Instanzenzug: LG Essen Az: 27 KLs 11/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit jeweils mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Anstiftung zur Ausfuhr von Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Außerdem hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 27.650 Euro angeordnet und den in der Entscheidungsformel bezeichneten Pkw eingezogen. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den Feststellungen handelte der Angeklagte im Tatzeitraum in Gewinnerzielungsabsicht mit (Roh-)Opium im Kilobereich, das überwiegend zum Konsum durch Rauchen bestimmt war, sowie vereinzelt mit Chrystal Meth. Der nicht revidierende Mitangeklagte R. fungierte als Fahrer des Angeklagten. Er chauffierte den Angeklagten bei dessen Drogengeschäften und transportierte auf Weisung des Angeklagten auch allein Betäubungsmittel sowie die für deren Erwerb bestimmten Gelder oder den Kaufpreis für Betäubungsmittel, die der Angeklagte zuvor veräußert hatte. Für die Fahrdienste nutzte der Mitangeklagte den in der Entscheidungsformel bezeichneten, im Eigentum des Angeklagten stehenden Pkw.
3Zugunsten des Angeklagten ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass entweder eine Verarbeitung des von dem Angeklagten gehandelten Opiums zu Rauchopium geplant war oder es sich von vornherein um Rauchopium gehandelt hat. Den Grenzwert der nicht geringen Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG für Rauchopium hat die Strafkammer auf 16,0 Gramm Morphinbase festgesetzt. Unter anderem gestützt auf einen Vergleich mit der Aufnahme von Nicotin beim Rauchen hat die Strafkammer die Verfügbarkeit von Morphinbase am Wirkort im menschlichen Körper nach inhalativer Aufnahme mit jedenfalls 25% angenommen. Um die nicht geringe Menge zu erreichen, die der Bundesgerichtshof bezogen auf eine intravenöse Aufnahme einer Morphin-Zubereitung auf 4,0 Gramm Morphinbase festgelegt habe, sei mithin bei einer inhalativen Aufnahme eine Menge erforderlich, die 16,0 Gramm Morphinbase enthält.
42. Der Schuldspruch und die Strafzumessungsentscheidung sind frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten. Insbesondere ist die Bestimmung der nicht geringen Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG für Rauchopium auf 16,0 Gramm Morphinbase revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
5Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht zunächst festgestellt, dass das von dem Angeklagten gehandelte Opium ausschließlich zum Konsum durch Rauchen bestimmt war. Nach der in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandten Methode zur Bestimmung des Grenzwertes eines Betäubungsmittels ist dieser stets in Abhängigkeit von der konkreten Wirkungsweise und Wirkungsintensität des Betäubungsmittels festzulegen, denn für die Gefährlichkeit einer Dosis kommt es auf die Wirkmenge an, die bei der regelmäßig zu erwartenden Darreichungsform auf den Konsumenten einwirkt (vgl. , juris Rn. 5 f.; , juris Rn. 15; , BGHSt 35, 179, 180). Bei Opium kann insoweit auf das Hauptalkaloid Morphin als den quantitativ und in der Gefährlichkeit dominierenden Wirkstoff abgestellt werden (vgl. , juris Rn. 18 f., 34; , BGHSt 35, 179 ff.; LG Memmingen, Urteil vom – 3 Ns 221 Js 22995/19, BeckRS 2021, 962 Rn. 32).
6Da Opium injiziert, gegessen, getrunken oder geraucht werden kann und die Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs Morphin sich je nach Applikationsform teils erheblich unterscheidet (vgl. dazu , juris Rn. 5 f.; , juris Rn. 24), gilt die Festlegung des Bundesgerichtshofs, dass bei einer überwiegend intravenös injizierten Morphinzubereitung ein Grenzwert von 4,5 g Morphinhydrochlorid für die Annahme einer nicht geringen Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zugrunde zu legen ist (vgl. , BGHSt 35, 179 ff.), nicht für alle Opiumprodukte (vgl. , juris Rn. 5 mwN). In Rauchopium liegt Morphin zudem in Form von Morphinbase vor, wobei 4,5 Gramm Morphinhydrochlorid einer Menge von 4,0 Gramm Morphinbase entsprechen (vgl. , BGHSt 35, 179; LG Memmingen, Urteil vom – 3 Ns 221 Js 22995/19, BeckRS 2021, 962 Rn. 30, 33).
7Diesen Maßgaben hat das Landgericht ebenfalls Rechnung getragen und – hierbei sachverständig beraten – untersucht, welche Wirkstoffmenge bei der Aufnahme durch Rauchen den Wirkort im menschlichen Körper tatsächlich erreicht; den ermittelten prozentualen Wert hat es in Verhältnis gesetzt zu dem vom Bundesgerichtshof für die intravenöse Zuführung einer Morphinzubereitung festgelegten Grenzwert. Gegen diese Vorgehensweise ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern (vgl. zum Prüfungsmaßstab etwa , juris Rn. 9; , juris Rn. 10, jeweils mwN). Eines über den Wirkstoffverlust durch die konkrete Aufnahmeform hinausgehenden weiteren (Sicherheits-)Abschlags von dem errechneten Wert gegenüber dem Grenzwert bei intravenöser Zuführung bedurfte es aufgrund der vollen Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs nach der Aufnahme in den Körper nicht mehr; die Passage über den Magen-Darm-Trakt und die Leber wird beim Rauchen umgangen (vgl. , juris Rn. 25; , BGHSt 35, 179, 180 f.; LG Memmingen, Urteil vom – 3 Ns 221 Js 22995/19, BeckRS 2021, 962 Rn. 29, 34).
83. Soweit das Landgericht gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 27.650 Euro angeordnet hat, ist klarzustellen, dass der Angeklagte in Höhe eines Teilbetrags von 6.250 Euro als Gesamtschuldner haftet.
9Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Mitangeklagte R. den Kaufpreis für eine vorangegangene Veräußerung von Opium durch den Angeklagten in Höhe von 6.250 Euro allein in T. /Niederlande abgeholt und dem Angeklagten in E. übergeben (Fall II.7 der Urteilsgründe). Danach hatte der Mitangeklagte für die nicht unerhebliche Dauer der mit einem Grenzübertritt verbundenen Fahrt jedenfalls faktische Verfügungsgewalt an diesem Geld und es damit erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB, ohne dass es auf die spätere Weitergabe an den Angeklagten ankäme (vgl. , NStZ-RR 2022, 339; , juris Rn. 11 f.; jeweils mwN). Die in diesem Fall deshalb bestehende gesamtschuldnerische Haftung ist in der Entscheidungsformel zu kennzeichnen; eine individuelle Benennung anderer Gesamtschuldner ist nicht notwendig (vgl. , juris Rn. 7; , wistra 2021, 238 Rn. 2 mwN). Dass das Landgericht gegen den Mitangeklagten insoweit keine Einziehungsentscheidung getroffen hat, ändert nichts an der rechtlich bestehenden Gesamtschuld.
104. Die Einziehung des Pkw des Angeklagten ist nicht tragfähig begründet und deshalb aufzuheben.
11a) Es fehlt bereits an Feststellungen zum Wert des eingezogenen Kraftfahrzeugs. Zudem ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob sich das Tatgericht bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und – falls dies der Fall war – welche Gründe für die Ausübung des Ermessens maßgeblich waren (vgl. , juris Rn. 6 mwN). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei einer Ermessensausübung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
12b) Der Strafausspruch bleibt hiervon unberührt. Das Landgericht hat die Einziehung des Kraftfahrzeugs sowohl bei der Bemessung aller Einzelstrafen als auch der Gesamtstrafe ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt und damit zum Ausdruck gebracht, von einem jedenfalls nicht unerheblichen Wert des Fahrzeugs auszugehen (vgl. zur Einziehung eines Gegenstands von nicht unerheblichem Wert als bestimmendem Strafzumessungsgrund etwa , juris Rn. 3; , juris Rn. 4 mwN). In Anbetracht der erheblichen Handelsmengen schließt der Senat aus, dass eine konkrete Wertbestimmung zu niedrigeren Strafen geführt hätte.
13c) Die rechtsfehlerfrei getroffenen bisherigen Feststellungen sind von den Rechtsfehlern ebenfalls nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird ergänzende Feststellungen zum Wert des Kraftfahrzeugs zu treffen und auf dieser Grundlage unter nachvollziehbarer Ausübung seines Ermessens erneut über die Einziehung zu entscheiden haben.
Quentin Sturm Scheuß
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ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:211025B4STR430.25.0
Fundstelle(n):
SAAAK-06792