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NWB Nr. 50 vom Seite 3474

Stromsteuerentlastungen nach § 9b StromStG

Grundlagen, Antragsverfahren und Fragen in der Praxis

Carsten Timm und Felix Radtke

Das Verbrauchsteuerrecht, insbesondere das Stromsteuerrecht, spielt bei vielen kleineren und mittelständischen Unternehmen und deren steuerlichen Beratern häufig nur eine untergeordnete Rolle. Dabei bestehen zahlreiche Entlastungsmöglichkeiten, durch die sich gezahlte Steuern zurückholen lassen. Eine zentrale Möglichkeit hierfür bietet für Unternehmen des produzierenden Gewerbes die Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG. Ab 2024 ist hierbei sogar eine fast vollständige Entlastung von der gezahlten Stromsteuer möglich. Dabei sind jedoch einige Voraussetzungen und Antragshürden zu beachten, die im Folgenden ausführlich vorgestellt werden sollen – zumal ein Entlastungsantrag für das Jahr 2024 nur noch bis zum gestellt werden kann.

I. Praxisproblem

[i]Vergünstigung für Unternehmen des produzierenden Gewerbes und Unternehmen der Land- und ForstwirtschaftDas Stromsteuerrecht allgemein und speziell die dort bestehenden Steuervergünstigungen für die Bezieher von versteuertem Strom spielen in der steuerlichen Beratung häufig nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich die aktuelle politische Diskussion über zukünftige oder verpasste Senkungen der Stromsteuersätze durch die Bundespolitik schaffen es gelegentlich, die Stromsteuer kurz in das Gedächtnis der Verbraucher, von Unternehmen und ihrer steuerlichen Berater zu holen.

Dabei ergibt sich aufgrund des deutschen Stromsteuergesetzes als Verbrauchsteuer nicht nur eine steuerliche Belastung für den Bezieher von Strom, sondern auch eine Reihe von Stromsteuervergünstigungen, die vor allem Unternehmen in Anspruch nehmen können. Allerdings setzt die Inanspruchnahme solcher Vergünstigungen zunächst die Kenntnis voraus, ob und unter welchen Voraussetzungen diese überhaupt greifen. Durch die Nichtinanspruchnahme bestehender Vergünstigungen trotz Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen verschenken Bezieher von Strom häufig bares Geld. Eine Verpflichtung der Finanzverwaltung, etwa der für die Stromsteuer zuständigen Hauptzollämter, auf Stromsteuervergünstigungen proaktiv hinzuweisen, existiert nicht.

Die wirtschaftlich bedeutendste Form von Stromsteuervergünstigungen ist die Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG. Diese Vergünstigung richtet sich explizit an Unternehmen des produzierenden Gewerbes und Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft. War die Entlastung bis zum Jahr 2023 der Höhe nach eher moderat ausgestaltet, was viele Antragsberechtigte aufgrund einer Kosten-Nutzen-Betrachtung S. 3475häufig von einer Entlastung abgehalten haben dürfte, ergibt sich ab dem Entlastungszeitraum 2024 die Möglichkeit, eine Entlastung auf das unionsrechtliche Mindestbesteuerungsmaß von 0,5 € je MWh für die betriebliche Verwendung (gemäß Tabelle C des Anhangs I der Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG) zu erreichen.

[i]Gesetzgeber entfristet die EntlastungDie Entlastung auf das Mindestmaß war zunächst auf die Jahre 2024 und 2025 beschränkt. Inzwischen hat die aktuelle Bundesregierung eine dauerhafte Senkung auf den gesetzgeberischen Weg gebracht, die der Deutsche Bundestag am mit Zustimmung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes nunmehr beschlossen hat (vgl. BT-Drucks. 21/275 v. , aufrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/21/027/2102753.pdf).

[i]Antragstellung prüfenDaher erfolgt die unmittelbare Empfehlung für entsprechende Unternehmen, eine Antragstellung zu prüfen und – für das Jahr 2024 etwa bis – vorzunehmen. Dabei dürfte sich ein Antrag immer wirtschaftlich lohnen, wenn die administrativen Antragskosten, z. B. für steuerliche Beratungskosten, geringer als der voraussichtliche Entlastungsbetrag sind, zumal sich bei Antragstellung für Folgejahre gewisse Synergieeffekte einstellen sollten. Im Folgenden wird daher die Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG im Kontext des nationalen und europäischen Stromsteuerrechts vorgestellt, wobei nicht nur auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Entlastung eingegangen wird, sondern auch auf das Antragsverfahren selbst. Hierbei können nur die stromsteuerrechtlichen Grundzüge wiedergegeben werden, entscheidet sich das ob und wie einer Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG in der Praxis doch erst an den jeweiligen konkreten Umständen des unternehmerischen Einzelfalls.

II. Grundzüge der Stromsteuervergünstigungen

[i]Wirtschafts- und umweltpolitische ZielsetzungenDie allgemeinen Verbrauchsteuergesetze, insbesondere das Stromsteuergesetz, kennen zahlreiche Steuerbefreiungen, -ermäßigen und -entlastungen. Der Sinn und Zweck der steuerlichen Vergünstigungen ist sowohl wirtschafts- als auch umweltpolitscher Natur, aber in Teilen auch von den Bestrebungen zur Verwaltungsvereinfachung motiviert (vgl. Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 4. Aufl. 2023, Kap. J Rz. 55).

[i]Acht StromSt-BefreiungstatbeständeDie Stromsteuerbefreiungen sind mit insgesamt acht abschließenden Befreiungstatbeständen in § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 StromStG geregelt. Der Förderung der erneuerbaren Energien dienen etwa die Stromsteuerbefreiungen in Nr. 1 und Nr. 3, wobei insbesondere Vorgaben der Energiesteuerrichtlinie (RL 2003/96/EG) als auch beihilferechtliche Vorgaben berücksichtigt werden müssen. Hinzu kommen praktische Steuerbefreiungen für Strom, der zur Stromerzeugung entnommen wird (Nr. 2), Strom aus Notstromanlagen, Stromerzeugung auf Wasser-, Luft- oder Schienenfahrzeugen (Nr. 5) oder Stromsteuerbefreiungen aufgrund internationaler Vereinbarungen (Nr. 7 und 8).

Die Entnahme von nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StromStG steuerbefreitem Strom bedarf einer beim zuständigen Hauptzollamt (HZA) vorab schriftlich zu beantragenden Erlaubnis (§ 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 StromStG i. V. mit § 8 Abs. 1 Satz 1 StromStV).

[i]StromSt-Befreiungen und -ErmäßigungenWährend Stromsteuerbefreiungen eine vollständige Befreiung von der Stromsteuer ermöglichen, erlauben Steuerermäßigungen lediglich eine Besteuerung zu einem ermäßigten Steuersatz. Zu nennen sind hier die beiden Steuerermäßigungen für den Fahrbetrieb im ÖPNV und Bahnfernverkehr (§ 9 Abs. 2 StromStG) sowie die für die landseitige Stromversorgung von Wasserfahrzeugen für die Schifffahrt (§ 9 Abs. 3 StromStG), denen auch wiederum ökologische Zielsetzungen zugrunde liegen.

[i]Online-Antrag beim HZAEine besondere Form der Stromsteuervergünstigung stellt der Erlass, die Erstattung oder Vergütung von versteuertem Strom nach § 9a StromStG dar. Begünstigt sind die abschließend in § 9a Abs. 1 Nr. 1 bis 4 StromStG aufgezählten Prozesse und HerstellungsS. 3476verfahren (Elektrolyse, mineralogische Verfahren, Metallerzeugung und -bearbeitung, chemische Reduktionsverfahren) von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes. Begünstigungsfähig ist zudem nur nachweislich zuvor versteuerter Strom, so dass eine Steuerentlastung erst nachträglich möglich ist. Diese Form der nachträglichen Stromsteuerentlastung ist beim zuständigen HZA online zu beantragen. Anträge in anderer Form (PDF, Papier) sind nicht mehr zulässig.

[i]Antragsfrist bis zum 31.12. des FolgejahresDie Steuerentlastung wird jedoch nur gewährt, wenn der Antrag spätestens bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist i. S. des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beim zuständigen HZA gestellt wird (§ 17a Abs. 1 Satz 3 StromStV). Ein entsprechender Antrag für das Jahr 2024 wäre daher noch bis zum zu stellen. Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass bis zum eine besondere Form des Erlasses, der Erstattung oder der Vergütung von Strom in Sonderfällen über § 10 StromStG a. F. möglich war. Dieser sog. Spitzenausgleich wurde abgeschafft, da die Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG für Unternehmen des produzierenden Gewerbes ab ausgeweitet wurde.

[i]StromSt-EntlastungenEine weitere Form der Steuervergünstigung stellen die Steuerentlastungen dar. Neben der Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG, die nachfolgend dargestellt wird, stehen die Entlastungstatbestände nach §§ 9c bis 9e StromStG. Allen Entlastungen gemein ist die nachträgliche Antragstellung für nachweislich versteuerten Strom.

Hinweis:

[i]Analogien zwischen StromSt- und EnergieSt-EntlastungenSoweit stromsteuerliche Entlastungen infrage kommen, sollten Entlastungsmöglichkeiten nach Kapitel 5 des Energiesteuergesetzes (bspw. § 54 EnergieStG) stets mitgedacht werden, da die dortigen Entlastungstatbestände häufig analog ausgestaltet sind.

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