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BFH Urteil v. - II R 19/22

Einheitlicher Erwerbsgegenstand: Grundstückserwerb durch eine zur Veräußererseite gehörende Person

Leitsatz

1. Haben Käufer und Verkäufer vereinbart, die geschuldete Grunderwerbsteuer jeweils zur Hälfte zu tragen, und war dies dem Finanzamt (FA) bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids bekannt, bedarf die Inanspruchnahme des Käufers in Höhe der gesamten Steuer grundsätzlich einer Begründung, aus der die für das FA maßgeblichen Ermessenserwägungen hervorgehen.

2. Beim Erwerb eines noch zu bebauenden Grundstücks sind die Bauerrichtungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen, wenn das Grundstück von einer zur Veräußererseite gehörenden Person mit bestimmendem Einfluss auf das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung erworben wird. Das gilt auch dann, wenn das Grundstück von einer Gesellschaft erworben wird, die von dieser Person beherrscht wird.

Gesetze: GrEStG § 8 Abs. 1; GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1; AO § 121;

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Rechtsnachfolgerin der (.) GmbH & Co. KG, die am noch als (.) firmierte (C KG). Kommanditisten der C KG waren zu 94 % (A) und zu 6 % dessen Töchter.

2 Mit notariell beurkundetem Vertrag vom erwarb die C KG Miteigentumsanteile in Höhe von ./100 an zwei zusammenhängenden Grundstücken in (.) von der X GmbH zum Kaufpreis von insgesamt . €. Gesellschafter der X GmbH waren neben A und B —je 2,55 %— die Y GmbH, an der A und B über die Z GmbH hälftig beteiligt waren. Die Grunderwerbsteuer hatten die X GmbH als Verkäuferin und C KG als Käuferin jeweils hälftig zu tragen (Kaufvertrag, Teil D, § 1 Ziff. 1.2).

3 Gemäß § 2 des Kaufvertrags (Teil A) beabsichtigten die X GmbH und die C KG, den Grundbesitz nach den Bestimmungen der Baugenehmigung gemeinsam zu bebauen und anschließend real zu teilen. Sie verpflichteten sich, bei der gemeinschaftlichen Bebauung einvernehmlich zusammenzuwirken und die Bebauung bestmöglich zu fördern (Kaufvertrag, Teil A, § 5 Ziff. 5.2). Das Bauvorhaben beinhaltete die Errichtung von (.) Wohnungen und (.) Mikroappartements sowie eines Gewerberaums, der bereits mit Vertrag vom vermietet worden war.

4 Die X GmbH, die das Bauvorhaben ursprünglich allein verwirklichen wollte, hatte im Juli 2013 einen Bauvorbescheid und im Mai 2016 eine Baugenehmigung erhalten. Nach Ausschreibung des Vorhabens hatte sie die Baufirma S als Bauunternehmen ausgewählt und mit dieser Ende 2016/Anfang 2017 über das Generalunternehmerangebot verhandelt. Die Baugrube war bei Abschluss des Kaufvertrags am fertiggestellt. Am und hatte die Baufirma S der X GmbH Angebote vorgelegt.

5 A und B hatten Ende 2016 entschieden, das Vorhaben mit nicht nur einer, sondern zwei Gesellschaften (X GmbH und C KG) umzusetzen. Sie beabsichtigten, gemeinsam zu bauen und nach Fertigstellung den Grundbesitz in der Weise zu teilen, dass Familie A die Mikroappartements und den Gewerberaum (Realteil 1) über die C KG und Familie B die Wohnungen (Realteil 2) über die X GmbH hält.

6 Am schlossen die X GmbH und die C KG als Auftraggeberinnen mit der Baufirma S einen Generalunternehmervertrag über die schlüsselfertige Planung und Erstellung des Bauvorhabens zum Pauschalfestpreis in Höhe von . € zuzüglich Umsatzsteuer.

7 Mit Bescheid vom setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt —FA—) für den Erwerb der Miteigentumsanteile Grunderwerbsteuer in Höhe von . € gegen die C KG fest. Die Baukosten bezog das FA nicht in die Bemessungsgrundlage ein. Im Bescheid wurde nicht erläutert, weshalb die C KG in Höhe der gesamten Steuer in Anspruch genommen wurde. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

8 Mit auf § 164 Abs. 2 AO gestütztem Änderungsbescheid vom setzte das FA die Grunderwerbsteuer auf . € herauf. Nunmehr ging es vom Vorliegen eines sogenannten einheitlichen Erwerbsgegenstands aus und berücksichtigte bei der Bemessung der Steuer Baukosten in Höhe von . €. Gründe für die Inanspruchnahme der C KG in Höhe der gesamten Steuer nannte es weder im Änderungsbescheid vom noch im Anhörungsschreiben vom . Auch die Einspruchsentscheidung vom , mit der der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde, enthält keine Begründung der vollen Inanspruchnahme der C KG.

9 Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, die C KG habe die Miteigentumsanteile im Zustand der späteren Bebauung der Grundstücke erworben. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1218 veröffentlicht.

10 Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitfall geltenden Fassung (GrEStG). Die Vorentscheidung verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum einheitlichen Erwerbsgegenstand. Ein solcher liege nur vor, wenn Veräußerer und Bauunternehmer entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich verbunden seien oder aufgrund vertraglicher Abreden bei der Veräußerung des Grundbesitzes zusammenarbeiteten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge über die Bebauung hinwirkten. Daran fehle es im Streitfall. Nach den Gesamtumständen habe die C KG als Bauherrin agiert. Der Kaufvertrag verpflichtete die X GmbH weder zur Bebauung noch zur Verschaffung eines Miteigentumsanteils an einem bebauten Grundstück. Vielmehr halte der Kaufvertrag fest, dass die X GmbH und die C KG beabsichtigen, den Grundbesitz gemeinsam zu bebauen und dabei einvernehmlich zusammenzuwirken, um nach der Bebauung die letztlich gewollte Realteilung zu erreichen. Eine Bauverpflichtung ergebe sich nur aus dem Generalunternehmervertrag. Sie treffe aber die Baufirma S gegenüber der X GmbH und der C KG als Auftraggeberinnen, nicht jedoch die X GmbH (gemeinsam mit der Baufirma S) gegenüber der C KG.

11 Im Streitfall sei zudem die C KG als erwerbende Gesellschaft zur Veräußererseite zu zählen, da sie von einer der beiden natürlichen Personen beherrscht worden sei, die auch die verkaufende Gesellschaft beherrscht und über diese den Bauvertrag ausverhandelt hätten. Als Gesellschafter-Geschäftsführer der Z GmbH seien A und B an der Entscheidung über die Bebauung der Grundstücke maßgeblich beteiligt gewesen; sie hätten die Verhandlungen mit der Baufirma S geführt beziehungsweise geleitet. A habe zu den sogenannten Initiatoren beziehungsweise „Funktionsträgern“ gehört, die die Bebauung vorbereitet hätten. Deshalb zähle die C KG, deren Mehrheitsgesellschafter A gewesen sei, selbst zur Veräußererseite.

12 Darüber hinaus seien der angefochtene Bescheid und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung auch deshalb rechtswidrig, weil das FA sein Ermessen bei der Inanspruchnahme der Klägerin als Steuerschuldnerin nicht begründet habe. Es sei nicht erkennbar, dass das bestehende Auswahlermessen pflichtgemäß ausgeübt wurde.

13 Die Klägerin beantragt,

die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

14 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

15 Es beruft sich auf die Vorentscheidung und betont, die C KG sei in ihrer Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung bei Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr frei gewesen, da die X GmbH das Vorhaben bereits bis zur Baureife gebracht und mit der Baufirma S ein unterschriftsreifes Angebot ausgehandelt habe. Das Bauunternehmen sei der Veräußererseite zuzurechnen, da es die Grundstücke habe bebauen wollen und der Aufnahme eines weiteren Vertragspartners habe zustimmen müssen, um seine eigenen wirtschaftlichen Interessen zu verwirklichen. Auf die Beherrschung der Parteien des Kauf- und des Bauvertrags, die eigenständige Gesellschaften darstellten, durch natürliche Personen komme es im Grunderwerbsteuerrecht nicht an.

Gründe

II.

16 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, des Änderungsbescheids und der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Entgegen der Auffassung des FG sind die angefochtenen Verwaltungsakte sowohl formell (dazu 1.) als auch materiell (dazu 2.) rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

17 1. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom sind bereits aus formellen Gründen rechtswidrig, weil das FA die Inanspruchnahme der Klägerin in Höhe der gesamten Steuer nicht begründet hat.

18 a) Schuldner der Grunderwerbsteuer sind gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG regelmäßig die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen als Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. , BFH/NV 1997, 2, unter II.2.). Jeder der Gesamtschuldner schuldet die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Entscheidung, gegen welchen der Gesamtschuldner die Grunderwerbsteuer festgesetzt wird, hat das FA nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (§ 5 AO). Es entspricht pflichtgemäßem Ermessen, zunächst denjenigen zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen, der im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat, und den anderen Vertragsteil erst dann, wenn die Steuer von jenem nicht zu erlangen ist (, BFHE 119, 188, BStBl II 1976, 579, und vom  - II R 31/93, BFH/NV 1997, 2, unter II.2.).

19 b) Die Ermessensentscheidung bedarf nach Maßgabe des § 121 Abs. 1 AO einer Begründung, soweit diese zum Verständnis des Steuerbescheids erforderlich und die Begründung nicht nach § 121 Abs. 2 AO entbehrlich ist. Die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners, der nach den Vereinbarungen der Vertragspartner nicht verpflichtet ist, die Grunderwerbsteuer zu tragen, ist regelmäßig zu begründen. Fehlt die erforderliche Begründung und wird sie auch nicht in zulässiger Form nachgeholt, ist der Steuerbescheid bereits aus diesem Grund rechtswidrig und aufzuheben (§ 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO; , BFH/NV 1997, 2, unter II.1., und vom  - II R 2/07, BFHE 222, 68, BStBl II 2008, 897, unter II.1.b). Die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners, der nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien nicht verpflichtet ist, die Steuer zu tragen, braucht nur dann nicht begründet zu werden, wenn die Steuerfestsetzung gegen den anderen Gesamtschuldner aus Rechtsgründen, etwa wegen Festsetzungsverjährung, nicht mehr möglich ist —dann entfällt bereits mangels einer Auswahlmöglichkeit eine Ausübung des Ermessens— oder infolge dessen wirtschaftlicher Situation keinen Erfolg verspricht und dies dem in Anspruch genommenen Gesamtschuldner bekannt oder ohne weiteres erkennbar ist (, BFH/NV 1997, 2, unter II.2., II.3., und vom  - II R 2/07, BFHE 222, 68, BStBl II 2008, 897, unter II.1.b).

20 c) Die Finanzbehörde kann nach § 102 Satz 2 FGO ihre Ermessenserwägungen bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen. Damit ist es der Behörde aber nur gestattet, bereits an- oder dargestellte Ermessenserwägungen zu vertiefen, zu verbreitern oder zu verdeutlichen. Nicht dagegen ist die Behörde befugt, Ermessenserwägungen im finanzgerichtlichen Verfahren erstmals anzustellen, die Ermessensgründe auszuwechseln oder vollständig nachzuholen. Eine Heilung der behördlichen Entscheidung bei fehlerhaftem Entschließungs- oder Auswahlermessen, Über- oder Unterschreitung des Ermessens sowie bei erheblichen Mängeln in der Sachverhaltsermittlung ist im Wege einer Ergänzung nach § 102 Satz 2 FGO nicht möglich (ständige Rechtsprechung, , BFH/NV 2020, 775, Rz 21, m.w.N.).

21 d) Der angefochtene Änderungsbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom sind danach rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), da das FA sein Auswahlermessen in Bezug auf die Inanspruchnahme der Klägerin als Schuldnerin der gesamten Steuer nicht begründet hat.

22 aa) Der Einwand einer fehlenden Begründung der Ermessensausübung wurde seitens der Klägerin erst im Revisionsverfahren erhoben. Er ist gleichwohl zu berücksichtigen. Es genügt, wenn die Revision hinsichtlich nur eines Revisionsgrundes zulässig ist, da der BFH nach dem Grundsatz der Vollrevision außerhalb von Verfahrensmängeln nach § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO an die vorgebrachten Revisionsgründe nicht gebunden ist (vgl. , BFHE 253, 89, BStBl II 2016, 534, Rz 13, m.w.N.; Krumm in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz 105, m.w.N.).

23 bb) Die Parteien des —dem FA bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer vorliegenden— Kaufvertrags haben abweichend von § 448 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der die Grunderwerbsteuer erfasst (vgl. , Rz 21, m.w.N.), vereinbart, die Grunderwerbsteuer jeweils hälftig zu tragen. Die Inanspruchnahme der Käuferin in Höhe der gesamten Steuer bedarf in einem solchen Fall einer Begründung, aus der die für das FA maßgeblichen Ermessenserwägungen hervorgehen. Das FA hätte spätestens in der Einspruchsentscheidung vom darlegen müssen, dass es sein Auswahlermessen tatsächlich ausgeübt hat, und die Auswahl der Klägerin als Schuldnerin der gesamten Steuer begründen müssen. Eine Ergänzung im finanzgerichtlichen Verfahren ist nicht erfolgt und wäre auch nicht möglich gewesen. Danach sind der angefochtene Änderungsbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom rechtswidrig und aufzuheben.

24 2. Darüber hinaus sind die angefochtenen Bescheide auch aus materiellen Gründen rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Entgegen der Auffassung des FA und des FG sind die Baukosten im Streitfall nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.

25 a) Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2021, 195, Rz 14).

26 aa) Ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen ist gegeben, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten würde. Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag wird indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt (, BFHE 264, 343, BStBl II 2019, 555, Rz 35). Faktische Zwänge, die zu einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Grundstückskäufers in Bezug auf die Annahme der auf die Errichtung des Gebäudes bezogenen Verträge führen, können sich auch daraus ergeben, dass der Grundstückserwerber bei der Errichtung des Gebäudes darauf angewiesen ist, mit anderen Bauwilligen zusammenzuwirken (, BFHE 262, 169, BStBl II 2018, 602, Rz 15).

27 bb) Auf der Veräußererseite können auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, sodass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder aufgrund von (nicht notwendigerweise vertraglichen) Abreden auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (, BFHE 264, 343, BStBl II 2019, 555, Rz 36). Voraussetzung ist allerdings, dass die auf der Veräußererseite tätigen Personen zur Veränderung des körperlichen Zustands des Grundstücks verpflichtet sind. Fehlt eine Herstellungsverpflichtung der Veräußererseite, kommt es nicht darauf an, ob die Verträge in einem objektiv engen sachlichen Zusammenhang stehen und der Erwerber bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich der konkreten Bebauung des Grundstücks rechtlich oder auch nur wirtschaftlich gebunden war (vgl. , BFHE 264, 343, BStBl II 2019, 555, Rz 37).

28 b) Demgegenüber sind die Bauerrichtungskosten beim Erwerb eines noch zu bebauenden Grundstücks nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen, wenn das Grundstück von einer zur Veräußererseite gehörenden Person mit bestimmendem Einfluss auf das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung erworben wird. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist in diesem Fall das unbebaute Grundstück.

29 aa) Für den Erwerb eines Grundstücks im bebauten Zustand (einheitlicher Erwerbsgegenstand) ist typisch, dass der Erwerber —im Gegensatz zu einem Bauherrn— in seinen Möglichkeiten, sowohl den Grundstücksverkäufer als auch den Bauunternehmer selbst zu bestimmen, eingeschränkt ist. Demgegenüber ist eine Person, die zur Veräußererseite gehört und bei der Bebauung mitwirkt, indem sie das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung maßgebend beeinflusst, grunderwerbsteuerrechtlich nicht Erwerber eines unbebauten Grundstücks im Zustand der späteren Bebauung, sondern Bauherr. Das gilt auch, wenn diese Person nicht selbst das Grundstück veräußert oder Bauleistungen erbringt (, BFHE 262, 169, BStBl II 2018, 602, Rz 18 f.).

30 bb) Ist eine zur Veräußererseite gehörende Person wie ein Bauherr zu behandeln, sind beim Kauf des noch unbebauten Grundstücks durch diese Person die Bauerrichtungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Das gilt auch, wenn ein Miteigentumsanteil erworben wird und der Erwerber damit hinsichtlich der konkreten Bebauung des Grundstücks rechtlich oder wirtschaftlich gebunden war, denn die Bindung beruht auf der Tätigkeit des Erwerbers als Bauherr (vgl. , BFHE 262, 169, BStBl II 2018, 602, Rz 20). Diese Auffassung teilt grundsätzlich auch die Finanzverwaltung (vgl. BStBl I 2017, 1328, Tz. 4.1). Erwerben danach Funktionsträger mit bestimmendem Einfluss auf das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung das Grundstück, dann ist das Grundstück in dem Zustand zu besteuern, in dem es sich bei Vertragsabschluss befindet.

31 c) Nach diesen Maßstäben ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die C KG bei Abschluss des Kaufvertrags über die Miteigentumsanteile in ihrer Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung nicht mehr frei war. Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass die C KG aufgrund des bestimmenden Einflusses ihres Mehrheitsgesellschafters A auf die Bebauung der Veräußererseite zuzurechnen und als Bauherrin anzusehen ist. Die Vorentscheidung ist daher auch aus diesem Grund aufzuheben und der Klage stattzugeben. Die aufgrund des Generalunternehmervertrags mit der Baufirma S entstandenen Baukosten sind nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.

32 aa) Als Erwerberin gehört die C KG, deren Mehrheitsgesellschafter A zusammen mit B die X GmbH als Veräußerin beherrschte, selbst zur Veräußererseite. Denn A hatte ebenso wie B einen bestimmenden Einfluss auf das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung. A und B, die über die Z GmbH und die Y GmbH gemeinsam die X GmbH beherrschten, haben nach dem Inhalt der Verfahrensakten das umfangreiche Bauvorhaben zusammen initiiert, vorbereitet und umgesetzt. Sie haben von Anfang an gemeinsam über die Einzelheiten der Bebauung und die Auswahl des Bauunternehmens entschieden und den Generalunternehmervertrag mit der Baufirma S zusammen verhandelt beziehungsweise diese Verhandlungen geleitet. Erst Ende 2016 haben A und B nach den Feststellungen des FG beschlossen, das Bauvorhaben nicht —wie ursprünglich beabsichtigt— allein mit der X GmbH, sondern mit einer weiteren Gesellschaft zu verwirklichen. Vor diesem Hintergrund hat A mit seinen Töchtern die C KG mit dem Ziel verwendet, Miteigentumsanteile an den betroffenen Grundstücken zu erwerben und die Grundstücke zusammen mit der X GmbH nach den bisherigen Planungen zu bebauen. Nach den vom FG festgestellten Gesamtumständen wollten A und B das Bauvorhaben über die C KG und die X GmbH als Partner verwirklichen und nach Fertigstellung den Grundbesitz so aufteilen, dass Familie A die Mikroappartements und den Gewerberaum über die C KG und Familie B die Wohnungen über die X GmbH hält. Angesichts des bestimmenden Einflusses ihres Mehrheitsgesellschafters A auf die Planung und Umsetzung des Bauvorhabens ist die C KG der Veräußererseite zuzurechnen und als Bauherrin anzusehen.

33 bb) Die Rechtsform der Verkäuferin (X GmbH) und deren Mutter- und Großmuttergesellschaft steht der Annahme eines maßgebenden Einflusses des Gesellschafters A auf das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung nicht entgegen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach der Rechtsprechung auch ein Dritter, der nicht selbst das Grundstück veräußert oder Bauleistungen erbringt, „Funktionsträger“ mit entsprechendem Einfluss sein kann (, BFHE 262, 169, BStBl II 2018, 602, Rz 19). Dass A die Miteigentumsanteile nicht selbst erworben hat, ist unschädlich, da er die Erwerberin (C KG), eine Familien-KG, als Mehrheitsgesellschafter beherrschte. Die Ausführungen unter II.2.c im (BFH/NV 1993, 563) stehen dazu nicht im Widerspruch, da die C KG als Erwerberin keine Kapitalgesellschaft, sondern eine Personengesellschaft ist.

34 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:U.020725.IIR19.22.0

Fundstelle(n):
SAAAK-05327