Verwerfung (a-limine-Abweisung) einer Wahlprüfungsbeschwerde - Verwerfung mehrerer offensichtlich unzulässiger Ablehnungsgesuche
Gesetze: § 19 Abs 1 BVerfGG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 24 S 1 BVerfGG, § 24 S 2 BVerfGG, § 48 Abs 1 Halbs 2 BVerfGG, § 9 Abs 6 S 1 EuWG, § 13 Abs 4 EuWG, § 14 Abs 4 S 2 EuWG, § 26 Abs 3 S 3 EuWG
Gründe
A.
1Die Wahlprüfungsbeschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Deutschen Bundestages vom , mit dem eine Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zur zehnten Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am angenommen und der Wahleinspruch des Beschwerdeführers zu 1. zurückgewiesen wurde.
2Der Beschwerdeführer zu 1. hat "als Wahlberechtigter, als Wahlbewerber und Vertrauensperson für den Wahlvorschlag der politischen Partei/politischen Vereinigung Ab jetzt … Demokratie durch Volksabstimmung - Politik für die Menschen (Volksabstimmung)", der Beschwerdeführerin zu 2., sowie als ihr Bundesvorsitzender und Vorstandsmitglied Wahlprüfungsbeschwerde erhoben. Darüber hinaus werden in der Antragsschrift sowie in folgenden Schriftsätzen des Beschwerdeführers zu 1. weitere Personen als Unterzeichner aufgeführt. Insoweit fehlen jedoch Unterschriften, eine Vollmacht oder eine ladungsfähige Anschrift.
3Mit Schreiben vom wies die Berichterstatterin den Beschwerdeführer zu 1. darauf hin, dass seine Wahlprüfungsbeschwerde aus näher dargelegten Gründen offensichtlich unbegründet sein dürfte und eine Entscheidung des Senats gemäß § 24 BVerfGG in Betracht komme.
4Die Beschwerdeführer richteten daraufhin Ablehnungsgesuche gegen die Berichterstatterin sowie gegen die weiteren Mitglieder des Senats. Da es ihrer Meinung nach offensichtlich eine parteiunabhängige Senatsbesetzung beim Bundesverfassungsgericht nicht gebe, beantragten sie die Abgabe des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
B.
I.
5Die Ablehnungsgesuche sind offensichtlich unzulässig.
61. Ein Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig, wenn es sich auf eine gänzlich ungeeignete Begründung stützt (vgl. BVerfGE 159, 26 <30 Rn. 13> - Äußerungen der Bundeskanzlerin Merkel in Südafrika - Befangenheitsgesuch). In einem solchen Fall sind die abgelehnten Richter nicht von der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausgeschlossen; es bedarf dann auch keiner vorherigen Einholung von dienstlichen Stellungnahmen (vgl. BVerfGE 153, 72 <73 Rn. 2> - Richterablehnung wegen Nominierung durch politische Parteien; 159, 135 <147 Rn. 37> - Bundesnotbremse I - Ablehnungsgesuch Präsident Harbarth, BVRin Baer).
72. Gemessen hieran sind die Ablehnungsgesuche sowohl gegen die Richterin Wallrabenstein (a) als auch gegen die weiteren Mitglieder des Senats (b) offensichtlich unzulässig. Für eine Abgabe des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht überdies keine Grundlage (c).
8a) Das Ablehnungsgesuch gegen die Richterin Wallrabenstein, das sich auf deren Berichterstatterschreiben vom stützt, enthält lediglich Ausführungen, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind.
9aa) Bei einem Hinweisschreiben gemäß § 24 Satz 2 BVerfGG handelt es sich nur um eine vorläufige Bewertung der Sach- und Rechtslage durch die Berichterstatterin, die auf eine Darstellung der aus ihrer Sicht wesentlichen Einschätzungen beschränkt bleiben darf. Ein solcher Hinweis, der einer sachgerechten Verfahrensgestaltung und zudem der rechtlichen Klärung dient, liegt grundsätzlich im Rahmen einer zulässigen richterlichen Aufklärung und ist nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BVerfGE 156, 221 <223 Rn. 7 f.> - Wahlprüfungsbeschwerde 19/V - Ablehnung BVRinnen Hermanns und Langenfeld sowie BVR Müller).
10bb) So liegt der Fall auch hier. Die Berichterstatterin hat lediglich ihre vorläufige Einschätzung dem Beschwerdeführer zu 1. dargelegt. Dies ergibt sich bereits aus der Einleitung des Schreibens. Die Vorläufigkeit der Einschätzung der Berichterstatterin erstreckt sich insbesondere auch auf ihre Annahmen zur Vertretung der Beschwerdeführerin zu 2. und weiterer Parteimitglieder und Wahlbewerber durch den Beschwerdeführer zu 1. Insoweit hat die Berichterstatterin den Beschwerdeführer zu 1. ausdrücklich um Klarstellung gebeten. Gerade damit hat sie die Vorläufigkeit ihrer Einschätzung zum Ausdruck gebracht.
11Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Einschätzung der Berichterstatterin zur Substantiierung der behaupteten Wahlmanipulationen wenden, bringen sie lediglich ihre eigene, vom Berichterstatterschreiben abweichende Rechtsansicht vor. Dass die Berichterstatterin erhebliches Vorbringen übergangen habe, wird zwar mehrfach behauptet, ist jedoch nicht dargetan. Vielmehr hat sich die Berichterstatterin dezidiert mit den einzelnen Einwänden der Beschwerdeführer auseinandergesetzt.
12b) Auch das Ablehnungsgesuch gegen die weiteren Mitglieder des Senats, das sich auf deren angebliche politische Beeinflussung und den Vorwurf der Unterschlagung von Vorbringen der Beschwerdeführer stützt, ist zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet.
13aa) Bei sachgerechter Auslegung richtet sich das Ablehnungsgesuch gegen die Richterinnen und Richter des Senats in seiner Besetzung zum Zeitpunkt der Entscheidung. Gegen die zum Zeitpunkt der Einlegung des Ablehnungsgesuchs noch amtierende ehemalige Vizepräsidentin König und den ehemaligen Richter Maidowski wäre es schon deshalb offensichtlich unzulässig, weil beide seit ihrem Ausscheiden am nicht (mehr) zur Mitwirkung berufen sind (vgl.BVerfG,Beschluss des Zweiten Senats vom - 2 BvC 32/19 -, Rn. 10).
14bb) Im Übrigen ist ein Vortrag, der auf Behauptungen "ins Blaue hinein" und reinen Vermutungen beruht, von vornherein ungeeignet, eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 26 Abs. 3 Satz 3 EuWG, § 19 Abs. 1 BVerfGG zu begründen (vgl. BVerfGE 152, 53 <54 Rn. 4> - Befangenheit in der Wahlprüfungsbeschwerde).
15cc) So liegt es hier. Das Vorbringen der Beschwerdeführer geht über bloße Behauptungen ohne jede Tatsachengrundlage nicht hinaus.Die Annahme, die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts würden bei ihren Entscheidungen politisch beeinflusst oder einvernehmlich Ausführungen der Beschwerdeführer unterschlagen, sind durch keinerlei tatsächliche Umstände unterlegt und daher vollkommen ohne Substanz.
16c) Für die begehrte Abgabe des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht zudem keine Grundlage. Sie ist im Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht vorgesehen. Ungeachtet dessen ist das Bundesverfassungsgericht auch das für die Entscheidung über die vorliegende Wahlprüfungsbeschwerde nach § 26 Abs. 3 Satz 1 EuWG zuständige Gericht.
II.
17Die Wahlprüfungsbeschwerde ist lediglich vom Beschwerdeführer zu 1. sowie von der Beschwerdeführerin zu 2. wirksam erhoben worden (1.), nicht hingegen von den weiteren in den Schriftsätzen genannten Personen (2.).
181. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu 1. ist mit Blick auf seinen Schriftsatz vom dahin zu verstehen, dass er sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Beschwerdeführerin zu 2. Wahlprüfungsbeschwerde erhebt.
19In seiner Eigenschaft als Bundesvorsitzender und Vorstandsmitglied der Beschwerdeführerin zu 2. kann er diese nach § 20, § 25 Abs. 1 der Bundessatzung der Beschwerdeführerin zu 2. in Verbindung mit § 11 Abs. 3 Satz 2 PartG, § 26 BGB und § 38 Abs. 3 der Bundesgeschäftsordnung der Beschwerdeführerin zu 2. gerichtlich vertreten.
202. Demgegenüber haben die weiteren, in den Schriftsätzen des Beschwerdeführers zu 1. als Unterzeichner genannten Personen eine Wahlprüfungsbeschwerde nicht wirksam erhoben.
21a) Das Erfordernis einer schriftlichen Einreichung nach § 26 Abs. 3 Satz 3 EuWG, § 23 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist nicht erfüllt, weil sie die Antrags- und Beschwerdeschrift nicht unterschrieben haben.
22b) Sie wurden auch nicht durch den Beschwerdeführer zu 1. wirksam vertreten.
23Entgegen seiner Annahme konnte der Beschwerdeführer zu 1. die von ihm genannten Personen weder in seiner Eigenschaft als Bundesvorsitzender und Vorstandsmitglied der Beschwerdeführerin zu 2. noch als Vertrauensperson nach § 9 Abs. 6 EuWG gerichtlich vertreten. Die Vertretung einzelner Parteimitglieder und Wahlbewerber durch den Bundesvorsitzenden oder den Vorstand ist weder durch die Bundessatzung noch die Bundesgeschäftsordnung der Beschwerdeführerin zu 2. vorgesehen. Auch aus der Bestellung als Vertrauensperson nach § 9 Abs. 6 Satz 1 EuWG ergibt sich keine Vertretungsbefugnis des Beschwerdeführers zu 1. im Wahlprüfungsverfahren. Die Vertrauensperson dient der Erleichterung des Kontaktes zwischen den Wahlvorschlagsträgern und den Wahlbehörden sowie -organen und soll die einheitliche und widerspruchsfreie Wahrnehmung der Interessen des Wahlvorschlagsträgers sichern (vgl. für das BWahlG Wolf, in: Schreiber, BWahlG, 12. Aufl. 2025, § 22 Rn. 1). Nur hierfür räumen § 13 Abs. 4 und § 14 Abs. 4 Satz 2 EuWG Befugnisse zur Vertretung des Wahlvorschlags ein.
24Schließlich scheitert eine Prozessvertretung des Beschwerdeführers zu 1. gemäß § 26 Abs. 3 Satz 3 EuWG, § 22 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ebenso wie eine - allenfalls konkludent beantragte - Zulassung als Beistand nach § 26 Abs. 3 Satz 3 EuWG, § 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG an seiner fehlenden Bevollmächtigung.
III.
25Die Wahlprüfungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Im Hinblick auf die Beschwerdeführerin zu 2. ist sie bereits unzulässig (1.). Im Übrigen ist sie aus den gegenüber dem Beschwerdeführer zu 1. mitgeteilten Gründen jedenfalls unbegründet (2.).
261. Die Wahlprüfungsbeschwerde ist im Hinblick auf die Beschwerdeführerin zu 2. unzulässig. Sie erfüllt die Begründungsanforderungen gemäß § 26 Abs. 3 Satz 3 EuWG, § 48 Abs. 1 Halbsatz 2, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht.
27a) Nach § 26 Abs. 3 Satz 3 EuWG, § 48 Abs. 1 Halbsatz 2, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG sind Anträge, die das Verfahren einleiten, zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. Die allgemeinen Anforderungen an verfahrenseinleitende Anträge gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG gelten demgemäß auch für Wahlprüfungsbeschwerden (vgl. BVerfGE 21, 359 <361>; 122, 304 <308>; 146, 327 <340 f. Rn. 37>; 160, 129 <138 Rn. 34> - Wahlprüfungsbeschwerde 19/VIII - Ermittlungspflichten Wahlprüfungsausschuss). Die allgemeinen Begründungsanforderungen verlangen grundsätzlich auch, dass ein Beschwerdeführer zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen vorträgt, soweit deren Vorliegen nicht aus sich heraus erkennbar ist (vgl. für die Verfassungsbeschwerde BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1700/19 -, Rn. 3; Scheffczyk, in: Walter, BeckOK BVerfGG, § 23 Rn. 7 <Juni 2025>; Diehl, in: Barczak, BVerfGG, 2018, § 23 Rn. 24).
28Die Zulässigkeit der Wahlprüfungsbeschwerde setzt für die Annahme der Beschwerdebefugnis den Abschluss des Wahlprüfungsverfahrens vor dem Deutschen Bundestag durch den Beschwerdeführer voraus (vgl. BVerfGE 128, 322 <324>; 149, 374 <376 f. Rn. 7>; 149, 378 <380 Rn. 8>). Denn das Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist ein der Entscheidung des Deutschen Bundestages über einen Wahleinspruch nachgelagertes Verfahren (vgl. BVerfGE 63, 73 <76>; 149, 374 <376 f. Rn. 7>; 149, 378 <380 Rn. 8>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom - 2 BvQ 73/24 -, Rn. 10 - Bundestagswahl 2025 - Vorgelagerter Rechtsschutz). Für die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland gilt nichts anderes. Auch hier hat der Gesetzgeber das Wahlprüfungsverfahren als nachgelagertes Verfahren konzipiert (vgl. § 26 EuWG; BVerfGE 169, 108 <112 Rn. 13> - Zulassung zur Europawahl - eA-Antrag).
29b) Danach hat die Beschwerdeführerin zu 2. nicht hinreichend dargetan, dass sie ein Wahlprüfungsverfahren vor dem Deutschen Bundestag abgeschlossen hat. Eine solche Darlegung wäre bereits deshalb erforderlich gewesen, weil der Deutsche Bundestag allein den Beschwerdeführer zu 1., nicht hingegen die Beschwerdeführerin zu 2., als Einspruchsführer behandelt hat.
302. Im Übrigen ist die Wahlprüfungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Da der Beschwerdeführer zu 1. mit Schreiben der Berichterstatterin vom auf die Bedenken gegen die Begründetheit seines Antrags hingewiesen worden ist, wird gemäß § 26 Abs. 3 Satz 3 EuWG, § 24 Satz 2 BVerfGG von einer weiteren Begründung abgesehen.
IV.
31Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigen sich die Anträge der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfGE 154, 372 <379 f. Rn. 28> - Nachgeschobenes Ausgleichsmandat II - eA).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:cs20251023.2bvc001325
Fundstelle(n):
PAAAK-05299