[r] ausreichende[n], zweckmäßige[n] und wirtschaftliche[n] Versorgung der Versicherten" (§ 72 Abs 2 Satz 1 SGB V) liegende Schadensfeststellungskompetenz zuzuweisen

25b) Bereits unter Geltung des § 368g RVO hat der Senat die entsprechende Schadensfeststellungskompetenz der Prüfgremien bejaht (vgl - BSGE 26, 16, 21; - BSGE 42, 268, 270 = SozR 2200 § 368n Nr 9 S 22; - BSGE 55, 144, 150 = SozR 2200 § 368n Nr 26 S 79; - SozR 5540 § 34 Nr 1 S 1 f; - SozR 5545 § 24 Nr 2 S 3). Soweit der BMV-Ä (damals: § 23 Abs 2 BMV-Ä bzw § 38 Abs 3 BMV-Ä) regelte, dass die Prüfungseinrichtungen auch den sonstigen Schaden festzustellen haben, hat sich diese Zuweisung innerhalb des in § 368g Abs 1 und 3 RVO gesetzten Rahmens gehalten. Denn der Rechtszweck, die kassenärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse so zu regeln, dass ua eine gleichmäßige, ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Kranken gewährleistet wird, wurde durch die Vorschriften des BMV-Ä nach Auffassung des Senats nicht verfehlt ( - BSGE 55, 144, 150 = SozR 2200 § 368n Nr 26 S 74, 79).

26c) Nichts anderes gilt für die - hier heranzuziehenden - Vorschriften der §§ 72 Abs 2, 82 Abs 1 SGB V. Nach § 82 Abs 1 Satz 1 SGB V vereinbaren die KÄBV und der GKV-Spitzenverband den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge in Bundesmantelverträgen. Der Inhalt der Bundesmantelverträge ist Bestandteil der Gesamtverträge (§ 82 Abs 1 Satz 2 SGB V). § 72 Abs 2 SGB V bestimmt - im Wesentlichen übereinstimmend mit der früheren Regelung in § 368f Abs 1 RVO ( - BSGE 69, 264, 265 = SozR 3-5540 § 38 Nr 1 S 2) -, dass die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln ist, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. § 72 Abs 2 SGB V umschreibt damit den allgemeinen Ermächtigungsrahmen, der den Vertragspartnern des Bundesmantelvertrages und der Gesamtverträge vom Gesetz vorgegeben wird.

27§ 106 SGB V legt den Aufgabenbereich der Prüfgremien auf die originäre Prüfung der Wirtschaftlichkeit fest. Nach § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung von der Prüfungsstelle durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a SGB V (Nr 1) und arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b SGB V (Nr 2) geprüft (zur Terminologie und Differenzierung von unzulässigen und unwirtschaftlichen ärztlichen Verordnungen vgl zuletzt - juris RdNr 25, zur Veröffentlichung in BSGE 138, 133 und SozR 4-2500 § 106b Nr 1 vorgesehen und B 6 KA 5/23 R - juris RdNr 19). Der Senat hat mehrfach betont, dass die den Prüfgremien von den Vertragspartnern des BMV-Ä zugewiesene Kompetenz, auch über das Vorliegen sonstiger Schäden - die nicht der originären Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V unterliegen - zu befinden, ebenfalls an die den Prüfgremien gesetzlich zugewiesene Aufgabe der Überwachung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung gebunden ist. § 48 Abs 1 BMV-Ä ist dementsprechend so auszulegen, dass den Prüfgremien eine Schadensfeststellungskompetenz nur innerhalb des Rechtszwecks einer wirtschaftlichen Versorgung zugewiesen wird. Wenn den Prüfgremien, die nach § 106 SGB V die Wirtschaftlichkeit prüfen, völlig andere Aufgaben übertragen werden sollen, müsste dies in der vertraglichen Bestimmung - was nicht der Fall ist - deutlich zum Ausdruck kommen ( - BSGE 69, 264, 265 = SozR 3-5540 § 38 Nr 1, S 3; vgl auch - BSGE 55, 144, 150 = SozR 2200 § 368n Nr 26 S 79; - SozR 5540 § 34 Nr 1).

28d) Die gesetzliche Ermächtigung in § 72 Abs 2 iVm § 82 Abs 1 Satz 1 SGB V ist hinreichend bestimmt (vgl bereits - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 11 RdNr 67).

29aa) Die Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG sind nicht anwendbar. Dessen Vorgabe, dass Ermächtigungsgrundlagen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt sein müssen, betrifft Rechtsverordnungen, nicht aber Normsetzungen, die in anderer Gestalt als durch Rechtsverordnungen erfolgen. Dementsprechend bedarf es für die im SGB V vorgesehene Normsetzung der sog gemeinsamen Selbstverwaltung keiner gemäß Art 80 Abs 1 Satz 2 GG eng umrissenen gesetzlichen Grundlage ( - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 11 RdNr 67; - BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 22). Der Senat geht daher in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auf § 72 Abs 2 iVm § 82 Abs 1 Satz 1 SGB V gestützte Regelungen der Träger der gemeinsamen Selbstverwaltung zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung verfassungsrechtlich zulässig sind (vgl - BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 18 ; - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 11 RdNr 67; vgl auch - SozR 3-2500 § 72 Nr 11 S 29 zu Qualifikationsanforderungen für das Erbringen physikalisch-medizinischer Leistungen und Urteil vom - B 6 KA 18/03 R - SozR 4-2500 § 82 Nr 1 RdNr 12 ff zur Ermächtigungsgrundlage zur Schmerztherapie-Vereinbarung). Insofern fehlt es den Vertragspartnern auch nicht an der erforderlichen demokratischen Legitimation ( - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 11 RdNr 67 und ua - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 13 RdNr 21 zu den bundesmantelvertraglichen Regelungen in § 2 Abs 7 BMV-Ä iVm Anl 9.1; vgl auch - BSGE 132, 1 = SozR 4-2500 § 103 Nr 32, RdNr 21 und vom - B 6 KA 4/24 R - juris, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - zum GBA).

30bb) Auch das BVerfG geht davon aus, dass die Vorschriften der §§ 72 Abs 2, 82 Abs 1 SGB V dem Bestimmtheits- und dem Wesentlichkeitsgrundsatz genügen ( ua - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 13 RdNr 22). Der Gesetzgeber hat sich demnach in § 82 Abs 1 SGB V und § 72 Abs 2 SGB V seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußert, sondern regelt die grundrechtlich wesentlichen Fragen in hinreichendem Maße selbst. § 72 Abs 2 SGB V gewährt den Vertragspartnern keine unbegrenzte Gestaltungsfreiheit, sondern enthält - auch mit Blick auf die Intensität der dadurch bewirkten Grundrechtseingriffe - hinreichend bestimmte Vorgaben zu den Regelungszielen und zur Reichweite des Ermächtigungsrahmens. Das in § 72 Abs 2 SGB V genannte Regelungsziel einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den in § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V geregelten leistungsrechtlichen Vorgaben, wonach die Leistungen ebenfalls ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen. Dass der Gesetzgeber das Versorgungsziel der GKV mit unbestimmten Rechtsbegriffen definiert, ist verfassungsrechtlich unbedenklich und ergibt sich schon aus der Eigenart des zu ordnenden Sachbereichs (BVerfG aaO RdNr 22).

31e) Die von dem Kläger beanstandete Regelung des § 48 Abs 1 BMV-Ä hält sich auch innerhalb des vorgegebenen Ermächtigungsrahmens. Die Vertragspartner haben dem gesetzlichen Auftrag entsprechend eine spezielle Regelung für eine ausreichende und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten getroffen. Mit ihr soll - wie auch mit der originären Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V - die Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots gewährleistet werden. Die Regelung dient der Qualität der Versorgung sowie der Wirtschaftlichkeit im Interesse der Funktionsfähigkeit der GKV und damit gewichtigen Gemeinwohlinteressen. Bereits in seiner Entscheidung vom (B 6 KA 16/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdNr 19) hat der Senat dementsprechend den Sinn und Zweck der Regelung des § 48 Abs 1 BMV-Ä dahingehend beschrieben, unwirtschaftliche Verordnungsweisen mit Blick auf den hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots möglichst effektiv zu verhindern.

32Auch die Bezugnahme auf § 106c SGB V und damit die Kompetenzzuweisung an die Prüfgremien überschreitet den von § 72 Abs 2 iVm § 82 Abs 1 SGB V gesetzten Rahmen nicht. Der dagegen vom Kläger erhobene Einwand, dass durch diese Verweisung die "verfassungsrechtlich vorgegebene Reihenfolge der Normsetzungsdelegation" ignoriert werde, überzeugt nicht. Der Senat hat die Übertragung der entsprechenden Kompetenzen auf die Prüfgremien gerade wegen des engen Zusammenhangs mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V in ständiger Rechtsprechung für rechtmäßig erachtet ( - BSGE 55, 144, 145, 150 = SozR 2200 § 368n Nr 26 S 74, 79; - SozR 5540 § 34 Nr 1 S 1; - BSGE 79, 97, 99 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 3; - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 16, 19; vgl zuletzt - juris RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Konzentration der für Verordnungsfehler in Betracht kommenden Prüfungen bei den Prüfgremien gemäß § 106 SGB V einerseits und § 48 BMV-Ä andererseits dient im Übrigen auch der einheitlichen Abwicklung einer fehlerhaften Leistungserbringung, kann divergierende Entscheidungen verhindern und zur zügigen Verfahrensdurchführung beitragen (vgl - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 22).

33f) Dass auch der Gesetzgeber von einer umfassenden und sachgerecht wahrgenommenen Kompetenz der Partner der Bundesmantelverträge ausgeht, wird darin deutlich, dass er sich in Kenntnis der Regelung des § 48 Abs 1 BMV-Ä und der Rechtsprechung des Senats seit Jahrzehnten einer umfassenden gesetzlichen Regelung zur Feststellung von sonstigen Schäden enthalten hat. Er hat lediglich Regelungen zur originären Wirtschaftlichkeitsprüfung im SGB V (vgl Gesundheits-Reformgesetz vom , BGBl I 2477- Art 1 § 106) getroffen. Auch im Zuge der inhaltlichen Neustrukturierung dieser Regelungen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG vom , BGBl I 1211) hat der Gesetzgeber keinen Anlass zu eigenständigen Regelungen im Hinblick auf den sonstigen Schaden gesehen. Er hat vielmehr ausdrücklich betont, dass die Regelung zum sonstigen Schaden nach § 48 BMV-Ä von der Neuregelung unberührt bleibe (Gesetzentwurf zum GKV-VSG vom , BT-Drucks 18/4095 S 137 zu Nummer 6 <§ 106>). Da der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, detaillierte Vorgaben zur Feststellung von sonstigen Schäden zu machen, ist davon auszugehen, dass dieser Komplex vorrangig den Vertragspartnern auf Bundesebene überantwortet bleibt (vgl auch - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 11 RdNr 70 zur Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten und zu den bundesmantelvertraglichen Regelungen in § 2 Abs 7 BMV-Ä iVm Anl 9.1).

34g) Hierin liegt - entgegen der Rechtsansicht des Klägers - auch kein Verstoß gegen die mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom (BGBl I 2626) eingeführte Vorschrift des § 69 SGB V. Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB V werden die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden einschließlich der Beschlüsse des GBA und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94 SGB V abschließend durch das Vierte Kapitel des SGB V sowie §§ 63, 64 SGB V geregelt. Die Vorschriften des BGB gelten für diese Rechtsbeziehungen gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V ebenfalls nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend und auch nur, soweit sie mit den Vorgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind.

35Mit der Anordnung der "abschließenden" Geltung der in § 69 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V aufgeführten Bestimmungen sollte geklärt werden, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern "allein sozialversicherungsrechtlicher und nicht privatrechtlicher Natur sind" (vgl BT-Drucks 14/1245 S 68 - zu Nr 29 <§ 69>) und damit dem öffentlichen Recht unterliegen ( - SozR 4-2500 § 95 Nr 38 RdNr 46; - SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 14 ff, 17 f). Nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V ist eine entsprechende Heranziehung von Vorschriften des BGB zwar nicht völlig ausgeschlossen ( - SozR 4-2500 § 73b Nr 2 RdNr 37), setzt aber voraus, dass die zur Anwendung gelangenden Vorschriften, insbesondere des Vierten Kapitels des SGB V, überhaupt lückenhaft sind ( - BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15; vgl auch Schreiber in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 6/2025, § 69 RdNr 46 mwN) und damit keine erschöpfende Regelung enthalten, die einen Rückgriff auf solche Ansprüche nicht erlaubt (vgl - juris RdNr 25; - BSGE 126, 277 = SozR 4-7610 § 812 Nr 8, RdNr 11; - BSGE 85, 110, 114 = SozR 3-2500 § 60 Nr 4 S 24; - BGHZ 140, 102, 109 = NJW 1999, 858, 860). Hier kann sich die Schadensfeststellung bereits auf § 48 Abs 1 BMV-Ä stützen; eines Rückgriffs auf einen anderweitigen, unmittelbar aus dem bürgerlichen Recht abgeleiteten Schadensersatzanspruchs bedarf es nicht. Auch aus der vom Kläger angeführten Entscheidung des Senats vom (B 6 KA 16/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 31) folgt insofern nichts anderes. Dort hat der Senat ausgeführt, dass der Anspruch auf Ersatz eines sonstigen Schadens an die Grundsätze des Schadensersatzrechts "angelehnt" (RdNr 26) bzw vom Schadensersatzanspruch nach bürgerlichem Recht "abgeleitet" (RdNr 34-35) und daher - wie dem Grunde nach alle Schadensersatzansprüche - verschuldensabhängig ist. Auch in dieser Entscheidung hat der Senat aber § 48 Abs 1 BMV-Ä als einschlägige Rechtsgrundlage angesehen und betont, dass für sonstige Schäden im Sinne der bundesmantelvertraglichen Vorschriften, den Prüfgremien die Schadensfeststellungskompetenz vertraglich zugewiesen ist (RdNr 15 ff).

36Die Annahme des Klägers, bei der Berechtigung der Krankenkassen zur Geltendmachung sonstiger Schäden handele es sich um "ein im GKV-Viereck der ambulanten Versorgung atypisches Gebilde, bei welchem die Krankenkasse ein Durchgriffsmoment gegen den jeweiligen Leistungserbringer erhalten sollen" (Revisionsschrift S 29 f), überzeugt nicht. Zutreffend ist, dass die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen sowie KÄV auf der einen Seite und KÄV sowie Vertragsarzt auf der anderen Seite zu trennen sind (vgl - BSGE 80, 1, 6 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 11; - SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 32; - SozR 4-2500 § 73b Nr 2 RdNr 39). Dementsprechend hat die Krankenkasse im Regelfall keine Möglichkeit, den Vertragsarzt unmittelbar und ohne Tätigwerden der vertragsarztrechtlichen Gremien in Regress zu nehmen ( - SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 44; - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 24; zum zahnärztlichen Bereich vgl - SozR 4-1500 § 55 Nr 1 RdNr 3 f). Dies gilt auch bei der Feststellung eines "sonstigen Schadens" iS des § 48 Abs 1 BMV-Ä. Die Krankenkassen selbst können keine Maßnahmen festsetzen, sondern müssen nach den Vorgaben des § 48 BMV-Ä solche Ansprüche gegenüber den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung geltend machen. Diese prüfen den Sachverhalt und setzen ggf Regressansprüche gegen den Vertragsarzt fest (zur ausnahmsweisen Feststellungsbefugnis der KÄVen bei Einwilligung des Arztes vgl § 48 Abs 2 BMV-Ä). Die Erhebung einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) auf Verurteilung zur Zahlung der Regresssumme durch die zu 2. beigeladene Krankenkasse wäre daher unzulässig gewesen.

374. Die Prüfgremien sind - entgegen der Rechtsansicht des Klägers - zudem berechtigt, den Regressanspruch der Krankenkasse gegen den Vertragsarzt durch einen Verwaltungsakt festzustellen (vgl bereits - BSGE 55, 144, 149 f = SozR 2200 § 368n RVO Nr 26 S 79; - BSGE 62, 251, 253 = SozR 1500 § 54 Nr 84 S 82; vgl auch - SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 14 zur Befugnis der KÄV Verwaltungsakte zu erlassen).

38Der Erlass eines Verwaltungsaktes unterliegt wie jedes Verwaltungshandeln dem Gesetzesvorbehalt, der sich nicht nur auf die materielle Regelung des Verwaltungsaktes, sondern auch auf die Handlungsform bezieht (Harich in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 8/2024, § 31 RdNr 14). Denn diese bringt für den Verwaltungsadressaten neben dem Regelungsinhalt weitere Belastungen mit sich. Wenn die Behörde hoheitlich handelt, schafft sie einen Vollstreckungstitel und zwingt den Adressaten zum Gebrauch von Rechtsbehelfen, wenn er die Bindungswirkung verhindern will (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl 2023, § 35 RdNr 25). Ein Handeln der Verwaltung durch Verwaltungsakt ist nur zulässig, wenn diese Handlungsform durch Gesetz gestattet ist (vgl - SozR 3-2600 § 118 Nr 1 S 4; - BSGE 123, 216 = SozR 4-4300 § 326 Nr 1, RdNr 18; - BSGE 135, 209 = SozR 4-2500 § 110 Nr 1, RdNr 16). Soweit die Behörde nicht ausdrücklich zur Regelung durch Verwaltungsakt ermächtigt wird, muss jedenfalls aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses zu ersehen sein, dass sie berechtigt sein soll, in dieser Form tätig zu werden ( - BSGE 135, 209 = SozR 4-2500 § 110 Nr 1, RdNr 16; vgl auch Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl 2023, § 35 RdNr 28; Harich in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 8/2024, § 31 RdNr 15).

39Diese Voraussetzungen sind erfüllt. § 48 Abs 1 BMV-Ä regelt die Zuständigkeit der Prüfungseinrichtungen nach § 106c SGB V für die Feststellung des "sonstigen Schadens". Hierauf können die Prüfgremien ihre Beschlüsse bzw Bescheide stützen (vgl schon - BSGE 62, 251, 253 = SozR 1500 § 54 Nr 84 S 81 zu § 34 Abs 3 BMV-Ä aF). § 106c Abs 3 SGB V formuliert in Satz 1, dass die betroffenen Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen, die Krankenkassen, die betroffenen Landesverbände der Krankenkassen sowie die KÄVen gegen "Entscheidungen" der Prüfungsstelle den Beschwerdeausschuss anrufen können. Zudem verweist § 106c Abs 3 Satz 3 SGB V auf zwei Vorschriften über das Widerspruchsverfahren - nämlich auf die Bestimmungen des § 84 Abs 1 SGG für die Widerspruchsfrist und des § 85 Abs 3 SGG für das schriftliche Formerfordernis des Bescheids, die Geltung des Verwaltungszustellungsgesetzes und der Notwendigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung. § 106c Abs 3 Satz 4 SGB V bestimmt zudem, dass das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als "Vorverfahren" gilt. Es bestehen daher keine Zweifel, dass die Prüfgremien Schadensersatzregresse einseitig verbindlich feststellen dürfen.

405. Infolge der Pflichtverletzungen des Klägers ist der zu 2. beigeladenen Krankenkasse auch ein Schaden in der vom Beklagten festgesetzten Höhe entstanden.

41a) Den Einwand des Klägers, dass die Verordnungen medizinisch indiziert gewesen seien, und dass sich eine vom Arzt persönlich unterschriebene Verordnung deshalb inhaltlich nicht von der mit einen Faksimilestempel versehenen Verordnung unterschieden hätte, hat der Senat berücksichtigt. Allerdings hat der Einsatz des Faksimilestempels anstelle der Unterschrift des Arztes zur Folge, dass nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob die Verordnung tatsächlich durch den Arzt erfolgt ist, oder ob die Entscheidung über die Verordnung rechtswidrig auf Praxispersonal "delegiert" worden ist. Dementsprechend kann auch nicht mehr eindeutig nachvollzogen werden, ob die Verordnung tatsächlich in derselben Weise erfolgt wäre, wenn sie vom Kläger selbst unterschrieben worden wäre (vgl bereits RdNr 20).

42Aber auch unabhängig davon hat der Senat derartige Einwendungen im Sinne eines hypothetischen alternativen Geschehensablaufs stets zurückgewiesen: Im Vertragsarztrecht ist kein Raum, einen Verstoß gegen Gebote und Verbote, die nicht bloße Ordnungsvorschriften betreffen, durch Berücksichtigung eines hypothetischen alternativen Geschehensablaufs als unbeachtlich anzusehen; denn damit würde das vertragsarztrechtliche Ordnungssystem relativiert. Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, haben innerhalb dieses Systems die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die (vertragsärztliche) Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht ( - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 37; in der Sache ebenso - zum Teil im Rahmen der Prüfung ungerechtfertigter Bereicherung - - SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 betr unzulässige faktisch-stationäre Behandlung; - BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 betr eine als Praxisgemeinschaft auftretende Gemeinschaftspraxis; - SozR 4-2500 § 39 Nr 7 RdNr 17 f betr zu lange stationäre Versorgung; - SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 51 betr Verordnung von Sprechstundenbedarf; - SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 44 betr Verordnung von Megestat; vgl auch - BSGE 76, 153, 155 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 f und - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 67; vgl ferner die BGH-Rspr zu dem strafrechtlichen Betrugstatbestand in Fällen ärztlichen Fehlverhaltens mit ihrer Bezugnahme auf die "zum Vertragsarztrecht entwickelte streng formale Betrachtungsweise": - NStZ 1995, 85 = juris RdNr 5 und nachfolgend - NJW 1998, 810; - NJW 2003, 1198, 1200 = juris RdNr 28; - BGHSt 65, 110 RdNr 46 ff; zur privatärztlichen Abrechnung vgl - BGHSt 57, 95 = NJW 2012, 1377, RdNr 82, 85; vgl auch - BGHSt 57, 312 = MedR 2013, 174, RdNr 52 - zum unerlaubten Inverkehrbringens eines Fertigarzneimittels durch Apotheker; - NJW 2014, 3170 = juris RdNr 28 - für den Bereich der Pflegedienstleistungen).

43aa) Wie die genannten Beispiele aus der Senatsrechtsprechung zeigen, gilt das vertragsarztrechtliche Prinzip, dass kein Raum für die Berücksichtigung hypothetischer alternativer Geschehensabläufe ist, gleichermaßen für Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V wie für solche zum Ersatz eines sonstigen Schadens gemäß § 48 BMV-Ä und für alle Arten von Verstößen gegen Gebote und Verbote, ohne Unterscheidung danach, ob ein sog Status betroffen ist oder nicht; ausgenommen sind nur Verstöße, die lediglich sog Ordnungsvorschriften betreffen ( - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 37). Die Vorschriften über die persönliche Unterzeichnung ärztlicher Verordnungen sind aber keine bloßen Ordnungsvorschriften, sondern fundamental bedeutsame Vorschriften des Vertragsarztrechts, denen für die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung großes Gewicht zukommt. Sie dienen der Identifizierung des Verschreibenden, dokumentieren die Verantwortlichkeit des Arztes für die entsprechende Verordnung und sollen damit auch die Richtigkeit und vor allem Sicherheit der Auswahl des verordneten Arzneimittels gewährleisten (vgl bereits RdNr 19).

44bb) Dieser Rechtsprechungslinie, dass ein hypothetisch alternativer Geschehensablauf bei Verstößen, die mehr als nur bloße Ordnungsvorschriften sind, unbeachtlich bleibt, folgen neben dem für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senat auch die beiden anderen mit dem Leistungserbringerrecht der GKV befassten Senate des BSG (1. und 3. Senat) in ständiger Rechtsprechung. Die Senate sehen ein allgemeines Prinzip darin, dass Leistungserbringer auch bereicherungsrechtlich die Abgeltung von Leistungen, die unter Verstoß gegen Vorschriften, die bestimmte formale oder inhaltliche Voraussetzungen aufstellen, selbst dann nicht beanspruchen können, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden sind und für den Versicherten geeignet und nützlich sind (vgl nur - BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6, RdNr 32 <1. Senat>; - BSGE 133, 17 = SozR 4-2500 § 33 Nr 56, RdNr 20; - SozR 4-2500 § 124 Nr 4 RdNr 32 und - BSGE 94, 213 RdNr 26 = SozR 4-5570 § 30 Nr 1, RdNr 23 mwN <3. Senat>). Da durch den Einsatz des Faksimilestempels eine wesentliche Vorgabe der Qualität der ärztlichen Leistung - die persönliche Leistungserbringung - umgangen wurde, kommt es entgegen der Rechtsansicht des Klägers und der Beigeladenen zu 9. nicht auf die medizinische Indikationen der Verordnungen an.

45b) Anhaltspunkte dafür, dass die Verordnungen nicht eingelöst worden sind oder es zu Zurückweisungen der Verordnungen durch Apotheken gekommen ist, sodass bereits aufgrund fehlender Arzneikostenerstattung durch die Krankenkassen ein Schaden zu verneinen wäre (vgl schon - SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 38), liegen nicht vor.

46c) Dem Regress kann der Kläger auch nicht entgegenhalten, es bestehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der zu 2. beigeladenen Krankenkasse gegen die Apotheken.

47Der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 SGB V zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband (in der redaktionellen Fassung vom einschließlich der Inhalte der 1. Änderungsvereinbarung vom und der 2. Änderungsvereinbarung vom ) formuliert in § 3 Abs 1, dass der durch Normenverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch des Apothekers im Gegenzug für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer "gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung" entsteht (Satz 1, vgl auch Satz 2 für Fälle, in denen trotz nicht ordnungsgemäßer ärztlicher Verordnung ein Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht, zB wenn die Unterschrift des Arztes zwar unleserlich, aber erkennbar keine Paraphe oder ein anderes Kürzel ist; heute: § 6 Abs 2 Rahmenvertrag idF ab ). § 17 Abs 5 Satz 2 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (ApBetrO; hier noch idF vom , BGBl I 18; heute: Satz 3) bestimmt, dass Arzneimittel nicht abgeben werden dürfen, soweit eine Verschreibung einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum enthält, nicht lesbar ist oder sich sonstige Bedenken ergeben, bevor die Unklarheit beseitigt ist. Zudem regelt § 3 des Arzneilieferungsvertrags zwischen dem Hessischen Apothekerverband und den Krankenkassen vom , dass die Abgabe aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Verordnung zu Lasten der Krankenkasse erfolgt (Abs 1), wozu ua auch die Unterschrift des Vertragsarztes (Abs 2 Satz 1o) gehört. Das Fehlen der Unterschrift kann - im Gegensatz zu bloßen Formfehlern, wie zB die fehlende Angabe des Gültigkeitsdatums der Versichertenkarte (Abs 2 Satz 1f) auf der ärztlichen Verordnung, nicht im Einzelfall vor der Abrechnung vom Apotheker geheilt werden (zu Einzelheiten § 3 Abs 3 Arzneilieferungsvertrag).

48Vorliegend bestehen schon nach den Feststellungen des SG keine Anhaltspunkte dafür, dass die Fehlerhaftigkeit der Verordnungen für die abgebenden Apotheken erkennbar gewesen ist. Der Faksimilestempel war der Unterschrift des Klägers exakt nachgezeichnet und wurde auf den ausgestellten Verordnungen aufgebracht. Für eine spezifische Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Unterschrift auf den so ausgestellten Verordnungen bestand für die Apotheken kein Anlass. Dies gilt umso mehr, als die Verwendung eines Unterschriftenstempels regelmäßig nur erkennbar wird, wenn mehrere ausgestellte Rezepte miteinander verglichen und auf (fehlende) Unterschiede bei der Unterschrift hin untersucht werden.

49d) Zu Recht hat der Beklagte bei der Bestimmung des Schadens die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung geregelte Differenzkostenberechnung in § 106b Abs 2a Satz 1 SGB V nicht angewandt. Nach dieser Regelung sind Nachforderungen gegenüber Ärzten nach § 106b Abs 1 Satz 2 SGB V auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich verordneten Leistung zu begrenzen. Unabhängig davon, dass § 106b Abs 2a SGB V erst zum (Terminservice- und Versorgungsgesetz <TSVG> vom , BGBl I 646) in Kraft getreten ist und daher für die hier streitgegenständlichen Quartale (1/2015 bis 2/2018) schon deshalb keine Anwendung finden kann, bezieht sich die Regelung unter Berücksichtigung systematischer Gesichtspunkte allein auf Nachforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungen im engeren Sinne (vgl grundlegend - juris RdNr 21 ff, zur Veröffentlichung in BSGE 138, 133 und SozR 4-2500 § 106b Nr 1 vorgesehen, sowie B 6 KA 5/23 R - juris RdNr 15 ff). Auf unzulässige Verordnungen oder den sonstigen Schaden kann sie - solange der Gesetzgeber keine entsprechende Neujustierung der Regelung vornimmt ( - juris RdNr 42, zur Veröffentlichung in BSGE 138, 133 und SozR 4-2500 § 106b Nr 1 vorgesehen, und B 6 KA 5/23 R - juris RdNr 33) - nicht erstreckt werden.

506. Die Einhaltung der für "sonstige Schäden" maßgeblichen vierjährigen Verjährungsfrist ( - BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 5; - SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdNr 24) steht angesichts einer Antragstellung, die im Dezember 2019 für die Quartale 1/2015 bis 2/2018 erfolgte, nicht infrage.

51a) Entgegen der Rechtsansicht des Klägers findet die für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung geltende Ausschlussfrist nach § 106 Abs 3 Satz 4 SGB V (idF des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes <GVWG> vom , BGBl I 2754) keine Anwendung. Zur Begründung der Geltung einer (vierjährigen) Verjährungsfrist - statt einer Ausschlussfrist - für den "sonstigen Schaden" hat der Senat auf die Unterschiede verwiesen, die zwischen der Überprüfung des dem Vertragsarzt gegen die KÄV zustehenden Honoraranspruchs unter den Gesichtspunkten der sachlich-rechnerischen Richtigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung auf der einen und der Feststellung eines gegen den Vertragsarzt gerichteten Schadensersatzanspruchs auf der anderen Seite bestehen. Anders als die auf Prüfung und ggf Kürzung der eingereichten Honorarforderung gerichtete Prüfungsbefugnis der Prüfgremien, die als verfahrensrechtliches Gestaltungsrecht nicht der Verjährung unterliegen, bildet das Verfahren auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" nach bundesmantelvertraglichen Vorschriften die Grundlage für die Geltendmachung eines gegen den Vertragsarzt gerichteten Schadensersatzanspruchs, der wie jeder Anspruch verjähren kann ( - BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 5). In diesem Fall wird dem Interesse des betroffenen Vertragsarztes, nicht zeitlich unbegrenzt Ersatzansprüchen aus einer abgeschlossenen Behandlung ausgesetzt zu sein, bereits durch die Verjährungsvorschriften Rechnung getragen. Der Senat hat es dabei als sachgerecht angesehen, die für sozialrechtliche Ansprüche durchgängig vorgesehene vierjährige Verjährungsfrist auch für diesen Sonderbereich zu übernehmen (BSG aaO S 101 bzw S 5).

52b) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber die für die originäre Wirtschaftlichkeitsprüfung geltende Ausschlussfrist nunmehr im SGB V gesetzlich normiert und deutlich verkürzt hat. Der Senat hat zuvor nach alter Rechtslage in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Regresse auf der Grundlage des § 106 SGB V in Anlehnung an die in den Büchern des SGB für die Verjährung festgesetzte Frist grundsätzlich einer vierjährigen Ausschlussfrist unterliegen, dass weiterhin diese Frist mit Ablauf des Quartals beginnt, dem die (potenziell) in Regress genommenen Verordnungen zuzurechnen sind und dass schließlich die Ausschlussfrist durch einen Prüfantrag der betroffenen Krankenkasse gehemmt wird ( - SozR 4-2500 § 106 Nr 44 RdNr 24; - SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 16 f; - SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 28; zur Hemmung vgl zuletzt - juris RdNr 24 ff, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; vgl auch - SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 28, 33 ff für Sprechstundenbedarfsverordnungen, wonach die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des letzten zu einer Einheit gehörenden Quartals beginnt). Zum ist eine Ausschlussfrist speziell für die Wirtschaftlichkeitsprüfung gesetzlich normiert worden: Nach § 106 Abs 3 Satz 3 SGB V aF (idF des TSVG vom , BGBl I 646) musste die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheids und für ärztlich verordnete Leistungen ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen. § 106 Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2 SGB V aF ordnete die entsprechende Geltung von § 45 Abs 2 SGB I an. Seit gilt nunmehr § 106 Abs 3 Satz 3 bis 5 SGB V (idF des GVWG). Danach muss die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheids und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Abs 2 SGB I gilt entsprechend (Satz 3). Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die aufgrund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag nunmehr zwingend innerhalb von 18 Monaten nach Erlass des Honorarbescheids bzw für ärztlich verordnete Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle einzureichen (Satz 4). Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss dann innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf dieser ersten Frist erfolgen, sodass sich die Frist insgesamt auf 30 Monate verlängert hat (Satz 5; vgl auch -zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 30).

53Für das vorliegende Verfahren ist dies aber ohne Bedeutung, da die Fristen im Bereich der originären Wirtschaftlichkeitsprüfung erstmals zum verkürzt worden sind und in dem hier maßgebenden Zeitraum noch - im Grundsatz einheitlich - vier Jahre betragen haben (zur Maßgeblichkeit der im Prüfzeitraum geltenden Rechtslage vgl - SozR 4-2500 § 106a Nr 23 RdNr 34 mwN). Ob in Anbetracht der verkürzten gesetzlichen Frist für die Antragstellung der Krankenkassen im Rahmen der originären Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Änderung der Verjährungsfrist beim sonstigen Schaden sachdienlich wäre, ist hier vom Senat nicht zu entscheiden. Für eine Verkürzung der Verjährungsfrist auch in diesem Bereich könnte sprechen, dass der sonstige Schaden eine Sachnähe zur originären Wirtschaftlichkeitsprüfung aufweist (vgl RdNr 31).

547. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers verstößt die Festsetzung des Regresses nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

55a) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und das im bürgerlichen Recht in Ausprägung dieses Grundsatzes entwickelte Rechtsinstitut der Verwirkung findet auch im Sozialrecht Anwendung (vgl - BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15 mwN; - BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 17; - SozR 4-1300 § 48 Nr 31 RdNr 22; - SozR 4-2600 § 226 Nr 1 RdNr 37; - SozR 4-7610 § 812 Nr 9 RdNr 26). Dieses verlangt neben dem bloßen Zeitablauf besondere Umstände, die die verspätete Geltendmachung des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen ( - SozR 4-2500 § 120 Nr 5 RdNr 33; - SozR 4-2500 § 117 Nr 8 RdNr 39). Innerhalb der vierjährigen Regelverjährungsfrist ist für das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung daher in der Regel kein Raum. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (stRspr; vgl - SozR 4-2500 § 109 Nr 84 RdNr 33 mwN; - SozR 4-2500 § 117 Nr 8 RdNr 39; - SozR 4-2500 § 109 Nr 91 RdNr 22). Solche die Verwirkung auslösenden besonderen Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde ( - SozR 4-2500 § 120 Nr 5 RdNr 33; - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37; - BSGE 109, 22 = SozR 4-2400 § 7 Nr 14, RdNr 36). Nach den Feststellungen des SG bestehen bereits keine Anhaltspunkte für ein Verwirkungsverhalten der Beigeladenen zu 2. Dass die Krankenkasse die Fehlerhaftigkeit der Verordnungen zu einem früheren Zeitpunkt erkannt und dies nach außen kommuniziert hätte, hat das SG nicht festgestellt. Allein die Nichtbeanstandung von früheren Verordnungen konnte beim Kläger nicht die Erwartung wecken, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird.

56b) Auch soweit der Kläger zum Beleg seiner Rechtsansicht auf ein Urteil des SG Mainz vom (S 3 KA 14/19 - juris, aufgehoben durch - juris, Nichtzulassungsbeschwerde anhängig beim BSG - B 6 KA 1/25 B) verweist, tragen die dortigen Erwägungen nicht. In dem dort entschiedenen Fall hat das SG im Ergebnis der Krankenkasse die Arglisteinrede (exceptio doli praesentis) wegen der Durchsetzung des geltend gemachten sonstigen Schadens vorgehalten. Soweit das SG (aaO RdNr 46 f) sinngemäß die Auffassung vertritt, dass besonders gravierende finanzielle Auswirkungen des Regresses auf die persönliche Lebensführung des Arztes im Einzelfall höher zu gewichten sein könnten als das Interesse an der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur Aufrechterhaltung des vertragsärztlichen Ordnungssystems, wird damit der Rechtsprechung zum normativen Schadensbegriff gerade in Fällen, in denen der Arzt besonders hohe Schäden verursacht, die Grundlage entzogen. Regressansprüche gegenüber Ärzten würden ohne sachlichen Grund auf Fallkonstellationen mit geringerer Schadenshöhe beschränkt. Im Übrigen liegen hier jedenfalls keine Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der zu 2. beigeladenen Krankenkasse durch deren Antragstellung bei den Prüfgremien vor, zumal den Krankenkassen ua gerade die Aufgabe zukommt, die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu überwachen (vgl § 106 Abs 1 Satz 1 SGB V).

57c) Zwar kann im Rahmen des sonstigen Schadens grundsätzlich ein Mitverschulden (Rechtsgedanke des § 254 BGB) der antragstellenden Krankenkasse insbesondere im Hinblick auf die Höhe des entstandenen Schadens in Betracht kommen (vgl - SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 40). Soweit Krankenkassen die Fehlerhaftigkeit von ärztlichen Verordnungen erkennen bzw diese offen zu Tage tritt, dürfte es auf der Hand liegen, dass sie zeitnah in die Prüfung eintreten. Insbesondere mit Rücksicht auf den Schutz der Versicherten müssen Fehler schnellstmöglich behoben bzw abgestellt werden. Hier war die Fehlerhaftigkeit der Verordnungen allerdings nicht auf den ersten Blick erkennbar, sodass schon aus diesem Grund eine - die Schadenshöhe mindernde - frühere Antragstellung oder anderweitige Reaktion durch die Krankenkasse nicht auf der Hand liegt. Unter diesen Umständen kommt die Reduzierung der Regresssumme aufgrund eines Mitverschuldens der Krankenkasse von vornherein nicht in Betracht.

588. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers aus Art 12 Abs 1 GG liegt nicht vor. § 48 Abs 1 BMV-Ä dient der Sicherung der Qualität und Funktionsfähigkeit der Versorgung sowie der Wirtschaftlichkeit im Interesse der finanziellen Stabilität der GKV und damit gewichtigen Gemeinwohlinteressen (vgl ua - BVerfGE 68, 193, 218 = SozR 5495 Art 5 Nr 1 S 3; ua - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 13 RdNr 24).Mildere und insbesondere differenziertere Mittel, um dem vertragsärztlichen Ordnungssystem und der Qualität der ärztlichen Versorgung - hier dem Erfordernis der persönlichen Leistungserbringung - Wirksamkeit zu verleihen, sind nicht ersichtlich. Bei der Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe ist die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten. Die Qualität und Sicherheit der Versorgung sowie deren Wirtschaftlichkeit im Interesse der Funktionsfähigkeit der GKV überwiegen den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit. Der Kläger wird nicht in seinem Zulassungsstatus als Arzt tangiert. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger die Ursache für den Regress selbst gesetzt hat. Der Verstoß ist gravierend, betrifft Versicherte wie auch andere Leistungserbringer im System der GKV und ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht "minimal". Die im Streit stehende Regresssumme ist zwar unzweifelhaft sehr hoch. Dies beruht aber darauf, dass der Kläger in 14 aufeinanderfolgenden Quartalen Verordnungen nicht persönlich unterzeichnet hat. In der Höhe des Regresses hat sich damit das Risiko, welches der Kläger durch seinen beständigen Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung eingegangen ist, manifestiert. Der Senat hat bereits entschieden, dass die mögliche Gefährdung der Fortexistenz einer Praxis jedenfalls nicht geeignet ist, fortdauernde Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot mildernd zu bewerten (vgl - SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296 zur Wirtschaftlichkeitsprüfung). Für den sonstigen Schaden gilt insoweit nichts anderes. Im Übrigen hat der Kläger vorgetragen, dass eine "Existenzvernichtung" durch eine Ratenzahlungsvereinbarung abgewendet werden konnte.

59Das alleinige Abstellen auf die finanzielle Belastung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung würde auch zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen führen: Ein Vertragsarzt, der nur einem geringen Regressbetrag ausgesetzt wäre, weil er zB nur in Einzelfällen die Verordnungen nicht persönlich unterzeichnet hat, wäre - soweit die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 BMV-Ä erfüllt wären - zur vollen Rückzahlung verpflichtet. Demgegenüber könnte sich ein Vertragsarzt, der über einen längeren Zeitraum Verordnungen im großen Umfang nicht persönlich unterzeichnet hat, aufgrund des hohen Regressbetrages auf die Unverhältnismäßigkeit der Forderung berufen. Im Ergebnis würde damit eine besonders konsequente und häufige Missachtung vertragsärztlicher Bestimmungen durch eine Regressfreiheit belohnt.

60Soweit der Kläger einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG für den Fall annehmen will, dass das SG "entgegen dem Wortlaut seiner Entscheidung die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes doch nicht bejaht" habe (Revisionsbegründung S 49), sind Ausführungen schon nach der Argumentation des Klägers entbehrlich. Nach der Rechtsauffassung des Senats drängen sich im Übrigen keine Anhaltspunkte für einen Gleichheitsverstoß auf.

61C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des von ihm ohne Erfolg geführten Rechtsmittels zu tragen. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keinen eigenen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl - BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:270825UB6KA924R0

Fundstelle(n):
DAAAK-06800