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BGH Urteil v. - III ZR 147/24

Verbandsklage gegen eine AGB-Klausel eines Telekommunikationsunternehmens zur Sperrmitteilung durch den Kunden

Leitsatz

Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Telekommunikationsunternehmens, nach der seine Mobilfunkkunden die missbräuchliche Nutzung oder den Verlust der SIM unter zwingender Angabe eines persönlichen Kennworts zwecks Sperrung der SIM mitzuteilen haben, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Gesetze: § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 1 UKlaG, § 3 UKlaG, § 543 Abs 1 Nr 1 ZPO

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 1 U 4/23vorgehend LG Hanau Az: 9 O 708/22

Tatbestand

1    Der in die Liste qualifizierter Verbraucherverbände nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger nimmt das beklagte Telekommunikationsunternehmen auf Unterlassung und Kostenerstattung in Anspruch.

2    Die Beklagte verwendet in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter anderem folgende Klauseln:

"7. Sperre

7.1    Der Diensteanbieter darf Sprachkommunikationsdienste und Internetzugangsdienste nach Maßgabe des § 61 TKG ganz oder teilweise sperren. […]

8. Verpflichtung und Haftung des Kunden

    […]

8.5    Der Kunde hat dem Diensteanbieter eine missbräuchliche Nutzung oder den Verlust der ihm vom Diensteanbieter zur Verfügung gestellten SIM unter Nennung der Rufnummer und des persönlichen Kennwortes zwecks Sperrung der SIM unverzüglich mitzuteilen. Dies kann insbesondere entweder telefonisch bei der Hotline des Diensteanbieters oder elektronisch im Kundenportal erfolgen.

8.6    Im Falle der unbefugten Drittnutzung oder des Abhandenkommens der SIM bleibt der Kunde zur Zahlung der nutzungsabhängigen Entgelte verpflichtet, die infolge der Benutzung der SIM durch Dritte bis zum Eingang der Mitteilung über die unbefugte Drittnutzung oder das Abhandenkommen angefallen sind, wenn der Kunde die Drittnutzung oder das Abhandenkommen beim Diensteanbieter zu vertreten hat. Dies gilt auch […], […] wenn der Kunde schuldhaft die unverzügliche Mitteilung an den Diensteanbieter unterlässt. […] Bei unverzüglicher Mitteilung haftet der Kunde nur für die bis zum Eingang der Mitteilung geführten Gespräche und nur bis zu 50,00 EUR. Die betragsmäßige Haftungsbegrenzung gilt nicht, wenn der Kunde das Abhandenkommen oder die unbefugte Drittnutzung vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat."

3    Der Kläger hält Satz 1 der Klausel Nr. 8.5 (im Folgenden Klausel Nr. 8.5) für unzulässig. Mit seiner Klage hat er von der Beklagten Unterlassung der Verwendung dieser sowie fünf weiterer Klauseln und die Erstattung einer Kostenpauschale in Höhe von 260 € für die erfolglos gebliebene vorgerichtliche Abmahnung begehrt, die über die in der Klageschrift aufgeführten sechs Klauseln hinaus noch drei weitere Klauseln betraf.

4    Das Landgericht hat der Klage im Hinblick auf zwei Klauseln sowie die Erstattung der Abmahnkostenpauschale in Höhe von 57,78 € (= 2/9 x 260 €) stattgegeben und sie im Übrigen - auch bezüglich der Klausel Nr. 8.5 - abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil auf die Berufung des Klägers teilweise abgeändert und der Klage auch hinsichtlich der vier weiteren Klauseln stattgegeben sowie die Abmahnkostenpauschale in voller Höhe zugesprochen. Mit der vom Berufungsgericht beschränkt zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Klausel Nr. 8.5 sowie der Abmahnkostenpauschale weiter, soweit diese zu mehr als 144,44 € (= 5/9 x 260 €) zugesprochen worden ist.

Gründe

5    Die Revision ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

I.

6    Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung - ausgeführt:

7    Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Klausel Nr. 8.5 aus §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 UKlaG in Verbindung mit §§ 307 ff BGB. Die Regelung in Nr. 8.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sei wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Nach dem Vortrag der Beklagten diene das Erfordernis der Nennung des - vom Berufungsgericht als "PIN" bezeichneten - persönlichen Kennwortes dem Schutz des Mobilfunkkunden vor der Veranlassung der Sperrung der SIM durch einen unbefugten Dritten. Der praktisch viel häufigere Fall sei jedoch die Sperrung der SIM auf Wunsch des Mobilfunkkunden bei Verlust des Mobiltelefons. Für diesen Fall erschwere das Erfordernis der Mitteilung der PIN dem Mobilfunkkunden die Durchsetzung seiner vertraglichen Rechte, ohne dass dies ersichtlich durch berechtigte Interessen der Beklagten gerechtfertigt sei. Viele Mobilfunkkunden erinnerten ihre PIN jedenfalls nicht zuverlässig, weil sie diese nicht ständig gebrauchten und darüber hinaus oftmals eine Vielzahl weiterer PINs und Zugangsnummern nutzten. Um die PIN nennen zu können, müsse der Mobilfunkkunde daher seine Vertragsunterlagen einsehen, was bei Verlust des Mobiltelefons im Urlaub nicht möglich sei. Wegen der Gefahr der unbefugten Nutzung durch Dritte sei zur Wahrung der Interessen des Mobilfunkkunden jedoch eine zügige Sperrung der SIM erforderlich. Die Authentifizierung des die Sperrung Verlangenden könne auch durch die Abfrage anderer Daten - etwa des Wohnorts und des Geburtsdatums des Mobilfunkkunden - erfolgen. Der Vergleich mit der Handhabung der Sperrung von EC-Karten durch Banken spreche nicht gegen, sondern für eine entsprechende Handhabung. Das Mobiltelefon werde von einer großen Anzahl von Mobilfunkkunden auch für die Erledigung von Bankgeschäften und im Zahlungsverkehr genutzt, so dass hier ein vergleichbarer Schutz der Vermögensinteressen des Mobilfunkkunden erforderlich sei. Die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in der jeweiligen Branche rechtfertigten keine unterschiedliche Handhabung.

8    Zudem stehe dem Kläger aus § 5 UKlaG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 UWG ein Anspruch auf Erstattung der vollen Abmahnkostenpauschale zu, weil die Aufwendungen des Klägers nicht nach einem Gegenstandswert oder dem konkreten Aufwand der Abmahnung berechnet würden, sondern auf einer Durchschnittskalkulation beruhten und deshalb auch bei einer nur teilweise berechtigten Abmahnung anfielen. Die Neuregelung des § 13 Abs. 3 UWG ändere an dieser rechtlichen Beurteilung nichts.

II.

9    Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf den hinsichtlich der Klausel Nr. 8.5 geltend gemachten Unterlassungsanspruch beschränkt. Entgegen der Auffassung der Revision erstreckt sich die Zulassung nicht auf die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Aufwendungsersatzanspruch aus § 5 UKlaG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 UWG.

101.    Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision auf den hinsichtlich der Klausel Nr. 8.5 geltend gemachten Unterlassungsanspruch beschränkt. Das folgt zweifelsfrei aus dem Entscheidungssatz des Berufungsurteils, wonach das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, "soweit bezüglich der Klausel 8.5 ein Unterlassungsanspruch zugesprochen wurde. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen." Hinsichtlich des Zulassungsgrundes hat das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen nur ausgeführt, die Frage der Wirksamkeit der Klausel Nr. 8.5 sei von allgemeiner Bedeutung und wegen des Fehlens höchstrichterlicher Rechtsprechung klärungsbedürftig.

11    Entgegen der Auffassung der Revision erstreckt sich die Zulassung der Revision nicht auf die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Erstattungsanspruch aus § 5 UKlaG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 UWG. Der Erstattungsanspruch wird im Berufungsurteil weder in dem die Revisionszulassung betreffenden Teil des Entscheidungssatzes noch bei der Darlegung des Zulassungsgrundes in den Entscheidungsgründen erwähnt. Soweit die Revision darauf hinweist, dass eine beschränkte Revisionszulassung auch ohne ausdrückliche Erwähnung die auf die von der Zulassung erfasste Hauptforderung entfallenden Nebenforderungen umfasse, gilt das nur, soweit Haupt- und Nebenforderungen dergestalt miteinander zu einer Einheit verknüpft sind, dass die Entscheidung über die Nebenforderungen von der Entscheidung über die Hauptforderung abhängt (vgl. , NZM 2022, 110 Rn. 8; MüKo/Krüger, ZPO, 7. Aufl., § 543 Rn. 40). Aus der für die Bestimmung des Umfangs der Revisionszulassung maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts liegt diese Voraussetzung jedoch nicht vor. Vielmehr hat das Berufungsgericht den Erstattungsanspruch unabhängig vom Bestehen des hinsichtlich der Klausel Nr. 8.5 geltend gemachten Unterlassungsanspruchs in voller Höhe für begründet gehalten.

122.    Die Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam.

13    a) Die Zulassung der Revision kann auf einen rechtlich selbständigen und eindeutig abgrenzbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden. Voraussetzung dafür ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Fall einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Es muss sich indessen weder um einen eigenen Streitgegenstand handeln, noch muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz teilurteilsfähig sein (Senat, Urteil vom - III ZR 96/20, NJW-RR 2021, 839 Rn. 12 mwN).

14    b) Nach diesem Maßstab ist bei Verbandsklagen nach §§ 1, 3 UKlaG die Beschränkung der Zulassung der Revision auf eine inhaltlich selbständige Klausel möglich, da diese in der vom Anspruchsgegner konkret verwendeten Fassung zusammen mit dem dazugehörigen Lebenssachverhalt den Streitgegenstand bildet (vgl. Senat, Urteile vom - III ZR 59/24, NJW-RR 2025, 1133 Rn. 16 und vom aaO Rn. 18; jew. mwN). Bei der Regelung in Nr. 8.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten handelt es sich um eine inhaltlich selbständige Klausel. Sie regelt die Mitteilungspflicht des Kunden im Fall der missbräuchlichen Nutzung oder des Verlustes der von der Beklagten zur Verfügung gestellten SIM und ist damit ein selbständiger und eindeutig abgrenzbarer Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den die Zulassung der Revision beschränkt werden kann, ohne dass im Fall einer Zurückverweisung ein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs aufzutreten droht. Das gilt insbesondere auch hinsichtlich der Entscheidung des Berufungsgerichts über den Erstattungsanspruch aus § 5 UKlaG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 UWG. Ein Widerspruch für den Fall einer Zurückverweisung hätte nicht gedroht, weil das Berufungsgericht tragend darauf abgestellt hat, dass die Höhe des Erstattungsanspruchs nicht vom Umfang der Berechtigung der Abmahnung abhängt.

III.

15    Die Beurteilung der Klausel Nr. 8.5 durch das Berufungsgericht hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.

16    Nach § 1 UKlaG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

171.    Das Oberlandesgericht ist zu Recht und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass es sich bei der Klausel Nr. 8.5 um eine von der Beklagten verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt.

182.    Die Klausel Nr. 8.5 ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

19    a) Die Auslegung der Klausel Nr. 8.5, die der Senat selbst vornehmen kann (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom - III ZR 61/24, CR 2025, 549 Rn. 21 mwN), ergibt, dass die Beklagte eine Sperre des Anschlusses nur unter Nennung von Rufnummer und persönlichem Kennwort durchführt.

20    Wie aus der Kapitelüberschrift "8. Verpflichtung und Haftung des Kunden" hervorgeht, regelt die Klausel Nr. 8.5 die Pflicht des Kunden, der Beklagten eine missbräuchliche Nutzung oder den Verlust der ihm von ihr zur Verfügung gestellten SIM unter Nennung der Rufnummer und des persönlichen Kennwortes zwecks Sperrung der SIM unverzüglich mitzuteilen. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Sperrmitteilung soll gewährleisten, dass die Beklagte die SIM schnellstmöglich sperren kann, um einen Missbrauch ihrer Dienste zu unterbinden und die Verursachung weiterer Gebühren zu verhindern. Die weitere Verpflichtung des Kunden zur Nennung von Rufnummer und persönlichem Kennwort dient der Authentifizierung des die Sperrung Verlangenden.

21    Welche Folgen es hat, wenn der Kunde Rufnummer und/oder persönliches Kennwort bei Abgabe einer Sperrmitteilung nicht nennt, wird in der Klausel zwar nicht ausdrücklich geregelt. Gleichwohl folgt aus der Verpflichtung zur Nennung von Rufnummer und persönlichem Kennwort aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners der Beklagten als Kehrseite das Recht der Beklagten, die Sperre zu verweigern, wenn Rufnummer und/oder persönliches Kennwort nicht angegeben werden. Der Umstand, dass die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte eine Sperre der vorliegend in Rede stehenden Sprachkommunikations- und Internetzugangsdienste durchführt, nicht in der Klausel Nr. 8.5, sondern in der Klausel Nr. 7.1 geregelt sind, ändert daran nichts. Aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners der Beklagten lässt sich der Klausel Nr. 7.1 und dem darin enthaltenen Verweis auf § 61 TKG nicht entnehmen, dass die Beklagte neben der Nennung von Rufnummer und persönlichem Kennwort auch andere Authentifizierungsmöglichkeiten für die Durchführung einer Sperre des Anschlusses genügen lässt.

22    b) In dieser Auslegung führt die Klausel Nr. 8.5 zu einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden der Beklagten.

23    aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine Klausel ist in diesem Sinne unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Insoweit bedarf es einer umfassenden Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen, bei der die mit der Abweichung vom dispositiven Recht verbundenen Nachteile für den Vertragspartner, die von einigem Gewicht sein müssen, sowie Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrages zu berücksichtigen sind (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Urteile vom - III ZR 388/23, ZIP 2025, 2245 Rn. 57 f; vom  - III ZR 12/21, NJW-RR 2022, 625 Rn. 43; vom - III ZR 179/20, BGHZ 230, 347 Rn. 54 und vom - III ZR 191/18, NJW-RR 2019, 1072 Rn. 19 mwN).

24    bb) Nach diesem Maßstab werden die Kunden der Beklagten durch die Klausel Nr. 8.5 unangemessen benachteiligt.

25    (1) Allerdings gilt das - für sich betrachtet - nicht für die Pflicht der Kunden, der Beklagten eine missbräuchliche Nutzung oder den Verlust der SIM unverzüglich mitzuteilen. Wenngleich eine derartige Anzeigepflicht für Mobilfunkkunden - anders als für Zahlungsdienstnutzer in Bezug auf Zahlungsinstrumente in § 675l Abs. 1 Satz 2 BGB - gesetzlich nicht geregelt ist, werden Mobilfunkkunden durch die formularmäßige Vereinbarung einer entsprechenden Pflicht nicht unangemessen benachteiligt. Da es sich bei der Erbringung von Mobilfunkdienstleistungen um ein praktisch vollständig technisiertes, anonymes Massengeschäft handelt, nimmt die Beklagte von der konkreten Person des die Mobilfunkdienstleistung Abrufenden keine Kenntnis. Sie kann deshalb nicht beurteilen, ob das Abrufen der Mobilfunkdienstleistung mit Billigung des Kunden erfolgt (vgl. Senat, Urteil vom - III ZR 35/10, BGHZ 188, 351 Rn. 21). Durch die Mitteilung des Kunden wird die Beklagte in die Lage versetzt, die SIM zu sperren, um einen Missbrauch ihrer Dienste zu unterbinden und die Verursachung weiterer Gebühren zu verhindern. Zu verlangen, auf diese Weise dazu beizutragen, dass eine unbefugte Nutzung durch Dritte unterbunden wird, benachteiligt Mobilfunkkunden nicht unangemessen (vgl. Senat aaO; Kropf/Harder in Spindler, Vertragsrecht der Telekommunikationsanbieter, Teil V Rn. 102; Sörup in Heun, Handbuch Telekommunikationsrecht, 2. Aufl., Kap. K Rn. 590). Der Kläger erhebt gegen die Mitteilungspflicht als solche auch keine Einwände.

26    (2) Die Kunden der Beklagten werden jedoch dadurch unangemessen benachteiligt, dass die Mitteilung einer missbräuchlichen Nutzung oder des Verlustes der SIM unter Angabe des persönlichen Kennwortes zu erfolgen hat.

27    (a) Bei der vorzunehmenden Abwägung ist auf Seiten der Kunden der Beklagten das Interesse zu berücksichtigen, den Anschluss im Falle des Abhandenkommens der SIM zügig und unkompliziert sperren lassen zu können, um hierdurch die Nutzung des Mobiltelefons durch unbefugte Dritte zu verhindern. Ohne unverzügliche Einrichtung einer Sperre drohen Kunden erhebliche Nachteile. Neben der Haftung für Gebühren (siehe Klausel Nr. 8.6), die durch die unbefugte Nutzung eines Dritten verursacht werden können, droht die missbräuchliche Nutzung von Diensten, die das Mobilfunktelefon ermöglicht, etwa die Ausführung von Zahlungsdiensten, das Versenden von E-Mails oder Chat-Nachrichten unter dem Namen des Kunden oder das Herunterladen von rechtswidrigen oder gar strafbaren Inhalten.

28    Andererseits liegt das Erfordernis, die Identität desjenigen zu verifizieren, der um die SIM-Sperre ersucht, auch im Interesse des Kunden, um missbräuchliche Sperren durch Dritte zu verhindern.

29    (b) Auf Seiten der Beklagten ist das Interesse zu berücksichtigen sicherzustellen, dass eine Sperre der von ihr angebotenen Sprachkommunikations- und Internetzugangsdienste nur durch Berechtigte veranlasst wird. Dieses Interesse folgt insbesondere daraus, dass die Beklagte im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Sperre Schadensersatzansprüchen ihrer Kunden aus § 69 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 61 Abs. 3 TKG sowie aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Mobilfunkvertrag ausgesetzt sein kann (vgl. BeckOK/Kiparski, Informations- und Medienrecht, , § 61 TKG Rn. 77; Büning/Ditscheid/Rudloff in Geppert/Schütz, Beck’scher TKG-Kommentar, 5. Aufl., § 61 Rn. 93).

30    (c) Die Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen ergibt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ihren Kunden die Nennung des persönlichen Kennwortes zwecks Sperrung der SIM zu verlangen, weil bei der Auferlegung einer solchen Pflicht die Belange der Kunden nicht hinreichend berücksichtigt werden.

31    (aa) Im Ausgangspunkt macht die Revision zwar zu Recht geltend, dass Maßnahmen zur Authentifizierung der die Sperre der SIM begehrenden Person nicht nur dem Interesse der Beklagten an der Vermeidung der Durchführung von Sperren auf Veranlassung unbefugter Dritter entsprechen, sondern auch den Schutz der Kunden vor derartigen Sperren bezweckt. Angesichts der zentralen Bedeutung, die die ständige Verfügbarkeit eines Telekommunikationsanschlusses für die Lebensgestaltung hat (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) und zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts (Telekommunikationsmodernisierungsgesetz), BT-Drucks. 19/26108, S. 294; Senat, Urteil vom - III ZR 98/12, BGHZ 196, 101 Rn. 14, 17; BeckOK/Kiparski aaO Rn. 34), können den Kunden der Beklagten im Fall einer unberechtigten Sperre durch Dritte erhebliche Nachteile drohen. Dass Fälle missbräuchlicher Sperren selten sein mögen, ändert daran nichts.

32    (bb) Durch die konkret in Rede stehende Authentifizierung wird das Interesse der Kunden der Beklagten an einer zügigen und unkomplizierten Sperre indessen unzumutbar beeinträchtigt. Das Erfordernis der Nennung des persönlichen Kennwortes stellt bei der Erwirkung einer Sperre ein Hindernis dar, weil von Mobilfunkkunden nicht erwartet werden kann, angesichts der Vielzahl im Alltag zu verwendender Passwörter sämtliche im Gedächtnis zu behalten (Lorenz, DuD 2013, 220, 223; MüKo/Haertlein, HGB, 5. Aufl., Bd. 6, Teil 1 Kap. E Rn. 97). Zwar können die Kunden grundsätzlich Vorkehrungen treffen, erforderlichenfalls auf das Kennwort zugreifen zu können, etwa indem sie es in verkörperter Form mit sich führen (vgl. Lorenz aaO S. 224; hinsichtlich der Bankkarten-PIN vgl. , BGHZ 160, 308, 319; Baas/Buck-Heeb/Werner in dies., Anlegerschutzgesetze, § 675l BGB Rn. 21; Maihold in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 33 Rn. 276; MüKo/Haertlein aaO). Angesichts der erheblichen Nachteile, die Kunden im Falle des Abhandenkommens der SIM aufgrund der Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung durch Dritte drohen, stellt es jedoch eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn Kunden die Erwirkung einer Sperre des Anschlusses verwehrt wird, weil sie entsprechende Vorkehrungen nicht getroffen haben und deshalb ihr persönliches Kennwort im Zeitpunkt der Sperrmitteilung nicht nennen können. Das gilt umso mehr, als die Beklagte die Möglichkeit hat, auf andere Arten der Authentifizierung - etwa die Beantwortung einer von den Kunden bei der Beklagten hinterlegten Frage nach persönlichen Umständen - zurückzugreifen, die einen mit der Abfrage eines persönlichen Kennwortes vergleichbaren Schutz vor der missbräuchlichen Erwirkung einer Sperre durch unbefugte Dritte bietet, ohne jedoch zugleich das Risiko in sich zu bergen, dass Kunden das Authentifizierungsmerkmal nicht anzugeben vermögen.

33    (cc) Der Einwand der Revision, die Kenntnis des persönlichen Kennwortes beziehungsweise die vom Berufungsgericht festgestellte Gefahr, das Kennwort nicht erinnern zu können oder im Urlaub nicht zur Hand zu haben, unterliege ausschließlich der Risikobeherrschung der Kunden der Beklagten, greift nicht durch. Denn das Risiko besteht nur aufgrund der von der Beklagten vorgegebenen einzigen Art der Authentifizierung. Wie dargelegt, hat die Beklagte jedoch die Möglichkeit, jedenfalls als Alternative auf andere Arten der Authentifizierung zurückzugreifen, die dem Kunden nicht das Abrufen präsenten Wissens ohne Gedächtnisstütze abverlangen.

34    (dd) Ebenso wenig verfängt der Einwand der Revision, die Klausel Nr. 8.5 stimme mit dem gesetzlichen Leitbild zur Sperre im Falle des Verdachts einer missbräuchlichen Nutzung oder Manipulation des Anschlusses überein. Es trifft zwar zu, dass die Kunden der Beklagten aus § 61 Abs. 5 TKG, wonach der Anbieter den Anschluss des Endnutzers bei begründetem Verdacht einer missbräuchlichen Nutzung oder Manipulation sperren "darf", keinen Anspruch auf Einrichtung einer Sperre herleiten können (vgl. BeckOK/Kiparski aaO Rn. 66). Unabhängig von den telekommunikationsrechtlichen Regelungen hat die Beklagte jedoch gemäß § 241 Abs. 2 BGB die Pflicht, auf die Interessen ihrer Kunden Rücksicht zu nehmen. Entsprechend kann sich der Anbieter gegenüber dem Endnutzer gemäß § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig machen, wenn er im Missbrauchsfall keine Sperrung durchgeführt hat und dem Endnutzer hierdurch ein Schaden entstanden ist (BeckOK/Kiparski aaO). Mit der Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB ist es nicht vereinbar, dass die Beklagte den Anschluss in Fällen, in denen Kunden ihre SIM abhandengekommen ist, sie ihr persönliches Kennwort aber nicht nennen können, nicht sperrt, obwohl den Kunden ohne Sperre erhebliche Nachteile drohen und der Beklagten der Rückgriff auf andere Arten der Authentifizierung möglich ist, um der Gefahr missbräuchlicher Sperren durch unbefugte Dritte vorzubeugen.

35    (ee) Unabhängig davon, dass sich das Interesse der Kunden an einer zügigen und unkomplizierten Sperre bei Abhandenkommen der SIM nicht nur aus der drohenden Haftung für die durch eine unbefugte Drittnutzung verursachten Gebühren, sondern auch aus der missbräuchlichen Nutzung von durch das Mobilfunktelefon ermöglichten Diensten ergibt (siehe oben [a]), vermag der Senat der von der Beklagten in der mündlichen Revisionsverhandlung vertretenen Auffassung nicht zu folgen, dass Kunden, die entgegen der Vorgabe der Klausel Nr. 8.5 ihr persönliches Kennwort nicht nennen können, keiner Haftung nach Maßgabe der Klausel Nr. 8.6 unterlägen. Aus dem unmittelbaren inhaltlichen und systematischen Zusammenhang der Klauseln Nr. 8.5 und Nr. 8.6 sowie der sprachlichen Kohärenz von Substantiv und Verb folgt - nicht erst bei der im Unterlassungsklageverfahren maßgeblichen (vgl. zB Senat, Urteil vom aaO Rn. 22 mwN) kundenfeindlichsten Auslegung -, dass die Begriffe "mitzuteilen" und "Mitteilung" in beiden Klauseln einheitlich auszulegen sind und daher unter "Mitteilung" im Sinne der Klausel Nr. 8.6 - anknüpfend an das Verb "mitzuteilen" in Klausel Nr. 8.5 - eine solche unter Nennung von Rufnummer und persönlichem Kennwort zu verstehen ist. Wird der Beklagten in Klausel Nr. 8.5 das Recht eingeräumt, die Sperre des Anschlusses zu verweigern, wenn der die Sperre Verlangende Rufnummer und/oder persönliches Kennwort nicht nennt, ist es nur folgerichtig, dass der Kunde nach Satz 1 der Klausel Nr. 8.6 weiterhin für die nutzungsabhängigen Entgelte haftet, die bei einer von der Beklagten hiernach verweigerten Sperre durch eine Nutzung des Mobilfunkanschlusses durch unbefugte Dritte entstehen.

36    Auch der Auffassung der Revision, es fehle im Falle des vergessenen oder verloren gegangenen Kennwortes an einem schuldhaften Unterlassen der Mitteilung im Sinne von Satz 2 der Klausel Nr. 8.6, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls liegt vielmehr oft ein schuldhaftes, nämlich mindestens fahrlässiges Unterlassen der Mitteilung im Sinne von Satz 2 der Klausel Nr. 8.6 nahe, wenn der Kunde sein persönliches Kennwort vergessen oder verloren hat.

37    (d) Der Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB hat zur Folge, dass die Klausel Nr. 8.5 insgesamt unwirksam ist. Anders als die Revision meint, kann die Regelung nicht unter Streichung der Worte "und des persönlichen Kennwortes" dahingehend reduziert werden, dass der Kunde verpflichtet ist, dem Diensteanbieter eine missbräuchliche Nutzung oder den Verlust der ihm vom Diensteanbieter zur Verfügung gestellten SIM unter Nennung der Rufnummer zwecks Sperrung der SIM unverzüglich mitzuteilen. Eine geltungserhaltende Reduktion kommt nicht in Betracht (vgl. zB Senat, Urteil vom - III ZR 263/20, MDR 2022, 892 Rn. 35; , BGHZ 231, 215 Rn. 51; jew. mwN). Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch nicht der Fall der Aufrechterhaltung einer teilbaren Klausel vor (sogenannter blue-pencil-test, vgl. Senat, Urteil vom - III ZR 426/23, BGHZ 243, 264 Rn. 46 mwN). Denn das setzt voraus, dass die betreffende Klausel zwei selbständige Teilregelungen enthält, die für sich genommen mit einem sinnvollen Regelungsgehalt bestehen können (BeckOK/Schmidt, BGB, , § 306 Rn. 28). Die Worte "und des persönlichen Kennwortes" beinhalten jedoch keinen eigenständigen Regelungsgehalt.

Herrmann                                  Kessen                                  Herr

                          Liepin                                  Ostwaldt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:231025UIIIZR147.24.0

Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 9 Nr. 49
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2025 S. 2984
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2025 S. 2984
ZIP 2025 S. 4 Nr. 44
GAAAK-04038