Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 – Zollkodex der Gemeinschaften – Art. 29 – Zollwert der Waren – Bestimmung – Zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Union verkaufte Waren – Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 – Art. 147 – Aufeinanderfolgende Verkäufe
Leitsatz
Art. 29 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 147 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1762/95 der Kommission vom geänderten Fassung
sind dahin auszulegen, dass
in Fällen, in denen Waren Gegenstand zweier Verkäufe waren, bevor sie zur Überführung in das Zolllagerverfahren oder in den zollrechtlich freien Verkehr in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht wurden, der erste Verkauf nicht als mit Bestimmung der Waren für das Zollgebiet der Union abgeschlossen betrachtet werden kann, wenn zum Zeitpunkt dieses ersten Verkaufs lediglich feststand, dass die Waren zur Verbringung in dieses Gebiet bestimmt waren, ihr endgültiger Vermarktungsort aber noch nicht festgelegt war.
Gesetze: VO (EWG) Nr. 2913/92 Art. 29 Abs. 1, VO (EWG) Nr. 2454/93 Art. 147 Abs. 1, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 70 Abs. 1, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 288 Abs. 2
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 29 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Gemeinschaften), Art. 147 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1993, L 253, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1762/95 der Kommission vom (ABl. 1995, L 171, S. 8) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2454/93) und Art. 70 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Union).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Grupo Massimo Dutti SA (im Folgenden: Massimo Dutti) und der Agencia Estatal de la Administración Tributaria (Steuerverwaltung, Spanien) über die Bestimmung des Zollwerts bestimmter Waren.
Rechtlicher Rahmen
Zollkodex der Gemeinschaften
3 Art. 29 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften, der zu Kapitel 3 („Zollwert der Waren“) in Titel II („Grundlagen für die Erhebung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie für die Anwendung der sonstigen im Warenverkehr vorgesehenen Maßnahmen“) des Zollkodex gehörte, sah vor:
„Der Zollwert eingeführter Waren ist der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der [Europäischen Union] tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung …“
Verordnung Nr. 2454/93
4 In Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 2454/93 hieß es:
„Für die Anwendung des Artikels 29 des Zollkodex [der Gemeinschaften] wird die Tatsache, dass Waren, die Gegenstand eines Verkaufs sind, zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der [Union] angemeldet werden, als ausreichendes Indiz dafür angesehen, dass sie zum Zweck der Ausfuhr in das Zollgebiet der [Union] verkauft wurden. Dies gilt bei aufeinanderfolgenden Verkäufen vor der Bewertung im Hinblick auf den letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der [Union] geführt hat, oder sofern es sich um einen Verkauf im Zollgebiet der [Union] vor der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr handelt.
Bei der Anmeldung eines Preises aus einem Verkauf, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der [Union] geführt hat, vorausgeht, ist den Zollbehörden nachzuweisen, dass dieser Verkauf von Waren mit Bestimmung für das genannte Gebiet abgeschlossen wurde.“
Zollkodex der Union
5 Art. 70 Abs. 1 des Zollkodex der Union lautet:
„Die vorrangige Grundlage für den Zollwert von Waren ist der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der erforderlichenfalls anzupassen ist.“
6 Gemäß Art. 288 Abs. 2 dieses Kodex ist Art. 70 seit anwendbar.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
7 Massimo Dutti ist eine Gesellschaft, deren Haupttätigkeit im Vertrieb von Modeartikeln besteht. Diese Waren werden in asiatischen Ländern erzeugt und von den Herstellern an die in der Schweiz ansässige ITX TRADING S.A. (im Folgenden: ITX) verkauft (im Folgenden: erster Verkauf). ITX verkauft die Waren in der Folge an Massimo Dutti (im Folgenden: zweiter Verkauf).
8 Im Anschluss an den zweiten Verkauf werden die Waren aus dem Herstellerland direkt nach Spanien geliefert. Der Großteil der Waren wird in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt, während ein anderer Teil in das Zolllagerverfahren übergeführt wird. Die in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten Waren werden entweder in der Union vermarktet oder in Drittländer ausgeführt. Die Etiketten ermöglichen die Vermarktung der Waren in verschiedenen Ländern.
9 Für die Jahre 2014 und 2015 meldete Massimo Dutti als Zollwert den Wert an, den die asiatischen Hersteller ITX in Rechnung gestellt hatten, also den Preis, zu dem der erste Verkauf abgeschlossen wurde.
10 Die Steuerverwaltung vertrat die Ansicht, dass der erste Verkauf nicht mit Bestimmung für das Zollgebiet der Union abgeschlossen worden sei. Daher sei für den Zollwert der Verkauf maßgeblich, mit dem die Waren tatsächlich in die Union eingeführt worden seien, also der zweite Verkauf.
11 Die Steuerverwaltung erließ daher für die Jahre 2014 und 2015 Steuerbescheide, mit denen in Bezug auf Massimo Dutti eine Steuerberichtigung vorgenommen wurde.
12 Massimo Dutti focht diese Bescheide vor dem Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrale Rechtsbehelfsbehörde in Verwaltungssachen, Spanien) an, das die gegen die Steuerberichtigung gerichteten Rechtsbehelfe mit Entscheidung vom abwies.
13 Gegen diese Entscheidung erhob Massimo Dutti Klage bei der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien), die diese mit Urteil vom abwies.
14 Nach Ansicht der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) reichte der Umstand, dass die Waren beim ersten Verkauf für die Union bestimmt waren, nicht aus, da aufgrund ihrer Etikettierung eine Wiederausfuhr in Drittländer möglich gewesen sei.
15 Massimo Dutti legte beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien), dem vorlegenden Gericht, Kassationsbeschwerde ein.
16 Dieses führt zum Sachverhalt des Ausgangsverfahrens aus, dass die betreffenden Waren zum Teil in den zollrechtlich freien Verkehr und zum Teil in das Zolllagerverfahren übergeführt worden seien, wobei die ins Zolllagerverfahren übergeführten Waren im Anschluss in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt oder erneut exportiert werden konnten. Ob Waren in den zollrechtlich freien Verkehr oder ins Zolllagerverfahren übergeführt wurden, sei von der Gewährung der Präferenzbehandlung zum Zeitpunkt des Verbringens der Waren in das Zollgebiet der Union abhängig gewesen.
17 Das vorlegende Gericht fragt sich deshalb u.a., ob die Wendung „Ausfuhr in das Zollgebiet der [Union]“ in Art. 29 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 147 der Verordnung Nr. 2454/93 im Sinne eines physischen und geografischen Verbringens dieser Waren in dieses Zollgebiet zu verstehen ist oder aber als Verbringen der Waren in den Markt der Union im wirtschaftlichen und kommerziellen Sinn. Es möchte insbesondere wissen, ob es für den Nachweis, dass ein Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union erfolgt ist, ausreicht, dass zum Zeitpunkt des Verkaufs die Verbringung der Waren in dieses Gebiet feststeht, unabhängig vom Zollverfahren, in das sie in der Folge übergeführt werden, und unabhängig von ihrer endgültigen Bestimmung, oder ob die Ausfuhr zwingend zur Vermarktung dieser Waren auf dem Unionsmarkt erfolgen muss.
18 Vor diesem Hintergrund hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind bei der Regelung für aufeinanderfolgende Verkäufe zur Bestimmung des Zollwerts der Waren – als Transaktionswert – die Wendungen „Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft“ in Art. 29 des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 70 Abs. 1 des Zollkodex der Union oder „mit Bestimmung für das genannte Gebiet“ in Art. 147 der Verordnung Nr. 2454/93 dahin auszulegen, dass das bloße Verbringen der Waren in das Gebiet der Gemeinschaft im Sinne eines geografischen Gebiets auf der Grundlage eines Kaufvertrags unabhängig vom Zollverfahren, in das die Waren später übergeführt werden, und unabhängig von ihrer endgültigen Bestimmung ausreicht, ohne dass verlangt wird, dass die Waren im Gebiet der Europäischen Union vermarktet werden?
Oder muss nachgewiesen werden, dass die Ausfuhr für den Markt der Europäischen Union bestimmt war, damit anerkannt werden kann, dass der Verkauf „mit Bestimmung für das genannte Gebiet“ erfolgt ist?
Zu den Vorlagefragen
19 Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Er hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. Urteile vom , Krüger, C‑334/95, EU:C:1997:378, Rn. 22 und 23, sowie vom , Alphabet u.a., C‑233/23, EU:C:2025:110, Rn. 33).
20 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen und den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren nach dem zweiten Verkauf – dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Union geführt hat – physisch in dieses Zollgebiet verbracht wurden, sei es durch Überführung ins Zolllagerverfahren oder durch Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, und dass es sich bei dem Preis, auf dessen Grundlage die Anmeldung des Zollwerts dieser Waren erfolgt ist, um den Preis handelt, zu dem der dem zweiten Verkauf vorangehende erste Verkauf abgeschlossen wurde. Außerdem steht fest, dass die Steuerverwaltung durch ihre Steuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 die Heranziehung dieses Preises für die Bestimmung des Zollwerts der Waren beanstandet und davon ausgeht, dass der Transaktionswert beim zweiten Verkauf heranzuziehen sei.
21 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 288 des Zollkodex der Union dessen Art. 70 ab dem gilt, während die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerbescheide die Jahre 2014 und 2015 betreffen. Das Vorabentscheidungsersuchen bezieht sich folglich auf Vorgänge vor Anwendbarkeit dieser Bestimmung. Obwohl diese Bestimmung zu denjenigen zählt, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ausdrücklich ersucht, dienen seine Vorlagefragen also ausschließlich dazu, zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen gemäß Art. 29 des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 147 der Verordnung Nr. 2454/93 der Transaktionswert der betreffenden Waren zum Zeitpunkt des Verkaufs berücksichtigt werden kann, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Union geführt hat, voranging.
22 Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen beiden Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 29 des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 147 der Verordnung Nr. 2454/93 dahin auszulegen sind, dass in Fällen, in denen Waren Gegenstand zweier Verkäufe waren, bevor sie zur Überführung in das Zolllagerverfahren oder in den zollrechtlich freien Verkehr in das Zollgebiet der Union verbracht wurden, der erste Verkauf nicht als mit Bestimmung der Waren für das Zollgebiet der Union abgeschlossen betrachtet werden kann, wenn zum Zeitpunkt dieses ersten Verkaufs lediglich feststand, dass die Waren zur Verbringung in dieses Gebiet bestimmt waren, ihr endgültiger Vermarktungsort aber noch nicht festgelegt war.
23 Nach ständiger Rechtsprechung soll mit der Zollwertregelung der Union ein gerechtes, einheitliches und neutrales System geschaffen werden, das die Anwendung willkürlicher oder fiktiver Zollwerte ausschließt. Der Zollwert muss daher den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln, wobei der Zollwert eingeführter Waren vorrangig nach der sogenannten Transaktionswertmethode zu ermitteln ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , 5th AVENUE Products Trading, C‑775/19, EU:C:2020:948, Rn. 22 und 24, sowie vom , Tauritus, C‑782/23, EU:C:2025:353, Rn. 51 und 54).
24 Diese Methode wird in Art. 29 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften beschrieben, nach dem der Zollwert eingeführter Waren der Transaktionswert ist, d.h. der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung.
25 Dem Wortlaut dieser Vorschrift, insbesondere dem Ausdruck „Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der [Union]“, ist zu entnehmen, dass der Transaktionswert einem Preis zur Ausfuhr in die Union entsprechen muss. Es muss somit im Zeitpunkt des Verkaufs feststehen, dass die Waren aus einem Drittland in das Zollgebiet der Union verbracht werden (vgl. Urteile vom , Unifert, C‑11/89, EU:C:1990:237, Rn. 11, und vom , LS Customs Services, C‑46/16, EU:C:2017:839, Rn. 27).
26 Für die Anwendung dieser Bestimmung sieht Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 2454/93 vor, dass die Tatsache, dass Waren, die Gegenstand eines Verkaufs sind, zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Union angemeldet werden, als ausreichendes Indiz dafür angesehen wird, dass sie zum Zweck der Ausfuhr in das Zollgebiet der Union verkauft wurden. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung gilt dies bei aufeinanderfolgenden Verkäufen vor der Bewertung im Hinblick auf den letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in dieses Zollgebiet geführt hat, oder sofern es sich um einen Verkauf in diesem Zollgebiet vor der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr handelt. Dagegen sieht Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2454/93 vor, dass bei der Anmeldung eines Preises aus einem Verkauf, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Union geführt hat, vorausgeht, den Zollbehörden nachzuweisen ist, dass dieser Verkauf von Waren mit Bestimmung für das genannte Gebiet abgeschlossen wurde.
27 Kommt also dieser Unterabs. 2 zur Anwendung, ist nachzuweisen, dass der entsprechende Verkauf mit Bestimmung für das Zollgebiet der Union abgeschlossen wurde.
28 Im Unterschied zu Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2454/93 stellt die Verbringung von Waren in das Zollgebiet der Union gemäß Unterabs. 2 dieser Bestimmung nämlich kein ausreichendes Indiz dafür dar, dass es sich bei dem Verkauf, um den es in dieser Vorschrift geht, um einen mit Bestimmung für das Zollgebiet der Union abgeschlossenen Verkauf handelt. Um nachzuweisen, dass der Verkauf, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Union geführt hat, vorausgeht, mit Bestimmung für dieses Zollgebiet abgeschlossen wurde, müssen folglich Nachweise erbracht werden, die über ein bloßes Indiz hinausgehen, dass diese Waren in das Zollgebiet im Sinne eines geografischen Gebiets verbracht wurden.
29 Insoweit muss zwar für die Anwendung von Art. 29 des Zollkodex der Gemeinschaften im Zeitpunkt des Verkaufs feststehen, dass die Waren aus einem Drittland in das Zollgebiet der Union verbracht werden, jedoch hat der Gerichtshof klargestellt, dass, da der Preis einer Ware in einer bestimmten Zollzone der Marktsituation in dieser Zone entspricht, ein Preis für die Ausfuhr einer Ware in ein Drittland nicht zwingend dem Preis entspricht, der für die Ausfuhr derselben Ware in das Zollgebiet der Union festgesetzt worden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , LS Customs Services, C‑46/16, EU:C:2017:839, Rn. 27 und 31).
30 Selbst wenn zum Zeitpunkt des Verkaufs, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Union geführt hat, vorausgeht, feststeht, dass diese Waren in die Union geliefert und in dieses Zollgebiet verbracht werden, reichen diese Anhaltspunkte daher nicht aus, um den Preis, zu dem der erste Verkauf abgeschlossen wurde, als Zollwert heranzuziehen. Zwar können diese Anhaltspunkte zum Nachweis beitragen, dass dieser Verkauf der Waren mit Bestimmung für das genannte Gebiet abgeschlossen wurde, doch müssen sie untermauert werden, um zweifelsfrei zu bestätigen, dass die Waren in diesem Zollgebiet vermarktet werden sollten.
31 Der Nachweis, dass ein solcher Verkauf mit Bestimmung der Waren für das Zollgebiet der Union abgeschlossen wurde, ist jedoch nicht erbracht, wenn zum Zeitpunkt des Verkaufs der kommerzielle Bestimmungsort der Waren nicht bekannt war und ihre vorgesehene Verbringung in dieses Zollgebiet nur in Erwartung einer Entscheidung über ihre endgültige Bestimmung erfolgen sollte.
32 Da der gemäß Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2454/93 erforderliche Nachweis die Situation zum Zeitpunkt des Verkaufs betrifft, können Anhaltspunkte, die sich aus nach dem Abschluss dieses Verkaufs eingetretenen Umständen ergeben, zwar im Einzelfall Rückschlüsse auf diese Situation ermöglichen, sind aber grundsätzlich nicht maßgeblich. Dies gilt insbesondere für die tatsächliche Verbringung der betreffenden Waren in das Zollgebiet der Union, für ihre Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr oder umgekehrt für ihre Wiederausfuhr in ein Drittland. In den von dieser Vorschrift erfassten Fällen kann aufgrund dieser Anhaltspunkte nämlich nicht geschlossen oder ausgeschlossen werden, dass der unter diese Vorschrift fallende Verkauf mit Bestimmung der Waren für dieses Zollgebiet abgeschlossen wurde.
33 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 29 des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 147 der Verordnung Nr. 2454/93 dahin auszulegen sind, dass in Fällen, in denen Waren Gegenstand zweier Verkäufe waren, bevor sie zur Überführung in das Zolllagerverfahren oder in den zollrechtlich freien Verkehr in das Zollgebiet der Union verbracht wurden, der erste Verkauf nicht als mit Bestimmung der Waren für das Zollgebiet der Union abgeschlossen betrachtet werden kann, wenn zum Zeitpunkt dieses ersten Verkaufs lediglich feststand, dass die Waren zur Verbringung in dieses Gebiet bestimmt waren, ihr endgültiger Vermarktungsort aber noch nicht festgelegt war.
Kosten
34 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 29 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 147 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1762/95 der Kommission vom geänderten Fassung
sind dahin auszulegen, dass
in Fällen, in denen Waren Gegenstand zweier Verkäufe waren, bevor sie zur Überführung in das Zolllagerverfahren oder in den zollrechtlich freien Verkehr in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht wurden, der erste Verkauf nicht als mit Bestimmung der Waren für das Zollgebiet der Union abgeschlossen betrachtet werden kann, wenn zum Zeitpunkt dieses ersten Verkaufs lediglich feststand, dass die Waren zur Verbringung in dieses Gebiet bestimmt waren, ihr endgültiger Vermarktungsort aber noch nicht festgelegt war.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:846
Fundstelle(n):
OAAAK-04754