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BGH Beschluss v. - IX ZR 175/24

Leitsatz

1a. Ein Hinweis darauf, dass sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, ist grundsätzlich für jeden einzelnen Auftrag zu erteilen; der Auftrag kann allerdings mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten umfassen.

1b. Ein Hinweis auf die Gebührenberechnung nach dem Gegenstandswert darf es nicht dem Mandanten überlassen, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob ein und welcher Teil der nach dem Auftrag geschuldeten Tätigkeiten nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird.

2. Unterlässt der Rechtsanwalt pflichtwidrig einen Hinweis, dass sich die gesetzlichen Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, stellt die Belastung mit einer nach dem Gegenstandswert berechneten Gebührenforderung keinen ersatzfähigen Schaden dar, wenn der Mandant die Belastung nicht auf rechtlich zulässigem Weg vermeiden konnte.

Gesetze: § 49b Abs 1 BRAO, § 49b Abs 5 BRAO, § 249 BGB

Instanzenzug: Az: 5 U 1/24vorgehend LG Freiburg (Breisgau) Az: 4 O 13/23

Gründe

1Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

I.

2Die Parteien streiten - soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse - über die Frage, ob der Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen eines nicht ordnungsgemäß erteilten Hinweises gemäß § 49b Abs. 5 BRAO zusteht. Die klagende Rechtsanwaltsgesellschaft macht einen nach dem Gegenstandswert berechneten Vergütungsanspruch für die Vertretung der Beklagten in einem Zugewinnausgleichsverfahren geltend. Die Beklagte will den Schadensersatzanspruch der Klageforderung entgegenhalten.

3Die Beklagte trennte sich im März 2020 von ihrem Ehemann. Im September 2020 beauftragte sie die Klägerin mit der Wahrnehmung ihrer Interessen und ihrer Vertretung hinsichtlich aller während der Trennungszeit erforderlichen Regelungen und der Einleitung eines Scheidungsverfahrens, sobald die Voraussetzungen dafür vorlägen. Im Anschluss an ein Erstgespräch übersandte die Klägerin am der Beklagten einen Vermerk über das Beratungsgespräch, eine Vergütungsvereinbarung und ein Hinweisblatt mit der Überschrift "Allgemeine Hinweise vor Mandatsübernahme". Die Vergütungsvereinbarung sollte die außergerichtlichen Bemühungen der Klägerin erfassen und sah vor, dass die außergerichtlich angefallenen Honorare nicht auf die in nachfolgenden gerichtlichen Verfahren entstehenden Gebühren anzurechnen seien. In dem Hinweisblatt wies die Klägerin die Beklagte unter der Überschrift "Vergütung" auf Folgendes hin:

4Nach Auftragserteilung und Abschluss der Vergütungsvereinbarung wurde die Klägerin außergerichtlich für die Beklagte tätig und vertrat diese im Scheidungsverfahren. Die Ehe wurde am rechtskräftig geschieden.

5Mit einem der Beklagten am zugestellten (Stufen-)Antrag machte der Ehemann der Beklagten Ansprüche auf Zugewinnausgleich geltend. Der Auftrag zur Vertretung im Zugewinnausgleichsverfahren wurde nach den getroffenen Feststellungen erst nach der Zustellung des Antrags erteilt. Einen (weiteren) Hinweis nach § 49b Abs. 5 BRAO erteilte die Klägerin der Beklagten in diesem Zusammenhang nicht.

6Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Beklagten verneint. Es hat gemeint, der in der Anlage zum Schreiben vom erteilte Hinweis genüge auch für den späteren Auftrag zur Vertretung im Zugewinnausgleichsverfahren.

II.

7Die von der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch.

81. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, die Klägerin habe der Beklagten im Hinblick auf den Auftrag zur Vertretung im gerichtlichen Zugewinnausgleichsverfahren einen hinreichenden Hinweis im Sinne des § 49b Abs. 5 BRAO erteilt.

9a) Nach § 49b Abs. 5 BRAO hat der Rechtsanwalt vor Übernahme des Auftrags darauf hinzuweisen, wenn sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Grund für die Regelung des § 49b Abs. 5 BRAO war der Umstand, dass es zuvor immer wieder zu Unzuträglichkeiten geführt hatte, wenn Mandanten vor allem bei hohen Gegenstandswerten von der Abrechnung "überrascht" wurden. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass nach einem entsprechenden Hinweis ein Mandant, der die Folgen dieser Form der Gebührenberechnung nicht abschätzen kann, den Rechtsanwalt hierzu näher befragt (BT-Drucks. 15/1971, S. 232). Nach der Gesetzesregelung selbst ist der Anwalt nicht verpflichtet, ohne weitere Nachfrage Angaben zur Höhe der Gebühr oder des Gegenstandswerts zu machen (vgl. , NJW 2007, 2332 Rn. 15).

10b) Danach muss der nach § 49b Abs. 5 BRAO zu erteilende Hinweis den Mandanten in die Lage versetzen, den Rechtsanwalt näher zur Abrechnung des zu erteilenden Auftrags und nach dem Gegenstandswert zu befragen. Dem wird der im Streitfall erteilte Hinweis nicht gerecht.

11aa) Der in der Anlage zum Schreiben vom erteilte Hinweis genügt schon deshalb nicht den Anforderungen des § 49b Abs. 5 BRAO, weil er es der Beurteilung des Mandanten überlässt, ob und inwieweit sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Dies gilt jedenfalls, wenn der Hinweis - wie im Streitfall - im Zusammenhang mit einer Vergütungsvereinbarung verwendet wird, deren Anwendungsbereich nicht den gesamten Auftrag abdeckt. Dann bleibt nämlich dem Mandanten überlassen, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob ein und welcher Teil der nach dem Auftrag geschuldeten Tätigkeiten nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird. Dadurch wird der Mandant nicht hinreichend in die Lage versetzt, den Rechtsanwalt näher zu dieser Form der Gebührenberechnung zu befragen. Der Hinweis muss vielmehr den Bezug zu einer bestimmten Tätigkeit des Rechtsanwalts herstellen, die nach dem Auftrag geschuldet ist und nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird. Das ist unproblematisch, wenn sich die Gebührenberechnung für die gesamte nach dem Auftrag geschuldete Tätigkeit nach dem Gegenstandswert richtet. Ist das nicht der Fall, muss der Rechtsanwalt den Hinweis entsprechend konkretisieren. § 49b Abs. 5 BRAO erfordert einen Bezug der Gebührenberechnung nach dem Gegenstandswert ("Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert") zu einem konkreten Auftrag ("vor Übernahme des Auftrags"). Ein abstrakter Hinweis auf eine Gebührenberechnung nach dem Gegenstandswert reicht nicht.

12bb) Der erteilte Hinweis war auch deshalb nicht hinreichend, weil es an einem Bezug zu dem erst rund ein Jahr später erteilten Auftrag zur Vertretung im Zugewinnausgleichsverfahren fehlte. Grundsätzlich macht jeder Auftrag, der sich auch auf mehrere Angelegenheiten im Sinne der §§ 16 ff RVG beziehen kann (vgl. , NJW 2025, 2698 Rn. 22), einen eigenständigen Hinweis nach § 49b Abs. 5 BRAO erforderlich. Das kann ausnahmsweise dann anders sein, wenn der Mandant nicht mehr belehrungsbedürftig ist, weil er etwa aufgrund eines vorangegangenen Hinweises weiß, dass sich die Gebührenberechnung auch für die nach dem neuen Auftrag geschuldete Tätigkeit nach dem Gegenstandswert richtet. Das kommt insbesondere in Betracht bei wiederholter Beauftragung der gleichen Tätigkeit, wie zum Beispiel beim Forderungsinkasso. Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Belehrungsbedürftigkeit trifft den Rechtsanwalt. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn - wie im Streitfall - nacheinander die Vertretung in unterschiedlichen gerichtlichen Verfahren (Scheidung und Zugewinnausgleich) beauftragt wird. Daran ändert nichts, dass zwischen diesen Verfahren ein Zusammenhang besteht.

132. Die angefochtene Entscheidung stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar.

14a) Wenn der Rechtsanwalt schuldhaft seiner Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO nicht nachkommt, ist er dem Mandanten zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens verpflichtet (, NJW 2007, 2332 Rn. 12 ff; vom - IX ZR 105/06, NJW 2008, 371 Rn. 6; vom - IX ZR 221/18; NJW 2019, 1870 Rn. 27). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass dem Mandanten durch den unterlassenen Hinweis ein Schaden entstanden ist, er etwa den Anwalt nicht beauftragt hätte, wenn der Hinweis erteilt worden wäre. Sein Schaden besteht dann in der Belastung mit der Gebührenforderung ( aaO).

15Die Belastung mit einer Gebührenforderung kann allerdings nur dann einen ersatzfähigen Schaden darstellen, wenn sie auf rechtlich zulässigem Weg vermeidbar war (vgl. , WM 2018, 1944 Rn. 26 für einen Steuernachteil). Ein Geschädigter soll grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können ( aaO Rn. 24 mwN). Der Zweck der Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO soll dem Mandanten vor Auftragserteilung Gelegenheit geben, sich über hierfür anfallende Kosten zu informieren und nach seinem Interesse den Auftrag zu beschränken, von ihm abzusehen oder - soweit rechtlich zulässig - eine Gebührenvereinbarung anzustreben (vgl. , NJW 2007, 2332 Rn 19).

16b) Danach fehlt es - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - an einem ersatzfähigen Schaden. Die Beklagte macht nicht geltend, dass sie von der Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung im Zugewinnausgleichsverfahren gänzlich abgesehen hätte, wenn ihr ein ordnungsgemäßer Hinweis erteilt worden wäre. Sie behauptet vielmehr, sie hätte einen anderen Rechtsanwalt gesucht, der bereit gewesen wäre, (auch) gerichtlich für ein Zeithonorar tätig zu werden. Eine wirtschaftlich bessere Lage und damit ein möglicher Schaden hätten sich daraus nur ergeben, wenn die vereinbarte Vergütung unter den gesetzlichen Gebühren gelegen hätte. Eine solche Vergütungsvereinbarung wäre gesetzlich verboten gewesen (§ 49b Abs. 1 BRAO, § 4 RVG). Die Beklagte hätte die Belastung mit der Gebührenforderung also nicht auf rechtlich zulässigem Weg vermeiden können. Der Umstand, dass der Rechtsanwalt im Falle des Abschlusses einer entsprechenden Vergütungsvereinbarung - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben - gleichwohl nur die niedrigere vereinbarte Vergütung hätte verlangen können (vgl. , BGHZ 201, 334 Rn. 16 ff), dient dem Schutz des Mandanten im Verhältnis zu dem Rechtsanwalt, mit dem die (gesetzeswidrige) Vergütungsvereinbarung geschlossen ist. Ein ersatzfähiger Schaden wegen eines unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Hinweises gemäß § 49b Abs. 5 BRAO folgt daraus nicht.

173. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

                                                   

                                                

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:131125BIXZR175.24.0

Fundstelle(n):
YAAAK-06790