Stattgebender Kammerbeschluss: Zu den Voraussetzungen, unter denen das polizeiliche Betreten eines Wohnraums in einer Gemeinschaftsunterkunft zwecks Überstellung im Dublin III-Verfahren eine Durchsuchung iSd Art 13 Abs 2 GG darstellt - hier: Verletzung von Art 13 GG durch polizeiliches Betreten und Durchsuchen des Zimmers eines ausreisepflichtigen Ausländers in einer Gemeinschaftsunterkunft ohne richterliche Durchsuchungsanordnung - Gegenstandswertfestsetzung
Gesetze: Art 13 Abs 2 GG, Art 13 Abs 2 GG, Art 13 Abs 7 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 53 Abs 1 S 1 AsylVfG 1992, § 58 Abs 5 S 1 AufenthG 2004, § 58 Abs 6 S 1 AufenthG 2004, § 58 Abs 8 S 1 AufenthG 2004
Instanzenzug: Az: 1 B 3/25 (1 B 20/24) Beschlussvorgehend Az: 1 B 20.24 Beschlussvorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 3 B 17/22 Urteil
Gründe
A.
I.
11. Der Beschwerdeführer ist guineischer Staatsangehöriger, dessen Asylantrag aufgrund der Zuständigkeit Italiens mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom als unzulässig abgelehnt und dessen Abschiebung nach Italien angeordnet wurde.
22. Nachdem der Beschwerdeführer zu einem früheren Zeitpunkt in seiner Unterkunft nicht angetroffen worden war und einen Vorsprachetermin beim Landesamt für Einwanderung nicht wahrgenommen hatte, wurden am die angegriffenen polizeilichen Maßnahmen im Übergangswohnheim Alfred-Randt-Straße 19 in 12559 Berlin durchgeführt, um ihn nach Italien überstellen zu können.
3Der Beschwerdeführer bewohnte zusammen mit einer weiteren Person in der aus Containern erbauten Gemeinschaftsunterkunft in der 1. Etage einen circa 15 qm großen, verschließbaren Raum mit zwei Fenstern auf der der Tür gegenüberliegenden Seite. Neben den Fenstern standen an der Wand zwei Betten; ferner war der Raum mit zwei Kleiderschränken, einem Tisch, zwei Stühlen und einem Kühlschrank ausgestattet.
4Am gegen 8:00 Uhr betraten mehrere Polizeibeamte das Gebäude des Übergangswohnheims. Trotz mehrfachen Klopfens wurde die verschlossene Zimmertür nicht geöffnet. Da zuvor Geräusche im Zimmer wahrzunehmen gewesen waren, aber die Sozialarbeiterin der Unterkunft sich weigerte, das verschlossene Zimmer zu öffnen, wurde die Tür unter Einsatz einer Ramme aufgebrochen. Eine richterliche Durchsuchungsanordnung lag nicht vor.
5Nach dem Tätigkeitsbericht der Polizei sei der Beschwerdeführer noch vom Türrahmen aus als der im rechten Bett Liegende erkannt, das Zimmer betreten und sodann der Grund des Erscheinens mitgeteilt worden. Nach Angaben des Beschwerdeführers und seines damaligen Mitbewohners forderten die Polizisten beide - welche noch in Unterwäsche bekleidet im Bett gelegen hätten - auf, sich auszuweisen. Sodann sei der Beschwerdeführer angewiesen worden, seine Sachen für eine Überstellung nach Italien zu packen. Im weiteren Verlauf hätten die Beamten seine Kopfhörer, sein Mobiltelefon und sein Portemonnaie an sich genommen.
63. Der Beschwerdeführer erhob am Klage mit dem Begehren festzustellen, dass sein Zimmer nicht hätte betreten und durchsucht sowie seine Kopfhörer, sein Mobiltelefon und Portemonnaie nicht hätten sichergestellt werden dürfen. Der zugleich gestellte Eilantrag wurde von den Beteiligten - nach dem Ablauf der Überstellungsfrist und dem Übergang in das nationale Asylverfahren - übereinstimmend für erledigt erklärt.
74. Mit Urteil vom stellte das Verwaltungsgericht fest, dass es rechtswidrig gewesen sei, das Zimmer des Beschwerdeführers im Übergangswohnheim zu betreten und - ohne richterliche Durchsuchungsanordnung - zu durchsuchen; hinsichtlich der weiteren Maßnahmen wies es die Klage ab. Die erstgenannten Maßnahmen seien ohne die erforderliche Durchsuchungsanordnung erfolgt. Für die Abgrenzung, ob eine richterliche Durchsuchungsanordnung erforderlich sei, komme es auf die ex-ante-Sicht des Behördenmitarbeiters an. Vor dem gewaltsamen Öffnen und Betreten des Zimmers sei für die Polizeibeamten, welche keine Vorstellung von der konkreten Wohnsituation hatten, nicht absehbar gewesen, ob der Beschwerdeführer sich im Zimmer aufhalte und welcher Aufwand betrieben werden müsse, um ihn zu finden.
85. Auf die jeweiligen Anträge auf Zulassung der Berufung ließ das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu und wies die Klage in vollem Umfang ab. Die polizeiliche Maßnahme am im Zimmer des Beschwerdeführers sei keine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG gewesen. Die beim Betreten einer Wohnung unvermeidliche Kenntnisnahme von Personen, Sachen und Zuständen mache den Eingriff allein noch nicht zu einer Durchsuchung. Auch die bloße Aufforderung an die sich in der Wohnung aufhaltenden Personen, den Raum zu verlassen, stelle keine Durchsuchung dar, weil damit die öffentliche Gewalt nicht in der für Durchsuchungen typischen Weise in das private Leben des Bürgers und in die räumliche Sphäre, in der es sich entfalte, eindringe. Solange keine Suchhandlung stattfinde, sei unerheblich, ob von einem ex-ante-Standpunkt davon auszugehen war, dass derartige Handlungen zum Auffinden der Person erforderlich sein könnten. Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Betreten nach Art. 13 Abs. 7 GG seien gegeben gewesen. Die erforderliche dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei in der nach dem Dublin-System gesetzlich gebotenen Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien zu sehen. Die Überstellung diene zum einen dem gemeinschaftlichen Ziel der raschen Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats. Zum anderen werde ansonsten der unerwünschten Sekundärmigration Vorschub geleistet.
96. Mit dem angegriffenen BVerwG 1 B 20.24 - wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Revision zurück. Der Vortrag, das Berufungsgericht nehme mit Blick auf Art. 13 Abs. 2 GG rechtsirrig an, dass es für die Abgrenzung zwischen Durchsuchung und Betreten einer Wohnung unerheblich sei, ob von einem ex-ante-Standpunkt damit zu rechnen sei, dass Suchhandlungen erforderlich sein würden, lasse die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Entscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts vermissen. Dies gelte ebenso für das Vorbringen, es sei rechtsirrig, in der gewaltsamen Öffnung einer Wohnungstür lediglich die Durchsetzung eines Betretensrechts durch Anwendung unmittelbaren Zwangs und in der Identitätsfeststellung keine Suchhandlung zu sehen. Für eine Durchsuchung sei begriffsprägend die Suche nach Personen oder Sachen oder die Ermittlung eines Sachverhalts in einer Wohnung. Kennzeichnend sei die Absicht, etwas nicht klar zutage Liegendes aufzudecken und mithin die Wohnung als einen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereich auszuforschen. Die vom Beschwerdeführer vertretene Auslegung des Durchsuchungsbegriffs, wonach es aus einer ex-ante-Perspektive auf den Zweck des Auffindens - unabhängig von durchgeführten Suchhandlungen - ankomme, unterlaufe die Unterscheidung zwischen Betreten und Durchsuchen, die verfassungsrechtlich in Art. 13 Abs. 2 und 7 GG angelegt sei. Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage sei auch nicht in Bezug auf die Anforderungen des Art. 13 Abs. 7 GG dargelegt, weil sich die Beschwerdebegründung in einer allgemeinen Urteilskritik und in Angriffen gegen eine ihrer Ansicht nach fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall erschöpfe. Auch das Vorliegen der Voraussetzungen einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG sei nicht dargelegt. In Bezug auf die Divergenzrüge fehle es an einem aufgezeigten divergierenden Rechtssatz. Ein solcher sei auch nicht ersichtlich, weil sich das Berufungsgericht sowohl für die Abgrenzung des Betretens von der Durchsuchung als auch mit Blick auf die Anforderungen des Art. 13 Abs. 7 GG auf die Rechtsprechung des Senats gestützt habe.
107. Mit dem angegriffenen Beschluss vom wies das Bundesverwaltungsgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurück.
II.
11Der Beschwerdeführer hat am Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung von Art. 13 Absätze 2 und - hilfsweise - 7 GG.
121. In den angegriffenen Entscheidungen werde in zu enger Auslegung des Durchsuchungsbegriffs aus Art. 13 Abs. 2 GG nur von einem Betreten ausgegangen.
13Bereits die Rechtsgrundlage des § 58 Abs. 5 Satz 1 AufenthG sei verfassungswidrig. Dadurch, dass § 58 Abs. 5 Satz 1 AufenthG die Entscheidung, ob eine Durchsuchung vorliege, überwiegend der Einschätzung der Exekutive überlasse, werde der in Art. 13 Abs. 2 GG vorgesehene präventive Grundrechtsschutz verfehlt und laufe der Richtervorbehalt im Ergebnis leer; eine verfassungskonforme Auslegung sei nicht möglich, weil der gesetzgeberische Wille, der zwischen Betreten und Durchsuchen explizit differenziere, entgegenstehe.
14Der Durchsuchungsbegriff sei ferner bei der Anwendung weit zu verstehen; maßgeblich sei allein ein Verborgensein "durch" die Wohnung, nicht innerhalb der Wohnung. Auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung sei eine Weiterentwicklung zu einem "zweckorientierten" Durchsuchungsbegriff geboten, um ein Betreten von einer Durchsuchung trennscharf abgrenzen zu können. Das Kriterium für die Einordnung als Suchhandlung sei, ob diese den Zweck verfolge, eine Person oder einen Gegenstand aufzufinden. Der "situative" Durchsuchungsbegriff des Bundesverwaltungsgerichts verkürze demgegenüber den Schutz der Privatsphäre in kleinen Räumen - wie dem Zimmer des Beschwerdeführers - unzulässig. Für den Fall, dass der Durchsuchungsbegriff nicht über den Zweck der Maßnahme definiert werde, sei auf eine ex-ante-Sicht der Behörde bei der Vorbereitung der Abschiebung abzustellen.
152. Jedenfalls seien die Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 7 GG nicht gegeben. Die Nichterfüllung einer (vollziehbaren) Ausreisepflicht stelle keine dringende Gefahr in diesem Sinne dar, weil in dem staatlichen Interesse an einer Migrationssteuerung kein gleichrangig hohes Interesse wie in den in Art. 13 Abs. 7 GG aufgezählten Fallgruppen zu sehen sei. Die drohende Fortdauer des unerlaubten Aufenthalts lasse sich zudem allein durch die Ergreifung der Person nicht zwingend wirksam beenden, zumal es Dublin-Rückkehrern nicht möglich sei, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Überdies stehe - wenn überhaupt - ein Verstoß gegen das bloße Vergehen des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in Rede.
III.
16Der Bundestag, der Bundesrat, das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium der Justiz, die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz und die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung Berlin, die weiteren Landesregierungen sowie sachkundige Dritte (vgl. § 27a BVerfGG) haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
17Die Akten der Ausgangsverfahren haben der Kammer vorgelegen.
B.
18Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 13 GG durch das Betreten und Durchsuchen seines Zimmers am in Berlin ohne richterliche Entscheidung nach Art. 13 Abs. 2 GG und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom rügt, nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt (I.). Im Übrigen wird sie nicht zur Entscheidung angenommen (II.).
I.
19Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen die polizeiliche Durchsuchungsmaßnahme am in Berlin und gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom richtet, liegen die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Entscheidung vor. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Die für ihre Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt.
201. Die Verfassungsbeschwerde ist im tenorierten Umfang zulässig.
21a) Die Verfassungsbeschwerde wahrt insbesondere den in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der (materiellen) Subsidiarität.
22Eine Verfassungsbeschwerde ist in der Regel unzulässig, wenn ein an sich gegebenes Rechtsmittel - hier die Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision -, durch dessen Gebrauch die behaupteten Grundrechtsverstöße hätten ausgeräumt werden können, aus prozessualen Gründen erfolglos bleibt (vgl. BVerfGE 16, 124 <127>; 74, 102 <113 f.>; 128, 90 <99>; BVerfGK 1, 222 <223>). Dies gilt insbesondere für die Begründungs-, Darlegungs- und Bezeichnungserfordernisse im Verfahren vor dem Revisionsgericht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1411/91 -, juris, Rn. 7; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1616/05 -, Rn. 6). Eine sachlich unzureichende Nutzung des Rechtsbehelfs, die ursächlich für die unterbliebene oder nur unvollständige Behebung derjenigen Umstände ist, auf die die Grundrechtsrüge gestützt wird, wahrt den Subsidiaritätsgrundsatz nicht.
23Hiervon ausgehend kann offenbleiben, ob Mängel der Begründung des Antrags auf Zulassung der Revision vorliegen, denn dem Beschwerdeführer blieben in Anbetracht der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bestimmung einer Durchsuchung zum Zwecke der Abschiebung (vgl. BVerwG - 1 C 10.22 -, BVerwGE 179, 135 Rn. 17 ff. m.w.N.) mit Blick auf die eingeschränkten Revisionsgründe keine prozessualen Möglichkeiten, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung zu verhindern. Ein Versäumnis ist dem Beschwerdeführer ferner deswegen nicht vorzuhalten, weil er den maßgeblichen Aspekt in Bezug auf Art. 13 Abs. 2 GG zumindest der Sache nach dem Rechtsmittelgericht unterbreitet hat (vgl. allgemein zu dieser Anforderung: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1723/14 -, Rn. 4 f.). Unabhängig von Vorstehendem hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Begriff der Durchsuchung inhaltlich auseinandergesetzt, so dass gegebenenfalls unzureichend vorgebrachte Revisionsgründe nicht ursächlich für die geltend gemachte Grundrechtsverletzung geworden sind.
24b) Der Beschwerdeführer hat zudem ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl die in Rede stehenden Maßnahmen vom ihre Erledigung gefunden und er darüber hinaus nicht mehr in derselben Gemeinschaftsunterkunft wohnhaft ist. Eine Wohnungsdurchsuchung stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, der seiner Natur nach häufig bereits vor einer möglichen gerichtlichen Überprüfung beendet ist (vgl. zu dieser Fallgruppe BVerfGE 96, 27 <39 f.>). Es würde der Bedeutung des Grundrechtsschutzes nach Art. 13 Abs. 2 GG nicht entsprechen, wenn eine Durchsuchung nach ihrer Beendigung verfassungsgerichtlich nicht mehr überprüfbar wäre (vgl. BVerfGE 76, 83 <88 f.>).
252. Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, offensichtlich begründet. Nach den vom Bundesverfassungsgericht geklärten Maßstäben verfehlen sowohl die polizeiliche Durchsuchungsmaßnahme am (a) als auch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom (b) die Anforderungen des Art. 13 Abs. 2 GG und verletzen damit den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 GG.
26a) Für das Betreten und Durchsuchen des vom Beschwerdeführer bewohnten Raumes am war eine richterliche Anordnung gemäß Art. 13 Abs. 2 GG erforderlich.
27aa) Das Zimmer des Beschwerdeführers in der Gemeinschaftsunterkunft unterfällt dem Schutzbereich der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG).
28Das Schutzgut des Art. 13 Abs. 1 GG ist die räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet. Die Unverletzlichkeit der Wohnung hat einen engen Bezug zur Menschenwürde und steht zugleich im nahen Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private - höchstpersönliche - Entfaltung (vgl. BVerfGE 42, 212 <219>; 51, 97 <110>; 75, 318 <328>; 109, 279 <313 f.>). Jeder Mensch benötigt einen räumlichen Bereich, in dem er sich nach selbstgesetzten Maßstäben frei entfalten, also die Wohnung bei Bedarf als "letztes Refugium" zur Wahrung seiner Menschenwürde nutzen kann (vgl. BVerfGE 109, 279 <314>; 113, 348 <391>; 156, 63 <129 Rn. 228>). Für eine weite (vgl. so explizit in Bezug auf Geschäfts- und Betriebsräume BVerfGE 32, 54 <69 ff.>) Auslegung des Wohnungsbegriffes spricht auch das durch Art. 18 Abs. 1 Buchstaben b und c und Art. 7 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, verbürgte Recht, wonach die zugewiesene Unterbringung von Schutzsuchenden einen angemessenen Lebensstandard unter Wahrung der "unveräußerlichen Privatsphäre" gewährleisten soll.
29Grundrechtsträger ist grundsätzlich jeder Inhaber oder Bewohner eines Wohnraums, unabhängig davon, auf welchen Rechtsverhältnissen die (Mit-)Nutzung des Wohnraums beruht (vgl. BVerfGE 89, 1 <12 f.>; 109, 279 <326>) beziehungsweise ob ihm ein Hausrecht zusteht (vgl. in diesem Sinne BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1684/18 -, juris, Rn. 33). Auf den Schutz aus Art. 13 Abs. 1 GG kann sich danach jedenfalls jede Person berufen, der Räumlichkeiten zur Nutzung zugewiesen sind und der ein Mindestmaß an Dispositionsbefugnis zusteht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 150/04 -, Rn. 3).
30Nach diesen Maßstäben stehen die gemeinschaftliche Nutzung eines Raumes und eine gewisse Kontroll- und Betretungsmöglichkeit damit beauftragter Personen innerhalb der Gemeinschaftsunterkunft der Einstufung des Zimmers des Beschwerdeführers als Wohnung nicht entgegen. Der Beschwerdeführer war zwar verpflichtet, in der Gemeinschaftsunterkunft (vgl. § 53 AsylG) zu wohnen, allerdings bestand für das abschließbare (und im konkreten Fall auch abgeschlossene) Zimmer kein Zugriffsrecht der Öffentlichkeit und staatlicher Organe. Dass angesichts der gemeinschaftlichen Unterbringungsform kein alternativer Raum zur Entfaltung der Persönlichkeit zur Verfügung steht, führt dazu, dass das dem einzelnen Bewohner zugewiesene Zimmer als elementarer Rückzugsort besonders schutzwürdig erscheint.
31bb) Für die vorliegend als Durchsuchung einzustufende Ergreifung des Beschwerdeführers im Zimmer der Gemeinschaftsunterkunft fehlt es an der nach Art. 13 Abs. 2 GG erforderlichen richterlichen Durchsuchungsanordnung.
32(1) Dem Gewicht des Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2, 1. Halbsatz GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Denn eine Durchsuchung greift schwerwiegend in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre einer Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG ein (vgl. BVerfGE 51, 97 <107>; 96, 27 <40>).
33Der Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz ab (vgl. BVerfGE 57, 346 <355 f.>; 76, 83 <91>). Das Grundgesetz geht davon aus, dass Richter aufgrund ihrer persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit und ihrer strikten Unterwerfung unter das Gesetz (Art. 97 GG) die Rechte der Betroffenen im Einzelfall am besten und sichersten wahren können (vgl. BVerfGE 77, 1 <51>). Bei einer Durchsuchung zum Zwecke der Abschiebung ist der zuständige Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 58 Absätze 6, 8 und 9a AufenthG) unbeteiligter Dritter, der auf Antrag der Ausländerbehörde tätig wird. Da eine Durchsuchung nach ihrem Sinn und Zweck in der Regel ohne vorherige Anhörung des Betroffenen ergeht, ist die vorherige Einschaltung des Richters von besonderer Bedeutung; sie soll insbesondere auch für eine gebührende Berücksichtigung der konfligierenden Interessen sorgen (vgl. BVerfGE 9, 89 <97>; 103, 142 <150 f.>).
34(2) Es kann hier offenbleiben, wie weit der verfassungsrechtliche Begriff der Durchsuchung im Einzelnen reicht beziehungsweise wie er gegenüber den Eingriffen und Beschränkungen des Art. 13 Abs. 7 GG abzugrenzen ist (vgl. so schon BVerfGE 32, 54 <73>; 51, 97 <106>). Denn nach den bisherigen verfassungsrechtlichen Maßstäben ist jedenfalls im vorliegenden Fall von einer Durchsuchung auszugehen.
35Bei der Auslegung des Art. 13 Abs. 2 GG ist von seinem Wortlaut auszugehen, wobei festzustellen ist, dass die Verfassungsnorm ohne jeden Versuch einer Definition auf die Handlungsform als solches abstellt. Durchsuchungen werden schlechthin dem statuierten Richtervorbehalt unterworfen. Dabei wird weder nach den Formen der Durchsuchung noch nach den verschiedenen Anwendungsgebieten in irgendeiner Hinsicht differenziert. Weder der Entstehungsgeschichte noch dem Schutzzweck der Vorschrift lässt sich eine Beschränkung auf strafprozessuale Durchsuchungen der Wohnung entnehmen (vgl. so bereits grundlegend BVerfGE 51, 97 <107 ff.>; Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd. 5/I, Ausschuss für Grundsatzfragen, 1993, S. 105), so dass auch verwaltungsbehördliche Durchsuchungen - wie hier im Ausländerrecht - ohne Weiteres erfasst sind.
36Ferner ist im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zu dieser Übernahme bereits BVerfGE 32, 54 <73>; 51, 97 <106 f.>) für den Begriff der Durchsuchung kennzeichnend ein ziel- und zweckgerichtetes Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will (vgl. auch BVerfGE 75, 318 <327>; 76, 83 <89>). Zielrichtung jeder Durchsuchung ist es danach, planmäßig etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften (vgl. zum nahezu einhelligen Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Gornig, in: Huber/Voßkuhle, GG, 8. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 59 m.w.N.).
37Dies zugrunde legend sind strafrechtliche Ermittlungsverfahren nach §§ 102, 103 StPO zu dem Zweck, eine Sache als Beweismittel aufzufinden oder eine tatverdächtige Person aufzuspüren und zu ergreifen, als Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG qualifiziert worden (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 44, 353 <371>; 96, 44 <51 ff.>; 103, 142 <151>; 151, 67 <94 f. Rn. 73 ff.>). Ebenso ist in der Rechtsprechung angenommen worden, dass es sich aufgrund des besonderen grundrechtlichen Schutzes der räumlichen Lebenssphäre des Einzelnen um eine Durchsuchung handelt, wenn Vollstreckungsorgane eine Wohnung betreten, um dort ziel- und zweckgerichtet nach einer Person oder pfändbaren Gegenständen zu suchen (vgl. BVerfGE 51, 97 <106 f.>) oder um dem Wohnungsinhaber ein Kind gegen seinen Willen wegzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2017/97 -, Rn. 11).
38Auch in diesen Konstellationen wird das Element des Suchens und damit eine Durchsuchung allerdings verneint, wenn die verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitssphäre nicht beeinträchtigt wird, also weder ein zur Wohnung gehörender Umstand verheimlicht werden soll noch fremde Personen auf das Eigentum des Betroffenen zugreifen (vgl. zur Verpflichtung des Betroffenen, in seiner Wohnung Schallmessungen durch einen Sachverständigen zur Informationsgewinnung zu dulden BVerfGE 75, 318 <327>). Zusammenfassend wird danach das Element des Suchens als nicht gegeben erachtet, wenn der Staat in eine Privatwohnung (bei reinen Geschäfts- und Betriebsräumen bereits einen Eingriff im Rahmen der "Nachschau" unter bestimmten Voraussetzungen verneinend: BVerfGE 32, 54 <75 ff.>; zum Betreten im Rahmen des heutigen Art. 13 Abs. 7 GG bei der Apothekenaufsicht: BVerfGE 17, 232 <251 f.>) zur Informationsgewinnung eindringt, um die Einhaltung geltenden Rechts zu überprüfen.
39Ebenso kann es am Element des Suchens und damit an einer Durchsuchung fehlen, wenn das Betreten der Wohnung lediglich das Mittel ist, um ein bereits ausgemachtes Ziel zu erreichen, das heißt, wenn den staatlichen Organen bereits bekannt ist, auf welchen Gegenstand sich ihre Maßnahme bezieht und an welcher Stelle sich dieser befindet (vgl. BVerfGE 154, 354 <364 Rn. 33> - Betreten von Abgeordnetenräumen). Wenn der direkte Zugriff auf den Gegenstand oder die zu ergreifende Person möglich ist, weil der Aufenthaltsort von vornherein bekannt beziehungsweise von außen sichtbar ist, fehlt es an einer Suche nach etwas Verborgenem.
40(3) Nach diesen Maßstäben liegt grundsätzlich eine Durchsuchung vor, wenn der Betroffene zum Zwecke der Abschiebung in seinem Zimmer einer Gemeinschaftsunterkunft aufgesucht wird, solange vor Beginn der Maßnahme keine sichere Kenntnis über den konkreten Aufenthaltsort der zu ergreifenden Person besteht.
41Denn die zu ergreifende Person wird in ihrem privaten Zimmer und damit in dem besonders geschützten Wohnbereich aufgespürt und ergriffen. Zweck der behördlichen Vollstreckung ist nicht die Informationsgewinnung beziehungsweise Überprüfung geltenden Rechts, sondern ein nicht bekannter Umstand - ob und gegebenenfalls wo konkret sich der zu Ergreifende aufhält - soll ergründet werden. Die Ausländerbehörde und ebenso die (Polizei-)Beamten vor Ort befinden sich im Stadium der Planung einer Abschiebung regelmäßig im Unklaren darüber, ob eine Suchhandlung nötig sein wird; zumindest kann dies zumeist nicht mit der erforderlichen Sicherheit prognostiziert werden (vgl. in diesem Sinne auch -, juris, Rn. 37; Wieser, NVwZ 2022, S. 185 <189 f.>).
42Der Schutzzweck der in Art. 13 Abs. 2 GG garantierten Pflicht, vorab eine richterliche Anordnung einzuholen, ist bei einer Ergreifung im Zimmer einer Gemeinschaftsunterkunft zum Zwecke der Abschiebung einschlägig. Der Richtervorbehalt soll nicht der Reaktion auf eine bereits eingetretene Grundrechtsbeeinträchtigung dienen, sondern begegnet präventiv einem Gefährdungspotenzial (vgl. Wischmeyer, in: Dreier, GG, 4. Aufl. 2023, Art. 13 Rn. 54). Um dieses zu verringern, legt Art. 13 Abs. 2 GG eine einzuhaltende zeitliche Reihenfolge fest: Steht eine Maßnahme bevor, die potenziell zu einer Durchsuchung und damit einem tiefgreifenden Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung führen könnte, muss zuvor im Regelfall eine umfassende richterliche Prüfung erfolgen. Eine solche Prüfung ist nur möglich, wenn die Behörde eine Prognose über den Verlauf und die zu treffenden Maßnahmen vor Beginn des Einsatzes anstellt. Für den Ausnahmefall der Gefahr im Verzug ist eine richterliche Anordnung ausnahmsweise entbehrlich. Eine Gefahr im Verzug im Rechtssinne kann aber nicht dadurch entstehen, dass die Behörden ihre tatsächlichen Voraussetzungen selbst herbeiführen (vgl. BVerfGE 103, 142 <155>; vgl. auch explizit § 58 Abs. 8 Satz 2 AufenthG, wonach die Annahme von Gefahr im Verzug nach Betreten der Wohnung nicht darauf gestützt werden kann, dass der Ausländer nicht angetroffen wird). Es soll nicht so lange mit dem Antrag an den Richter zugewartet werden, bis das Scheitern der Maßnahme tatsächlich eingetreten ist. Der Richtervorbehalt kann seine verfassungsrechtlich verbürgte kompensatorische Rechtsschutzfunktion vielmehr nur erfüllen, wenn die Behörden bereits vor Beginn der Maßnahme und nicht erst während deren Durchführung angehalten sind zu prüfen, ob mit einer Durchsuchung zu rechnen ist. Der präventive Grundrechtsschutz, welchen Art. 13 Abs. 2 GG gewährleistet, würde andernfalls bei Abschiebungen nahezu leerlaufen (vgl. auch Linz, Asylmagazin 12/2023, S. 399 <402>).
43Demgegenüber bildet die Auslegung des Durchsuchungsbegriffs durch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG 1 C 10.22 -, BVerwGE 179, 135 Rn. 16 ff.), welche nach dem jeweiligen Verlauf - zudem in einer Rückschau - auf das äußere Erscheinungsbild der Maßnahme abstellt, kein tragfähiges, zuverlässiges Kriterium für die Abgrenzung einer Durchsuchung von einem Betreten. Eine tatsächlich vorgenommene und nach außen als solche erkennbare physische, also qualifizierte Suchhandlung zu fordern, führt zu zufälligen Ergebnissen, was mit dem Schutzzweck des Richtervorbehalts nach Art. 13 Abs. 2 GG unvereinbar ist (vgl. auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 3-3000-206/19, S. 6).Denn am Element des Suchens kann es nicht deshalb fehlen, weil etwas (wie z.B. ein Aktenordner auf einem Regal) in den Räumlichkeiten offen zu sehen ist. Ansonsten hätte es der Betroffene auch in gewisser Weise durch sein Verhalten in der Hand, noch während der laufenden Maßnahme den Richtervorbehalt auszulösen. Es darf insgesamt nicht vom Zufall der vorgefundenen Situation abhängen, ob der durch den Richtervorbehalt angestrebte präventive Schutz erforderlich ist.
44Darauf abzustellen, welche privaten Umstände staatliche Stellen in einer Wohnung in welchem Maße zur Kenntnis nehmen, ist ebenfalls kein taugliches Abgrenzungskriterium mit Blick auf Art. 13 Abs. 2 GG. Dies wird nicht hinreichend deutlich, wenn das Bundesverwaltungsgericht im obengenannten Urteil vom ausführt, dass die beim Betreten unvermeidliche Kenntnisnahme von Personen, Sachen und Zuständen einen Eingriff in die Wohnungsfreiheit noch nicht zu einer Durchsuchung mache. Ein solches Verständnis führt zu einer Abgrenzung des Betretens und der Durchsuchung anhand des Grades der Kenntnisnahme im Laufe der Maßnahme und nicht - wie geboten - vor deren Beginn. Dies widerspricht dem stufenlosen Schutz der räumlichen Sphäre aus Art. 13 Abs. 1 GG, der nicht erst greift, wenn die Kenntnisnahme ein bestimmtes Niveau erreicht oder besonders persönlichkeitsrelevante Sachverhalte betrifft. Im Gegenteil ist grundsätzlich alles, was sich innerhalb der als Wohnung geschützten Sphäre befindet, vor dem Zugriff des ausforschenden Staates geschützt, solange nicht der Berechtigte den Schutz freiwillig aufgibt (vgl. Berger, in: von Münch/Kunig, GG, 8. Aufl. 2025, Art. 13 Rn. 40). Überdies ist die Praktikabilität dieses Kriteriums fraglich, weil der Richtervorbehalt eine klare Abgrenzbarkeit verlangt. Das Bundesverwaltungsgericht lässt offen, wann in diesen Fällen eine bloße Kenntnisnahme in eine Durchsuchung umschlagen soll.
45(4) Von diesen verfassungsrechtlich gebotenen Maßstäben ausgehend handelt es sich vorliegend um eine Durchsuchung. Insbesondere fehlt es nicht am Element des Suchens nach etwas Verborgenem.
46Den hier eingesetzten Polizeibeamten war bis zum Aufbrechen der Zimmertür nicht bekannt, ob sich der Beschwerdeführer überhaupt zum Beginn der Maßnahme im Zimmer der Gemeinschaftsunterkunft aufhielt und schon gar nicht, wo konkret in diesem Zimmer; der Umstand, dass Geräusche aus dem Zimmer zu hören waren, die dem Beschwerdeführer offenbar nicht eindeutig zuzuordnen waren, ändert daran nichts. Vielmehr erfolgte das Betreten, um die ausreisepflichtige Person in ihrem Zimmer der Unterkunft aufzuspüren und zu ergreifen. Zu erkunden, ob und gegebenenfalls wo konkret sich die betroffene Person in der Wohnung befindet, ist dabei auch nicht nur eine bei Gelegenheit wahrgenommene Information, wie es für behördliche Besichtigungs- und Betretungsrechte typisch ist (vgl. so auch generell: Franke/Kerkemeyer, NVwZ 2020, S. 760 <763 f.>). Die Intensität des Grundrechtseingriffes ist gleichfalls nicht mit der bloßen Informationsgewinnung gleichzusetzen, denn es wird auf einen zur Wohnung gehörenden Umstand in einer Weise - unangekündigt - zugegriffen, welche in der Lage ist, die der freien Persönlichkeitsentfaltung dienende Sphäre erheblich zu beeinträchtigen.
47Da der konkrete Aufenthaltsort des Beschwerdeführers hier nicht vorab bekannt war, kommt es von Verfassungs wegen auch nicht darauf an, dass nach den tatsächlichen Feststellungen unklar bleibt, ob sich der Beschwerdeführer unter seiner Bettdecke verborgen hielt beziehungsweise ob er im gemeinsam bewohnten Zimmer im Hinblick auf den ebenfalls anwesenden Mitbewohner unmittelbar identifiziert werden konnte.
48b) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom verfehlt die Anforderungen des Art. 13 Abs. 2 GG, indem es das Verhalten der Polizeibeamten nicht als Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG einstuft. Damit verkennt es, dass hierfür eine richterliche Anordnung erforderlich gewesen wäre.
49Nichts anderes folgt daraus, dass das Oberverwaltungsgericht zur Einordnung der Maßnahme vom auf das BVerwG 1 C 10.22 - zurückgreift. Ob die dort angegriffene Maßnahme als Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG anzusehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.
503. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom ist gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
II.
51Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
521. Die Beschlüsse des BVerwG 1 B 20.24 - und vom - BVerwG 1 B 3.25 (1 B 20.24) - sind als Folge der Aufhebung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gegenstandslos (vgl. BVerfGE 76, 143 <144, 170>).
532. Soweit der Beschwerdeführer die weiteren polizeilichen Maßnahmen in seinem Unterkunftszimmer - Einbehaltung von Kopfhörer, Mobiltelefon und Portemonnaie - angreift, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sein Vortrag insoweit nicht hinreichend substantiiert ist.
543. Soweit die Verfassungsbeschwerde schließlich mittelbar § 58 Abs. 5 Satz 1 AufenthG angreift, ist sie offensichtlich unzulässig. Eine Beschwer des Beschwerdeführers durch diese Norm ist nicht ersichtlich, weil sie für den vorliegenden Sachverhalt nicht entscheidungsrelevant ist. Das Aufenthaltsgesetz sieht für Maßnahmen nach § 58 Abs. 5 AufenthG - das Betreten einer Wohnung zum Zweck der Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers - keinen Richtervorbehalt vor. Daher kann die angegriffene Maßnahme, die eine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG darstellt, auf diese Ermächtigungsgrundlage nicht gestützt werden.
III.
55Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Soweit die Verfassungsbeschwerde erfolglos geblieben ist, ist dies nur von untergeordneter Bedeutung und begründet daher eine Beschränkung der Kostenerstattung nicht (vgl. BVerfGE 86, 90 <122>; 136, 338 <382 Rn. 98>). Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ergibt sich aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und berücksichtigt die objektive Bedeutung der Sache.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250930.2bvr046025
Fundstelle(n):
KAAAK-04790