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BVerfG Urteil v. - 1 BvR 573/25

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Zur Sorgfaltspflicht der Presse bei der Verdachtsberichterstattung insb über erhebliche Wirtschaftsstraftaten  - hier: Verletzung von Art 5 Abs 1 S 1 und 2 GG durch fachgerichtliche Einschränkung der Wort- und Bildberichterstattung eines Nachrichtenmagazins im Zusammenhang mit dem sog Wirecard-Skandal - Gegenstandswertfestsetzung

Gesetze: Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 S 1 GG, Art 5 Abs 1 S 2 GG, Art 5 Abs 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 823 Abs 1 BGB, § 1004 BGB, § 22 KunstUrhG, § 22ff KunstUrhG, § 23 Abs 1 Nr 1 KunstUrhG, § 23 Abs 2 KunstUrhG, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG

Instanzenzug: Az: VI ZR 48/23 Beschlussvorgehend Az: 18 U 1536/22 Pre Beschlussvorgehend LG München I Az: 26 O 7732/21 Urteilvorgehend LG München I Az: 26 O 7732/21 Urteil

Gründe

A.

1Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein zivilgerichtliches Ausgangsverfahren, in dem die Beschwerdeführerin als Presseunternehmen zur Unterlassung einer Wort- und Bildberichterstattung im Zusammenhang mit dem sogenannten Wirecard-Skandal verurteilt worden ist. Die Wirecard AG war eine börsennotierte, im Deutschen Aktienindex vertretene Aktiengesellschaft. Sie stellte am Insolvenzantrag. Seitdem wird nach dem langjährigen Vorstandsmitglied (...P1...) international gefahndet. Die Vorgänge um die Wirecard AG mit einer Vielzahl von geschädigten Anlegern und Geschäftspartnern gelten als der bislang größte Bilanzfälschungs- und Betrugsskandal in der Geschichte der Bundesrepublik.

I.

2Die Beschwerdeführerin verlegt das Nachrichtenmagazin "DER SPIEGEL" und ist Anbieterin des zugehörigen Internet-Auftritts www.spiegel.de.

3Der Kläger des Ausgangsverfahrens war nach den fachgerichtlichen Feststellungen seit dem Jahr 2005 bei der Wirecard AG tätig. Ab dem Jahr 2012 war der Kläger unter anderem gemeinsam mit (...P1...) Geschäftsführer der konzernverbundenen Tochtergesellschaft (...U1...). Im Jahr 2017 galt der Kläger in seiner damaligen Position als (...) für den Bereich (…) als Kandidat für den Konzernvorstand der Wirecard AG. Er schied im Jahr 2018 aus dem Konzern aus und wurde Geschäftsführer bei dem (…)-Unternehmen (...U2…). Bis Ende März 2020 vergab die (...U3...), deren Co-Geschäftsführerin die Ehefrau des Klägers (...P2...) war, an die (...U2...) einen Kredit in Höhe von 115 Millionen Euro. Dessen deklarierter Zweck war ein sogenanntes Mercant Cash Advance (MCA-Geschäft), bei dem es sich um ein Zusatzprodukt zur eigentlichen Zahlungsabwicklung handelt, das höhere Margen verspricht. Die Wirecard AG meldete im Juni 2020 Insolvenz an. Die (...U2...) befindet sich seit Dezember 2020 in Liquidation.

4Der Insolvenzverwalter der Wirecard AG sowie die Staatsanwaltschaft (...) nehmen an, dass über das Vehikel der MCA-Geschäfte hunderte Millionen Euro veruntreut worden seien. Die Staatsanwaltschaft leitete unter anderem gegen den Kläger im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal ein Ermittlungsverfahren ein. Gegen drei weitere Personen - darunter der langjährige Wirecard-Vorstandsvorsitzende (...P3...) - erhob sie im März 2021 Anklage. In der zu Beginn der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Landgericht (...) am von der Staatsanwaltschaft verlesenen Anklageschrift wurde der Kläger als "anderweitig Verfolgter" bezeichnet.

II.

5Am veröffentlichte die Beschwerdeführerin auf ihrer Internetseite einen Artikel mit der Überschrift "Der Wireclan", der am Folgetag nahezu wortgleich in der Printausgabe mit der Überschrift "Duo infernale" erschien. Der Artikel thematisierte den "Jahrhundertbetrug" bei Wirecard und befasste sich im Schwerpunkt mit der Rolle von (...P1...) und (...P3...). Er lautete auszugsweise:

6"[…] Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mehr als 20 Beschuldigte, darunter der gesamte zuletzt amtierende Vorstand und etliche Führungskräfte. Die Vorwürfe reichen von Untreue und unrichtiger Darstellung über Marktmanipulation bis zu Geldwäsche und 'gewerbsmäßigem Bandenbetrug'. […] Wer war wirklich der Kopf jener mutmaßlichen Bande? Stiften (...P3...) und (...P1...) bis heute gezielt Verwirrung, wie ein Kronzeuge sagt? Oder war (...P3...) doch nur (...P1...) nützlicher Idiot? […] Die Staatsanwaltschaft hat keinen Zweifel. 'Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen fungierte (...P3...) innerhalb der Bande als Kontroll- und Steuerungsinstanz. Er hatte ein hierarchisches System nach dem Prinzip >Teile und herrsche< aufgebaut, das geprägt war von militärisch-kameradschaftlichem Korpsgeist und Treueschwüren untereinander […] Andererseits: Warum sah (...P3...) zu, wie sich sein Papiervermögen aus Aktien, das zeitweise gut 1,6 Milliarden Euro wert war, in Rauch auflöste, wenn er - wie die Staatsanwaltschaft glaubt - der Kopf der Bande war? Hat er sich in Sicherheit gewogen und die Lage womöglich so falsch eingeschätzt, dass er dachte, ewig durchzukommen? Oder doch rechtzeitig Geld abgezweigt, so wie offenbar sein Kompagnon (...P1...)? Und vor allem: Wer gehörte noch zu der Bande inner- und außerhalb des Konzerns beim größten Raubzug der deutschen Wirtschaftsgeschichte? […]

(...O1...)

[…] Über die Drehscheibe (...O1...) wird Kapital in der Region verteilt, und so steuerte auch (...P1...) von hier aus Wirecards scheinbar atemberaubend erfolgreiches (…)geschäft. (...P1...) wichtigster Partner war (...P4...), der als starker Mann der (...U4...) galt, Wirecards TPA-Partner in (...O1...). Zu (...U4...) und (...P4...) Einflussbereich gehörte die Firma (...U2...). Ihr kam in der Schlussphase des Beutezugs offenbar eine besondere Rolle zu. Chef war ab 2018 ein Mann, der eigentlich in den Wirecard-Vorstand einziehen wollte: (...Name des Klägers...), ein smarter (...), seit 2005 im Konzern. (...P1...) wollte ihn im Vorstand, (...P3...) soll sich für (...P5...) ausgesprochen haben und setzte sich durch. Kurz darauf nahm der düpierte (...Name des Klägers...) den (...U2...)-Job an. Für (...P1...) war er dort womöglich nützlicher als in (...O2...). Denn (...U2...) wurde zu einem zentralen Vehikel für das Betrugsmodell, dessen Grundlage sogar auf einem offiziellen Vorstandsbeschluss beruht. Am gaben (...P3...), (...P1...), (...P6...) und (...P5...) 500 Millionen Euro frei, um das MCA-Geschäft zu pushen. Dass Zahlungsabwickler Händlern Umsätze vorfinanzieren, ist nicht ungewöhnlich. Auch bei Wirecard war es eine offizielle Strategie, das Angebot für Bestandskunden um zusätzliche Produkte zu erweitern. Bloß: Das Geld floss nicht in den legalen Kreislauf, sondern offenbar in private Taschen. Dem Insolvenzbericht lässt sich entnehmen, dass bereits seit 2016, vor allem aber ab 2018 Kredite an TPA-Partner und Firmen wie (...U2...) in Höhe von fast 500 Millionen vergeben wurden. Genauso viel wie im Vorstandsbeschluss vereinbart, mutmaßlich aber zweckentfremdet. Das hat womöglich viel mit (...Name des Klägers...) zu tun. Seine Gattin (...P2...) betreute von (...O2...) aus die (...O1...) Firma, der ihr Mann vorstand. 2018 soll sie Darlehen von 115 Millionen Euro an (...U2...) genehmigt haben. (...Name des Klägers...) Anwalt äußert sich zu allen Vorwürfen nicht, (...P2...) war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. […]"

7Der Artikel war mit einem nicht verpixelten Portraitfoto des Klägers mit der Bildunterschrift "Manager (...Name des Klägers...) um 2014, Finanzplatz (...O1...): Millionen von der Gattin aus der Heimat" versehen.

III.

8Am veröffentlichte die Beschwerdeführerin auf ihrer Internetseite unter der Überschrift "Inside Wirecard" einen weiteren Artikel, der am Folgetag nahezu inhaltsgleich in der Printausgabe unter der Überschrift "Die Vorstadtbande" erschien. Der Artikel lautete auszugsweise:

9"[…] Da stehen sie, die mutmaßlich größten Betrüger der deutschen Wirtschaftsgeschichte, und lächeln in die Kamera, als gälte es, bloß ein paar gut gelaunte Worte zur Eröffnung der Weihnachtsfeier loszuwerden. (...P3...), der Wirecard-Chef […] Neben ihm (...P1...), sein Mann fürs Tagesgeschäft und, wie man heute annehmen muss, Mastermind des Wirecard-Bluffs. […] Es ist der […]

Der Manipulator

[…] Was (...P3...) mit der Aura des unnahbaren Techgurus gelingt, erreicht (...P1...) mit Wiener Schmäh: Menschen in seinen Bann zu ziehen, sie für seine Zwecke zu missbrauchen, ohne rabiat zu werden. Die wenigen Mitarbeiter, zu denen er Kontakt hat, verfallen der Mischung aus Charme und Lässigkeit, Sexappeal und seiner Fähigkeit, sich aus allem herauszuwinden. Zu seinem Glück klappt die Masche bei seiner Kollegin D. […]

[…] Doch bald darauf bekommt die traute Einigkeit Risse. Immer wieder vertröstet (...P1...) D., die ihn nach Dokumenten fragt […] Sein Zauber scheint langsam zu verfliegen […] (...P1...) wird nun öfter harsch, seine gut gelaunte Coolness weicht. '(…P3…) entscheidet, wann die letzte Sekunde ist', lässt er D. wissen, als mal wieder eine Frist verstrichen ist. 'Doch nicht für die Bank', widerspricht D. (...P1...) Antwort kommt in Großbuchstaben: 'DOCH'. 'Du hast wirklich 2 Gesichter', stellt D. im Mai 2020 fest. Das Ende ist jetzt nah. 'Was bildet sich Wirecard eigentlich ein? Wie geht Ihr denn mit Menschen um?' Mies, müsste (...P1...) antworten, wäre er ehrlich. Tatsächlich plant er da wohl bereits die Flucht. Zurück lässt er ein Netzwerk treuer Helfer. Leute wie (...P2...), zuständig für Kunden aus dem Schmuddelmilieu, ihren Gatten (...Name des Klägers...), den als cholerisch geltenden Chefbuchhalter (...P7...) und (…O3…)-Statthalter (...P8...). Mit ihnen feierte (...P1...) Partys, kümmerte sich, wenn es für sie nicht rund lief. Besonders eng soll die Beziehung zu (...P2...) gewesen sein, die er in sein Schattenreich nach (…O1…) holte. Und deren Mann gleich mit, nachdem er den erhofften Vorstandsjob nicht bekommen hatte. (...P1...) hatte für jeden eine Rolle. Rennauto-Fan (...P8...) bildete in (…O3…) die Schnittstelle zu Wirecards Drittpartnern, die angeblich den Löwenanteil der Gewinne beitrugen, aber wohl die Basis des Betrugssystems waren. (...P8...) manipulierte auf Anweisung ihre Abrechnungen. Er ist bisher der Einzige, der gestanden hat, unter anderem auf seine Aussagen stützt die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe gegen (...P3...) und (...P1...). "

10Der Artikel in der Printausgabe war mit einem Informationskasten mit der Überschrift "Tollhaus Wirecard - Schlüsselpersonen des Skandals" versehen. Unterteilt waren diese "Schlüsselpersonen" erstens in "Aufsichtsräte - Kontrollgremium", zweitens in "Vorstandsmitglieder" und drittens in "(...P1...)-Vertraute und Geschäftspartner". In dem Informationskasten wurde der Name des Klägers - neben demjenigen seiner Ehefrau - in der dritten Kategorie genannt. In der Printausgabe war zudem ein nicht verpixeltes Foto des Klägers als Teil einer Collage mit der Unterschrift "24 Stunden durchgearbeitet und hart gefeiert [...] Mitarbeiter (…Name des Klägers…)" abgebildet.

IV.

111. Der Kläger nahm die Beschwerdeführerin vor dem Landgericht München I auf Unterlassung einer ihn im Zusammenhang mit Strafvorwürfen gegen seine Person identifizierenden Wort- und Bildberichterstattung in Anspruch. Das Landgericht gab der Klage mit angegriffenem Endurteil vom in der Fassung des Ergänzungsurteils vom - 26 O 7732/21 - statt.

122. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin wies das Oberlandesgericht München mit angegriffenem Beschluss vom - 18 U 1536/22 Pre - zurück.

13Hinsichtlich der beanstandeten Wortberichterstattung bejahte das Oberlandesgericht einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Die Wortberichterstattung verletze den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen falle zu seinen Gunsten aus. Ausgehend vom Wortlaut und unter Berücksichtigung des Kontextes enthielten beide beanstandeten Artikel nach dem maßgeblichen Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers neben der Mitteilung wahrer Tatsachen aus der Sozialsphäre des Klägers den Verdacht, dass dieser an den von Verantwortlichen des Wirecard-Konzerns begangenen und den Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen bildenden Straftaten - möglicherweise sogar maßgeblich - beteiligt gewesen sei. Die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung seien im Streitfall nicht erfüllt, da es bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen fehle. Insoweit genüge es nicht, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingeleitet habe. Sämtliche der von der Beschwerdeführerin angeführten Tatsachen begründeten auch in der Gesamtschau lediglich den Anfangsverdacht einer Tatbeteiligung des Klägers, zeigten aber keine darüber hinausgehenden Anhaltspunkte für dessen konkrete Beteiligung an den begangenen Straftaten im Sinne von Beweistatsachen auf.

14Auch im Hinblick auf die ihn identifizierende Bildberichterstattung stehe dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Absätze 1 und 2, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit §§ 22, 23 KunstUrhG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Da in beiden Artikeln zumindest der Verdacht geäußert werde, der Kläger sei in strafrechtlich relevanter Weise an der Begehung der geschilderten Taten beteiligt gewesen, seien die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung entsprechend anwendbar. Die Unzulässigkeit der Wiedergabe der Fotos ergebe sich bereits aus dem Kontext der Bildnisse mit der - wegen Nichteinhaltung der Voraussetzungen einer Verdachtsberichterstattung - unzulässigen Wortberichterstattung, wobei die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Bebilderung noch verstärkt werde. Insoweit sei zugunsten des Klägers auch zu berücksichtigen, dass er im Rahmen des gegen ihn selbst gerichteten Ermittlungsverfahrens noch nicht einmal vernommen oder angeklagt worden sei. Er sei auch weder prominent noch stehe er wegen eines von ihm bekleideten Amtes oder einer gesellschaftlich hervorgehobenen Verantwortung im Licht der Öffentlichkeit oder habe sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen in der medialen Öffentlichkeit geäußert.

153. Die gegen die Berufungszurückweisung erhobene Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin wies der Bundesgerichtshof mit angegriffenem Beschluss vom - VI ZR 48/23 - zurück.

V.

16Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte auf Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG.

171. Die Verurteilung zur Unterlassung der Wortberichterstattung verletze die Beschwerdeführerin in beiden Grundrechten. Die Fachgerichte hätten verkannt, dass die einschlägigen Textpassagen, in denen der Name des Klägers genannt werde, von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt seien und - abgeleitet aus den konkreten, unstreitig wahren Umständen, nämlich der Stellung und Funktion des Klägers im Gefüge des Wirecard-Konzerns - Werturteile darstellten. Jedenfalls hätten die Fachgerichte die Anforderungen an die erforderliche Qualität der Beweistatsachen überspannt.

182. Die Verurteilung zur Unterlassung der Bildberichterstattung verletze die Pressefreiheit der Beschwerdeführerin. Da es an einer unzulässigen Wortberichterstattung fehle, sei auch der Argumentation der Fachgerichte, dass die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch Illustration mit den beiden Fotos noch verstärkt werde, der Boden entzogen. Im Übrigen habe der Kläger angesichts der Aufnahmesituationen, die seiner beruflichen Sphäre als Manager entstammten, nicht die berechtigte Erwartung haben dürfen, nicht in den Medien abgebildet zu werden.

VI.

191. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz sowie dem Kläger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Äußerung abgesehen. Der Kläger hat beantragt, die Verfassungsbeschwerde zurückzuweisen.

202. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben der Kammer vorgelegen.

B.

21Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts richtet.

22Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für die notwendige, unter interpretationsleitender Berücksichtigung der Grundrechte stattfindende Erfassung des Sinngehalts einer Äußerung (vgl. BVerfGE 82, 43 <52>; 85, 1 <13>; 93, 266 <295 f.>; 114, 339 <348 f.>; 152, 152 <185 f. Rn. 78>) sowie für die bei Tatsachenbehauptungen an ihren Wahrheitsgehalt zu stellenden Anforderungen (vgl. BVerfGE 90, 241 <247 f., 254>; 97, 391 <403 f.>; 99, 185 <196 ff.>; 114, 339 <353 f.>).

I.

23Die Verfassungsbeschwerde ist danach im Umfang der Annahme zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten auf Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG. Soweit es die Wortberichterstattung betrifft, hat das Oberlandesgericht teilweise bereits eine verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügende Sinnermittlung vorgenommen und teilweise die Anforderungen an die der Beschwerdeführerin obliegenden Sorgfaltspflichten überspannt. Dieser Begründungsmangel hat sich in der Beurteilung der Bildberichterstattung fortgesetzt.

241. Die zivilgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin zur Unterlassung der angegriffenen Wort- und Bildberichterstattung greift in den Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit ein.

25a) Im Ausgangspunkt ist die Beschwerdeführerin als Verlegerin eines Nachrichtenmagazins durch Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG geschützt. Auch als juristische Person des Privatrechts kann sie sich nach Art. 19 Abs. 3 GG auf die Meinungs- und Pressefreiheit berufen (vgl. BVerfGE 113, 63 <75> m.w.N.).

26b) Die Verurteilung zur Unterlassung der Wortberichterstattung greift in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ein. Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten um die Zulässigkeit bestimmter Äußerungen, deren verfassungsrechtliche Einordnung sich auch dann, wenn die Äußerungen in einem Presseerzeugnis veröffentlicht werden, nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG richtet (vgl. BVerfGE 85, 1 <11 ff.>; 95, 28 <34>; 97, 391 <400>; 113, 63 <75 f.>; BVerfGK 1, 327 <328>; 10, 485 <488>; stRspr).

27c) In Bezug auf die Bildberichterstattung ergeben sich Umfang und Grenzen des grundrechtlichen Schutzes aus dem - von der Verfassungsbeschwerde insoweit auch allein herangezogenen - Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). Im Zentrum der grundrechtlichen Gewährleistung der Pressefreiheit steht das Recht, Art und Ausrichtung sowie Inhalt und Form des Publikationsorgans frei zu bestimmen (vgl. BVerfGE 95, 28 <35 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 704/18 -, Rn. 15). Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. Bildaussagen nehmen an dem verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 967/15 -, Rn. 11 m.w.N.). Der Schutz der Pressefreiheit umfasst dabei auch die Abbildung von Personen (vgl. BVerfGE 101, 361 <389>; 120, 180 <196>). Die angegriffene Entscheidung, die die Verwendung der Lichtbilder zu Berichterstattungszwecken untersagt, greift in dieses Recht der Beschwerdeführerin, die Gestaltung der gegenständlichen Artikel frei zu bestimmen, ein.

282. Der Eingriff in die Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

29a) Die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit sind nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern finden ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Dazu gehören auch die Bestimmungen der §§ 823, 1004 BGB und der §§ 22, 23 KunstUrhG, auf die sich die angegriffenen Entscheidungen stützen und die dem Betroffenen im Fall der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Unterlassung der ihn beeinträchtigenden Berichterstattung in Wort und Bild gewähren. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist seinerseits nicht vorbehaltlos garantiert, sondern wird nach Art. 2 Abs. 1 GG durch die verfassungsmäßige Ordnung einschließlich der Rechte anderer beschränkt, zu denen auch die Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG gehören.Das einschlägige Fachrecht im Einzelfall auszulegen und anzuwenden ist dabei Aufgabe der Fachgerichte, die die betroffenen Grundrechte jedoch interpretationsleitend zu berücksichtigen haben, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 85, 1 <13, 16>; 114, 339 <348>; 152, 152 <185 f. Rn. 76 ff.>; stRspr). Das verlangt in der Regel eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits, die im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale des Fachrechts vorzunehmen ist und die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen hat (vgl. BVerfGE 99, 185 <196>; 114, 339 <348>).

30b) Ob der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung der zivilrechtlichen Normen und auf die Abwägung der kollidierenden Schutzgüter hinreichend beachtet ist, ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil das Ergebnis auch anders hätte ausfallen können (vgl. BVerfGE 120, 180 <200, 210>). Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, liegt erst vor, wenn eine fachgerichtliche Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 42, 143 <149>; 85, 1 <13>; 120, 180 <199 f.>).

31aa) Soweit es die Verurteilung zur Unterlassung einer Wortberichterstattung betrifft, kann eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG namentlich durch eine fehlerhafte Sinnermittlung (1) als auch durch eine Überspannung der Sorgfaltspflichten im Rahmen der Verdachtsberichterstattung (2) begründet sein.

32(1) Gerichtliche Entscheidungen, die den Sinn der umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>; 94, 1 <9>).

33(a) Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Deutung einer Äußerung gehört, dass sie unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugemessen wird, den sie objektiv nicht haben kann. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht der sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern grundsätzlich der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; 114, 339 <348>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1182/24-, Rn. 17 m.w.N.). Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1081/15 -, Rn. 21). Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1182/24 -, Rn. 17 m.w.N.).

34(b) Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Sinnermittlung ist ferner nicht genügt, wenn Äußerungen, in denen die Bewertung tatsächlicher Vorgänge zum Ausdruck kommt, als Tatsachenbehauptungen eingestuft werden mit der Folge, dass sie Einschränkungen im Interesse anderer Rechtsgüter leichter zugänglich sind als Werturteile (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 82, 272 <281>; 85, 1 <14>). Während Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt werden und der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sind (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; 94, 1 <8>), handelt es sich bei einer Meinung um eine Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>; 61, 1 <8>; 90, 241 <247>; 124, 300 <320>). In Fällen, in denen beide Äußerungsformen mitein-ander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen, ist Meinung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (vgl. BVerfGE 61, 1 <8 f.>; 85, 1 <15 f.>; 90, 241 <248>). Ebenso stellt eine dem Durchschnittsleser als Vermutung ausgewiesene Schlussfolgerung, bei der die Prägung der Äußerung durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens gewahrt bleibt, grundsätzlich keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 3085/15 -, Rn. 14).

35(c) Die vorgenannten Anforderungen, die Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG an die Sinnermittlung von Äußerungen richtet, unterliegen der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 43, 130 <136 f.>; 54, 208 <215>; 82, 272 <281>; 85, 1 <14>). Hingegen bleibt es bei der alleinigen Zuständigkeit der Fachgerichte, soweit Fragen betroffen sind wie die, ob die umstrittene Äußerung tatsächlich gefallen ist, welchen Wortlaut sie hatte, von wem sie stammte und unter welchen Umständen sie abgegeben wurde (vgl. BVerfGE 43, 130 <137>; 93, 266 <296>).

36(2) Haben die Fachgerichte Tatsachenbehauptungen mit im Zeitpunkt der Äußerung ungeklärtem Wahrheitsgehalt zu beurteilen, kann eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG insbesondere durch eine Überspannung der Sorgfaltspflichten begründet sein.

37(a) Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung sind in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. BGHZ 143, 199 <203 ff.>; 199, 237 <250 f.>) und verfassungsgerichtlich gebilligt. Der Umfang der an eine Verdachtsberichterstattung zu stellenden Sorgfaltspflichten ist dabei im Einklang mit den grundrechtlichen Anforderungen zu bemessen (vgl. BVerfGE 99, 185 <198>; 114, 339 <353>). Die Fachgerichte dürfen deshalb einerseits an die Wahrheitspflicht im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen stellen, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so auf die Meinungsfreiheit insgesamt einschnürend wirken können (vgl. BVerfGE 54, 208 <219 f.>; 85, 1 <17>). Sie haben andererseits aber auch zu berücksichtigen, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt (vgl. BVerfGE 12, 113 <130>; 99, 185 <198>; 114, 339 <353>). Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen (vgl. BVerfGE 114, 339 <353 f.>; BVerfGK 1, 327 <329 f.>; 9, 317 <321>; 10, 485 <489>).

38(b) Eine Überspannung der Sorgfaltsanforderungen liegt nicht bereits darin, dass die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung von einem Mindestmaß an Beweistatsachen abhängig gemacht wird, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit überhaupt erst "Öffentlichkeitswert" verleihen (vgl. BVerfGK 9, 317 <322>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 34/17 -, Rn. 5). Mit Blick hierauf ist die fachgerichtliche Rechtsprechung, nach der im Regelfall allein die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als Anknüpfungstatsache für einen daraus geschlussfolgerten und publizierten Verdacht nicht ausreicht (vgl. -, Rn. 34 m.w.N.), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, kann doch ein die Strafverfolgungsbehörden zu Ermittlungen und zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts verpflichtender Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO) schon bei sehr entfernten Verdachtsgründen bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 34/17 -, Rn. 7). Maßgeblich bleiben die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 34/17 -, Rn. 7).

39(c) Bei der Bemessung der Sorgfaltsforderungen ist stets auch das Interesse der Öffentlichkeit an dem Gegenstand der Berichterstattung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGK 1, 327 <329 f.>; 9, 317 <321>; 10, 485 <489>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 134/03 -, Rn. 62; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 34/17 -, Rn. 7). Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr die Straftat sich durch die Besonderheit des Angriffsobjekts, die Art der Begehung oder die Schwere der Folgen über die gewöhnliche Kriminalität heraushebt (vgl. BVerfGE 35, 202 <230 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1107/09 -, Rn. 18). Handelt es sich bei dem Gegenstand der Berichterstattung um den Verdacht einer allgemeinschädlichen Straftat und kommt dem Betroffenen eine Leitbild- und Kontrastfunktion zu (vgl. BVerfGE 101, 361 <390>; 120, 180 <203> zur Leitbildfunktion prominenter Personen), ist das öffentliche Berichterstattungsinteresse grundsätzlich hoch zu gewichten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 34/17 -, Rn. 8). Eine Berichterstattung über Missstände und zweifelhafte Vorkommnisse auf dem Gebiet des Wirtschaftslebens berührt die Belange der Öffentlichkeit ferner schon aus sich heraus in besonderer Weise (vgl. BVerfGK 9, 317 <323>). Mit Blick hierauf ist es der Presse bei der Berichterstattung über einen Straftatenverdacht nicht verwehrt, nicht allein über den Wissensstand der Ermittlungsbehörden, sondern auch über das Ergebnis eigener Recherchen zu berichten. Die Meinungsfreiheit deckt es hierbei auch, wenn dabei Zusammenhänge aufgezeigt werden, die nach den Beweisanforderungen eines Straf- oder Zivilverfahrens nicht zu belegen wären (vgl. BVerfGK 9, 317 <323>).

40bb) Im Unterschied zu personenbezogenen Wortberichten begründet die Veröffentlichung des Bildnisses einer Person - unabhängig davon, ob die Person in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen und in vorteilhafter oder unvorteilhafter Weise abgebildet ist (vgl. BVerfGE 97, 228 <268>; 101, 361 <381>; 120, 180 <198>) - grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfGK 18, 42 <52>), dessen besondere Ausprägung das Recht am eigenen Bild darstellt (vgl. BVerfGE 35, 202 <224 f.>; 101, 361 <366>).

41(1) Das Recht am eigenen Bild gewährleistet dem Einzelnen Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Anfertigung und Verwendung von Bildaufzeichnungen seiner Person durch andere geht. Das Schutzbedürfnis ergibt sich vor allem aus der Möglichkeit, das auf eine bestimmte Situation bezogene Erscheinungsbild eines Menschen von ihr zu lösen und das Abbild jederzeit unter für den Betroffenen nicht überschaubaren Voraussetzungen vor Dritten zu reproduzieren (vgl. BVerfGE 101, 361 <381>; 120, 180 <198>). Die Vorschriften über die Veröffentlichung fotografischer Abbildungen von Personen in §§ 22 ff. KunstUrhG enthalten mit dem in § 22 Satz 1 KunstUrhG geregelten Einwilligungsvorbehalt für die Verbreitung von Personenbildnissen, seiner Durchbrechung insbesondere für die in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG genannten Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte und der in § 23 Abs. 2 KunstUrhG geregelten Rückausnahme für den Fall einer Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten ein abgestuftes Schutzkonzept, das sowohl dem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutzbedürfnis der abgebildeten Person wie den von den Medien wahrgenommenen, durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 10 EMRK geschützten Informationsinteressen der Allgemeinheit Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 35, 202 <224 f.>; 101, 361 <387>; 120, 180 <199 ff., 201 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 967/15-, Rn. 15). Nach der Systematik des Kunsturhebergesetzes sind die Informationsinteressen der Öffentlichkeit bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte" zu beachten (vgl. BVerfGE 101, 361 <391>). Der Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit wird Rechnung getragen, wenn der Begriff der Zeitgeschichte in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG nicht gegenstandsbezogen, etwa allein bezogen auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, verstanden, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt wird (vgl. BVerfGE 101, 361 <392>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 758/97-, Rn. 27).

42(2) Soweit das Bild nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist sein Informationswert im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln (vgl. BVerfGE 120, 180 <206> m.w.N.). So können Bilder einen Wortbericht ergänzen und dabei der Erweiterung seines Aussagegehalts dienen, etwa der Unterstreichung der Authentizität des Geschilderten. Auch kann ein von Art. 5 Abs. 1 GG geschütztes Informationsanliegen darin liegen, durch Beigabe von Bildnissen der an dem berichteten Geschehen beteiligten Personen die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht zu wecken (vgl. BVerfGE 120, 180 <206>). Die Anforderungen, die das Grundgesetz an das Verständnis von Äußerungen richtet, sind dabei sinngemäß auf das Verständnis von Abbildungen zu übertragen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1082/95-, Rn. 6).

43(3) Die Anerkennung der Bedeutung der Presseberichterstattung für die öffentliche und individuelle Meinungsbildung bewirkt zwar nicht automatisch, dass der besondere persönlichkeitsrechtliche Bildnisschutz des Abgebildeten stets zurückzutreten hat, also jedwede Bebilderung von Medienerzeugnissen verfassungsrechtlich gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 120, 180 <205>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 967/15 -, Rn. 16). Die Abwägung hat aber das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Presse zu berücksichtigen, nach ihren publizistischen Kriterien zu entscheiden, was öffentliches Interesse beansprucht (vgl. BVerfGE 101, 361 <392>; 120, 180 <205>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 967/15 -, Rn. 16).

44(4) Im Fall einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung sind auf Seiten des Betroffenen mögliche Prangerwirkungen oder Beeinträchtigungen des Anspruchs auf Achtung der Vermutung seiner Unschuld zu berücksichtigen, die durch eine solche Berichterstattung bewirkt werden können (vgl. BVerfGE 119, 309 <323>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvQ 46/08 -, Rn. 14). Dabei ist zu beachten, dass auch eine um Sachlichkeit und Objektivität bemühte Bildberichterstattung in der Regel einen weitaus stärkeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt als eine Wortberichterstattung, was aus der stärkeren Intensität des optischen Eindrucks folgt (vgl. BVerfGE 35, 202 <226 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvQ 46/08 -, Rn. 14 f.).

45(5) Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes wird neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung, etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung, auch bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts ist erhöht, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 967/15 -, Rn. 17). Zu berücksichtigen ist zudem, ob es sich bei dem von der Bildberichterstattung Betroffenen um jemanden handelt, der durch sein Tätigkeitsfeld oder seine Persönlichkeit sonst in besonderer Weise in der Öffentlichkeit steht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvQ 46/08 -, Rn. 16; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 654/09 -, Rn. 23).

46c) Diesen verfassungsgerichtlichen Maßstäben genügt die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht durchgehend.

47aa) Soweit es die Wortberichterstattung vom 20./ betrifft, bewegt sich zwar noch die durch das Oberlandesgericht vorgenommene Sinnermittlung im fachgerichtlichen Wertungsrahmen (1). Allerdings werden in der angegriffenen Entscheidung die der Beschwerdeführerin obliegenden Sorgfaltsanforderungen in einer Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzenden Weise überspannt (2).

48(1) Das Oberlandesgericht hat dem Artikel vom 20./ in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise die Aussage entnommen, dass der Kläger an von (...P1...) und anderen Verantwortlichen des Wirecard-Konzerns begangenen Straftaten möglicherweise beteiligt gewesen sei, und mit Blick hierauf folgerichtig die Zulässigkeit dieser Äußerung an den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung gemessen.

49Das Oberlandesgericht hat unter Einbeziehung des Kontextes nachvollziehbar dargelegt, dass in dem Artikel vom 20./ verschiedene Informationen in einer Weise verknüpft werden, die bei dem verständigen Durchschnittsleser den Eindruck hervorruft, der Kläger könnte an Wirtschaftsdelikten verschiedener Führungskräfte des Wirecard-Konzerns und verbundener Unternehmen in irgendeiner strafbaren Weise beteiligt gewesen sein, was auch die Zweckentfremdung eines Darlehens an (...U2...) in Höhe von 115 Millionen Euro betreffe. Insoweit bewegt sich die Würdigung des Oberlandesgerichts, dass namentlich durch die Formulierung "Das hat womöglich viel mit (...Name des Klägers...) zu tun" aus Sicht des Lesers eine konkrete Verbindung zwischen dem beschriebenen "Betrugsmodell" und dem Kläger hergestellt wird, im fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Dass das Oberlandesgericht die Wortberichterstattung in vorgenanntem Sinne gedeutet hat, obwohl in dem Artikel die durch die mitgeteilten Umstände nahegelegte Schlussfolgerung nicht ausdrücklich selbst gezogen, sondern dem Leser überlassen wird, ist verfassungsrechtlich vertretbar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 109/94 -, juris, Rn. 45). Es begegnet auch keinen Bedenken, dass das Oberlandesgericht die beanstandeten Äußerungen mit Blick auf eine dort suggerierte mögliche Strafbarkeit von Handlungen des Klägers als Geschäftsführer von (...U2...) als Tatsachenbehauptung eingestuft hat, obwohl es zugleich - richtigerweise - davon ausgeht, dass der Durchschnittsleser dem Artikel nicht zwingend die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestands durch den Kläger entnimmt. Insoweit ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht den durch die Wortberichterstattung bei dem Leser erweckten Eindruck, der Kläger habe sich möglicherweise in irgendeiner Form strafbar gemacht, hat ausreichen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2678/10 -, Rn. 42).

50(2) Hingegen genügt die Würdigung des Oberlandesgerichts, dass die Verdachtsberichterstattung bereits deshalb unzulässig sei, weil es an einem hinreichenden Mindestbestand an Beweistatsachen fehle, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

51(a) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt der angegriffenen Entscheidung, dass das Fehlen eines Mindestbestands an Beweistatsachen zur Unzulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung führt. Allerdings ist es mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schon nicht vereinbar, dass sich das Oberlandesgericht auf eine isolierte Würdigung der von der Beschwerdeführerin aufgezeigten einzelnen Rechercheergebnisse beschränkt und darauf verwiesen hat, dass diese Ergebnisse auch "in der Gesamtschau" nur einen Anfangsverdacht begründeten. Dieser bloß formelhafte Rekurs lässt nicht hinreichend erkennen, dass das Oberlandesgericht eine solche Gesamtschau unter abwägender Berücksichtigung der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin auch tatsächlich vorgenommen hat. Grundlegenden Bedenken begegnet darüber hinaus die Vorgehensweise des Oberlandesgerichts, den erforderlichen Mindestbestand allein auf der Grundlage von Verdachtsstufen zu bestimmen. Das Oberlandesgericht hat sämtliche Rechercheergebnisse der Beschwerdeführerin der Kategorie eines Anfangsverdachts zugeordnet und damit die Unzulässigkeit der Verdachtsberichterstattung begründet. Hierbei wird in der angegriffenen Entscheidung der Begriff des Anfangsverdachts im strafprozessualen Sinne verwendet und insoweit auf die durch diesen Verdachtsgrad gerechtfertigte Einleitung des Ermittlungsverfahrens verwiesen. Diese Argumentation deutet auf ein grundlegendes Fehlverständnis des Gewährleistungsgehalts der Meinungsfreiheit hin. Die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung kann nicht allein davon abhängig gemacht werden, dass ein bestimmter Grad an Wahrscheinlichkeit für die Begründetheit des Verdachts spricht. Richtig ist lediglich, dass die Anforderungen an die Qualität der Beweistatsachen grundsätzlich umso höher sind, je schwerwiegender die Verdachtsäußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Das ist aber etwas anderes als das in der angegriffenen Entscheidung für maßgeblich erachtete Kriterium, welche Verdachtsstufe nachgewiesen werden kann. Dürfte die Presse eine Verdachtsberichterstattung immer nur dann veröffentlichen, wenn sie eine über den Anfangsverdacht hinausgehende Verurteilungswahrscheinlichkeit - im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts (vgl. § 203 StPO) - zu belegen vermag, wäre dies mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Das gilt namentlich für eine Verdachtsberichterstattung über komplexe, auf Verschleierung angelegte Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität.

52(b) Zudem wird in der angegriffenen Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt, dass das Interesse der Öffentlichkeit am Gegenstand der Berichterstattung bereits bei Bemessung der Sorgfaltsanforderungen gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abwägend zu berücksichtigen ist und umso stärker ausfällt, je mehr sich die Straftat durch die Art der Begehung oder die Schwere der Folgen über die gewöhnliche Kriminalität heraushebt. Die Argumentation des Oberlandesgerichts beschränkt sich darauf, dass zwar ein erhebliches Öffentlichkeitsinteresse wegen des außergewöhnlich großen Ausmaßes des "Wirecard-Skandals" - namentlich mit Blick auf die immensen Schadenssummen und Zahl der geschädigten Geschäftspartner und Aktionäre - bestehe, dieses jedoch die zugunsten des Klägers sprechenden Gesichtspunkte nicht zu überwiegen vermöge. Der Kläger sei nämlich weder prominent noch stehe er wegen eines von ihm bekleideten Amtes oder gesellschaftlich hervorgehobener Verantwortung im Licht der Öffentlichkeit oder habe sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen in der medialen Öffentlichkeit geäußert. Dabei hat das Oberlandesgericht indes außer Acht gelassen, dass das Blickfeld der Öffentlichkeit kontextabhängig zu bestimmen ist und deshalb auch auf denjenigen gerichtet sein kann, der nicht über eine allgemeine Prominenz verfügt, sondern beispielsweise nur einer Fachöffentlichkeit bekannt ist. Bei dem Verdacht allgemeinschädlicher Wirtschaftsstraftaten steht in besonderer Weise derjenige im Blickfeld der Öffentlichkeit, dessen (objektive) Nähe zu den in Frage stehenden Ereignissen sich gerade aus einer beruflich hervorgehobenen Position und der damit verbundenen wirtschaftlichen Verantwortung ergibt (vgl.auch BGHZ 203, 239 <250> zum öffentlichen Interesse an möglichen Verfehlungen von Führungskräfte einer Bank). Mit Blick hierauf hätte das Oberlandesgericht bei der Würdigung der Beweistatsachen in die Betrachtung einbeziehen müssen, dass an der Person des Klägers und seinen damaligen geschäftlichen Handlungen aufgrund seiner hervorgehobenen Position als Geschäftsführer der (...U2...), auf die sich der Verdacht einer Verstrickung in erhebliche Wirtschaftsstraftaten im Zusammenhang mit dem "Wirecard-Skandal" erstreckt, ein besonderes öffentliches Informationsinteresse besteht.

53bb) Soweit es die Wortberichterstattung vom 5./ betrifft, hält bereits die in der angegriffenen Entscheidung erfolgte Sinnermittlung verfassungsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

54(1) Noch zutreffend hat das Oberlandesgericht diesen zweiten Artikel ohne Einbeziehung der vorausgehenden Berichterstattung vom 20./ gewürdigt. Bei der Festlegung des Kontextes einer Äußerung können Umstände, die dem Äußernden bekannt sind, ohne Verkürzung seiner Meinungsfreiheit nur zugerechnet werden, wenn sie im konkreten Fall erkennbar zum Inhalt seiner Äußerung werden. Frühere eigene Äußerungen kommen danach nur dann in Betracht, wenn zu ihnen bei der fraglichen Äußerung ein eindeutiger Bezug hergestellt wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <52 f.>). Im Streitfall ist eine für den Durchschnittsleser erkennbare Bezugnahme des zweiten Artikels auf den ersten fachgerichtlich nicht festgestellt und im Übrigen auch nicht ersichtlich.

55(2) Der Artikel vom 5./ thematisiert die Rolle des Klägers - wie in der angegriffenen Entscheidung noch gesehen wird - allenfalls vage und ohne erkennbare Zuordnung zu konkreten Vorgängen. Das Oberlandesgericht hat gleichwohl eine Verdachtsäußerung angenommen und sich maßgeblich darauf gestützt, dass der Kläger als eine der "Schlüsselpersonen des Skandals" und Teil eines "Netzwerks treuer Helfer" von (...P1...) bezeichnet worden sei. Insoweit hat das Oberlandesgericht aber keine nachvollziehbare Einordnung in den Kontext vorgenommen. Der Artikel befasst sich schwerpunktmäßig mit (...P1...). Dieser wird ausdrücklich als manipulativ dargestellt, und es wird im Einzelnen beschrieben, wie er insbesondere ihm beruflich verbundene Menschen "für seine Zwecke missbraucht" habe. Bei Berücksichtigung dieses Kontextes liegt es nahe, dass der verständige Durchschnittsleser unter "Schlüsselpersonen" und "treuen Helfern" nicht zwingend nur solche Personen versteht, die bewusst an Straftaten mitgewirkt haben, sondern vielmehr auch von solchen Personen ausgeht, die ohne eigenes doloses Verhalten eine Relevanz für den Verlauf der kritischen Ereignisse hatten. Damit setzt sich das Oberlandesgericht schon nicht auseinander. Gleiches gilt für die Formulierung, dass (...P1...) "für jeden eine Rolle gehabt" habe. Auch insoweit hat das Oberlandesgericht lediglich eine isolierte Betrachtung vorgenommen und den Kontext - nämlich der in dem Artikel ausführlich beschriebenen Instrumentalisierung anderer Menschen durch (...P1...) - nicht erkennbar erwogen.

56(3) Auch die Einordnung der beanstandeten Wortberichterstattung als Tatsachenbehauptung genügt verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht. Die vom Oberlandesgericht herangezogenen Formulierungen, zu denen neben der Bezeichnung des Klägers als Teil des "Netzwerks treuer Helfer" insbesondere auch die Beschreibung zählt, dass (...P1...) den Kläger neben anderen Personen "in sein Schattenreich geholt" habe, enthalten zwar faktische Elemente. In der Bezeichnung "treuer Helfer" liegt die Tatsachenbehauptung, dass Loyalität bestanden hat und Unterstützung geleistet worden ist. Die Äußerung, der Kläger sei in das "Schattenreich" geholt worden, enthält den Tatsachenkern, dass sich der Kläger im Einflussbereich von (...P1...) aufgehalten hat. Das Oberlandesgericht hat aber nicht berücksichtigt, dass der Artikel durch die verwendeten Formulierungen zu diesen Vorgängen Stellung bezieht und sie bewertet. Die Bezeichnung des Klägers als "treuer Helfer", der ins "Schattenreich" geholt worden sei, würdigt kritisch dessen Nähe zu den fraglichen Ereignissen. Die vorgenannten Passagen stellen sich damit insgesamt als Werturteil dar. Als solches ist es von dem Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst, und zwar unabhängig davon, ob die zugrundeliegenden tatsächlichen Annahmen zutreffen oder dieses zu tragen vermögen. Diese Frage ist vielmehr nur für die dann erforderliche Abwägung zwischen dem Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Klägers von Bedeutung (vgl. BVerfGE 85, 1 <15 ff., 20>).

57cc) Das Oberlandesgericht hat auch in verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Weise angenommen, dass die identifizierende Bildberichterstattung den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze.

58(1) Das Oberlandesgericht hat dieses Abwägungsergebnis damit begründet, dass die Veröffentlichung der Fotos im Kontext der Wortberichterstattung erfolgt sei, die aber ihrerseits wegen Nichteinhaltung der Voraussetzungen einer Verdachtsberichterstattung unzulässig sei, was durch die Bebilderung noch verstärkt werde. Zwar begegnet es im Ausgangspunkt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, aus der Unzulässigkeit einer Wortberichterstattung zu schließen, dass auch die diese flankierende Bildberichterstattung unzulässig ist. Denn die Zulässigkeit der Bildberichterstattung unterliegt einem strengeren Abwägungsmaßstab als die Wortberichterstattung (vgl. BVerfGK 18, 42 <52>). Ist ein Fachgericht - wie hier - aber bereits in verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Weise von einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung ausgegangen, so setzt sich dieser Begründungsfehler zwangsläufig in einer kongruent erfolgten Beurteilung der Bildberichterstattung fort.

59(2) Im Übrigen hat es das Oberlandesgericht versäumt, in die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen einzustellen, wie sich die Umstände der Gewinnung der streitbefangenen Bildnisse gestalteten und wie der Kläger darin dargestellt wird. Das Oberlandesgericht beschreibt zwar die Bildnisse, zieht aber aus dieser Beschreibung keine abwägungsrelevanten Schlüsse. Demgemäß lässt es insbesondere unberücksichtigt, dass es sich bei der Bildberichterstattung um schlichte Portraitfotos beziehungsweise portraitähnliche Fotos des Klägers handelt. Der Kläger durfte im Hinblick auf diese Fotos, die einem allein seiner Sozialsphäre zuordenbaren, mit seiner beruflichen Tätigkeit verknüpften Kontext entstammen, ihn zudem vor neutralem Hintergrund abbilden und im öffentlichen Raum aufgenommen wurden, grundsätzlich nicht die berechtigte Erwartung haben, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Insoweit hat das Oberlandesgericht auch außer Acht gelassen, dass der Kläger, selbst wenn er nicht als prominent wahrgenommen werden mag, zum maßgeblichen Zeitpunkt eine herausgehobene berufliche Position mit erheblicher wirtschaftlicher Verantwortung innehatte.

603. Die angegriffene Berufungszurückweisung beruht auf der Verkennung der Bedeutung und Tragweite der Grundrechte auf Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

II.

61Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen des Landgerichts sowie gegen die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Bundesgerichtshof wendet, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

III.

62Der die Berufung zurückweisende ist gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Mit der Aufhebung der Berufungszurückweisung wird der über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegenstandslos.

IV.

63Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

64Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20251103.1bvr057325

Fundstelle(n):
YAAAK-05847