Instanzenzug: Az: 24 U 118/22vorgehend Az: 20 O 492/21
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Er erwarb im November 2014 von der Beklagten einen von dieser hergestellten, gebrauchten Mercedes Benz C 220 Bluetec, der mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.
3Mit der Klage hat der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 25.738,25 € und wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger nur noch seine deliktischen Ansprüche wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs im Wesentlichen weiter und erstrebt damit die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
4Die mit Blick auf die Rechtfertigung des Klageziels aus Delikt uneingeschränkt zugelassene (vgl. VIa ZR 1031/22, DAR 2023, 503 Rn. 5 ff.; Urteil vom - VIa ZR 1713/22, juris Rn. 4) und auch im Übrigen zulässige Revision des Klägers ist begründet.
I.
5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
6Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB scheide aus, weil die Voraussetzungen für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung - das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterstellt - nicht schlüssig behauptet worden seien. Es fehle an einem zu berücksichtigenden Vortrag des Klägers zu einem vorsätzlichen Verhalten von Repräsentanten der Beklagten im Sinne von § 31 BGB. Eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV oder in Verbindung mit Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 oder der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 692/2008 scheiterten bereits daran, dass diese Normen keine Schutzgesetze im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB seien.
II.
7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
81. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB abgelehnt hat. Die Revision erhebt dagegen auch keine konkreten Einwände.
92. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
10Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
11daher im tenorierten Umfang im Umfang der Aufhebung
12Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:111125UVIAZR1446.22.0
Fundstelle(n):
PAAAK-04048